Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. 1 StR 616/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7122

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:270618B1STR616.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 616/17

vom
27. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung u.a.

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27.
Juni 2018 gemäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30.
Juni 2017 mit den [X.].
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschafts-strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16
Fällen, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 18
Fällen und Betrug in 16
Fällen verurteilt. Den Angeklagten R.

E.

hat es unter Ein-
beziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 20.
April 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiervon hat es zwei Monate als vollstreckt erklärt. Die Angeklagte J.

E.

hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und de-
ren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revision des Angeklagten R.

E.

hat mit der Verfahrensrü-
ge
nach §
338 Nr.
5 [X.]. §
230 [X.], die Revision der Angeklagten
1
2
-
3
-
J.

E.

hat mit der Verfahrensrüge aus §
338 Nr.
8 [X.]. §
265
Abs.
4
[X.] Erfolg.
1.
Den [X.]n liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
In der Hauptverhandlung vom 20.
Juni 2017 erschien der Angeklagte
R.

E.

nicht, da er am 14.
Juni 2017 in der [X.] in polizeilichen Ge-
wahrsam genommen worden war. Er war in die [X.]
Provinz B.

ge-
flogen, um dort seine am 8.
Juni 2017 in die Intensivstation
eines
Krankenhau-ses
eingewiesene Mutter zu besuchen
und wollte am 16.
Juni 2017 und damit vor dem nächsten Verhandlungstermin nach [X.] zurückkehren. Der Angeklagte war seit November 2011 mindestens 48-mal in die [X.] gereist. Auch seit 2015 hatte er sich mehrfach in der [X.] aufgehalten und war unbe-helligt wieder ausgereist.
Das [X.] unterbrach die Hauptverhandlung und bestimmte einen Fortsetzungstermin auf den 22.
Juni 2017, an dem der Angeklagte R.

E.

aufgrund seines noch andauernden Freiheitsentzugs nicht erscheinen konnte. Der [X.] Rechtsanwalt des Angeklagten bestätigte telefonisch, dass der Angeklagte am 14.
Juni 2017 in polizeilichen Gewahrsam genommen worden sei. Nach Verlesung verschiedener Vermerke über Gespräche mit Behörden, einer Reisewarnung des [X.] für die Provinz B.

sowie teil-
weiser Übersetzung des ärztlichen Befundes der Mutter durch den Dolmetscher entschied das [X.], dass in Abwesenheit des Angeklagten R.

E.

weiter verhandelt werde

231 Abs.
2
[X.]). Der Angeklagte sei der [X.] eigenmächtig fern geblieben, da es für ihn vorhersehbar gewesen sei, dass er in der [X.] verhaftet werden könnte. Er sei im Jahr 1995 aus politi-schen Gründen nach [X.] gekommen und habe einen Asylantrag ge-3
4
5
-
4
-
stellt. Aufgrund der politischen Lage insbesondere in der Provinz B.

hätte
er erkennen können, dass er sich einem Inhaftierungsrisiko aussetzen würde. Demgegenüber sei die Erkrankung seiner Mutter, die keinen lebensbedroh-lichen Charakter habe, nicht
geeignet, das Verhalten des Angeklagten zu [X.] oder zu entschuldigen. Es lebten noch weitere
elf Geschwister in der [X.]. Der Angeklagte habe seine Reisepläne dem Gericht auch nicht mitge-teilt. Eine Anwesenheit des Angeklagten sei auch nach dem Ermessen
der Strafkammer nicht erforderlich, da die Beweisaufnahme weitgehend abge-schlossen sei und die Schlussvorträge kurz bevor stünden. Den im [X.] an diese Entscheidung gestellten Antrag der Verteidigung, die Verhandlung auszusetzen, lehnte das
[X.] ab. Im Verlauf der weiteren [X.] verkündete es zudem mehrere ablehnende Beweisbeschlüsse und beschränkte die Strafverfolgung gegenüber beiden Angeklagten auf Antrag der Staatsanwaltschaft teilweise nach §
154a [X.].
Im Fortsetzungstermin vom 28.
Juni 2017 hat das [X.] weitere Beweisanträge,
auch einen
erneuten
Aussetzungsantrag des Angeklagten
R.

E.

sowie einen
erstmaligen
Antrag auf Aussetzung der Hauptver-
handlung durch die Angeklagte J.

E.

abgelehnt.
Die Beweisanträge betrafen u.a. die Vernehmung von Zeugen, die der Angeklagte R.

