Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2020, Az. B 5 SF 9/20 S

5. Senat | REWIS RS 2020, 2539

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Einwendungen gegen die Kostenerhebung trotz Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung - Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters


Tenor

Auf die Erinnerung wird die Schlusskostenrechnung der Geschäftsstelle des [X.] vom 18. Mai 2020 - [X.] [X.]/20 B - aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Beschluss vom [X.] (L 11 [X.] 1355/17) einen Anspruch des [X.] und hiesigen [X.] auf Auszahlung weiteren vertragszahnärztlichen Honorars verneint und deshalb seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] vom 21.6.2017 zurückgewiesen. Der Kläger erstrebte, dass auch gegen diese Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum [X.] erhoben werde. In einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 22.2.2020 an das [X.], das neben dem genannten noch weitere elf Aktenzeichen unterschiedlicher Senate des [X.] [X.], P, [X.], [X.] und [X.]) aufführte, betonte er, dass er prozessunfähig sei und deshalb weder selbst einen Anwalt beauftragen noch wirksam einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen könne. Rechtsverbindliche Schreiben müsse die von ihm benannte Rechtsanwältin [X.] verfassen, die das [X.] als besondere Vertreterin für die entsprechenden Verfahren zu bestellen habe, damit er als behinderter Mensch nicht entrechtet werde.

2

Der 6. Senat des [X.] hat dieses Schreiben als Nichtzulassungsbeschwerde behandelt. Er hat den Kläger weiterhin - jedenfalls in vertragszahnärztlichen Angelegenheiten - für prozessfähig erachtet und deshalb keinen besonderen Vertreter bestellt, sondern die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden war (Beschluss vom [X.] [X.] 5/20 B). Zugleich sind in diesem Beschluss die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Kläger auferlegt und der Streitwert für dieses Verfahren auf 252 823,72 Euro festgesetzt worden.

3

Die Geschäftsstelle des [X.] hat mit Schlusskostenrechnung vom 18.5.2020 die vom Kläger für das Beschwerdeverfahren zu tragenden Gerichtskosten nach [X.] ([X.] - Anlage 1 zu § 3 Abs 2 [X.]) auf 4208 Euro festgesetzt. Der Kläger macht mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung (Schreiben vom [X.]) geltend, dass er als Behinderter und [X.] geklagt habe und deshalb Gerichtskosten entfielen. Zudem gehöre er wegen der Corona-Pandemie einer Risikogruppe an, die nicht mit Forderungen belastet werden dürfe, welche den Entzug der Lebensgrundlage bedeute.

4

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Kostenprüfungsbeamtin ist dieser Entscheidung am 23.6.2020 beigetreten.

5

II. 1. Zur Entscheidung über die Erinnerung ist der 5. Senat des [X.] als Kostensenat gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm Rd[X.] 5 Ziffer 13 des [X.] des [X.] berufen. Er entscheidet durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter (§ 66 Abs 6 Satz 1 iVm § 1 Abs 5 [X.]).

6

2. Die Erinnerung ist formgerecht erhoben.

7

a) Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Erinnerung nicht der Schriftform genügt (vgl § 66 Abs 5 Satz 1 [X.]), sondern von einem unbeteiligten und vollmachtlosen Dritten stammt und damit ohne rechtliche Wirkung ist, bestehen nicht. Zwar ist in dem Schreiben vom [X.] ausgeführt, dass die Erinnerung "von den Helfern des Dr. S. aus dem Bereich der Mediziner, Statistiker, Historiker und Pädagogen" verfasst wurde und von ihm selbst erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem angegebenen Datum unterzeichnet worden sei, wobei dieser "weder das gesprochene Wort hören noch Schreiben lesen und nicht deren Inhalt erfassen" konnte. Wenn dem so wäre, wäre die Veranlassung des Dr. S. zur "Unterschrift" unter ein solches, inhaltlich von ihm überhaupt nicht verstandenes Schriftstück eine "Farce" und würde nicht dazu führen, dass die Schriftform gewahrt ist (vgl [X.] Urteil vom 12.3.1981 - [X.] - juris Rd[X.] 15 f). Das müsste sich auch einem Mediziner, Statistiker, Historiker oder Pädagogen mit durchschnittlicher Bildung ohne Weiteres aufdrängen. Da der Erinnerungsführer seine angeblichen "Helfer" aber niemals namentlich, sondern lediglich mit bedeutungsvoll klingenden Berufsbezeichnungen benennt, dabei aber zugleich seit Jahren in den zahlreichen beim [X.] anhängig gemachten Verfahren in stets gleichbleibender und konsistenter Weise vorträgt, geht der Senat - zugunsten des [X.] - davon aus, dass das Erinnerungsschreiben in Wirklichkeit von ihm selbst stammt (zur Prozessfähigkeit des [X.] s auch [X.] Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - Rd[X.] 3 mwN).

