Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2015, Az. 4 StR 595/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 15782

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 595/14

vom
10. Februar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag
des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10.
Februar 2015
ge-mäß §
349 Abs.
4 [X.] beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7.
Juli 2014 mit den Feststellungen aufge-hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere als Schwur-gericht zuständige Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] zu der Freiheitsstrafe von sieben
Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfah-rensrüge Erfolg.
1.
Im Ergebnis mit Recht rügt der Angeklagte, er sei im Rahmen einer Verständigung zu spät

nach
§
257c Abs.
5 [X.] belehrt worden. Die
Beleh-rung sei erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Verständigung bereits durch seine dem Einverständnis der Staatsanwaltschaft nachfolgende Zustimmung gemäß §
257c Abs.
3 Satz
4 [X.] formell wirksam geworden sei.
1
2
-
3
-
a)
Nach dem durch das [X.] bewiesenen Vortrag der Revision gab die Vorsitzende
(auf eine entsprechende
Anfrage der [X.])
am achten

a-tung der Kammer für den Fall einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Strafobergrenze von sieben
Jahren sechs
Monaten in Betracht
kommen Vorschlag des Gerichts noch am gleichen Tag zu. Zum Ablauf des neunten [X.] wies die [X.] in ihrer ursprünglichen Fassung u.a. Folgendes aus:

den letzten Hauptverhandlungstagen.
Es wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten.
Die Verteidiger erklären mit Zustimmung des Angeklagten ihre Zustim-mung zu der von der Kammer geäußerten Strafobergrenze.
Laut diktiert und genehmigt.
Rechtsanwalt Dr.
E.

gab eine Erklärung zur Sache für den Angeklag-
ten ab. Dieser bestätigte, dass die Angaben des Dr.
E.

richtig das Ge-

Sodann wurde nach §
258 [X.] verfahren. Das Urteil wurde am darauf-folgenden zehnten Hauptverhandlungstag
verkündet, das Protokoll am 8.
Juli 2014 fertiggestellt.
Am 26.
September 2014 vermerkte die Vorsitzende, sie sei sich sicher, dass die Belehrung nach §
257c Abs.
5 [X.] erfolgt und lediglich deren Proto-,
nach dem [X.] in die Beweisaufnahme und der Ankündigung der Zustimmung aus dem Kommentar den
Inhalt der Belehrung
bekannt gegeben
zu haben
und anschlie-3
4
5
-
4
-
ßend
ausdrücklich
die Zustimmungserklärung der Protokollführerin
diktiert zu haben, wobei ich offenbar das Diktat der Belehrung

e-te sie den Beteiligten mit folgendem

beabsichtige
das
Protokoll dahingehend zu berichtigen, dass die Belehrung nach
§
257c Abs.
5 [X.] er-

Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bestätigte den von der [X.] dargestellten Verfahrensablauf hinsichtlich der Erteilung und des Zeitpunkts der Belehrung. Die Protokollführerin erinnerte sich, dass sie sich nach
dedes Angeklagten

Gedanken
zur Fassung
der Belehrung machte
und
die Vorsitzende
den
Angeklagten
und die Verteidiger
belehrte, da-nach
aber nichts ins Protokoll diktierte. Die Verteidiger äußerten
sich nicht. Mit Beschluss der Vorsitzenden vom 8.

d-lungsprotoko

Absatz durch Ergänzung wie folgt beri

257c Abs.
5, Abs.
4 StGB (rich-

Anschließend wurde das Urteil zugestellt und der [X.] begründete seine Revision.
b)
Die Verfahrensrüge ist zulässig; der Beschwerdeführer hat den der Rüge zugrunde liegenden Sachverhalt, insbesondere eine Erteilung der in §
257c Abs.
5 [X.] vorgeschriebenen Belehrung erst nach Abgabe der noch fehlenden Zustimmung des Angeklagten,
vollständig und bestimmt vorgetragen (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]; vgl. zum notwendigen Revisionsvortrag bei einer auf die Verletzung des §
257c Abs.
5 [X.] gestützten Verfahrensrüge [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2014

1
StR
302/13, [X.], 322).

6
7
-
5
-
aa)
Allerdings
scheitert die Rüge, die Belehrung sei erst nach der Zu-stimmung des Angeklagten und damit zu spät
erteilt worden,
an der formellen Beweiskraft des [X.]s in seiner ursprünglichen Fassung (§
273 Abs.
1a Satz
2, §
274 Satz
1 [X.]). Der Berichtigungsbeschluss vom 8.
Oktober 2014 ist unwirksam; er ist nur von
der Vorsitzenden gefasst und [X.]; er muss aber, um wirksam zu werden, von beiden Urkundsper-sonen (§
271 Abs.
1 Satz
1 [X.]) unterschrieben werden ([X.].; vgl. nur [X.], 394, 396
f.; [X.], Urteil vom 31.
Mai 1951

3
StR
106/51, [X.]St 1, 259
f.; [X.]/Stuckenberg, 26.
Aufl., §
271 Rn.
53; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
271 Rn.
8; [X.], 7.
Aufl., §
271 Rn.
19; [X.]/[X.], [X.], 57.
Aufl., §
271 Rn.
23). Nachträgliche übereinstimmende dienstliche Erklä-rungen
der Urkundspersonen
reichen für eine Berichtigung nicht aus ([X.],
Urteil vom 12.
Januar 2005

2
StR
138/04,
NStZ 2005, 281, 282); sie lassen auch die formelle Beweiskraft des Protokolls
nicht entfallen ([X.], aaO, dort Rn.
4 und 7;
vgl. auch [X.]