E.

benannt hatte, zum Beweis der Tatsache, dass die
von den Angeklagten geführte GmbH mit Subunternehmern gearbeitet habe. Den Angeklagten war vorgeworfen worden,
[X.] ausgezahlt und diese Auszahlungen durch [X.] an angebliche Subunternehmer ver-schleiert zu haben.
6
7
-
5
-
Die Angeklagte J.

E.

hatte im Hinblick auf ihren Aussetzungs-
antrag im Wesentlichen vorgetragen, sie sei in ihrer Verteidigung beschränkt, da nur der Angeklagte R.

E.

auf die ablehnenden Beweisbeschlüsse
habe reagieren können, da sie keine Kenntnisse über die vom Angeklagten
R.

E.

benannten Zeugen und deren Einschaltung als Subunternehmer
auf der Baustelle in G.

gehabt habe. Nach den Feststellungen des
Urteils war die Angeklagte J.

E.

nicht selbst auf den Baustellen tätig
gewesen (S.
6 UA), sondern hatte
sich ausschließlich im Büro in [X.] aufge-halten.
Am 30.
Juni 2017 verkündete das [X.] das Urteil.
2.
Der Angeklagte R.

E.

macht zu Recht geltend, dass der abso-
lute Revisionsgrund des §
338 Nr.
5 [X.]. §
230 [X.] gegeben ist.
Der
absolute Revisionsgrund nach §
338 Nr.
5 [X.] setzt im Sinne eines ungeschriebenen
Merkmals
voraus, dass der Angeklagte an wesentlichen Tei-len der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 61.
Aufl.,
§
338 Rn.
36
mwN). Dies war ausweislich der mit der Revisionsschrift vorgelegten Hauptverhandlungsprotokolle der Fall. In den Sitzungsterminen vom 22.
Juni 2017, 28.
Juni 2017 und 30.
Juni 2017

in denen der Angeklagte nicht anwesend war

fanden wesentliche Teile der Hauptverhandlung, wie die Beweisaufnahme, die Beschränkung der Strafver-folgung, die Schlussvorträge und die Verlesung der Urteilsformel statt.
Die Fortsetzung der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten R.

E.

an den genannten Terminen verstößt gegen
§
230 Abs.
1 [X.]. Danach
findet gegen einen ausgebliebenen Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht 8
9
10
11
12
-
6
-
statt, es sei denn,
dies ist nach §
231 Abs.
2 [X.] ausnahmsweise zulässig. Nach dieser Vorschrift darf eine unterbrochene Hauptverhandlung ohne den Angeklagten zu Ende geführt werden, wenn er eigenmächtig ferngeblieben ist, d.h. ohne Rechtfertigungs-
oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner [X.] nicht genügt ([X.], Beschluss vom 19.
November 2009

4
StR
276/09, [X.]R [X.] §
231 Abs.
2 Abwesenheit, eigenmächtige
16 Rn.
5; Urteil vom 30.
November 1990

2
StR
44/90, [X.]St 37, 249, 251).
Eigenmächtig einem Fortsetzungstermin fern bleibt auch der Angeklagte, der sich schon vor dem angesetzten Termin wissentlich und ohne Rechtferti-gungs-
oder [X.], d.h. ohne Not, in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin an der Teilnahme der Hauptverhandlung gehindert zu sein. Dem
eigenmächtigen Ausbleiben im Sinne von §
231 Abs.
2 [X.] steht es deshalb gleich, dass sich ein Angeklagter nach der Vernehmung zur Sache

vorher gilt §
231a [X.]

in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt ([X.], Urteil vom 19.
Februar 2002

1
StR
546/01, [X.], 533, 535 Rn.
14 mwN). Dem ist die Situation vergleichbar, dass ein Angeklagter während einer laufenden Hauptverhandlung in [X.] im Ausland vorsätz-lich eine Straftat von Gewicht begeht, bei deren Entdeckung er mit seiner [X.] rechnen muss,
oder wenn ein in [X.] vor Gericht stehender Angeklagter, der schon früher eine Straftat entsprechenden Gewichts im [X.] begangen hat, wegen der er

wie er weiß

auch mit seiner Verhaftung im [X.] rechnen muss, sich während des Laufs der gegen ihn gerich-teten Hauptverhandlung ohne Not in jenes Land und dort in eine Situation mit hohem Verhaftungsrisiko begibt ([X.], Beschluss vom 7.
November 2007

1
StR
275/07
Rn.
18, [X.], 285).
13
-
7
-
Eine damit vergleichbare Situation hat der Angeklagte nach freibeweis-licher Überprüfung ([X.], Beschluss vom 6.
Juni 2001

