Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.10.2015, Az. I ZB 6/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3607

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rundfunkbeitragsrechtliches Vollstreckungsverfahren in Baden-Württemberg: Partei des Vollstreckungsverfahrens bei Beitreibung von Rundfunkgebühren durch den nichtrechtsfähigen "Beitragsservice"


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 8. Januar 2015 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des [X.] vom 8. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel hat der Schuldner zu tragen. Gegenstandswert: 189,82 €

Gründe

1

A. Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Bezeichnung "[X.]" tätige [X.] in den Bundesländern [X.] und [X.]. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge.

2

Am 15. April 2014 ging beim [X.] – [X.] - ein als "[X.]" bezeichnetes Schreiben vom 4. April 2014 ein, das mit dem nachfolgend eingeblendeten Briefkopf versehen war.

Abbildung

3

In dem Schreiben hieß es weiter wie folgt:

[X.] und Herren,

trotz Festsetzung und Mahnung hat der oben genannte Beitragsschuldner rückständige Rundfunkgebühren von insgesamt 189,82 [X.] nicht beglichen. Die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung sind erfüllt, insbesondere sind die Gebühren-/Beitragsbescheide unanfechtbar geworden bzw. hat ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung.

Wir bitten Sie, wegen rückständiger Rundfunkgebühren/-beiträge die nachfolgend beantragten Vollstreckungsmaßnahmen gegen oben genannten Beitragsschuldner durchzuführen. Diese Ausfertigung ist vollstreckbar.

Es wird zunächst die isolierte gütliche Erledigung gemäß § 802b ZPO beantragt. Einer Zahlungsvereinbarung über 12 Monate wird bereits jetzt zugestimmt.

Bei erfolgloser gütlicher Einigung wird beantragt, einen Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO zu bestimmen und nach Abgabe der Auskunft eine entsprechende Abschrift gemäß § 802f Abs. 6 ZPO zu übersenden.

Für den Fall, dass unsere Forderung 1.000,00 [X.] übersteigt, beantragen wir, ...

Senden Sie uns außerdem das Vermögensverzeichnis gemäß § 900 Abs. 5 ZPO a.F. bzw. die Vermögensauskunft gemäß 802c, 802d und 802f ZPO n.F. zu, [X.]n das Vermögensverzeichnis/die Vermögensauskunft nicht älter als ein Jahr ist. ...

Die Aufstellung der rückständigen Forderungen finden Sie auf der/den Folgeseite(n).

Zu Ihrer Information:

Im beizutreibenden Betrag ist die Zahlung vom 26.11.2012 über 17,28 [X.] berücksichtigt. Das [X.] weist einschließlich 03.2014 einen Rückstand von 303,70 [X.] aus. Die rückständigen Forderungen betreffen den nicht privaten Bereich.

Überweisen Sie die eingezogenen Beträge bitte unter Angabe der [X.] ... und des Datums 04.04.2014 und nutzen Sie hierfür unbedingt das [X.]. ...

Mit freundlichen Grüßen [X.]

4

Die letzte Seite des Schreibens enthielt eine "Aufstellung der rückständigen Forderungen" und den vorangestellten Hinweis: "Dem Beitragsschuldner sind bereits Gebühren-/Beitragsbescheide und Mahnungen mit folgenden Daten zugesandt worden." Die Seite endet mit dem Hinweis: "Dieses [X.] ist von einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage gefertigt und ohne Unterschrift und Dienstsiegel wirksam."

5

Nachdem der Gerichtsvollzieher den Schuldner erfolglos zur Zahlung aufgefordert und Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft anberaumt hatte, erließ er am 22. Mai 2014 eine Anordnung zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

6

Mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 hat das Vollstreckungsgericht den gegen die Eintragungsanordnung gerichteten Widerspruch des Schuldners vom 28. Mai 2014 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Vollstreckungsgerichts sowie die Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers aufgehoben ([X.], Beschluss vom 8. Januar 2015 - 5 T 296/14, juris). Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 8. Dezember 2014 weiter.

7

B. Das Beschwerdegericht ist von der Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde des Schuldners ausgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8

