Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2019, Az. 1 StR 427/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7844

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Gegenstand

Strafbare Untreue des Kämmerers einer großen Kreisstadt unter Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht: Anforderungen an die Urteilsfeststellungen zum Vermögennachteil durch Abschluss kommunaler Finanzderivatgeschäfte in Form sog. "Zinsswaps"


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen – mit Ausnahme derjenigen zum Vorliegen von [X.] – bleiben aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2

Hiergegen wendet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Der Angeklagte übernahm im Jahr 1983 das Amt des Kämmerers der Großen Kreisstadt [X.]              , das er bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2013 ausübte.

5

Ab dem Jahr 2003 befasste er sich mit der Möglichkeit, die Zinsbelastung der [X.] [X.]       aus Festzinskrediten durch den Einsatz derivater Finanzinstrumente zu reduzieren und das Schuldenmanagement zu optimieren. Über die Zulässigkeit von [X.] und deren rechtliche Rahmenbedingungen informierte er sich bei dem [X.] sowie beim Landratsamt [X.]              und holte verschiedene Angebote ein.

6

Sodann erläuterte der Angeklagte Funktion und Wirkungsweise von Finanzderivaten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für deren Einsatz in den Sitzungen des Verwaltungs- und Finanzausschusses vom 10. November 2004 und des [X.]rates vom 24. November 2004. Zugleich sprach er sich – nach Vergleich verschiedener Angebote – für eine Zusammenarbeit mit dem Privatbankhaus [X.] (im Folgenden:   [X.]) aus. Daraufhin fasste der [X.]rat in der genannten Sitzung vorlagegemäß einen Grundsatzbeschluss, durch den die Verwaltung ermächtigt wurde, zur Steuerung und Optimierung der bestehenden Kredite und Darlehen moderne Finanzinstrumente einzusetzen. Betont wurde, dass diese stets im Zusammenhang mit Grundgeschäften stehen müssten. Der Oberbürgermeister [X.].      wurde zum Abschluss der erforderlichen Rahmenverträge mit dem günstigsten Anbieter ermächtigt. In Umsetzung dieses Beschlusses unterzeichnete der Oberbürgermeister [X.].      in der Folge zwei Rahmenverträge mit der   [X.]. Zudem ermächtigte er den Angeklagten sowie dessen Mitarbeiter [X.]und G    aus dem Referat Haushaltswirtschaft am 17. März 2005, die [X.] jeweils einzeln gegenüber der   [X.] beim Abschluss der Finanzgeschäfte zu vertreten.

7

Ab dem 24. März 2005 schloss der Angeklagte auf Grundlage der genannten Rahmenverträge eine Vielzahl von [X.] ab, die sich anfangs im Rahmen des kommunalrechtlich Zulässigen bewegten. Dabei handelte es sich zunächst um zwei einander nachfolgende Finanzderivate in Form sog. „swaps“ ([X.] 664 und [X.] 504), also Verträge zur Modellierung von Zinslasten (sog. „[X.]“). Das damit verbundene [X.] aus den durch die [X.] zu zahlenden variablen Zinsen begrenzte er durch den gleichzeitigen Abschluss eines sog. „Caps“.

8

Nicht mehr zur Steuerung des [X.] und zur Optimierung des Kreditportfolios der [X.] [X.]       geeignet waren dagegen fünf sog. „Swaptions“, deren Verkauf an die   [X.] der Angeklagte in der [X.] von Juni 2006 bis Juni 2008 veranlasste. Dabei handelte es sich um Optionen auf [X.]s, die dem Vertragspartner gegen Zahlung einer Prämie an die [X.] das Recht verschaffen, zukünftig in einen bestimmten [X.] einzutreten. Dabei verfolgte der Angeklagte allein das Ziel, kurzfristig Gewinne in Form der vereinnahmten Optionsprämien zu generieren. Der zuständige Verwaltungs- und Finanzausschuss wurde über diese Geschäfte erst im Nachhinein informiert.

