Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2013, Az. 1 StR 374/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3035

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 374/13
vom
4. September 2013
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen
zu 1.: gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels
u.a.

zu 2.: gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels

-
2
-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. September 2013 be-schlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landge-richts Hamburg vom 4.
März 2013 werden als unbegründet ver-worfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten

C.

wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten

S.

hat es wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verur-teilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die geständigen Angeklagten jeweils mit auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen. Dabei macht der Angeklagte

C.

insbesondere geltend, dem Steuerfiskus sei kein Schaden entstanden; der Angeklagte

S.

beruft sich auf das Verfah-renshindernis des Strafklageverbrauchs.
1
-
3
-
Die Revisionen haben keinen Erfolg, denn die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
I. Zur Revision des Angeklagten

C.

1.
Der Angeklagte

C.

beanstandet seine Verurteilung wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels (§
373 Abs. 1, Abs.
2 Nr.
3 AO). Er macht geltend, eine Strafbarkeit wegen Schmuggels und eine solche wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer (§
370 Abs. 1 AO, §
27 StGB) könnten bei ihm nicht kumulativ vorliegen, weil die Einfuhrumsatzsteuer, auf deren Hinterziehung sich die Verurteilung wegen Schmuggels beziehe, bei der Umsatzsteuer wieder als Vorsteuer abgezogen werden könne. Nach Art. 168 Buchst.
e der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl.
EU 2006 Nr.
L 347, 1, berichtigt
ABl. EU 2007 Nr.
L
335, 60 (im Folgenden: Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) sei die tatsächliche Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer entgegen §
15 Abs.
1 Nr.
2 UStG keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Dem Steuerfiskus sei daher kein Schaden entstanden.
2.
Die Auffassung des Angeklagten

C.

trifft nicht zu. Die Mög-lichkeit eines Vorsteuerabzugs gemäß §
15 Abs.
1 Satz
1
Nr.
2 UStG stand seiner Strafbarkeit wegen Schmuggels (§
373 AO) auch hinsichtlich der Ein-fuhrumsatzsteuer nicht entgegen. Diese war entstanden, nicht erloschen und wurde durch die Tathandlung des Angeklagten verkürzt. Für den von ihm bei der Einfuhr ebenfalls hinterzogenen Zoll bestand ohnehin kein Vorsteuerabzug.

2
3
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5
-
4
-
a)
Allerdings trifft es zu, dass gemäß Art.
168 Buchst.
e der Mehrwert-steuer-Systemrichtlinie das Recht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vor-steuer nicht erst entsteht, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet wird, son-dern bereits dann, wenn sie für die Einfuhr geschuldet wird, also noch zu ent-richten ist.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 29.
März 2012 bezogen auf Art.
17 Abs.
2 Buchst.
b der bis zum Inkrafttreten der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie geltenden Richtlinie 77/388/EWG des Ra-tes vom 17.
Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitglied-staaten über die Umsatzsteuern -
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: ein-heitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. EG 1977 Nr.
L
145, 1) ausdrücklich klargestellt, dass das Vorsteuerabzugsrecht integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und zur Gewährleistung der steuerli-chen Neutralität der Mehrwertsteuer für die gesamte Steuerbelastung der vo-rausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann (EuGH, Urteil vom 29.
März 2012 in der Rechtssache C-414/10 -
Véleclair SA, Rn.
27, DStR 2012, 697). Unionsrechtlich ist damit zwar nicht die Entrichtung der Einfuhrumsatz-steuer Voraussetzung für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug; nach Art.
178 Buchst.
e der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ist aber bei der Einfuhr Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzt, das ihn als Empfänger der Liefe-rung oder Importeur ausweist und den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer auswei

