Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. I ZB 73/07

I. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 4677

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[X.] vom 3. April 2008 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja Münchner Weißwurst [X.] § 83 Abs. 3; ZPO §§ 139, 233 A Die Anforderungen daran, was eine [X.] veranlasst haben muss, um Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, dürfen nicht überspannt werden, um den Zugang zu Gericht nicht unnötig zu erschweren. Eine [X.] ist deshalb auf ersichtlich unvollständige Angaben hinzuweisen. Die Verletzung dieser Hinweispflicht kann einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung recht-lichen Gehörs begründen. [X.], [X.]. v. 3. April 2008 - [X.]/07 - [X.]- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 3. April 2008 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Bergmann und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zu 1 wird der Be-schluss des 30. Senats ([X.]) des Bundes-patentgerichts vom 9. Juli 2007 aufgehoben. Der Antragstellerin zu 1 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragstellerin zu 1 (nachfolgend: Antragstellerin) wurde am 25. November 2005 ein [X.]uss des [X.] vom 18. November 2005 zugestellt. Gegen diesen [X.]uss legten ihre Ver-fahrensbevollmächtigten am 13. Dezember 2005 beim [X.] per Telefax Beschwerde ein. Das Original der Beschwerdeschrift ging dem [X.] - 3 - despatentgericht am 14. Dezember 2005 zu. Weder die per Telefax übermittelte Beschwerdeschrift noch das Original waren unterzeichnet. Nachdem das [X.] auf diesen Umstand am 16. Februar 2006 hingewiesen hatte, hat die Antragstellerin am 17. Februar 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des [X.] hat sie aus-geführt, dass die mit der Postausfertigung betraute Mitarbeiterin in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten versehentlich das unterzeichnete Exemplar der Beschwerdeschrift in die Handakte geheftet und den nicht unterschriebenen Schriftsatz dem [X.] per Telefax und im Original übermittelt habe. Die stets zuverlässig arbeitende Mitarbeiterin sei seit 1994 in der Kanzlei tätig und in alle Aufgabenbereiche von einem Rechtsanwalt der Kanzlei [X.] worden. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückge-wiesen und die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig verworfen. 2 Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt. 3 I[X.] Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt: 4 Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, dass die Fristversäumung für [X.] Verfahrensbevollmächtigten unverschuldet gewesen sei. Sie habe nichts da-zu vorgetragen, durch welche Vorkehrungen und Kontrollen in der [X.] die Verfahrensbevollmächtigten dafür Sorge getragen hätten, dass [X.] nur mit Unterschrift versehen in den Versand gelangten. Damit sei die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass die Einreichung der nicht un-terzeichneten Beschwerdeschrift auf einem Verschulden der [X.] - 4 - mächtigten der Antragstellerin beruht habe. Deren Verschulden müsse sich die Antragstellerin zurechnen lassen. 6 II[X.] [X.] hat Erfolg. 7 1. Die [X.] der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbe-schwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbe-schwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Darauf, ob die [X.] durchgreifen, kommt es für die [X.] der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; [X.], [X.]. v. 1.3.2007 - I ZB 33/06, [X.], 534 [X.]. 5 = [X.], 643 - [X.]). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Antragstellerin ist [X.] in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren. Sie hat die Frist weder aus eigenem Verschulden noch aus ihr zure-chenbarem Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) versäumt. Die gegenteilige Entscheidung des [X.]s beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]). 8 Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfah-rens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], [X.]. v. 10.4.2007 - [X.], [X.], 628 [X.]. 10 = [X.], 788 - [X.]). Dazu gehört, dass bei der Auslegung der [X.] über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was die [X.] veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim 9 - 5 - "ersten Zugang" zu Gericht nicht überspannt werden ([X.] 151, 221, 227) und eine [X.] auf ersichtlich unvollständige Angaben hingewiesen wird ([X.], [X.]