[X.] sei als Titel unzureichend gewesen. Es fehle die vollständige, eindeutige und zutreffende Angabe des Gläubigers. Im gesamten Ersuchen sei nicht ansatzweise erwähnt, dass der [X.] als Anstalt des öffentlichen Rechts Gläubiger sei und nicht - wie in den Entscheidungen des Gerichtsvollziehers angegeben - ein '[X.] [X.] [X.] Beitragsservice". Dass der Gerichtsvollzieher als in [X.] äußerst erfahrene Person das [X.] dahin verstanden habe, dass ein '[X.] [X.] [X.] Beitragsservice' Gläubiger sei, zeige, dass für einen Schuldner nicht ansatzweise zu erkennen gewesen sei, dass der mit allen postalischen Details angegebene, um die Vollstreckung ersuchende Beitragsservice tatsächlich nicht der Gläubiger sei. Der Beitragsservice habe ohne klaren Vertretungszusatz nicht einmal das Ersuchen verfassen dürfen, da er sich damit angesichts des Rechtscharakters des Ersuchens als Titelersatz zugleich als Gläubiger geriere. Der einfache, optisch einem Werbeaufdruck gleichkommende Aufdruck des Wortes "[X.]" ohne weitere Angaben reiche ebenso [X.]ig für eine hinreichende Gläubigerbezeichnung aus wie der aufgedruckte Schlusssatz "Mit freundlichen Grüßen [X.]".

9

C. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.

I. Die Beschwerde des Schuldners ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des [X.] lagen die Voraussetzungen der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vor.

1. Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde die Annahme des [X.], das [X.] vom 4. April 2014 entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil darin nicht der richtige Gläubiger angegeben oder erkennbar sei.

a) Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass allein der Gläubiger und nicht der im Briefkopf des [X.]s ebenfalls aufgeführte "[X.] [X.] [X.] Beitragsservice" (nachfolgend: Beitragsservice) Inhaber der Beitragsforderungen ist, die Gegenstand der im Streitfall maßgeblichen Vollstreckung sind (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juni 2015 - [X.], [X.], 577 Rn. 18 f.).

b) Entgegen der Ansicht des [X.] wies das [X.] vom 4. April 2014 keine unklare oder unrichtige Angabe des Gläubigers auf. Es fehlt deshalb nicht an der allgemeinen Verfahrensvoraussetzung der zutreffenden Parteibezeichnung.

aa) Dass vorliegend allein der Gläubiger und nicht der Beitragsservice als Partei des [X.] in Betracht kommt, ergibt sich bereits zwingend aus der Rechtslage.

Gemäß § 10 Abs. 1 des [X.] vom 17. Dezember 2010 ([X.]), der den Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 31. August 1991 (RGebStV) mit Wirkung vom 1. Januar 2013 aufgehoben hat (vgl. Art. 2 und Art. 7 des Fünfzehnten [X.] vom 15. Dezember 2010), steht das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag der [X.], dem [X.], dem [X.] sowie der Landesmedienanstalt zu, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des [X.] befindet oder das Kraftfahrzeug zugelassen ist. Daraus ergibt sich, dass im Streitfall allein der Gläubiger als [X.] im Hinblick auf die Geltendmachung und Vollstreckung der Beitragsforderungen partei- und prozessfähig ist. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß § 10 Abs. 7 Satz 1 [X.] jede [X.] die ihr nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch eine nichtrechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft - dem Beitragsservice (früher [X.]) - wahrnimmt. Der Beitragsservice ist nicht rechtsfähig und damit auch nicht partei- und prozessfähig, sondern dient den [X.]en, dem [X.] und dem [X.] aus Praktikabilitätsgründen lediglich als eine örtlich ausgelagerte gemeinsame [X.]. Er ist daher nur zur Beitreibung von Rundfunkbeiträgen im Namen der [X.]en befugt (vgl. [X.], [X.], 577 Rn. 19 mwN). Im Streitfall kam daher bereits von Rechts wegen nur der Gläubiger und nicht auch der Beitragsservice als tatsächlich existierende Partei und damit als Gläubiger der zu vollstreckenden Rundfunkbeiträge in Betracht.

bb) Nichts anderes ergibt sich bei verständiger Würdigung des [X.]s vom 4. April 2014. Darin war der Gläubiger als Absender hinreichend deutlich erkennbar. Seine Bezeichnung "[X.]" befand sich nicht nur - räumlich eindeutig abgesetzt von den Angaben zum Beitragsservice - auf der linken Seite des Briefkopfs des [X.]s. Sie war zudem in Alleinstellung auch unter der abschließenden Grußformel "Mit freundlichen Grüßen" und damit an der Stelle angegeben, an der herkömmlich die für den vorstehenden Inhalt verantwortlich zeichnende Person oder Institution aufgeführt ist. Es ergeben sich auch keine Zweifel an der Identität des Gläubigers daraus, dass im [X.] der Gläubiger nur mit seiner Bezeichnung "[X.]" angegeben ist, während Angaben zu seiner Rechtsform, Anschrift und Vertretung fehlen. Die Frage, wer Partei eines Rechtsstreits oder Beteiligter eines [X.] ist, bestimmt sich nach den Umständen. Umstände, die im Streitfall trotz der Angabe "[X.]" als Absender des [X.]s Zweifel an der damit gekennzeichneten Partei begründen könnten, so dass nur die Angabe der Rechtsform, Anschrift und Vertretungsverhältnisse die eindeutige Identifizierung des Gläubigers ermöglichen, hat das Beschwerdegericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es eine weitere [X.] mit einem identischen oder zumindest verwechslungsfähigen Namen gibt, die ebenfalls berechtigt sein könnte, Rundfunkbeiträge von einem in [X.] ansässigen Schuldner zu erheben. Dass im Briefkopf neben der Bezeichnung des Gläubigers auch die Bezeichnung des Beitragsservice und nähere Angaben zu dessen Erreichbarkeit angegeben sind, spricht nicht gegen die alleinige Parteieigenschaft des Gläubigers, sondern entspricht vielmehr der dem Beitragsservice vom Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zugewiesenen Aufgabe, als [X.] für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Rundfunkbeiträge beizutreiben. Entgegen der Ansicht des [X.] musste auf diese eindeutige Rechtslage im [X.] nicht hingewiesen werden.

