Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 23.09.2016, Az. V ZR 110/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4993

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Gegenstand

Anbau eines Wintergartens durch den Mieter: Vermutung der Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des [X.] vom 14. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23. September 2014 hinsichtlich der Herausgabe der Wintergartenkonstruktion aus Glas und [X.] nebst zugehöriger Belüftung zurückgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte vermietete seine Lokalräume zum Betrieb eines Restaurants. Während der Mietzeit wurde ein Wintergarten aus Glas und [X.] nebst Belüftungsanlage errichtet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses gab die Mieterin die Räume samt Wintergarten dem Beklagten zurück.

2

Die Klägerin, die das damalige Restaurant der Mieterin mit Lebensmitteln beliefert hatte, verlangt von dem Beklagten - soweit hier von Interesse - die Herausgabe des [X.] nebst Belüftungsanlage. Zur Begründung gibt sie an, dass die Mieterin während der Mietzeit ihr diesen als Sicherheit für nicht beglichene Rechnungen übereignet habe.

3

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unbegründet sei. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Herausgabe des [X.] nebst Belüftungsanlage weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 [X.] nicht zu, da sie nicht Eigentümerin des [X.] geworden sei. Dieser stehe als wesentlicher Bestandteil der Immobilie des Beklagten gemäß §§ 946, 93, 94 [X.] in dessen Eigentum und sei nicht sonderrechtsfähig. Ohne den Wintergarten sei das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt; die Seitenteile des [X.] hätten wandersetzende Funktion, weil durch sie das Gebäude nach außen abgeschlossen und der Innenraum gegen Witterungseinflüsse abgeschottet werde. Dafür, dass nur eine vorübergehende Einbringung anzunehmen wäre, fehle jeder Anhaltspunkt.

II.

5

Über die Revision der Klägerin ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.], 79, 82).

6

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

1. Allerdings ist die Revision - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht schon deswegen begründet, weil das Berufungsgericht über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden hat.

8

a) Nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO setzt die Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss neben der offensichtlich fehlenden Erfolgsaussicht und der fehlenden Grundsätzlichkeit (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) voraus, dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Diese zusätzliche Voraussetzung, die dem Schutz des Berufungsführers dient, ist erfüllt, wenn keine besonderen Gründe vorliegen, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspricht ([X.]. 17/6406 S. 9; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 522 Rn. 24). Wann solche Gründe gegeben sind, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Weicht das Berufungsgericht - wie hier - von der Einschätzung des Erstgerichts, dass die Klage unzulässig sei, ab und hält es die Klage für unbegründet, muss es daher sorgfältig prüfen, ob aufgrund der konkreten prozessualen Situation ein anerkennenswertes Bedürfnis des Berufungsführers an der Durchführung einer mündlichen Verhandlung besteht (vgl. [X.]. 17/6406 S. 9).

9

b) Ob im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung der prozessualen Fairness entsprochen hätte, kann offen bleiben. Das Unterlassen einer nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO gebotenen mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht führt für sich allein genommen nicht zum Erfolg einer Revision, da im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO die Verfahrensgrundrechte, insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs, gesichert sind (vgl. [X.]. 17/5388 S. 1; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 522 Rn. 40; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 522 Rn. 40). Es wäre eine bloße (kostenverursachende) [X.], ein Berufungsurteil nur deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit eine versäumte Berufungsverhandlung nachgeholt wird.

2. Die Revision hat aber deshalb Erfolg, weil das Berufungsgericht mit unzutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin gemäß § 985 [X.] auf Herausgabe des [X.] verneint hat.

a) Rechtsfehlerfrei sind allerdings die Ausgangserwägungen des Berufungsgerichts, wonach hinsichtlich des streitgegenständlichen [X.] die Tatbestandsvoraussetzungen des § 94 Abs. 2 [X.] erfüllt sind.

aa) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 [X.] die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Das sind in erster Linie die verwendeten Baustoffe und Bauelemente, darüber hinaus aber auch diejenigen Gegenstände, deren Einfügung dem Gebäude erst seine besondere Eigenart gibt. Ob diese Voraussetzung vorliegt, beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung, die für das betreffende Gebäude nach dessen Wesen, Zweck und Beschaffenheit besteht (Senat, Urteil vom 10. Juli 1987 - [X.], NJW 1987, 3178). Nicht erforderlich ist eine feste Verbindung mit dem Gebäude (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1458).

