Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2019, Az. 27 W (pat) 509/18

27. Senat | REWIS RS 2019, 7806

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "JAZZ IN DEN MINISTERGÄRTEN (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 104 918.9

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2018 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und die Richterin Werner

beschlossen:

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Gründe

I.

1

Das [X.], Markenstelle für [X.], hat nach [X.] vom 10. August 2016 mit Beschluss vom 13. Dezember 2017 die Eintragung der am 30. Mai 2016 angemeldeten Wort-/Bildmarke 30 2016 104 918.9

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2

(bis auf Klasse: 9 Tonaufzeichnungsgeräte und [X.]: sportliche Aktivitäten) für die nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch den Anmelder/Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 14. Januar 2019 und 18. April 2019 im Beschwerdeverfahren noch weiter beanspruchten, streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der

3

[X.]: Brillen; [X.]; Sonnenbrillen; Ferngläser; Mousepads für [X.]omputer; Lampen [soweit in [X.] enthalten]; Leuchtschilder, Schilder [mechanisch]; Abdeckungen für Ferngläser; Abdeckungen für [X.]

4

[X.]: Papier, Pappe [Karton];

5

Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Anzüge; Badebekleidung; Bandanatücher; [X.]; Blusen; [X.]apes [Bekleidung]; Fliegen; Gürtel; Handschuhe; Halstücher; Hausschuhe; Hemden; Hosen; Hüte; Jacken; Jeans; Jogginganzüge; Kinderbekleidung; Kleider; Kopftücher; Krawatten; Mäntel; Morgenmäntel; Mützen; Overalls; Polohemden; Pullover; Schlafanzüge; Schürzen; Shorts; Socken; Stolen; Strickjacken; Strümpfe; Sweatshirts; Sweater; T-Shirts; Trikots; Unterwäsche; wasserdichte Bekleidung; Westen; Windjacken; Überziehmäntel;

6

[X.]: Vermietung von [X.]o- und [X.]; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten;

7

[X.]: Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen; Vermietung von Gästezimmern; Zimmerreservierung in Hotels; Zimmerreservierung in Pensionen;

8

nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

9

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Zudem enthalte die Anmeldung zahlreiche typische Merchandisingartikel. Hierzu zählten „Brillen, [X.], Ferngläser, Mousepads, Lampen, Schilder, Abdeckungen, Papiere, Plakate, Abziehbilder Aufkleber, Alben, Schachteln, Karten, Beutel, Taschen, Einwegpapierartikel, Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“. Diese Waren würden regelmäßig bei einem musikalischen Ereignis wie einer Jazzveranstaltung angeboten. Weil die Wortfolge einen engen sachlichen Bezug zu den Waren aufweise, fehle dem Zeichen auch insoweit die erforderliche Unterscheidungskraft. Mit den in [X.] beanspruchten „[X.], Fotografien, Flyer, Programmhefte, Eintrittskarten“ würde hier lediglich das Thema und der Inhalt der Waren beschrieben. Üblicherweise würden auf Unterhaltungsveranstaltungen die Gäste verpflegt bzw. beherbergt. Folglich fehle den Wortbestandteilen auch für diesen Dienstleistungsbereich der [X.] die erforderliche Unterscheidungskraft. Schließlich würden im Rahmen der Anmeldung noch solche Dienstleistungen beansprucht, die auf die Produktion, Herausgabe und Veröffentlichung von [X.]n sowie Bild- und Tonträgern abzielten. Ein beschreibende Begriffsinhalt gelte dabei nicht nur für die Waren selbst, sondern auch für die Dienstleistungen, mittels derer diese Werke entstünden. Da die Wortfolge „Jazz in den [X.]“ den Inhalt und das Thema der Ton-, Bildträger und [X.] usw. beschreibe, werde diese Formulierung auch für die Dienstleistungen, die diese Waren hervorbrächten, nicht als Marke aufgefasst werden.

Der graphischen Ausgestaltung, die sich lediglich in der grauen Färbung, der zweizeiligen Anordnung und der Verwendung unterschiedlicher Schriftgrößen der Wörter erschöpfe, komme keine Unterscheidungskraft zu. Die einfachen und üblichen Gestaltungselemente könnten keinesfalls vom schutzunfähigen [X.]harakter der Wortbestandteile wegführen. Das angesprochene Publikum werde das Zeichen auch keinesfalls so analysieren, dass es in den Wörtern „[X.]“ einen dynamischen Gesamteindruck erkenne, nur weil diese Wörter mit einer kleineren Schrift dargestellt seien. Auch sei es abwegig, in der bildlichen Anordnung der Buchstaben eine Anlehnung an ein schematisches Blasinstrument, wie ein Saxophon zu erkennen, bei dem sich das Mundstück auf der rechten Seite befinde. Auch die Schlichtheit des Designs vermittle keinen prägenden Eindruck. Vielmehr bekräftige es den Umstand, dass es sich nur um eine Sachaussage handle.