cc) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe sich rechtsfehlerhaft auf den Umstand gestützt, dass der Gerichtsvollzieher als eine in [X.] äußerst erfahrene Person in seinen Entscheidungen davon ausgegangen sei, Gläubiger sei der Beitragsservice. Es kann dahinstehen, [X.] der im Streitfall tätige Gerichtsvollzieher als Gläubiger angesehen hat. Maßgeblich ist nicht die subjektive Sicht des Vollstreckungsorgans, sondern die verständige Würdigung der Umstände.

Für die Frage, wer Partei eines Rechtsstreits ist, ist ohnehin nicht allein die Parteibezeichnung ausschlaggebend. Selbst bei einer unrichtigen äußeren Bezeichnung ist die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll ([X.], Urteil vom 24. Januar 1952 - [X.], [X.]Z 4, 328, 334; Urteil vom 21. November 1975 - [X.], [X.], 286; Beschluss vom 28. März 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 764, 765; Beschluss vom 22. September 2011 - [X.]/10, NJW-RR 2012, 460 Rn. 8). Dies ist hier der Gläubiger. Es ist insoweit auch unerheblich, ob der Gerichtsvollzieher im Rubrum der Eintragungsanordnung die Bezeichnung "SWR [X.] [X.] [X.] Beitragsservice Köln” oder die Bezeichnung "[X.] [X.] [X.] Beitragsservice" ver[X.]det (entgegen [X.], Beschluss vom 22. August 2015 - 5 [X.] sowie [X.], Beschluss vom 9. September 2015 - 5 [X.], juris Rn. 7).

2. Das Beschwerdegericht hat in seiner mit der Rechtsbeschwerde angegriffenen Entscheidung auszugsweise die Gründe seines Beschlusses vom 19. Mai 2014 (5 [X.], juris) wiedergegeben und dazu ausgeführt, auf diese Erwägungen komme es nicht an, sie seien aber der Vollständigkeit halber anzuführen. Sollte dies dahingehend zu verstehen sein, dass sich das Beschwerdegericht hilfsweise auf die Gründe im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 [X.] stützen wollte, kann seine Entscheidung ebenfalls keinen Bestand haben. Auch diese Gründe halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf die in dem dortigen Verfahren ergangene Entscheidung des Senats vom 11. Juni 2015 ([X.], [X.], 577) wird Bezug genommen.

3. Die Entscheidung des [X.] stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Das [X.] erfüllt die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 15a LVwVG BW.

II. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

Schaffert     

     Kirchhoff

Richterin am [X.] Dr. Schwonke
ist in Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben.

Löffler     

Büscher

Meta

I ZB 6/15

21.10.2015

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Tübingen, 8. Januar 2015, Az: 5 T 296/14, Beschluss

§ 882c ZPO, § 10 Abs 1 RdFunkBeitrStVtr BW, § 10 Abs 7 S 1 RdFunkBeitrStVtr BW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.10.2015, Az. I ZB 6/15 (REWIS RS 2015, 3607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3607

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 6/15 (Bundesgerichtshof)


I ZB 64/14 (Bundesgerichtshof)

Gerichtsvollzieherauftrag: Inhaltliche und formelle Anforderungen an ein Vollstreckungsersuchen der Landesrundfunkanstalt betreffend Rundfunkbeiträge in Baden-Württemberg


I ZB 35/15 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckung von Rundfunkgebühren in Baden-Württemberg: Inhaltliche Anforderungen an das Vollstreckungsersuchen der Landesrundfunkanstalt


VII ZB 11/15 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckung aus Rundfunkgebührenbescheiden in Baden-Württemberg: Inhaltliche Anforderungen an das Vollstreckungsersuchen der Landesrundfunkanstalt; Kostenentscheidung im Rechtsbehelfsverfahren


I ZB 64/14 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.