26). Die Vor-schrift des §
15 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 UStG, die für die Einfuhrumsatzsteuer den Vorsteuerabzug bisher von deren Entrichtung abhängig gemacht hat, hat der Gesetzgeber auf das genannte Urteil
des EuGH hin durch das Amtshilferichtli-nie-Umsetzungsgesetz mit Wirkung vom 30. Juni 2013 dahin abgeändert, dass 6
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-
5
-
das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer für das Entstehen des Rechts auf Vor-steuerabzug genügt (BGBl. I 2013, 1809, 1833).
b) Entgegen der Auffassung des Angeklagten stand das Recht, die bei der Einfuhr entstandene Einfuhrumsatzsteuer auch ohne ihre vorherige Entrich-tung sofort als Vorsteuer geltend zu machen, einer Strafbarkeit wegen Schmuggels nicht entgegen. Denn das Vorsteuerabzugsrecht lässt die bei der Einfuhr entstandene Einfuhrumsatzsteuer unberührt; sie bleibt bis zur Entrich-tung bestehen. Die Einfuhrumsatzsteuer konnte daher auch durch die Tat des Angeklagten verkürzt werden. Es fehlt somit nicht an einem tatbestandlichen Verkürzungserfolg.
Dem steht nicht entgegen, dass es sich auch bei der Einfuhrumsatzsteu-er um Umsatzsteuer handelt (§
1 Abs.
1 Nr.
4 UStG). Zwar bilden bei der Be-rechnung und Festsetzung der Umsatzsteuer die nach §
16 Abs.
1 UStG be-rechnete Umsatzsteuer und die Summe der abziehbaren Vorsteuern unselb-ständige Besteuerungsgrundlagen, deren Saldo die für den Besteuerungszeit-raum zu berechnende Steuer gemäß §
18 Abs.
1 UStG darstellt (vgl. BGH, Ur-teil vom 1. Februar 1989 -
3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102). Dies berührt die entstandene Einfuhrumsatzsteuer jedoch nicht; denn diese wird nicht im Be-steuerungsverfahren nach §
18 UStG festgesetzt, sondern nach den Vorschrif-ten des Zollrechts in einem Zollverfahren (§
21 Abs.
2 UStG, Art. 59, 217 ff.
ZK, vgl. auch Jatzke in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 61.
EL., §
21 Rn.
31
ff., 78
ff.). Im Rahmen des Zollverfahrens bei der Einfuhr von Waren findet jedoch kein Vorsteuerabzug statt. Dieser kann vielmehr erst im Rahmen des Besteue-rungsverfahrens gemäß §
18 Abs.
1 und Abs.
3 UStG in den abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen
vorge-nommen werden. Betroffen sind damit unterschiedliche Besteuerungsverfah-8
9
-
6
-
ren, die in der Regel auch zeitlich auseinanderfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.
Juni 2012 -
1
StR 289/12, wistra 2012, 440). Eine Gefährdung für das Um-satzsteueraufkommen tritt aber bereits mit dem Verstoß gegen die steuer-
und zollrechtlichen Erklärungspflichten bei der Einfuhr von Waren in das Bundes-gebiet ein. Die Erklärungspflichten bei der Einfuhr von Waren einerseits und bei der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklä-rungen andererseits betreffen daher unterschiedliche wirtschaftliche Sachver-halte (BGH aaO).
Hinzu kommt, dass die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer und das Recht zum Vorsteuerabzug von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen. So kommt etwa ein Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Steuer-
8 1.
Halbsatz der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie; vgl. auch §
15 Abs.
1 Satz
1 Nr.

15 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 UStG).
3.
Auch die Strafzumessung enthält keinen den Angeklagten beschwe-renden Rechtsfehler; denn das Landgericht
hat strafmildernd berücksichtigt, dass die Einfuhrumsatzsteuer bei steuerehrlichem Verhalten als Vorsteuer hät-te geltend gemacht werden können. Es hat damit im Ergebnis bei der Bestim-mung des für die Strafzumessung bedeutsamen Gesamtverkürzungsumfangs die
verkürzte Einfuhrumsatzsteuer wieder in Abzug gebracht.
II. Zur Revision des Angeklagten

S.

