Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 10/10

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7098

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 10/10
Verkündet am:

4. Mai 2011

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2011 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin Dr.
Milger, die
Richter Dr.
Achilles und Dr.
Schneider sowie die Richterin Dr.
Fetzer
für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 10. Dezember 2009 -
unter Zu-rückweisung der weitergehenden Revision
-
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die [X.] zur Zahlung von mehr als rden ist.
Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 10. Februar 2008 wird zurückgewiesen, soweit die Klage hinsichtlich eines über [X.] ist.
Die [X.] des [X.] wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz haben der Kläger zu 2/3 und die [X.] zu 1/3 zu tragen, die Kosten der zweiten Instanz der Klä-ger zu 1/3 und die [X.] zu 2/3. Die Kosten der [X.] werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird für die Revisionsinstanz auf 13.2

Von Rechts wegen
-
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Tatbestand:
Der Kläger war vom 17. April 2004 bis zum 31. Oktober 2007 als (Unter-) Handelsvertreter für die [X.] tätig, die ihrerseits Finanzdienstleistungen vertreibt. Er macht geltend, dass die [X.] sein Provisionskonto zu Unrecht mit diversen Kosten und Gebühren belastet habe, und verlangt Auszahlung der einbehaltenen Beträge.
Die [X.] bietet ihren Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungs-
und Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit können die Handelsvertreter von der [X.] ferner verschiedene mit deren Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche gilt für die von der [X.] herausgegebene Zeitschrift "[X.]

", die die [X.] gegen Entgelt für die von ihnen betreuten Kunden bestellen können. Der Kläger machte von diesen Angeboten Gebrauch. Die dadurch entstande-nen Kosten wurden vereinbarungsgemäß seinem Provisionskonto belastet.
Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen [X.] ("A.

Business Center Nutzungsvertrag Software-Vorteilsangebot") wurde dem Kläger die Nutzung der [X.] der [X.] gegen [X.] eines gleichfalls seinem Provisionskonto belasteten Entgelts in Höhe von 80

Der Kläger hat Zahlung des von der [X.] insgesamt einbehaltenen hrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger sein [X.]sbegehren weiterverfolgt. Die [X.] hat in der Berufungsinstanz hilfs-weise die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch im Hinblick auf den Wert der dem Kläger überlassenen Software erklärt. Mit der 1
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in der Berufungsinstanz erhobenen [X.] hat die [X.] Auskunft begehrt, in welchen Fällen der Kläger von seinen Kunden ein Entgelt für die Erstellung der privaten Finanzstrategie erhalten habe. Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die [X.] zur Rück-b-gewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihr Klageabweisungsbegehren weiter; die Abweisung der [X.] nimmt sie hin. Mit der [X.] wendet sich der Kläger gegen das Be-rufungsurteil, soweit seine Berufung erfolglos geblieben ist, und verfolgt seinen Klageantrag in voller Höhe weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der [X.] hat teilweise Erfolg. Die [X.] des [X.] ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 3. September 2009 -
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[X.]/09, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausge-führt:
Dem Kläger stehe gegen die [X.] wegen unberechtigter [X.] ein Anspruch gemäß §
812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des [X.] vorgenommenen Abbuchungen seien überwiegend ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Rechtsgrund habe lediglich für die Beträge bestanden, die für die Teilnahme des [X.] an Schulungen und Seminaren abgebucht 5
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worden seien. Das Berufungsgericht teile die Auslegung des §
86a HGB durch das
[X.] Köln (Urteil vom 11. September 2009 -
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U 64/09, [X.]). Die Bestimmung sei Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des [X.], den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Der Begriff der Unterlagen sei weit zu fassen. Der Unternehmer müsse grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre unentgeltlich bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs-
und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen sei.
Bei den vom Kläger bestellten Werbegeschenken -
wie Aufkleber, Klei-dung, Süßigkeiten, Spielsachen und andere "Give-aways"
mit dem Unterneh-menslogo der [X.]
-
handele es sich um allgemeine Werbemittel, die als erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a HGB
anzusehen seien. Darauf, dass es sich insoweit nicht um unverzichtbare Hilfsmittel handele, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass der Unternehmer, der seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, diesen bei der Anpreisung der Ware zu [X.] und ihm die speziell auf die zu vertreibenden Produkte abgestimmten Hilfsmittel bereitzustellen habe.
Auch für das Briefpapier mit dem A.