2
StR
194/01, [X.]R [X.] §
338 Nr.
5 Angeklagter
24) nicht provoziert, da er nicht damit rechnen konnte,
in der [X.] in Gewahrsam genommen bzw. verhaftet zu werden.
Der Angeklagte ist ausweislich seines Reisepasses seit 2011 insgesamt 48-mal in die [X.] ein-
und wieder ausgereist. Es bestand daher für ihn kein Anlass,
von einem möglichen Verhaftungsrisiko in der [X.] auszugehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte im Jahr 1995 in [X.] aufgrund politischer Verfolgung Asyl erhalten hat
und die politische Lage in der [X.] seit 2015 angespannt ist. Der Angeklagte war seit 2015 einige Male un-behelligt nach B.

zu seiner Familie gereist und konnte daher davon aus-
gehen, dass sich an diesem Zustand auch 2017 nichts geändert hatte. Dafür, dass der Angeklagte sich während dieses oder eines früheren Aufenthalts in der [X.] strafbar gemacht haben könnte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Der Angeklagte hatte auch einen gewichtigen Grund für die Reise. Seine Mutter war erkrankt und wurde in die Intensivstation eines Krankenhauses ein-gewiesen. Es mag zwar sein, dass sich herausgestellt hat, dass die Mutter tat-sächlich nicht lebensbedrohlich erkrankt war. Es war dem Angeklagten jedoch nicht zuzumuten,
erst zuzuwarten und dann möglicherweise nicht rechtzeitig im Krankenhaus erscheinen
zu können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Angeklagte elf
Geschwister hat, die sich um die Mutter hätten [X.] können.
Der Angeklagte war nicht verpflichtet,
dem Gericht seine Reisepläne mit-zuteilen oder seine Personalpapiere auszuhändigen (§§
125, 116 Abs.
1 Satz
2 [X.]). Mithin durfte er sich an den [X.] an jedem Ort 14
15
16
17
-
8
-
aufhalten. Dabei ist es auch unerheblich, dass das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass sich die Verteidigung auf die Schlussvorträge vorbereiten solle, zu-mal der Angeklagte geplant hatte,
am 16.
Juni 2017, also vier Tage vor dem nächsten Verhandlungstag, nach [X.] zurückzukehren.
3.
Die Angeklagte J.

E.

beruft sich zu
Recht auf eine Verlet-
zung von §
338 Nr.
8 [X.].
a)
Die [X.] ist zulässig.
Es ist unerheblich, dass die Beschwerdeführerin sich auf eine
Verletzung von §
231 Abs.
2 [X.] beruft, dessen Verletzung nur den Mitangeklagten
R.

E.

betraf. Es ist für das Revisionsgericht ausreichend erkennbar,
dass sich die Verfahrensrüge nach ihrem Sinngehalt auf eine Verletzung von §
265 Abs.
4 [X.] bezog. Entscheidend ist die wirkliche rechtliche Bedeutung des Revisionsangriffs ([X.] in [X.]/[X.],
26.
Aufl.,
§
344 Rn.
72). An die rechtliche Einordnung des Beschwerdeführers ist das Revisionsgericht nicht gebunden ([X.], Urteil vom 29.
November 1989

2
StR
264/89
Rn.
13, NJW 1990, 584, 585).
Es ist aus der Darstellung der Revision ausreichend ersichtlich, dass die Revisionsführerin
letztlich die ihr gegenüber abgelehnte Aussetzung der [X.] angreift. Dabei ist es unschädlich, dass
sie
zusätzlich darauf [X.], dass der Mitangeklagte R.

E.

nicht eigenmächtig der Hauptver-
handlung fern geblieben sei. Es kann daher
offen bleiben, ob bei einer Konstel-lation wie der vorliegenden ausnahmsweise auch die Abwesenheit des [X.] die [X.] der Beschwerdeführerin begründen könnte (bisher anders [X.], Urteile
vom 27.
März 1979

5
StR
836/78, bei [X.] NStZ 1981, 93,
95
18
19
20
21
-
9
-
und vom 24.
Oktober 1989

5
StR
238239/89
Rn.
13, NJW 1990, 845, 846). Daneben trägt die Beschwerdeführerin jedenfalls ausreichend dazu vor, dass aufgrund der ihr gegenüber erteilten Ablehnung ihre Verteidigung eingeschränkt wurde,
und beruft sich mithin auf eine
Verletzung von §
265 Abs.
4 [X.] ([X.], Beschluss vom 24.
Juni 2009