Das vom Angeklagten

S.

geltend gemachte Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs liegt nicht vor.
10
11
12
13
-
7
-
1. Der Angeklagte beruft sich darauf, er sei bereits mit Urteil des Landge-richts Hamburg vom 12.
November 2010 wegen Steuerhinterziehung in 16 Fäl-len rechtskräftig verurteilt worden. Verfahrensrechtlich stellten sich diese Taten und die im vorliegenden Verfahren abgeurteilte Tat des gewerbs-
und banden-mäßigen Schmuggels ungeachtet der materiellrechtlichen Bestimmung der Konkurrenzen als eine Tat (§
264 StPO) dar. Dies ergebe sich insbesondere aus der neueren Rechtsprechung des EuGH, nach der aus der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld zeitgleich die Berechtigung zum Vorsteuerabzug folge, ohne dass es hierfür auf die tatsächliche Entrichtung der Einfuhrumsatz-steuer ankäme. Die Verurteilung vom 12. November 2010 führe daher zum Strafklageverbrauch auch für den Tatvorwurf des Schmuggels.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bilden mehrere im Sinne von §
53 StGB sachlichrechtlich selbständige Handlungen nur dann eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von §
264 StPO, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer straf-rechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts-
und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann,
und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Nur in diesen Fällen ist das aus der sachlichrechtlichen Realkonkurrenz folgende Indiz für die Annah-me unterschiedlicher prozessualer Taten widerlegt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Be-schluss vom 24.
November 2004 -
5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362).
3. Ausgehend von diesen
Grundsätzen waren die Hinterziehung der Ein-fuhrabgaben bei der Einfuhr von Waren in das Inland einerseits und die Hinter-14
15
16
-
8
-
ziehung der Umsatzsteuer nach Weiterveräußerung der nämlichen Waren durch den Angeklagten andererseits nicht Teil derselben Tat im prozessualen Sinn (§
264 StPO).
a) Bei dem Schmuggel und der nachfolgenden Hinterziehung von Um-satzsteuer handelt es sich um unterschiedliche Taten im materiellrechtlichen Sinn (§
53 StGB), die durch unterschiedliche Tathandlungen, zu unterschiedli-chen Zeitpunkten, in unterschiedlichen Besteuerungsverfahren, bezogen auf unterschiedliche Steuernormen und gegenüber unterschiedlichen Behörden begangen wurden. Beim Schmuggel (§
373 AO) verstießen die Angeklagten bei der Einfuhr von Waren gegen die ihnen gegenüber den Zollbehörden beste-hende Verpflichtung, zutreffende Zollanmeldungen abzugeben (§
21 Abs. 2 UStG, §§
59
ff.
ZK). Demgegenüber hatten die vom Landgericht Hamburg am 12.
November 2010 abgeurteilten Taten der Steuerhinterziehung (§
370 AO) Verstöße gegen die sich aus §
18 Abs.
1 und Abs.
3 UStG ergebenden steuer-rechtlichen Pflichten zur Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen für im Inland vorgenommene steuerbare und steuerpflichtige Umsätze zum Gegenstand. Den materiellrechtlich selb-ständigen Taten lagen daher unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde, die äußerlich auch nicht ineinander übergingen.
b) Die den Taten zugrunde liegenden Vorkommnisse waren auch nicht innerlich derart miteinander verknüpft, dass der Unrechts-
und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu den anderen Handlungen ge-führt haben, richtig gewürdigt werden könnte, sodass ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvor-gangs empfunden würde.

17
18
-
9
-
aa) Allerdings trifft es zu, dass die Rechtsprechung bei besonderen Konstellationen auch im Steuerstrafrecht trotz zeitlichen
Auseinanderfallens
der Verletzung unterschiedlicher steuerlicher Erklärungspflichten eine Tat im pro-zessualen Sinn angenommen hat. So bilden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sämtliche Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer, die sich auf die Umsatzsteuervoranmeldungen und die anschließende Umsatz-steuerjahreserklärung des nämlichen Jahres beziehen, eine einheitliche Tat im Sinne des §
264 StPO (BGH, Beschluss vom 24.
November 2004 -
5
StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362 ff.). Auch wertet der Bundesgerichtshof die Abga-be einer objektiv unrichtigen Steuererklärung und die Nichtberichtigung der da-rin enthaltenen falschen Angaben im Hinblick auf die Rechtspflicht zur Berichti-gung gemäß §
153 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 AO als einen einheitlichen Lebenssach-verhalt im Sinne des §
264 StPO (BGH, Urteil vom 11.
September 2007 -
5 StR 213/07, wistra 2008, 22).
bb) Dieser Rechtsprechung lagen aber
jeweils besondere rechtliche Ver-knüpfungen der einzelnen Vorkommnisse zugrunde, die dazu führten, dass die jeweiligen Handlungen auch in ihrer strafrechtlichen Bedeutung derart innerlich miteinander verknüpft waren, dass der Unrechts-
und Schuldgehalt der
einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt ha-ben, richtig gewürdigt werden konnte. Solche Besonderheiten waren hier indes im Verhältnis einer zunächst erfolgten Hinterziehung von Einfuhrabgaben und der Hinterziehung der bet-standenen Umsatzsteuer nicht gegeben.
Entgegen der in der Revisionsbegründung des Angeklagten