9

a) Des Weiteren schloss der Angeklagte für die [X.] [X.]       am 25. Juni 2008 einen aus dem [X.] [X.] 968 (Laufzeit bis 30. Juni 2010, Festzins 5,255 % p.a.) und dem [X.] [X.] 969 (Laufzeit bis 29. Dezember 2034, Festzins 4,805 % p.a.) bestehenden Doppelswap mit der   [X.] ab (Tat 1). Beide Swaps hatten einen Bezugsbetrag von jeweils 41.959.193 [X.], was dem Gesamtportfolio der [X.] und einem Teil des Kreditportfolios der [X.]werke entsprach. Während der Swap [X.] 968 keinem konkreten Kredit zugeordnet war, bezog sich der Swap [X.] 969 – ebenso wie eine der Swaptions ([X.] 203) – auf den 2006 abgeschlossenen [X.] [X.] 504 (Grundgeschäft). Im Rahmen des Swaps [X.] 969 stand der Bank ein einseitiges Kündigungsrecht zu; hierfür musste sie eine Optionsprämie zahlen, die in die Zinskonditionen eingepreist wurde und für zwei Jahre zu einem Zinsgewinn der [X.] von 0,45 % p.a. führte.

In der Folge übte die   [X.] die Swaption [X.] 203 aus. Aus dem dadurch begründeten [X.] [X.] 1002 folgte eine jährliche Zinsbelastung der [X.] von 4,61 % (Bezugsbetrag: 28.158.335 [X.]). Vorangegangenen Empfehlungen, die Swaption zurückzukaufen, war der Angeklagte nicht gefolgt. Zudem bezog sich der [X.] [X.] 1002 auf denselben [X.] ([X.] 504) wie der Swap [X.] 969, so dass die [X.] nunmehr doppelt abgesichert war. Darauf, dass dadurch die [X.] nicht mehr gewährleistet sei, wies die Bank den Angeklagten hin. Der Angeklagte gab dies weder den zuständigen Organen der [X.] weiter noch unterrichtete er diese über die Möglichkeit gegen eine Abschlagszahlung von ca. 3 Mio. [X.] ganz aus dem Derivat auszusteigen.

b) Stattdessen veranlasste er – wiederum ohne Wissen des Verwaltungs- und Finanzausschusses, dass der als Gegengeschäft für die Derivate [X.] 969 und [X.] 1002 ausgewiesene [X.] [X.] 504 am 5. Februar 2010 gegen eine Ausgleichszahlung zu Gunsten der [X.] [X.]       in Höhe von 969.500 [X.] aufgelöst wurde, um so das Zinsergebnis für das [X.] zu verbessern (Tat 2). Darüber, dass sich dadurch die Verletzung des [X.]sprinzips vertiefte, wurde der Angeklagte aufgeklärt.

Die jeweils mit den Finanzgeschäften verbundenen Risiken und Verstöße gegen das [X.]sprinzip (Taten 1 und 2) sowie das kommunalrechtliche Spekulationsverbot durch Einräumung des einseitigen Kündigungsrechts (Tat 1) erkannte der Angeklagte, setzte sich darüber aber bewusst zwecks Prämiengenerierung hinweg. Bis September 2017 musste die [X.] [X.]       aus dem Swap [X.] 969 insgesamt Zinsen in Höhe von rund 3,7 Mio. [X.] zahlen.

2. Das [X.] hat angenommen, dass der [X.] [X.]       durch das Tatverhalten des Angeklagten jeweils Vermögensnachteile in Form des negativen [X.] der abgeschlossenen Geschäfte entstanden seien, was der Angeklagte für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe.