bb) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht aus. Es stellt, anknüpfend an die Rechtsprechung des Senats, wonach solche Teile „zur Herstellung“ eingefügt sind, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertig gestellt ist (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1458), darauf ab, dass sich aus der statischen Berechnung bzw. der dieser zu entnehmenden Skizze des [X.] und dem der vorgelegten Karte zu entnehmenden Standort des [X.] im unmittelbaren [X.] an das Gebäude erkennen lasse, dass erst der Wintergarten das Gebäude nach außen hin abschließe. Zu Unrecht beanstandet die Revision, dass diese Feststellung des Berufungsgerichts ohne jede Grundlage im Streitstoff sei. Das Berufungsgericht stützt sich für seine Beurteilung auf die von der Klägerin übergebenen Unterlagen. Im Übrigen würde es bereits genügen, wenn der Wintergarten dem Gebäude seine besondere Eigenart gibt. Dass er - wie die Revision vorträgt - „schlicht an das Haus gesetzt worden“ ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da es für die Annahme einer Bestandteilseigenschaft im Sinne von § 94 Abs. 2 [X.] einer festen Verbindung mit dem Gebäude nicht bedarf.

b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, es fehle jeder Anhaltspunkt, dass der Wintergarten nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Gebäude verbunden worden und Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 [X.] geworden sei.

aa) Nach § 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] gehören solche Sachen nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in ein Gebäude eingefügt sind. Da die Vorschrift die Bestandteilseigenschaft insgesamt ausschließt, stellt sie eine Ausnahme gegenüber den §§ 93 und 94 [X.] dar. Sind die Voraussetzungen des § 95 [X.] erfüllt, ist es daher unerheblich, dass auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 93 oder 94 [X.] vorliegen ([X.], 128, 129; [X.]/[X.]/Stieper, [X.] [2012], § 94 Rn. 3). [X.] bleiben, obwohl mit einem Grundstück verbunden oder in ein Gebäude eingefügt, rechtlich selbständige bewegliche Sachen (Senat, Urteil vom 5. Mai 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1160 Rn. 7) und können deshalb nach §§ 929 ff. [X.] übereignet werden (Senat, Urteil vom 31. Oktober 1986 - [X.], NJW 1987, 774).

bb) Die Verbindung erfolgt dann zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist ([X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., § 95 Rn. 2). Maßgebend ist die innere Willensrichtung des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache, soweit diese mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt vereinbar ist (Senat, Urteil vom 20. Mai 1988 - [X.], [X.], 298, 301; Urteil vom 20. September 1968 - [X.], NJW 1968, 2331). Der Annahme eines auf eine nur vorübergehende Zweckbestimmung gerichteten Willens steht nicht entgegen, dass das Gebäude in massiver Bauart errichtet ist und daher ohne Zerstörung nicht entfernt werden kann (Senat, Urteil vom 10. Juli 1953 - [X.], [X.], 171, 176; Urteil vom 22. Dezember 1995 - [X.], NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in [X.], 368). Verbindet ein Mieter, Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (Senat, Urteil vom 20. Mai 1988 - [X.], [X.], 298, 301; Urteil vom 22. Dezember 1995 - [X.], NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in [X.], 368; [X.], Urteil vom 11. April 2013 - [X.], juris Rn. 14).

cc) Dies verkennt das Berufungsgericht, wenn es meint, es lägen keine Anhaltspunkte für eine nur vorübergehende Einbringung des [X.] vor. Es hätte der zwischen den Parteien umstrittenen Frage nachgehen müssen, ob der Wintergarten durch die Mieterin oder ob er im Auftrag des Beklagten errichtet worden war. Die Beweislast für ihre Behauptung, dass der Wintergarten von der Mieterin in Auftrag gegeben und bezahlt worden sei, trifft die sich auf den Ausnahmetatbestand des § 95 [X.] berufende Klägerin (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 - [X.], NJW 2012, 778 Rn. 39). Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Mieterin den Wintergarten hat errichten lassen, so spräche eine Vermutung für einen nur vorübergehenden Zweck. Es wäre dann Sache des Beklagten, diese Vermutung zu erschüttern, etwa indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass die Mieterin bei der Errichtung des [X.] den Willen gehabt habe, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in sein Eigentum übergehen zu lassen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Dezember 1995 - [X.], NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in [X.], 368).

3. Der Beschluss ist deshalb hinsichtlich des [X.] aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das der Einspruch gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie [X.], die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

[X.]     

       

Weinland     

       

Kazele

       

Haberkamp     

       

Hamdorf     

       

Meta

V ZR 110/15

23.09.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 14. April 2015, Az: 16 U 170/14

§ 93 BGB, § 94 Abs 2 BGB, § 95 Abs 1 S 1 BGB, § 95 Abs 2 BGB, § 929 BGB, § 985 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 23.09.2016, Az. V ZR 110/15 (REWIS RS 2016, 4993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4993


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZR 110/15

Bundesgerichtshof, V ZR 110/15, 23.09.2016.


Az. 16 U 170/14

Oberlandesgericht Köln, 16 U 170/14, 14.04.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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