Letztlich könne sich die Anmelderin auch nicht mit Erfolg auf Voreintragungen berufen. Soweit die Anmelderin auf verschiedene Wort-/Bildmarken verweise, seien u. a. deren grafische Ausgestaltungen deutlich prägnanter und individueller als im hier zu beurteilenden Zeichen.

Darüber hinaus bestünden auch erhebliche Anhaltspunkte für ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], da nicht ausgeschlossen sei, dass Mitbewerber diese Bezeichnung benötigten, um werbend auf eigene Waren und Dienstleistung aus diesem Bereich hinzuweisen.

Für die Waren und Dienstleistungen der [X.] (Tonaufzeichnungsgeräte) und [X.] (sportliche Aktivitäten) fehle der angemeldeten Bezeichnung hingegen weder jegliche Unterscheidungskraft, noch bestehe insoweit ein Freihaltebedürfnis. Einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem angemeldeten Zeichen und den vorgenannten Waren und Dienstleistungen sei nicht zu erkennen.

Gegen diesen Beschluss vom 13. Dezember 2017, ihm zugestellt am 18. Dezember 2017, wendet sich das [X.] mit seiner Beschwerde vom 16. Januar 2018, eingegangen beim [X.] am selben Tag, unter Zahlung der Beschwerdegebühr.

Für die nach Einschränkung noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen stelle schon der Begriff „Jazz in den [X.]“ lediglich eine vage und interpretationsbedürftige Aussage dar. Es besteht jedenfalls kein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang zwischen dem Zeichen „Jazz in den [X.]“ und den noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Vorliegend scheitere ein konkreter und direkter Bezug für die maßgeblichen Kreise bereits an der Kenntnis der Straße „In den [X.]“. In [X.] gäbe es über ca. 10 000 verschiedene Straßennamen, sodass bereits ein normal informierter Bewohner der Stadt [X.] diesen Straßennamen nicht kenne. Dies sei selbstverständlich umso weniger der Fall für den Großteil des betroffenen Publikums, das nicht in [X.] lebe. Stattdessen verstehe der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher „In den [X.]“ als eine Wortneuschöpfung. Diese lehne sich an einen „Minister“, also beispielsweise die Person, welche ein Ministeramt führe, und dessen Garten oder Gärten. Als solches bezeichne „In den [X.]“ für den Durchschnittsverbraucher, wenn überhaupt einen Phantasieort und in keinem Fall eine Beschreibung für einen real existierenden geographischen Ort, wie die gleichnamige [X.]er Straße.

Für die beanspruchten Bekleidungswaren der Klasse 25 sei ein direkter und konkret beschreibender Zusammenhang zu der Bezeichnung „Jazz in den [X.]“ weder branchenüblich noch verständlich noch erkennbar. Gleiches gelte für die anderen noch beanspruchten Waren [X.] (wie [X.]; Sonnenbrillen; Ferngläser; Mousepads für [X.]omputer; Lampen [soweit in [X.] enthalten]; Leuchtschilder, Schilder [mechanisch]; Abdeckungen für Ferngläser; Abdeckungen für [X.]) und der [X.] (Papier, Pappe [Karton]). Auch sei nicht ersichtlich, welchen beschreibenden [X.]harakter die [X.]e „Jazz in den [X.]“ für die noch beanspruchten Dienstleistungen der [X.] (Vermietung von [X.]o- und [X.]; Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten) und [X.] (Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen; Vermietung von Gästezimmern; Zimmerreservierung in Hotels; Zimmerreservierung in Pensionen) haben sollten.

