Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2019, Az. IV ZR 99/18

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3214

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ECLI:DE:BGH:2019:250919UIVZR99.18.0

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 99/18
Verkündet am:

25. September 2019

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

BGHZ: nein

BGHR:

ja

BGB § 1908i Abs. 1 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung; BGB §§ 1857a, 1852 Abs. 2 Satz 1, 1831 Satz
1, 1812 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 164 Abs. 1 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung; BGB § 126 Abs. 3 in der bis zum 31. Juli 2001 geltenden Fassung; VVG § 159 Abs. 2 Satz 1 und 2 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung

Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen erfordert die Änderung der Bezugsberechtigung im Todesfall in entsprechender Anwendung von §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG die schriftliche Einwilligung der versicherten Person. Entspre-chend §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG kann jedenfalls der für den Aufgabenkreis Ge-sundheitsfürsorge bestellte Betreuer der versicherten Person diese bei Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, wenn die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten geändert werden soll.

BGH, Urteil vom 25. September 2019 -
IV ZR 99/18 -
OLG Braunschweig

LG Braunschweig

-
2
-
Der IV.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Lehmann und Dr.
Götz auf die mündliche Verhandlung vom 25.
September
2019

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 11.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12.
März 2018 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 70.000

Mai 2015 und aus 70.020,39

Juni 2016 verurteilt worden ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Versiche-rungsleistungen aus zwei Lebensversicherungen in Anspruch.

Der Sohn des Beklagten (im Folgenden: Betreuter) hatte diese als Versicherungsnehmer und versicherte Person im Jahr 1989 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) abgeschlossen und seine spätere Ehefrau als Bezugsberechtigte für seinen Todesfall 1
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benannt. Im April 1993 fiel er infolge eines Unfalles ins Koma. Der Be-klagte wurde zu seinem Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit des Betroffenen einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge

sowie Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente, Sozialhilfe und Unterhalt

bestellt. Die Ehe des Betreuten wurde im August 1994 geschieden.

Mit Schreiben vom 10.
Oktober 1994 bat der Beklagte in seiner "Eigenschaft als Betreuer"
die Klägerin unter Hinweis auf die Eheschei-dung, ihn selbst bei den Lebensversicherungen als bezugsberechtigte Person einzutragen, und erklärte, dass nach Vollendung ihres 18.
Lebensjahres die Tochter des Betreuten bezugsberechtigt sein solle. Die Klägerin teilte dem Beklagten durch Schreiben vom 18.
Oktober 1994 mit, ihn als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.

Der Betreute verstarb Ende des Jahres 2011. Alleinerbin ist seine Tochter.

Auf Antrag des Beklagten zahlte die Klägerin die Versicherungs-leistungen in Höhe von 27.323,30

an ein Bestattungsinstitut aus, welches nach Abzug der für die Beerdi-gung des Betreuten angefallenen Kosten 39.499,22

weiterleitete.

Im Jahr 2013 verlangte die geschiedene Ehefrau des Betreuten von der Klägerin die Auszahlung der Versicherungsleistungen. Dem kam die Klägerin nach. In der Folge forderte sie den Beklagten mehrfach zur Rückzahlung der ausgezahlten Beträge auf.
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Der Beklagte hat behauptet, der Betreute habe seit dem Unfall an einem sogenannten Locked-In-Syndrom gelitten. Er habe durch Augen-kontakt mit seiner Umwelt kommunizieren können. Auf diese Weise habe der Betreute ihn mit der Änderung der Bezugsrechte aus den Lebensver-sicherungen beauftragt.

Das Landgericht hat die ursprünglich auf Zahlung von 70.000

nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Hauptforderung auf 70.020,39

Oberlan-desgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der im Berufungsverfahren erweiterten Klage.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB zu.

Der Beklagte habe die Beträge durch Leistungen der Klägerin er-langt. Das gelte auch für den Betrag, den die Klägerin an das Bestat-tungsinstitut gezahlt habe, da insoweit eine dem Beklagten zuzurech-nende Anweisung vorgelegen habe.