. v. 10.5.2006 - [X.], [X.], 2269 [X.]. 5 und 10). 10 a) Der Rechtsanwalt darf einfache Verrichtungen, die keine juristische Ausbildung verlangen, seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen. Hierzu rechnet die Überprüfung ausge-hender [X.] darauf, ob sie unterschrieben sind. Versehen des Personals bei dieser Kontrolle beruhen nicht auf einem eigenen Verschulden des Rechtsanwalts, das sich die [X.] zurechnen lassen muss, wenn der Rechtsanwalt durch eine allgemeine Anweisung Vorsorge dafür getroffen hat, dass unter normalen Umständen [X.] wegen fehlender Unter-schrift vermieden werden ([X.], [X.]. v. 15.2.2006 - [X.], [X.], 1205 [X.]. 9; [X.]. v. 1.6.2006 - [X.] 134/05, [X.], 2414 [X.]. 5). b) Die Antragstellerin hat mit der Rechtsbeschwerde dargelegt und glaubhaft gemacht, dass in der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten die Arbeitsanweisung besteht, nur solche Schriftstücke zu versenden, die von ei-nem Rechtsanwalt unterschrieben sind und vor der Versendung das [X.] der Unterschrift zu kontrollieren. 11 Zwar hat die [X.] innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist das fehlende Verschulden darzulegen und glaubhaft zu machen (§§ 233, 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Jedoch dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürf-tige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden ([X.], [X.]. v. 13.6.2007 - [X.] 232/06, NJW 2007, 3212 [X.]. 8). 12 - 6 - Das [X.] musste der Antragstellerin danach Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag geben. Die [X.] hatte mit dem Wiedereinsetzungsantrag geltend gemacht, ihr [X.] habe die Sekretärin persönlich in alle [X.] eingewiesen. Es musste sich dem [X.] danach aufdrän-gen, dass weiterer Vortrag zu den Einzelheiten der Einweisung und der Büroor-ganisation der Verfahrensbevollmächtigten deshalb unterblieben war, weil die Antragstellerin diesen in Anbetracht der Art und Weise des Fehlers der Kanzlei-kraft nicht für erforderlich hielt. Nach dem Wiedereinsetzungsantrag beruhte die Fristversäumung auf einem Versehen der Sekretärin. Diese war bereits seit mehr als zehn Jahren in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten tätig und hatte bislang stets zuverlässig gearbeitet. Danach war es naheliegend, dass das Fristversäumnis auf einem einmaligen Fehlverhalten der Sekretärin und nicht auf einem Mangel der Büroorganisation der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin beruhte. Das [X.] hätte deshalb die Antrag-stellerin auf fehlenden Vortrag zur Büroorganisation ihrer Verfahrensbevoll-mächtigten nach § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V. mit § 139 ZPO hinweisen müssen. Die gegenteilige Verfahrensweise des [X.]s stellt eine Überraschungsentscheidung dar, die den Anspruch der Antragstellerin auf [X.] rechtlichen Gehörs verletzt. 13 Nach der Vervollständigung des durch anwaltliche Versicherung [X.] gemachten Vortrags zum Wiedereinsetzungsantrag ist davon auszugehen, dass in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die all-gemeine Anweisung bestand, [X.] auf das Vorhandensein der Unterschrift eines Rechtsanwalts zu kontrollieren. Danach fehlt es an einem der [X.] zurechenbaren Fehlverhalten ihres Verfahrensbevollmächtigten nach § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO. Der Fehler der Kanzlei-kraft ist der Antragstellerin nicht anzulasten. 14 - 7 - 15 Liegen danach die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist durch die Antragstelle-rin vor, kann der Senat die Wiedereinsetzung selbst gewähren. § 89 Abs. 4 Satz 1 [X.] steht nur abschließenden Sachentscheidungen im [X.] entgegen ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 89 Rdn. 4), zu denen die Entscheidung über den [X.] nicht gehört. - 8 - c) Über die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten des [X.] ist erst in der Endentscheidung zu befinden. 16 [X.] Büscher

Bergmann Koch Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 09.07.2007 - 30 W(pat) 22/06 -

Meta

I ZB 73/07

03.04.2008

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2008, Az. I ZB 73/07 (REWIS RS 2008, 4677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4677

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