Darüber hinaus vermittle die graphische Gestaltung der Wort-/Bildmarke Schutzfähigkeit. Es handle sich nicht lediglich um beliebig unterschiedliche Schriftgrößen in einer zweizeiligen Anordnung. Vielmehr vermittle die Darstellung des Zeichens „[X.]“ mit den auslaufend kleineren Buchstaben „[X.] einen dynamischen Gesamteindruck. Dieser werde dadurch unterstrichen, dass die Höhe der Buchstaben „[X.]“ der Höhe des unteren „Z“-Balkens des Wortes „[X.]“ entspreche, wodurch die längliche Aussprache des weichen „s“ als Endlaut graphisch untermalt werde. Auch könne das Publikum in der bildlichen Anordnung der Buchstaben durchaus eine Anlehnung an ein schematisches Blasinstrument, wie ein Saxophon, erkennen, wobei sich das Mundstück auf der rechten Seite befinde. Mithin erwecke gerade aufgrund der Schlichtheit das Design der anmeldeten Wort-/Bildmarke durchaus einen prägnanten Eindruck.

Mangels beschreibenden Anklangs für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen bestehe für die Wortfolge „Jazz in den [X.]“ auch kein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], da die Straßenangabe als freizuhaltende geographische Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen weder benötigt werde noch in Betracht komme.

Diese Einschätzung werde auch durch die Eintragung zahlreicher vergleichbarer Marken bestätigt, etwa der Wortmarke [X.] 2046294 „[X.] RING“ für Veranstaltungen von Musikkonzerten ([X.]) sowie Tonträgern ([X.]), der Wort-/Bildmarken [X.] 30628578 und [X.] 30117163 mit dem [X.] „Jazz an der [X.]“ u. a. für kulturelle Aktivitäten ([X.]), der Wort-/Bildmarke [X.] 302009035467 mit dem [X.] „ELB [X.]“ u. a. für Bekleidungsstücke (Klasse 25), Werbung (Klasse 35) und kulturelle Aktivitäten ([X.]) sowie der Wort-/Bildmarken mit den Wortbestandteilen „[X.]lassics & Jazz“ ([X.] 30051156), „[X.] FRIENDS“ ([X.] 302013049414) oder auch „[X.] Jazz-Festival-Frankfurt“ ([X.] 30042247) für teilweise ähnliche Waren und Dienstleistungen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2018, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Sache Erfolg (§ 66 [X.]).

1.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

a)

Unterscheidungskraft nach dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 – [X.]/08 –, [X.], 228, Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 – [X.] –, [X.], 301, Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2016 – [X.] –, [X.], 934, Rn. 9 – [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2014 – [X.] –, [X.], 569, Rn. 10 - [X.]; [X.], Beschluss vom 22. November 2012 – [X.] –, [X.], 731, Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 4. April 2012 – [X.] –, [X.], 1143, Rn. 7 – [X.], jeweils [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 8. Mai 2008 – [X.]/06 P –, [X.], 608, Rn. 66 – [X.]; [X.], Urteil vom 15. September 2005 – [X.]/03 P –, [X.], 229, Rn. 27 – Bio-ID; [X.], Beschluss vom 6. November 2013 – [X.]/12 –, [X.], 565, Rn. 12 – smartbook; [X.] a. a. [X.], Rn. 9 – [X.], jeweils [X.]).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen (vgl. [X.], a. a. [X.]; Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2013 – [X.] –, [X.], 376 Rn. 11 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; [X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 – [X.], [X.], 173 Rn. 15 – for you, jeweils [X.]). Es kann deshalb auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage nicht von vornherein die Eignung als Herkunftshinweis abgesprochen werden (s. a. [X.], Beschluss vom 22. Januar. 2009 – [X.] –, [X.], 949 Rn. 12 – [X.]).

Weil die Angesprochenen eine Marke so wahrnehmen, wie sie ihnen entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen, kann ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 – [X.], [X.], 270 Rn. 12 – [X.] economy; [X.], a. a. [X.], Rn. 10 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 24 – smartbook; [X.], a. a. [X.], Rn. 50 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 18 – [X.]).

Wenn einem Wortzeichen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet noch ein enger beschreibender Bezug festgestellt werden kann und es sich auch nicht um gebräuchliche Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache handelt, die von den Angesprochenen stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 – [X.] –, [X.], 872, Rn. 21 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 12 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 13 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 9 – [X.]).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.], Urteil vom 12. Juli 2012 – [X.]/11 –, [X.]. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS BESON[X.]RE EINFA[X.]H]; [X.], a. a. [X.], Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Urteil vom 21. Oktober 2004 – [X.]/02 P –, [X.], 1027, Rn. 33 und 34 – [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.], a. a. [X.], Rn. 14 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 – [X.] –, [X.], 949 Rn. 10 – [X.]; [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 – [X.] –, [X.], 778 Rn. 11 – [X.]; [X.], Beschluss vom 1. Juli 2010 – [X.]/09 -, [X.], 935 Rn. 8 – [X.]). Mangelnde Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge regelmäßig lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art anzunehmen. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität sowie die Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Wortfolge können einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten (vgl. u. a. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2011 – [X.], [X.], 270 Rn. 11 – [X.] economy).

b)

Maßgeblich ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, weil die Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen hier noch beansprucht wird, für das allgemeine Publikum bestimmt sind.