Zur Ermittlung des jeweiligen negativen Barwertes hat sich die [X.] der Hilfe des Sachverständigen        [X.]     bedient. Dieser ist von der Prämisse ausgegangen, dass bei Abschluss eines [X.] im Verhältnis Verbraucher und Bank zwingend ein negativer Barwert für Ersteren entstehe, weil Kosten und Gewinnerwartung der Bank eingepreist würden. Zur Berechnung des negativen Barwertes des [X.] habe er dessen Risikoprofil ermittelt, das aufgrund des einseitigen Kündigungsrechts der Bank für den Swap [X.] 969 asymmetrisch gewesen sei. Den Wert bezifferte der Sachverständige mit 138.785 [X.] (Tat 1). Bei der Veräußerung des Swaps [X.] 504 hat der Sachverständige im Ausgangspunkt darauf abgestellt, wie hoch der faire Marktwert des Swaps im Verkaufszeitpunkt war. Dies sei der Betrag, der im Verhältnis zweier Großbanken für die Übernahme der Position aus dem Swap zu zahlen gewesen wäre. Der Sachverständige hat diesen Betrag auf 1.050.000 [X.] beziffert. Abzüglich der tatsächlich gezahlten 969.500 [X.] ergebe sich danach ein Vermögensnachteil von 80.500 [X.] (Tat 2). Bis zum [X.] habe die Auflösung des [X.] 504 zu einem Vermögensverlust in Höhe von ca. 5 Mio. [X.] für die [X.] [X.]       geführt (sog. Verlaufsschaden).

Diese Ausführungen des Sachverständigen hat das [X.] für schlüssig befunden und ist ihnen gefolgt. Gestützt sieht es seine Berechnung hinsichtlich Tat 2 dadurch, dass die Verteidigung des Angeklagten im [X.] ein sog. [X.] der   [X.] vorlegte, wonach der Wert des [X.] 504 am [X.] 1.005.000 [X.] betragen habe, was der Mitarbeiter der   [X.] Ho.   als „[X.]“ bezeichnet habe, also den Preis, den die Bank selbst bei Auflösung des [X.] erzielt hätte.

II.

[X.] zum Nachteil der [X.] [X.]       in zwei Fällen hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte durch den Abschluss der verfahrensgegenständlichen Verträge jeweils eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzte; indes genügen die Urteilsgründe den Anforderungen an die Darlegung zur Feststellung eines Vermögensnachteils durch die Derivatabschlüsse nicht.

1. Die in § 266 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Vermögensbetreuungspflicht (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, [X.]St 62, 144 Rn. 49 ff. [X.]) folgt für den Angeklagten bereits aus seiner Stellung als Kämmerer der [X.] [X.]       . Als Kämmerer oblag es ihm, die Finanzwirtschaft der [X.] [X.]       gemäß den gesetzlich geregelten Haushaltsbestimmungen selbständig zu führen, alle für eine geordnete Finanzwirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und das Vermögen der [X.] vor Nachteilen zu bewahren.

2. Der Angeklagte hat diese Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er die verfahrensgegenständlichen Finanzderivate abschloss.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]s konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss von Finanzgeschäften zu beachten hat, aufgrund der kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen wie folgt (vgl. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 19. September 2018 – 1 [X.] Rn. 19; Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16 aaO [X.]): Ein Finanzgeschäft einer [X.] muss zunächst einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag dergestalt aufweisen, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einer angemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird ([X.]). Darüber hinaus ist der Abschluss eines Finanzgeschäfts dann pflichtwidrig, wenn das Risiko des [X.] die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird, wenn die [X.] infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte, wenn sachfremde Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung einfließen sowie wenn konkrete Anweisungen der Aufsichtsbehörde zu den [X.] zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden.

b) Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in mehrfacher Hinsicht gegen diese Anforderungen verstoßen: Zum einen hatten beide verfahrensgegenständlichen Finanzderivate keinen ausreichenden Bezug zu den bisherigen Kreditverträgen. Durch den Verkauf des [X.] [X.] 504 vertiefte sich die Verletzung des [X.]sprinzips noch weiter, weil dadurch das Bezugsgeschäft zweier [X.]s ([X.] 969 und 1002) wegfiel. Zum anderen lief der Abschluss des [X.] dem Spekulationsverbot zuwider, indem der   [X.] ein einseitiges Kündigungsrecht eingeräumt wurde, was zu einem asymmetrischen Risikoprofil zu Lasten der [X.] [X.]       und somit zu einem erhöhten Verlustrisiko für diese führte. Schließlich handelte der Angeklagte aus Erwägungen, die der kommunalrechtlichen Haushaltswirtschaft fremd sind, weil es ihm jeweils allein um die kurzfristige Prämiengenerierung ging.

3. Die Urteilsgründe genügen jedoch nicht den Darlegungsanforderungen an die Feststellung eines Vermögensnachteils durch die Derivatabschlüsse.

a) Ein dem betreuten Vermögen zugefügter Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist jede durch die Tathandlung verursachte [X.]. Die Vermögensminderung ist dabei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen; maßgeblich ist der Vergleich der Vermögenswerte unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Verhaltensweise zu Lasten des betroffenen Vermögens (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 19. September 2018 – 1 [X.] Rn. 22 [X.]). Ein Nachteil liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Tathandlung zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird. [X.] kann auch eine vermögenswerte realistische Gewinnerwartung wirken ([X.] aaO [X.]).

Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. [X.] auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen [X.] in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies schon zu diesem [X.]punkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist ([X.] 126, 170, 221 ff.; [X.] aaO Rn. 23 [X.]). Unter diesen Voraussetzungen kann bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen ([X.] aaO).

Da der Vermögensnachteil ein selbstständiges, neben der Voraussetzung der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal darstellt, ist er – von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen – eigenständig zu ermitteln, anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren und zu beziffern (st. Rspr.; vgl. zuletzt [X.] aaO Rn. 24 [X.]). Nach bilanzieller Betrachtungsweise liegt dabei beim Abschluss von [X.]-Verträgen ein Nachteil in Höhe der zu bildenden Drohverlustrückstellungen (§ 249 HGB) vor, die nach dem Marktwert des [X.] zu bewerten sind. Der Marktwert eines Anlage- oder [X.] ist auf Grundlage der Höhe des konkreten Ausfallrisikos sowie des [X.] einer Gewinnerzielung – auch unter Berücksichtigung der den Vertragspartnern jeweils eingeräumten Kündigungsmöglichkeiten – unter Anwendung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien zu ermitteln ([X.] aaO [X.]). Ein Vermögensnachteil kann dabei einerseits dann vorliegen, wenn die seitens des [X.] eingeräumte Gewinnmarge marktunüblich ist und daher den Wert des Vertragsschlusses übersteigt, und andererseits, wenn der Wert des abgeschlossenen Finanzderivats hinter dem Wert der dadurch abgelösten Zahlungspflicht zurückbleibt (im Einzelnen [X.] aaO Rn. 26 ff.). Für das Vorliegen eines Vermögensnachteils im erstgenannten Sinn reicht es nicht aus, dass die Bank überhaupt eine Gewinnmarge vereinnahmt; vielmehr muss diese gemessen am üblichen Marktpreis überhöht sein ([X.] aaO Rn. 25 ff.; ebenso [X.]/Saliger, StGB, 4. Aufl., § 266 Rn. 118; [X.], [X.] 2019, 157, 160; Strauß, [X.] 2019, 50, 55). Die Marktüblichkeit bestimmt sich nach den konkreten zeitlichen und örtlichen Verhältnissen und nach der jeweiligen Handels- und Umsatzstufe (vgl. auch [X.], StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 163 [X.]).

b) Diesen Vorgaben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht. Es leidet insoweit an einem Darstellungsmangel.