-Logo und die entsprechend ge-stalteten Visitenkarten gelte § 86a Abs. 1 HGB. Es liege im Interesse der [X.], dass die in ihrem Auftrag tätigen Handelsvertreter nach außen hin bei schriftlichen Erklärungen ein einheitliches Briefpapier verwendeten. Der Zusatz auf dem Briefpapier, dass Erklärungen
des Handelsvertreters die [X.] nicht verpflichteten, erfolge ebenfalls in deren Interesse. Bei der gebotenen weiten Auslegung des § 86a HGB
habe der Unternehmer die Kosten für Briefpapier und Visitenkarten zu übernehmen, wenn die Gestaltung von ihm vorgegeben werde.
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Entsprechendes gelte auch für die so genannten Datenerhebungsbögen und die [X.]. Die [X.] lege in ihren Geschäftsanweisungen großen Wert darauf, dass eine entsprechende Datenerhebung erfolge. Die Da-tenerhebungsbögen seien Grundlage der Finanzanalyse und deshalb von der [X.] kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Wertung spreche auch nicht, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, den Kunden für die Erstellung der Finanzstrategie Beträge in Rechnung zu stellen. Wenn die [X.] von ihren Kunden keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Fi-nanzstrategie verlange, sondern etwaige Entgelte den Handelsvertretern [X.], könne durch diese vertragliche Gestaltung nicht die zwingende Regelung des § 86a HGB, wonach Unterlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen seien, umgangen werden. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nicht von allen Kunden die Erstellung der Finanzstrategie tatsächlich bezahlt werde.
Bei der Zeitschrift "[X.]

"
handele es sich um eine Werbedruck-sache im Sinne des Gesetzes, denn bei einer wertenden Betrachtung des [X.] der Zeitschrift stehe die Werbung für die [X.] und ihr Produkt -
den Finanzberatungsvertrag
-
im Vordergrund. Unerheblich für die Einschätzung als Werbemittel sei, dass die Zeitschrift auch käuflich zu erwerben sei. Durch diese Möglichkeit verliere die Zeitschrift nicht ihren Charakter einer "Werbedrucksa-che"
der [X.], denn Werbemittel müssten nicht zwingend kostenlos dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.
Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Auszahlung der von der [X.] für die überlassene Software einbehaltenen Beträge zu. Der [X.] der Software betreffe auch von der [X.] selbst entwi-ckelte Softwareprodukte, die mindestens nützlich für die Tätigkeit des [X.] gewesen seien. Es handele sich teilweise um speziell auf den Vertrieb der [X.] zugeschnittene Software und somit bei der gebotenen weiten Ausle-11
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gung des Gesetzes um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeits-mittel. Für die Entscheidung sei dabei unbeachtlich, dass nur Teile des [X.] der Vermittlungstätigkeit dienten und deshalb unter §
86a Abs.
1 HGB
fielen, während andere Teile allein der vom Kläger selbst zu finan-zierenden Büroorganisation zuzurechnen seien. Wenn die [X.] erforderli-che -
und damit kostenfreie
-
Arbeitsmittel zusammen mit nützlichen
-
und damit möglicherweise vergütungspflichtigen
-
Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86a Abs. 3 HGB
unwirksam.
Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der ihm für seine Teilnahme an Seminaren, Schulungen und Fortbildungskursen entstan-denen Kosten. Eine Schulung oder ein Fortbildungsseminar sei keine "Unterla-ge"
im Sinne des §
86a HGB. Es müsse sich um körperliche Gegenstände han-deln, was bei Schulungen nicht der Fall sei. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. §
86a HGB
finde seinen Sinn darin, dass der Unternehmer, der als Geschäftsherr seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, die Hilfsmittel bereitzustellen habe, die speziell auf die zu ver-treibenden Produkte abgestimmt seien. Für Fortbildungen und Schulungen, die in erster Linie in die Sphäre des Handelsvertreters fielen, gelte dies allerdings nicht.
Der mit der Hilfsaufrechnung verfolgte bereicherungsrechtliche Werter-satzanspruch im Hinblick auf die überlassene Software bestehe nicht, denn es sei der [X.] verwehrt, aufgrund der Unwirksamkeit der Vergütungsverein-barung gemäß §
86a HGB für eventuell vergütungspflichtige Anteile des Pakets bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
A. Revision der [X.]
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Rückzahlung

e-rechtigter Abbuchungen für die Nutzung der A.