Großer Senat, Beschluss vom 23.
April 2007

GSSt
1/06, [X.]St 51, 298, 317 a.E.). Hier kommt hinzu, dass die Stellung-nahmen der Vorsitzenden und der Protokollführerin hinsichtlich des genauen Zeitpunkts, zu dem die Belehrung erfolgt sein soll, nicht übereinstimmen
(vgl. dazu [X.]

Großer Senat, aaO S.
314).
bb)
Jedoch entnimmt der Senat der
Rüge verspäteter Belehrung als [X.] die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei (jedenfalls) nicht rechtzeitig belehrt worden. Eines weiter gehenden Vortrags hierzu bedarf es nicht; das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich aus den mit der Revisionsbegründung vorgelegten dienstlichen Erklärungen der Vorsitzenden und des [X.] der Staatsanwaltschaft
Anhaltspunkte für eine frühere und damit noch

des Angeklagten) ergeben.
8
9
-
6
-
c)
Die Rüge der unterbliebenen (rechtzeitigen)
Belehrung gemäß §
257c Abs.
5 [X.] ist auch begründet.
aa)
Der Beschwerdeführer ist vor Abgabe seiner Zustimmung zu der Verständigung entgegen §
257c Abs.
5 [X.] nicht belehrt worden. Dies steht aufgrund der formellen Beweiskraft des ursprünglichen Protokolls, das keine Belehrung ausweist,
fest (§
274 Satz
1 [X.]; s. dazu oben 1.
b)
aa). Eine Ver-ständigung ist aber nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu ver-einbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht nach §
257c Abs.
4 [X.] be-lehrt worden ist. Die [X.] verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach §
257c Abs.
4 Satz
3 [X.] das infolge der Verständigung abgegebene [X.] unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das [X.] ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Ver-ständigung informiert ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/12310, S.
15; [X.], Urteil vom 19.
März 2013

2
BvR
2628/10 u.a.,
[X.]E 133, 168, 237; Beschluss vom 25.
August 2014

2
BvR
2048/13, [X.], 73; [X.], Beschluss vom 19.
August 2010

3
StR
226/10, [X.], 76; Urteil vom 7.
August 2013

5
StR
253/13, [X.], 682, 683).
bb)
[X.] und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die [X.] (§
337 Abs.
1 [X.]). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen Beruhensmaßstabs (vgl. zu-letzt [X.], Beschlüsse
vom
30.
Juni 2013

2
BvR 85/13, [X.], 674, und vom 25.
August 2014

2
BvR
2048/13, NJW 2014, 3506; nachfolgend
hierzu
[X.], Beschluss vom 5.
November 2014

5
StR
253/13) kann der Senat die 10
11
12
-
7
-
Ursächlichkeit des [X.] für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen:
Der
Angeklagte hat
die ihm
zur Last gelegte Tat auf der [X.] eingeräumt, was ihm

so das [X.]

auf seine Persönlichkeit und angesichts seines bisherigen Verhaltens im [X.] des Verfahrens ersichtlich schwer gefallen ihabe es für möglich gehalten, dass der Geschädigte sich in der Tatnacht in der

von ihm in Brand gesetzten

Wohnung aufgehalten habe, hat das Schwur-gericht u.a. die Annahme des Tötungsvorsatzes gestützt.
Der Angeklagte
hätte sich möglicherweise bei ordnungsgemäßer Belehrung gegen den
Tatvorwurf verteidigt. Anhaltspunkte dafür, dass ihm
die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung
bekannt waren, bestehen nicht
(vgl. zu diesen Erwägun-gen auch [X.], Beschlüsse
vom 4.
Dezember 2013

4
StR
446/13, und vom 5.
Februar 2014

1
StR
706/13, [X.], 283).
2.
Mit Blick auf das hier beobachtete Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Gericht bei dem Verständigungsvorschlag einen Strafrahmen, also eine Strafobergrenze und eine Strafuntergrenze, angeben muss (vgl. [X.], Urteile
vom 17.
Februar 2011

3
StR
426/10, [X.], 648, und vom 3.
Sep-tember 2013

5
StR
318/13, [X.], 741), entgegen der Anfrage von Rechtsanwalt P.

am siebten Hauptverhandlungstag
aber nicht verpflich-
tet ist, dem Angeklagten auch mitzuteilen, welche Strafe bei einem Schuld-spruch nac

in Betracht kommen könnte ([X.], Urteil vom 3.
September 2013

5
StR
318/13, [X.], 671; Beschluss vom 11.
November 2014

3
StR
497/14).
Der neue Tatrichter wird
gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, dem gegen die Strafzumessung gerichteten Einwand des [X.], der an das in dubio pro reo anzunehmende Vorliegen eines untauglichen Ver-13
14
-
8
-
suchs anknüpft,
Rechnung zu tragen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 17.
De-zember 1998

4
StR
563/98, [X.], 101, 102).
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 595/14

10.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2015, Az. 4 StR 595/14 (REWIS RS 2015, 15782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15782

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