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Die Leistungen seien ohne Rechtsgrund erbracht worden. Der Be-klagte sei nicht Bezugsberechtigter geworden. Die Bezugsrechtsände-rung zu seinen Gunsten sei unwirksam, weil der Beklagte nicht vertre-tungsbefugt gewesen sei. Die Änderung eines Bezugsrechts sei eine Verfügung und ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Beklagte hätte daher gemäß §§
1908i Abs.
1 Satz
1, 1812 Abs.
1 Satz
1 und Abs.
3, 1831 Satz
1 BGB der vorherigen Genehmigung des Betreuungsgerichts be-durft. Auch eine wirksame Vollmacht habe nicht bestanden, weil eine solche in entsprechender Anwendung des §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F.
schriftlich oder

angesichts der vorgetragenen körperlichen Beeinträch-tigung des Betreuten -
in notariell beurkundeter Form hätte erteilt werden müssen. Der Beklagte könne nicht damit gehört werden, lediglich als Bo-te des Betreuten gehandelt zu haben. Er sei nach außen hin schon nicht als Bote aufgetreten. Überdies fehle es an einer schriftlichen oder nota-riell beurkundeten Ermächtigung.

Die Rückzahlungsansprüche seien nicht aufgrund eines Aner-kenntnisses der Klägerin ausgeschlossen. Deren Schreiben vom 18.
Oktober 1994 könne keine Erklärung entnommen werden, dass sie auf Einwendungen gegen die Bezugsrechtsänderung verzichten wolle.

Der Beklagte könne den Ansprüchen nicht gemäß §
242 BGB ent-gegenhalten, dass die Klägerin die zurückgeforderten Beträge alsbald im Wege des Schadensersatzes wieder erstatten müsse. Die Klägerin habe keine Schutzpflichten gegenüber dem Beklagten verletzt. Sie habe nicht auf das Erfordernis einer vormundschaftlichen Genehmigung hinweisen müssen, da die Pflichten aus §§
1812, 1813 BGB allein den Betreuer und das Vormundschaftsgericht träfen. Die Klägerin sei auch nicht gehalten gewesen, den Beklagten über die an eine Vollmacht zu stellenden Anfor-derungen zu belehren. Der Beklagte habe nicht offengelegt, dass er auch 12
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im Auftrag des Betreuten habe handeln wollen. Vielmehr habe er im Schreiben vom 10.
Oktober 1994 lediglich auf seine Stellung als Betreu-er verwiesen.

Die Klägerin habe gegen den Beklagten weiter Ansprüche auf Zah-lung von Verzugs-
und Prozesszinsen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis -
bis auf einen Teil des Zinsanspruchs
-
stand.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin den Beklagten gemäß §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB auf Rück-zahlung der Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen kann.

a) Der Beklagte hat diese ohne rechtlichen Grund erlangt. Ihm stand keine Bezugsberechtigung für die Leistungen aus den Lebensver-sicherungen zu, da er die ursprünglich zugunsten der geschiedenen Ehe-frau des Betreuten begründeten Bezugsrechte durch sein Schreiben vom 10.
Oktober 1994 nicht wirksam dahin geändert hat, dass er bezugsbe-rechtigt wurde.

aa) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Betreuer keine Befugnis hat-te, die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten zu ändern.

(1) Das folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts nicht daraus, dass der Beklagte hierfür nach §
1908i Abs.
1 Satz
1
BGB in der bis zum 31.
Dezember 1998 geltenden
Fassung i.V.m.
§
1812 Abs.
1 Satz
1 und Abs.
3 BGB in der bis zum 31.
Dezember 2001 15
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geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.) der vorherigen Genehmi-gung des Vormundschaftsgerichts bedurft hätte
und die Änderung der Bezugsberechtigung ohne eine solche Genehmigung nach §
1831 Satz
1 BGB a.F. unwirksam gewesen wäre. Denn §
1812 Abs.
1 Satz
1 BGB a.F. findet auf den Beklagten in Ermangelung einer anderweitigen An-ordnung des Vormundschaftsgerichts gemäß §§
1908i Abs.
2 Satz
2, 1857a, 1852 Abs.
2 Satz
1 BGB a.F. keine Anwendung, da er der Vater des Betreuten ist (vgl. BeckOK
BGB/Fröschle, Stand: 1.
September 2019
§
1857a Rn.
8, 14; Roth in Erman, BGB 15.
Aufl. §
1908i Rn.
33
f.; Jur-geleit/Meier, Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
1857a BGB Rn.
1, 8; Jürgens/von Crailsheim, Betreuungsrecht 6.
Aufl. §
1857a BGB Rn.
1
f., 5; Staudinger/Bienwald, BGB (2017) §
1908i Rn.
374, 381).