-Software wendet. Dagegen hat sie Erfolg, soweit sie die Verurteilung zu weitergehenden Zahlungen an-greift. Denn eine Verpflichtung zur kostenlosen
Überlassung gemäß §
86a Abs.
1 HGB traf die [X.] lediglich hinsichtlich der [X.]; die von der [X.] vorgenommenen Verrechnungen wegen der vom Kläger bestell-ten Büroartikel und Werbemittel sind hingegen zu Recht erfolgt.
1. § 86a Abs. 1 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertre-ter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur [X.] zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß §
86a Abs.
3 HGB unwirksam. Nach allgemeiner Meinung sind die Unterlagen im [X.] des §
86a HGB kostenlos zu überlassen ([X.] in Großkomm. HGB, 5.
Aufl., § 86a Rn. 74; [X.]/Thume, Handbuch des gesamten [X.], 3. Aufl., Rn. 611;
Thume, [X.] 1995, 1913, 1914 f.; [X.], [X.] 2009, 87; [X.], [X.], 82; [X.], [X.], 5, 7). Aus dem Leitbild des Handelsvertreters als selbständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er sich einerseits nicht an den Kosten des
Unternehmers beteiligen muss, andererseits jedoch das alleinige Risiko der von ihm entfalteten [X.] trägt. Durch eine Beteiligung an Kosten des Unternehmers für Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB wäre der Handelsvertreter indes 16
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verpflichtet, auch im Falle erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Unterlagen ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des [X.] zu tragen (vgl. [X.], aaO; [X.], NJW-RR 1990, 567, 569 f.). Dies wäre mit der Risi-koverteilung im [X.] unvereinbar.
2. Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, denn die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von Mustern, Zeich-nungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen ist nur [X.] und nicht abschließend (Thume in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 3.
Aufl., §
86a Rn.
3; MünchKommHGB/v. [X.], 2. Aufl., §
86a Rn.
4; [X.], aaO Rn.
69; [X.], Urteil vom 11. September 2009 -
19
U 64/09, juris, Rn. 6). Von dem Begriff der Unterlagen wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs-
oder Abschlusstätigkeit -
insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden
-
dient und aus der Sphäre des
Unternehmers stammt ([X.], aaO; [X.]/Thume, aaO Rn.
608; [X.], HGB, 2009, §
86a Rn. 5).
3. Umstritten ist hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen Unterlagen für die Tätigkeit des Handelsvertreters im Sinne des § 86a Abs.
1 [X.] "erforderlich"
sind.
a) Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht folgt, werden von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst. Erforderlich im Sinne des §
86a Abs.
1 HGB seien darüber hinaus auch die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig halte; insbesondere müssten umfassendes Werbematerial und die die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Software kostenlos zur Verfügung gestellt werden ([X.], Urteil vom 20
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September 2009 -
19
U 64/09, aaO; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/
Strohn, HGB, 2. Aufl., §
86a Rn.16; [X.], aaO Rn. 69 f.). Teilweise werden auch Kundenzeitschriften und produktunspezifische Werbemittel
wie Aufkleber und mit dem Logo des Unternehmers versehene Kleidung als gemäß §
86a Abs. 1 HGB "erforderliche"
und deshalb kostenlos zu überlassende Unterlagen eingeordnet ([X.], aaO Rn. 70; [X.], Urteile vom 30.
November 2007 -
19
U 84/07, juris Rn. 4
ff., sowie vom 11. September 2009 -
19
U 64/09, aaO Rn. 8).
b) Die Gegenmeinung befürwortet eine restriktive Auslegung und [X.], dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssen ([X.], Urteil vom 19. Mai 2009 -
10
O 483/08, juris; [X.], [X.], 1025, 1030 f.; [X.], [X.] 2010, 2000, 2003).
c) Der zuletzt genannten Auffassung gebührt der Vorzug. Schon der Wortlaut des §
86a Abs.
1 HGB ("erforderliche"