8

b) Abweichend von dem für Verfahren vor dem [X.] ansonsten geltenden Vertretungszwang (§ 73 Abs 4 [X.]) bedarf es für eine Kostenerinnerung nach der Sondervorschrift in § 66 Abs 5 Satz 1 [X.] keiner Vertretung durch einen vor dem [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten (s auch § 1 Abs 5 [X.]).

9

3. Die Erinnerung gegen den [X.] in der Schlusskostenrechnung vom 18.5.2020 hat Erfolg.

Zwar hat der Beschluss des 6. Senats vom 21.4.2020 (B 6 [X.] 5/20 B) den Kläger (hiesigen Erinnerungsführer) zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem [X.] verpflichtet (vgl § 29 [X.]). Diese Kostengrundentscheidung ist grundsätzlich verbindlich und im Rahmen einer Erinnerung gegen den [X.] nicht nachzuprüfen (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]/16 - juris Rd[X.] 5 mwN; [X.] Beschluss vom 18.6.2019 - B 6 [X.] 9/19 S - juris Rd[X.] 10). Hier wendet sich der Erinnerungsführer aber nicht gegen die Art und Weise der Kostenzuordnung in der Kostengrundentscheidung, sondern dagegen, dass Gerichtskosten für das von ihm eingeleitete Verfahren überhaupt erhoben werden. Er macht geltend, dass Gerichtskosten nach den gesetzlichen Vorschriften nicht angefallen sind und deshalb die Kostengrundentscheidung ("Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens") ins Leere geht, auch wenn sie verbindlich ist. Dieser Einwand wird dem Erinnerungsführer durch den Grundsatz der Verbindlichkeit der Kostengrundentscheidung nicht abgeschnitten (zur Anwendbarkeit des § 21 Abs 1 [X.] vgl [X.] in [X.][X.], Kostenrecht, 50. Aufl 2020, § 21 [X.] Rd[X.] 21 "Kostenentscheidung"; zum Wesen dieser Vorschrift als "Gegennorm zum Kostenanspruch" [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2019, § 21 Rd[X.] 1).

Hier folgt aus § 21 Abs 1 Satz 1 [X.], dass vom Erinnerungsführer für das zugrunde liegende Verfahren keine Kosten zu erheben sind. Sein Schreiben vom 22.2.2020 hätte nicht bereits als Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde, sondern lediglich als Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters iS des § 72 Abs 1 [X.] zur Durchführung des beabsichtigten Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde durch die benannte Rechtsanwältin behandelt werden müssen (zu vergleichbaren Formulierungen des [X.] zutreffend bereits [X.] Beschluss vom [X.] - B 6 [X.] 3/19 S - Rd[X.] 2; [X.] Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - Rd[X.] 2; [X.] Beschluss vom 3.3.2020 - B 10 [X.] 4/19 B; zu einem weiteren Verfahren, das ebenfalls aus dem Schreiben vom 22.2.2020 hervorgegangen ist, s auch [X.] Beschluss vom 15.5.2020 - B 10 [X.] 6/20 S). Für ein solches Verfahren vor Einleitung des eigentlichen Rechtsmittelverfahrens fallen Gerichtskosten nach § 197a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 1 Abs 2 [X.] 3 [X.] nicht an, da das Kostenverzeichnis zum [X.] hierfür keinen Gebührentatbestand enthält (vgl [X.] 7130 ff, 7500 ff [X.]). Insoweit gilt dasselbe wie für isolierte Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder für Verfahren auf Beiordnung eines Notanwalts ([X.] Beschluss vom [X.] - B 6 [X.] 3/19 S - Rd[X.] 5). Dementsprechend entstehen auch in Verfahren, für die gemäß §§ 183, 184 [X.] von nicht kostenprivilegierten Beteiligten - insbesondere von den beklagten Versicherungsträgern - Pauschgebühren zu erheben sind, solche Gebühren für eine Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters noch vor Einleitung der Instanz nicht ([X.] Beschluss vom 27.2.2020 - B 5 R 32/20 B - Rd[X.] 4).

Nach alledem kommt es auf die in dem Erinnerungsschreiben erneut wiederholte, rechtlich jedoch unzutreffende Ansicht, dass behinderte Menschen generell von Gerichtskosten befreit seien, hier nicht an (s dazu [X.] Beschluss vom 24.4.2020 - B 5 [X.] 6/20 S - juris Rd[X.] 9 mwN).

4. [X.] für das Verfahren der Erinnerung beruht auf § 66 Abs 8 [X.].

5. Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft 66 Abs 3 Satz 2 und 3 [X.]).

Meta

B 5 SF 9/20 S

29.06.2020

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

§ 72 Abs 1 SGG, § 73 Abs 4 SGG, § 183 SGG, § 184 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 1 Abs 2 Nr 3 GKG 2004, § 1 Abs 5 GKG 2004, § 3 GKG 2004, § 21 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 29 Nr 1 GKG 2004, § 66 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 5 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 6 S 1 GKG 2004, Nr 7130 GKVerz, Nr 7130ff GKVerz, Nr 7500 GKVerz, Nr 7500ff GKVerz

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2020, Az. B 5 SF 9/20 S (REWIS RS 2020, 2539)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2539

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