aa) Es kann dahinstehen, ob das [X.] bei der Ermittlung etwaiger Vermögensnachteile bereits einen falschen Ausgangspunkt gewählt hat. Zwar stellt es – insoweit zutreffend – auf den jeweiligen Marktwert der Derivatgeschäfte ab, geht aber – dem Sachverständigen folgend – davon aus, dass dieser bei Geschäften zwischen „Verbrauchern“ und Banken für Erstere aufgrund der eingepreisten Kosten und der Gewinnmarge stets negativ sei, und scheint darin den jeweiligen Vermögensnachteil zu sehen. Dies steht aber zum einen nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]s, wonach ein Vermögensnachteil nur bei einer marktunüblich überhöhten Gewinnmarge gegeben ist, während im Falle eines marktüblichen Entgelts der jeweilige Vertragsabschluss und die damit eingeräumten Zahlungsaufschübe und Gewinnchancen als Gegenleistung für die eingeräumte Gewinnmarge zu verstehen sind (vgl. [X.] aaO Rn. 27). Bei der Ermittlung des Marktpreises wäre vorliegend auf Geschäfte zwischen [X.]n und Banken abzustellen. Zum anderen mag zwar ein gewisser Anhalt dafür gegeben sein, dass Geschäfte zwischen Verbrauchern und Banken eher für [X.]tztere wirtschaftlich vorteilhaft sind; dies gilt aber nicht ausnahmslos und erübrigt nicht eine Beweisführung und richterliche Überzeugungsbildung im Einzelfall.

bb) Folgt das Tatgericht der Beurteilung eines Sachverständigen hat es dessen Ausführungen im Urteil zumindest in gedrängter Form zusammenfassend unter Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen Grundlagen (Anknüpfungstatsachen) und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) darzustellen, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den [X.] des täglichen [X.]bens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2017 – 5 StR 149/17 Rn. 10; Urteil vom 27. Oktober 1999 – 3 [X.] Rn. 2). Dies gilt in besonderem Maß, wenn es sich dem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen anschließen will und allein auf die Sachkunde des Gutachters vertraut ([X.], Beschluss vom 24. Mai 2012 – 5 StR 52/12 Rn. 8; Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12 Rn. 8). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob es sich um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt, sowie nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt ([X.], Urteil vom 27. Oktober 1999 – 3 [X.] aaO).

cc) Diesen Anforderungen genügt die Darstellung des Gutachtens vorliegend im Hinblick auf beide verfahrensgegenständliche Taten nicht. Bei der Ermittlung des Marktwertes eines Anlage- oder [X.] unter Anwendung finanzmathematischer Berechnungen bzw. betriebswirtschaftlicher Bewertungskriterien handelt es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren, so dass das Tatgericht erhöhte Darlegungsanforderungen treffen. Sofern es bei der Berechnung des Marktwertes eine mathematische Formel heranzieht, hat es diese regelmäßig mitzuteilen und den Rechenweg unter Anwendung der Formel zumindest in zusammenfassender und nachvollziehbarer Form darzustellen.

(1) Zu dem Doppelswap führt der Sachverständige aus, dessen Risikoprofil sei aufgrund des der Bank eingeräumten Kündigungsrechts asymmetrisch ausgestaltet gewesen, und setzt dessen negativen Barwert mit dem Preis des Kündigungsrechts gleich. Zu seiner diesbezüglichen Berechnung teilt die [X.] mit, den Wert habe er durch „Vergleich und Mittelung in anderen Fällen bezahlter und damit marktüblicher Preise für Kündigungsrechte vergleichbarer Swaps“ ermittelt.

Eine derartige, im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung reicht nicht aus, wenn es sich – wie vorliegend – um kein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren handelt ([X.], Urteile vom 27. Oktober 1999 – 3 [X.] aaO und vom 29. September 1992 – 1 [X.] Rn. 4). Auch hat die [X.] davon abgesehen darzulegen, warum sie die Ausführungen des Sachverständigen in eigener Verantwortung billigt; dass sie seine Berechnungen für „vollkommen schlüssig“ halte und sich nach „kritischer Würdigung zu eigen“ mache, reicht dazu nicht (vgl. [X.], Urteil vom 21. April 1982 – 2 StR 780/81 Rn. 4).