Unterlagen) spricht dafür, dass der Handelsvertreter nur solche Unterlagen kostenlos beanspruchen kann, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des [X.]vertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Auch die in der Vorschrift aufgeführten Beispiele stützen eine solche Auslegung, denn es handelt sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen [X.] haben und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für Preislisten und Geschäftsbedingungen, ohne die
der Handelsvertreter die Vermittlung oder den Abschluss eines Vertrages unter Einhaltung der vom Unternehmer vorgegebenen Konditionen nicht leisten kann. Die übrigen beispielhaft erwähnten Unterlagen, nämlich Muster, Zeichnungen und Werbedrucksachen sind -
je nach Branche
-
erforderlich, damit der [X.] den künftigen Kunden das Produkt, das er nach dem Handelsver-tretervertrag zu vertreiben hat, überhaupt vorstellen kann. Ohne derartige Un-23
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terlagen, die nur der Unternehmer zur Verfügung stellen kann, ist eine Vermitt-lung oder ein Abschluss von Verträgen praktisch ausgeschlossen.
Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbständiger Unternehmer legt eine enge Auslegung nahe. Die eigentliche Vertriebstätigkeit, also die von ihm zu entfaltenden
Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse, auf die der Handelsvertretervertrag gerichtet ist, obliegt ihm als selbständigem Un-ternehmer. Ihn trifft insoweit das handelsvertretertypische Risiko, dass sich die von ihm dafür getätigten Aufwendungen und sein Einsatz nur bei erfolgreicher Vermittlung von Verträgen rentieren, weil er sonst keine Einnahmen erzielt. Nach § 87d HGB trägt der Handelsvertreter deshalb -
soweit nicht ein Aufwen-dungsersatz durch den Prinzipal handelsüblich ist
-
die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst. Hierzu gehören die ei-gene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden ([X.]/[X.], HGB, 34. Aufl., §
87d Rn. 4). Zu den gemäß §
86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur [X.] zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.
4. Nach
den vorstehend dargelegten Maßstäben handelt es sich bei den vom Kläger bestellten Artikeln (mit Ausnahme des [X.]) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB, so dass die [X.] das Provisionskonto des [X.] insoweit zu Recht belastet hat.
a) Dies gilt zunächst für die der Büroausstattung des [X.] zuzuord-nenden Unterlagen wie Briefpapier, Visitenkarten und Erhebungsbögen, auch wenn diese Artikel mit dem Logo der [X.] versehen sind. Mit dem einheit-25
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lichen Logo mag ein Werbeeffekt für die [X.] und ihr System der Finanzbe-ratung verbunden sein, der in erster Linie der [X.], mittelbar aber auch dem Kläger zu [X.] kommen dürfte. Das einheitliche Logo macht die Artikel aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung noch nicht zu "produkt-spezifischen Hilfsmitteln"
und nimmt ihnen auch nicht den Charakter als Büro-ausstattung (vgl. [X.], [X.], 137). Angesichts dessen rechtfertigt auch der Umstand, dass die [X.] in ihren Geschäftsanweisungen großen Wert auf die Erhebung der zur Beurteilung der Vermögenssituation erforderlichen Daten legte, weil diese für eine von der [X.] versprochene "Finanzopti-mierung"
unerlässliche Grundlage war, keine andere Beurteilung.
b) Auch bei den Werbeartikeln ("Give-aways") und den Mandantenord-nern, die der Kläger von der [X.] bezogen hat, handelt es sich -
anders als bei den in § 86a HGB genannten (produktbeschreibenden) Werbedrucksa-chen
-
nicht um für die Vermittlungstätigkeit notwendige Unterlagen. Derartige Aufmerksamkeiten dienen der allgemeinen Kundenpflege und sollen dazu bei-tragen, ein Klima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das Geschäftsabschlüsse erleichtert. Solche "Kundengeschenke"
gehören ähnlich wie Bewirtungskosten und [X.] zum Geschäftsaufwand des Handelsvertreters.
c) Auch die Zeitschrift "[X.]