(2) Die Änderung der Bezugsberechtigung war indes jedenfalls aufgrund des Fehlens einer schriftlichen oder notariell beurkundeten (vgl. §
126 Abs.
3 BGB in der bis zum 31.
Juli 2001 geltenden Fassung) Ein-willigung des Betreuten unwirksam.

(a) Eine solche Einwilligung war hier in analoger Anwendung des §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) erforderlich.

§
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. bestimmt, dass, wenn die Versiche-rung für den Fall des Todes eines anderen genommen wird und die ver-einbarte Leistung -
wie im Streitfall
-
den Betrag der gewöhnlichen Beer-digungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich ist. Diese Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil der Beklagte keinen Lebensversicherungs-vertrag für den Fall des Todes des Betreuten abgeschlossen hat.
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-

§
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. ist jedoch über seinen Wortlaut hin-aus anzuwenden, wenn sein Schutzzweck danach verlangt (vgl. Senats-urteil vom 27.
Juni 2018 -
IV ZR 222/16, BGHZ 219, 142
Rn.
25
zu §
150 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
1 VVG n.F.). Das Einwilligungserfordernis zielt nach der Senatsrechtsprechung darauf ab, die Spekulation mit dem Le-ben anderer zu unterbinden. Es soll insbesondere der Gefahr entgegen-wirken, die sich daraus ergeben kann, dass der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall her-beizuführen. Die zu versichernde Person soll sich der Gefährdung be-wusst werden und das Risiko abwägen können, das sie mit der Einwilli-gung auf sich nimmt (Senatsurteil vom 27.
Juni 2018 aaO Rn.
24 m.w.N.).

Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. analoge Anwendung findet, wenn die versicherte Person zwar zugleich Versicherungsnehmer, am Vertragsschluss aber nicht un-mittelbar beteiligt ist (Senatsurteil vom 9.
Dezember 1998 -
IV ZR
306/97, BGHZ 140, 167 unter 2
c [juris Rn.
15]). Dies ist etwa der Fall, wenn der Lebensversicherungsvertrag durch den Bezugsberechtigten als Vertreter des Versicherungsnehmers, dessen Leben versichert werden soll, abgeschlossen wird, oder wenn ein solcher Versicherungsnehmer den Versicherungsantrag blanko unterschreibt (vgl. Senatsurteile vom 9.
Dezember 1998 aaO; vom 8.
Februar 1989 -
IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465 unter II
2 [juris Rn.
13]). Weiter hat der Senat entschieden, dass jede spätere gewillkürte Änderung des Begünstigten im Todesfall der Einwilligung der versicherten Person bedarf, da eine solche Ände-rung ihr Risiko betrifft (Senatsurteil vom 27.
Juni 2018 aaO Rn.
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m.w.N.).

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-

Aus diesem Grund ist §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. auch in der hier in Rede stehenden Konstellation analog anzuwenden. Die von dem Beklagten als Betreuer zu seinen Gunsten vorgenommene Änderung der Bezugsberechtigung für den Todesfall betraf das Risiko des Betreuten,
dessen Leben versichert war, weil die Person des Bezugsberechtigten geändert werden sollte.

(b) Die danach erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten lag nicht vor. Dieser selbst erteilte keine solche Einwilligung. Ob der schriftliche Antrag im Schreiben des Beklagten vom 10.
Oktober 1994, die
Bezugsberechtigung abzuändern, als Einwilligungserklärung im Sinne des §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. zu qualifizieren
ist, kann offenbleiben, da die Erklärung nicht gemäß §
164 Abs.
1 Satz
1 BGB für und gegen den Betreuten wirkt. Der Beklagte konnte als Betreuer den Betreuten in-soweit nicht wirksam vertreten. Das folgt im Streitfall jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F., so dass nicht entschieden werden muss, ob die Erteilung einer Einwilligung nach §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. überhaupt in den Aufgabenkreis Vermögenssorge

des Beklagten fiele.