Auch wenn die Bezeichnung „Jazz in den [X.]“ in sprachüblicher Weise aus den Begriffen „Jazz“ (im weitesten Sinn für eine Musikrichtung) und „In den [X.]“ (als eine geographische Angabe für einen „Garten eines Ministers“, gleich ob z. B. Preußisch, Bundes- oder Landesminister) gebildet ist, erschließt sich der Sinngehalt für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar. Das angesprochene allgemeine Publikum wird annehmen, dass es sich um eine Unterhaltungsveranstaltung mit Bezug zur Musikrichtung „Jazz“ handelt, die in [X.] stattfindet und das Zeichen als beschreibenden Hinweis auf eine ebensolche „Jazzveranstaltung in den [X.]“ verstehen.

Etwas anders gilt jedoch für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen, da das Publikum nicht annehmen wird, dass diese speziell und nur für die „Jazzveranstaltung in den [X.]“ hergestellt oder erbracht würden.

Besucher auf einer „Jazzveranstaltung in den [X.]“ tragen zwar Brillen (nebst [X.]) und ggf. auch Sonnenbrillen sowie Bekleidung jeglicher Art, sie werden aber nicht annehmen, dass diese speziell von oder für die Veranstaltung „Jazz in den [X.]“ hergestellt werden. Soweit das Zeichen auf diesen Waren werbend (Merchandising) verwendet wird, ist dies eine Frage der Markenbenutzung. Die Eintragung der Marke kann jedoch nicht versagt werden, weil auch diese Verwendung als Werbeartikel denkbar ist. Vielmehr ist auch eine nicht beschreibende, markenmäßige Verwendung möglich.

Die Bezeichnung „Jazz in den [X.]“ ist auch nicht geeignet, Merkmale der weiter beanspruchten Waren der [X.] und 16 unmittelbar zu beschreiben. Das Publikum wird beim Besuch einer so benannten Musikveranstaltung nicht erwarten, dass es dort Ferngläser und deren Abdeckungen, Mousepads für [X.]omputer, Lampen, (Leucht-)Schilder, Abdeckungen für [X.] sowie Papier und Pappe von dem diese waren herstellenden Veranstalter erwerben kann oder, dass diese nur für eine einzige Jazzveranstaltung oder von einer solchen hergestellt werden. Mangels eines im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalts kann der Wortfolge insoweit daher auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Sofern die Bezeichnung „Jazz in den [X.]“ im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten) verwendet wird, besteht kein Anhaltspunkt, dass das Publikum das Zeichen allein als Hinweis auf den Inhalt oder die Bestimmung der Leistungen oder ihren Erbringungsort versteht. Verlage vervielfältigen und verbreiten Werke der Literatur, Kunst, Musik, Unterhaltung oder Wissenschaft und verkaufen sie selbst oder über den Handel (Kunst-, Zeitschriften-, Buchhandel usw.). Auch wenn Verlage sich ggf. thematisch ausrichten, z. B. auf Wissenschaft, Kunst oder Musik, beschränken sie sich dabei ggf. noch auf eine u. U. Musikrichtung, jedoch nicht auf einzelne Veranstaltung. Zwischen ([X.] und [X.] mit Autorenberatung, Korrektorat, Lektorat, Buchdesign, Bildbearbeitung, Druck- und Versandservice sowie PR-Beratung besteht keine Verbindung. Das Publikum hat deshalb keinen Anlass, das angemeldete Zeichen bei diesen Dienstleistungen nicht als Unterscheidungsmittel aufzufassen.

Auch für die Dienstleistungen „Vermietung von [X.]o- und [X.]” der [X.] kann der Wortfolge „Jazz in den [X.]” kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt entnommen werden. Diese Dienstleistungen werden nicht nach einzelnen Veranstaltungen benannt. Ein Unternehmer, der derartige Dienstleistungen anbietet, will dem Kunden mit einer Marke vermitteln, in welcher Branche oder auf welchem Gebiet er seine Vermietungsdienstleistungen anbietet; er will sich aber nicht auf eine bestimmte Veranstaltung beschränken.