"
dient der allgemeinen Kundenpfle-ge und soll allgemein das Interesse der Kunden an den Beratungsleistungen der [X.] und den Produkten ihrer Partnergesellschaften wecken. Ein un-mittelbarer Bezug zu den Produkten der Partnergesellschaften ist nicht vorhan-den; die Kundenzeitschrift kann daher nicht mit einer Produktbroschüre [X.] werden, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung von [X.] angewiesen ist.
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5. Dagegen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die [X.] die A.

-Business-Software kostenlos zur Verfügung zu [X.] hatte. Die gegenteilige Vergütungsvereinbarung ist gemäß §
86a Abs.
3
HGB unwirksam. Auch die [X.] stellt nicht in Abrede, dass es sich bei dem Softwarepaket jedenfalls bezüglich eines Teils der darin enthaltenen Softwarekomponenten um eine für die Tätigkeit des [X.] als ihres (Unter-)
Handelsvertreters unverzichtbare Unterlage handelt. Da die [X.] die unver-zichtbare [X.] dem Kläger gemäß §
86a Abs. 1 HGB kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte, ist die für das A.

-Business Paket getroffene [X.] unwirksam. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Vergütungsvereinbarung auch nicht teilweise aufrechterhalten werden. Zwar bezieht sich der Nutzungsvertrag nach den Feststellungen des Berufungsge-richts auch auf Softwarekomponenten, die der vom Kläger
grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zugerechnet werden können. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, dass der Klä-ger zumindest einen Teil des Entgelts für die Nutzung des [X.] schuldet. Denn Vertragsgegenstand war die Nutzung eines zu einem einheitli-chen Preis angebotenen, auf die Bedürfnisse des Handelsvertreters abge-stimmten [X.]; dabei handelt es sich nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt.
6. Die Hilfsaufrechnung der [X.] ist unbegründet. Das Berufungs-gericht hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§
812 Abs.
1 BGB) wegen der dem Kläger überlassenen Software zu Recht verneint. Denn dem Kläger stand -
wie ausgeführt
-
gemäß § 86a HGB ein Anspruch auf kos-tenlose Überlassung der speziellen A.

-[X.] zu, so dass die Überlassung mit Rechtsgrund erfolgt ist. Da die [X.] das dem Kläger über-lassene, aus verschiedenen Softwarekomponenten bestehende Paket nur ein-heitlich angeboten hat, kommt eine nachträgliche Aufspaltung in einzelne Kom-30
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ponenten nicht in Betracht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die [X.] für einzelne Komponenten, soweit sie diese dem [X.] gesondert angeboten hätte, eine Vergütung hätte verlangen können, weil es sich insoweit um [X.] und deshalb vom Handelsvertreter selbst zu finanzierende Bürosoftware handelte.

B. [X.] des [X.]
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.] die Kosten für die vom Kläger in Anspruch genommenen Schulungen von den verdienten Provisionen abziehen durfte, so dass dem Kläger insoweit kein Erstattungsanspruch zusteht. Bei den Schulungen und Seminaren der [X.], an denen der Kläger teilgenommen hat, handelt es sich nicht um erfor-derliche Unterlagen in Sinne des §
86a Abs.
1 HGB.
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der [X.] Veranstaltungen kostenlos anbieten müsse, wenn sie der Übermittlung von Informationen dienten, die der Handelsvertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit benötige, wie beispielsweise Informationen über den Gegenstand des Ver-triebsobjekts, den Kundenkreis oder die Lieferbedingungen ([X.], aaO Rn.
70). Inwieweit dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung, denn um die Vermittlung derartiger Informationen ging es hier nicht. Gegenstand der von der [X.] als Beispiel genannten Seminare -
etwa zum Erwerb von Lizenzen, ohne die die Handelsvertreter der [X.] Beratungen für [X.] Geschäfte (z. B. Immobiliengeschäfte) nicht durchführen dürfen
-
war nicht die Übermittlung von Produktinformationen, Geschäftsbedingungen oder ähnli-chen Nachrichten über die zu vertreibenden Produkte der Partnergesellschaf-ten, sondern die Vermittlung von Fachkenntnissen, die der Handelsvertreter für 32
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den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte allgemein benötigt. Eine Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter den Erwerb derartiger Fachkenntnis-se zu finanzieren, lässt sich §
86a Abs.
1 [X.] nicht entnehmen. Die von der [X.] befürwortete analoge Anwendung des §
86a Abs.
1 HGB kommt schon mangels Bestehen einer Regelungslücke nicht in Betracht.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, so-weit die [X.] zur Z[X.] ist; es ist insoweit aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§
563 Abs.
3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der [X.] gegen [X.] übersteigenden Betrages abgewiesen worden ist. Die weitergehende Revi-sion der [X.] und die [X.] des [X.] sind [X.].
[X.]
Dr. Milger
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.02.2009 -
26 O 51/08 -

[X.], Entscheidung vom 10.12.2009 -
11 [X.]/09 -

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Meta

VIII ZR 10/10

04.05.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 10/10 (REWIS RS 2011, 7098)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7098

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 10/10

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