§
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. beschränkt die Vertretungsmacht des Betreuers nach §
1902 BGB a.F. (vgl. Winter in Bruck/Möller, VVG 9.
Aufl. §
150 Rn.
47 ff.; MünchKomm-VVG/Heiss, 2.
Aufl. §
150 Rn.
32; Schneider in
Prölss/Martin, VVG 30.
Aufl. §
150 Rn.
12; BeckOK
BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1.
Juli 2019
§
1902 Rn.
86; Roth in Erman, BGB 15.
Aufl. §
1902 Rn.
9; Jürgens/Jürgens, Betreuungsrecht 6.
Aufl. §
1902 Rn.
18
f.; Staudinger/Bienwald, BGB (2017) §
1902 Rn.
64). Ge-mäß §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. kann der Versicherungsnehmer den anderen bei der Erteilung der Einwilligung unter anderem dann nicht ver-treten, wenn für den anderen ein Betreuer bestellt ist und die Vertretung 26
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-
in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem Versicherungs-nehmer zusteht.

Wie §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F. bezweckt die Bestimmung, die versicherte Person vor der Gefahr zu schützen, die sich daraus ergeben kann, dass der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen (vgl. Motive zum Versi-cherungsvertragsgesetz Neudruck 1963 S.
217). §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. soll sicherstellen, dass der gesetzliche Vertreter der versicher-ten Person von der Vertretung unter allen Umständen ausgeschlossen ist, wenn er selbst als Versicherungsnehmer beteiligt ist und daher -
in Ermangelung eines anderen Bezugsberechtigten -
vom Todesfall profitie-ren würde (aaO).

Dieser Schutzzweck gebietet es, §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. im Streitfall über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden. Der Beklagte würde durch die wirksame Änderung der Bezugsberechtigung aus den Lebens-versicherungen begünstigt. Dass er nicht für alle denkbaren, die Person des Betreuten betreffenden Angelegenheiten zu dessen Betreuer bestellt wurde (vgl. hierzu Jürgens/Loer, Betreuungsrecht 6.
Aufl. §
1902 Rn.
18), ist nach dem Zweck des §
159 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. hier un-erheblich. Der Beklagte wurde unter anderem mit dem Aufgabenkreis Sorge für die Gesundheit einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen

betraut, der im Hinblick auf eine mögliche Spekulation mit dem Leben des Betreuten von besonderer Bedeutung ist.

bb) Die vom Beklagten in dem Schreiben vom 10.
Oktober 1994 erklärte Bezugsrechtsänderung ist auch nicht aufgrund einer vom Betreu-ten rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht wirksam. Dabei kann offenbleiben, ob ein geschäftsfähiger Betreuter seinem Betreuer über-29
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haupt wirksam Vollmacht erteilen kann (vgl. zum Streitstand BeckOK
BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1.
Juli 2019
§
1902 Rn.
35 ff.) und ob sich der Beklagte auf eine Vollmacht stützen könnte, obwohl er die in dem genannten Schreiben enthaltenen Erklärungen ausdrücklich in seiner Ei-genschaft als Betreuer

und nicht: als Bevollmächtigter -
abgegeben hat (vgl. hierzu BeckOK
BGB/Müller-Engels, Stand: 1. Mai 2019 §
1902 Rn.
18; BeckOK
BGB/Schmidt-Recla, Stand: 1. Juli 2019
§
1902 Rn.
39). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, fehlt es für eine wirksame Bezugsrechtsänderung durch den Beklagten als rechtsge-schäftlicher Vertreter zumindest an einer schriftlichen oder notariell be-urkundeten Vollmacht des Betreuten. Eine solche ist im Anwendungsbe-reich des §
159 Abs.
2 Satz
1 VVG a.F., der nach dem Gesagten im Streitfall eröffnet ist, erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 9.
Dezember 1998 -
IV ZR 306/97, BGHZ 140, 167 unter 2
a [juris Rn.
13]; vom 8.
Februar 1989 -
IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465
unter II
2 [juris Rn.
13]; Schneider in Prölss/Martin, VVG 30.
Aufl. §
150 Rn.
15).