S.

ver-tretenen Auffassung ergibt sich eine solche Besonderheit auch nicht aus dem Umstand, dass nach der Rechtsprechung des EuGH das Recht zum Abzug der 19
20
21
-
10
-
Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer von der geschuldeten
Umsatzsteuer -
ent-gegen der zur Tatzeit geltenden Fassung des §
15
Abs.
1 Satz
1 Nr.
2
UStG -
gemäß §
15 UStG sofort (vgl. Art. 70 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) und nicht erst mit Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer entsteht (s.o.; vgl. EuGH, Urteil vom 29.
März 2012
in der Rechtssache C-414/10 -
Véleclair SA, Rn.
27, DStR 2012, 697).
Allein der Umstand, dass die
Beantwortung der
Frage, ob und
in welcher Höhe Umsatzsteuer i.S.v. §
370 Abs.
1 AO verkürzt worden ist, auch von der Höhe der Vorsteuer abhängt, führt nicht dazu, dass der Schuldgehalt der Um-satzsteuerhinterziehung und derjenige der vorangehenden Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer nur gemeinsam gewürdigt werden können. Denn die Be-rechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß §
15 UStG ist nicht davon abhängig, ob sich der Angeklagte bei der Einfuhr der Waren wegen der Hinterziehung der Einfuhrabgaben strafbar gemacht hat oder nicht. Auch aus dem Umstand, dass auch die Einfuhrumsatzsteuer Umsatzsteuer ist, ergibt sich die Notwendigkeit einer gemeinsamen Würdigung der Taten für eine zutreffende Erfassung des Schuldgehalts nicht. Denn der Gesetzgeber hat die Festsetzung der Ein-fuhrumsatzsteuer bewusst aus dem Besteuerungsverfahren des §
18 UStG ausgenommen und dem Zollverfahren zugeordnet (§
21 Abs.
2 UStG). Damit waren auch die steuer-
bzw. zollrechtlichen Erklärungspflichten, gegen die der Angeklagte verstieß, in unterschiedlichen Verfahren zu erfüllen. Es bestanden auch keine sich aus dem materiellen Steuerrecht ergebenden so engen Ver-zahnungen wie im Verhältnis zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres (vgl. BGHSt aaO S.
363). Die Einfuhrumsatzsteuer wird -
da sie nicht im Besteuerungsverfahren gemäß §
18 UStG festgesetzt wird -
gerade nicht von der Pflicht zur Abgabe rechtzeitiger und zutreffender Steueranmeldungen gemäß §
18 Abs.
1 und 22
-
11
-
Abs.
3 UStG erfasst. Anders ist dies demgegenüber bei der Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe (§
1 Nr.
5 UStG), die ebenfalls als Vorsteuer wieder abgezogen werden kann (§
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 UStG). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Auch aus dem von der Revision angeführten Umstand, dass das Institut der Einfuhrumsatzsteuer den Zweck verfolgt, den endgültigen Eingang der Um-satzsteuer sicherzustellen (vgl. dazu BayObLG, Urteil vom 15.
Juni 1972
-
RReg. 4 St 52/72, BayObLGSt 1972, 141), ergibt sich nicht, dass die Taten der Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer (bei der Einfuhr) und der nachfol-genden Hinterziehung von Umsatzsteuer (nach Weiterveräußerung der einge-führten Waren) in ihrem Unrechts-
und Schuldgehalt nur gemeinsam zutreffend gewürdigt werden könnten.
Wahl

Graf Jäger

Radtke Mosbacher
23

Meta

1 StR 374/13

04.09.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.09.2013, Az. 1 StR 374/13 (REWIS RS 2013, 3035)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3035

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