Um dem [X.] die Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, hätte das [X.] daher zumindest darlegen müssen, wie viele [X.] der Sachverständige herangezogen und nach welchen Kriterien er diese ausgewählt hat. Nur dann wäre dem Urteil zu entnehmen, ob das verwendete Vergleichsmaterial überhaupt repräsentativ war (vgl. zur Auswahl der Vergleichspopulation bei DNA-Analysen [X.], Urteil vom 21. März 2013 – 3 [X.], [X.]St 58, 212 Rn. 13).

Damit ist im Ergebnis ein im Wesentlichen auf das einseitige Kündigungsrecht zurückzuführender negativer Barwert zum [X.]punkt des Abschlusses des betreffenden [X.] in Höhe von 138.785 [X.] weder belegt noch nachvollziehbar. Der [X.] kann auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe einen Mindestschaden für die „Eingehungsuntreue“ entnehmen.

(2) Den negativen Barwert im Hinblick auf die Veräußerung des Swaps [X.] 504 sieht der Sachverständige in der Differenz zwischen dem „fairen Marktwert“ des Swaps und dem tatsächlich von der [X.] [X.]       erzielten Verkaufspreis. Als fairen Marktwert setzt er den Betrag an, der im Verhältnis zweier Großbanken für die Übernahme zu zahlen gewesen wäre (vgl. zu diesbezüglichen Bedenken bereits oben unter 3. a)). Zu seiner Berechnung führt das [X.] aus, dieser sei „über [X.] unter Zugrundelegung bestimmter Preisalgorithmen und Bewertung des Swaps auf Basis historischer Zinsen sowie durch Abzinsung und Bildung eines Mittelwertes aus Bit und Ask Spread Satz“ erfolgt.

Auch diese allgemein gehaltene Wiedergabe der Ausführungen des Sachverständigen ermöglicht dem [X.] die gebotene Nachprüfung nicht. Dem Urteil sind weder die von dem Sachverständigen angewandte Berechnungsmethode zumindest in ihren groben Zügen noch die im Rahmen der Berechnung verwendeten Parameter zu entnehmen. Dies gilt namentlich für die herangezogenen Preisalgorithmen, die Zinssätze sowie den [X.]. Auch was unter einer „Berechnung nach [X.]“ zu verstehen ist, gehört nicht zum Allgemeinwissen und hätte daher zumindest knapp erläutert werden müssen.

Zwar stellt das [X.] insofern eigene ergänzende Erwägungen dazu an, warum es die Ausführungen des Sachverständigen für überzeugend hält. Diese wecken aber tatsächlich eher Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses: So sieht das [X.] die Berechnungen durch den auf dem [X.] ausgewiesenen Preis gestützt, obwohl dieser auf 1.005.000 [X.] lautet, so dass zu dem von dem Sachverständigen errechneten Betrag von 1.050.000 [X.] immerhin eine Differenz von 45.000 [X.] besteht und damit mehr als die Hälfte des dem Angeklagten angelasteten Schadens aus dieser Tat.

4. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht den verhängten Einzelstrafen und der daraus gebildeten Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen des [X.]s sind aufzuheben, soweit sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Aufrechterhalten bleiben können deshalb die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen – mit Ausnahme derjenigen zum Vorliegen von [X.]. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehen, bleiben insoweit möglich.

Raum     

      

Fischer     

      

Bär     

      

[X.]plow     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 427/18

25.04.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 2. Februar 2018, Az: 510 Js 106652/12 - 10 KLs

§ 249 HGB, § 266 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2019, Az. 1 StR 427/18 (REWIS RS 2019, 7844)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7844

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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