cc) Anders als die Revision meint, stellt sich nicht die Frage, ob der Beklagte die Bezugsrechtsänderung als Bote des Betreuten wirksam hätte vornehmen können. Der Beklagte war kein Bote des Betreuten, weil er die im Schreiben vom 10.
Oktober 1994 enthaltenen Erklärungen nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts gegenüber der Klägerin in seiner Eigenschaft als Be-treuer und somit als gesetzlicher Vertreter des Betreuten abgegeben hat und sich die Abgrenzung zwischen einem Boten-
und einem Vertreter-handeln nicht nach dem Innenverhältnis zum Geschäftsherrn, sondern danach richtet, wie die Mittelsperson nach außen aufgetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.
Februar 1954 -
II ZR 63/53, BGHZ 12, 327, 334
f.; BAGE 125, 208 Rn.
15 ff.; MünchKomm-BGB/Schubert, 8. Aufl. §
164 32
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Rn.
72; Staudinger/Schilken, BGB (2014) Vorbemerkungen zu §§
164 ff. Rn.
74, 76).

b) Den Rückforderungsansprüchen der Klägerin steht nicht entge-gen, dass sie die Bezugsrechtsänderung durch ihre Schreiben vom 18.
Oktober 1994 anerkannt hätte. Das gilt schon deswegen, weil den Schreiben nach der Würdigung des Berufungsgerichts keine Erklärung entnommen werden kann, dass die Klägerin auf Einwendungen gegen die Bezugsrechtsänderung verzichten wollte. Diese Würdigung ist aus Rechtsgründen -
auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens -
nicht zu beanstanden.

c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, der Beklagte könne den Rückzahlungsansprüchen nicht entgegenhalten, dass die Klägerin verpflichtet wäre, ihm die zurückgeforderten Beträge im Wege des Schadensersatzes wegen Verletzung einer Hinweispflicht wieder zu erstatten.
Die Klägerin musste den Beklagten nicht auf das Erfordernis der Einholung einer vormundschaftlichen Genehmigung hin-weisen, da eine solche, wie darlegt, nicht erforderlich war.
Auch ein Hin-weis auf die entsprechend §
159 Abs.
2 VVG a.F. erforderliche schriftli-che Einwilligung des Betreuten war nicht geboten. Diese
Vorschrift
be-zweckt den Schutz allein der versicherten Person
(vgl. Senatsurteil vom 27.
Juni 2018

IV ZR 222/16, BGHZ 219, 142 Rn.
24
f.); der Beklagte als von der Bezugsrechtsänderung potentiell Begünstigter steht außerhalb des Schutzbereichs der Norm. Daran ändert auch der von der Revision hervorgehobene Umstand
nichts, dass die Klägerin in dem
Schreiben vom 18.
Oktober 1994 mitteilte, den Beklagten als widerruflich bezugsbe-rechtigt vorgemerkt zu haben.

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2. Das Berufungsgericht hat der Klägerin ganz überwiegend zu Recht Ansprüche auf Zahlung von Verzugs-
und
Rechtshängigkeitszin-sen zugesprochen. Entgegen seiner Auffassung besteht die Zinszah-lungspflicht aus §§
291, 288 Abs.
1 Satz
2 BGB in entsprechender An-wendung des §
187 Abs.
1 BGB allerdings erst ab dem auf die Rechts-hängigkeit folgenden Tag (BGH, Urteil vom 10.
Oktober 2017 -
XI ZR 555/16, NJW 2018, 225 Rn.
21). Nur in diesem Umfang ist die Revision begründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
97 Abs.
1, 92 Abs.
2 Nr.
1 ZPO.

Mayen Felsch

Harsdorf-Gebhardt

Lehmann Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 15.03.2016 -
7 O 915/15 (173) -

OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.03.2018 -
11 U 64/17 -

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Meta

IV ZR 99/18

25.09.2019

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2019, Az. IV ZR 99/18 (REWIS RS 2019, 3214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3214

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IV ZR 99/18

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