Auch für die „Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen“ vermittelt das um Schutz nachsuchende Zeichen mit der Wortfolge „Jazz in den [X.]“ dem angesprochenen Publikum weder eine Sach- noch eine Werbeaussage, und es stellt auch keinen engen beschreibenden Bezug zu ihnen her. Für die Beherbergung von Gästen sind wesentlich der Ort, das Leistungsangebot und die Qualität der Unterkunft von Bedeutung und ggf. noch der Erbringer der Leistung. Auch wenn einzelne Veranstaltungen, wie „[X.]“ oder das „[X.]“ touristische Attraktionen sind und dafür eine Vielzahl von Unterkünften benötigt werden, werden [X.] dennoch ganzjährig oder saisonabhängig erbracht und sind unabhängig von einzelnen Veranstaltungen.

Die inhaltlichen Zuschreibungen, die das Publikum nach Auffassung des [X.] von einer Musikveranstaltung auf unter ihrer Bezeichnung angebotene Merchandisingartikel (wie Brillen, [X.], Sonnenbrillen, Ferngläser; Mousepads für [X.]omputer, (Leucht-)Schilder, Abdeckungen für Ferngläser und [X.] oder Papier und Pappe sowie Bekleidung) und Verlags-, Vermietungs- und Beherbergungsdienstleistungen übertragen könnte, begründen allenfalls einen entfernten beschreibenden Anklang der angegriffenen Marke.

Der Umstand, dass eine Marke als sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung gibt, steht der Annahme der Unterscheidungskraft jedoch nicht entgegen ([X.], Beschluss vom 18. März 1999 – [X.], [X.], 988, 990 – [X.]). Hier verhält es sich nicht anders als in Fällen, in denen nicht beschreibende Zeichen als Werbemittel etwa in Form von Werbeslogans, Qualitätshinweisen oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich die Marke bezieht. Wenn das angesprochene Publikum das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnimmt, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2010 – [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 228 [X.]. 45 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2017 – [X.] –, [X.], 301 Rn. 18 – [X.]; [X.], Beschluss vom 31. März 2010 – [X.], [X.]Z 185, 152 Rn. 15 – Marlene-Dietrich-Bildnis II).

Dabei kommt es weder auf die besondere graphische Gestaltung noch auf die Eintragung vermeintlich vergleichbarer Drittmarken an.

2.

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2013 – [X.]/12 –, [X.], 565 Rn. 28 – smartbook, [X.]).

Dass dies für die noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht der Fall ist, wurde bereits oben festgestellt.

Dabei setzt ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] allerdings nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben, aus denen die Marke besteht, nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden allgemeinen Verständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck dienen können. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Marke als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 13. März 2008 – [X.] –-, [X.], 900 Rn. 12 – [X.]; [X.], Beschluss vom 17. August 2011 – [X.]/10 –, [X.], 276 Rn. 8 – Institut der Nord[X.] Wirtschaft e. V.). Für die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. [X.], Urteil vom 04.05.1999 – [X.]. [X.] – 108 und 109/97, [X.], 723 Rn. 31 u. 37 – [X.]hiemsee; [X.], Urteil vom 12. Februar 2004 – [X.]-363/99, [X.], 674 Rn. 56 – Postkantoor; [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2009 – [X.]-494/08, [X.], 534 Rn. 53 – [X.]; [X.], Beschluss vom 9. November 2016 – [X.] –, [X.], 186 Rn. 43 – [X.]; [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 – [X.] –, [X.], 343 [344]– Buchstabe „Z“). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 2003 – [X.] –, [X.], 882 [883] – [X.]), sondern muss anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (vgl. [X.] [X.]/Eichelberger, [X.]. [X.], [X.] § 8 Rn. 169 [X.]).

Belege für eine beschreibende Verwendung des Begriffs „Jazz in den [X.]“ durch Dritte hat die Markenstelle nicht ermittelt. Deren Recherchen belegen nur eine Verwendung des Wortes „Jazz“ ergänzt um andere Ortsangaben oder Begriffe wie „Festival“ für Musikveranstaltungen, nicht aber in der hier angemeldeten Kombination für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Aus diesen Gründen war der zurückweisende Beschluss [X.]s, Markenstelle für [X.], vom 13. Dezember 2017 aufzuheben.

3.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Meta

27 W (pat) 509/18

26.04.2019

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.04.2019, Az. 27 W (pat) 509/18 (REWIS RS 2019, 7806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7806

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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