5
StR 181/09
Rn.
13, [X.], 650).
b)
Die [X.] ist auch begründet.
Eine Aussetzung hat nach §
265 Abs.
4 [X.] zu erfolgen, wenn dies in-folge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder Verteidigung angemessen erscheint. Bei einer veränderten Sachlage kann es sich um eine Veränderung des Sachverhalts oder der Verfahrenslage handeln ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 61.
Aufl., §
265 Rn.
40). [X.] kann jede vom Angeklagten nicht verschuldete Verschlechterung seiner Verteidigungsmöglichkeit den Anlass zur Aussetzung geben ([X.] in [X.]/[X.], 26.
Aufl., §
265 Rn.
108). Ob die Verhandlung auszusetzen ist,
ent-scheidet das Gericht
nach pflichtgemäßem Ermessen, dessen Ausübung vom Gericht darzustellen ist ([X.], Urteil vom 28.
Juni 1955

5
StR
646/54
Rn.
13, [X.]St 8, 92, 96). [X.] Wendungen in der Ablehnung erlauben dem Revisionsgericht die Nachprüfung,
ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde,
hingegen nicht ([X.], Beschluss vom 11.
September 1986

1
StR
472/86
Rn.
2, NStZ 1987, 34).
So liegt der Fall hier. Das Gericht hat den Antrag der Verteidigung auf Aussetzung mit dem Hinweis abgelehnt, dass bereits aus dem Umstand, dass die Revisionsführerin auch in Abwesenheit des Mitangeklagten Beweisanträge gestellt habe,
ersichtlich sei, dass sie sich selbst verteidigen könne. Eine [X.] mit der Beweissituation lässt es vermissen. Dies wäre aber 22
23
24
-
10
-
hier erforderlich gewesen, weil die Angeklagte substantiiert aufgezeigt hat, [X.] Informationen sie über ihren (abwesenden) mitangeklagten Ehemann hätte erlangen wollen, um sachgerechte Anträge zu stellen.
Der Verweis auf die Begründung des Beschlusses nach §
231 Abs.
2 [X.] gegenüber dem Mitangeklagten R.

E.

ist

abgesehen davon,
dass die dort aufgeführten Gründe nicht tragfähig sind

für die Entscheidung, ob die Verfahrenslage der Beschwerdeführerin durch dessen Abwesenheit ein-geschränkt wurde, unerheblich. Die
rechtsfehlerbehaftete Ablehnung des [X.] beschränkt die Verteidigung der Angeklagten unzulässig in einem wesentlichen Punkt. Das Urteil kann deshalb auch gegenüber der Ange-klagten J.

E.

keinen Bestand haben.
4.
Für die neue Entscheidung weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Hinsichtlich des Vorwurfs des Betrugs zum Nachteil der [X.] für das Gerüstgewerbe wird das neue Tatgericht die Gültigkeit der tarifrechtlichen Normen in den Blick zu nehmen haben.
Das [X.] stützt seine Verurteilung darauf, dass die Angeklagten es unterlassen haben,
Beiträge auf die [X.]zahlungen gegenüber der Sozialkasse für das Gerüstbaugewerbe anzumelden. Dies hätte

so das Land-gericht

aufgrund des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über die Sozialkassenverfahren vom 20.
Januar 1994 idF des [X.] vom 11.
Januar 2002 (BAnz
Nr.
216 vom 20.
November 2002 S.
25,
145; VTV

Gerüstbau) erfolgen müssen. Nach den mit Beschluss des Bundesarbeitsge-richts vom 21.
September 2016

10
ABR
33/15 (NZA Beilage
2017, 12
ff.) nie-25
26
27
28
-
11
-
dergelegten Grundsätzen könnte diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Hinblick auf die erforderliche Ministerbefassung unwirksam sein.
Soweit der Gesetzgeber mit §
15 des [X.]
([X.]) vom 1.
September 2017 ([X.]
I 2017, 3356) den Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt hat, um einer Entscheidung des [X.] über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeits-erklärung bereits vorab entgegenzutreten,
ist dies unerheblich, da hierdurch die Strafbarkeit aus §
263 Abs.
1, §
13 Abs.
1 StGB nicht begründet werden kann. Solche strafbarkeitsbegründenden Pflichten müssen im Hinblick auf das Rück-wirkungsverbot des Art.
103 Abs.
2 GG im Zeitpunkt der geforderten Handlung rechtlich wirksam bestanden haben. Als strafrechtlich bedeutsame Pflichten können sie nicht rückwirkend begründet werden ([X.], Beschluss vom 8.
Juni 2017

1
StR
614/16 Rn.
8, NStZ-RR
2017, 282).
Raum
Ri[X.] Prof. Dr. Graf befindet sich im Ruhestand und ist [X.] an der Unterschriftsleis-tung gehindert.
Raum
Fischer
Bär
Hohoff

29

Meta

1 StR 616/17

27.06.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. 1 StR 616/17 (REWIS RS 2018, 7122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7122

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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