Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2016, Az. IX ZR 142/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14294

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:170316UIXZR142.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 142/14

Verkündet am:

17. März 2016

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2016
durch [X.] [X.], den
Rich-ter
[X.], die Richterin [X.], [X.] Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juni 2014, berichtigt durch Beschluss vom 26. Juni 2014, im Kostenpunkt sowie insoweit auf-gehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 20. November 2013 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs-
und des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger beauftragte den beklagten Rechtsanwalt mit der Durchset-zung eines Versäumnisurteils über 223.107,38

l-ches er am 22.
März 2002 gegen seinen Bruder (fortan: Schuldner) erwirkt [X.]. Der Schuldner war neben einem R.

Gesellschafter einer Gesell-schaft bürgerlichen Rechts, der eine Eigentumswohnung in S.

gehörte.
1
-
3
-
Am 6.
Juni 2002 ließ der Beklagte den Gesellschaftsanteil des Schuldners pfänden. Mit Schreiben vom 6.
Juli 2005 kündigte er den Gesellschaftsvertrag. Am 12.
Juli 2005 beantragte er die Teilungsversteigerung, die mit Beschluss vom 12.
Oktober 2005 angeordnet wurde. Wegen Verhandlungen mit dem Schuldner wurde die Teilungsversteigerung nicht weiter betrieben. Am 20.
März 2006 trat der weitere Gesellschafter
seinen Gesellschaftsanteil an den [X.] ab.
Am 3. April 2006
wurde eine ([X.] in Höhe von 250.533,02

.

in das [X.] eingetragen.
Der Beklagte beantragte die Fortsetzung der [X.]. Nachdem der Kläger
ihn
jedoch angewiesen hatte, deren
einst-weilige Einstellung
zu beantragen, wurde diese mit
Beschluss vom 27.
Juli 2007 eingestellt.
Weil der Beklagte keinen [X.] stellte, wurde das Tei-lungsversteigerungsverfahren mit Beschluss vom
14.
Februar 2008 aufgeho-ben.
Bei einer
auf Antrag der Sparkasse S.

betriebenen Zwangsversteigerung der Wohnung im Jahre 2010 wurde ein Erlös von 40.100

Der Kläger
klagte vergeblich gegen die Sparkasse auf Feststellung, dass seine Rechte aus dem
Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss
fortbestünden, sowie auf Auskehr des [X.].

Nunmehr
wirft
er
dem Beklagten vor, den
an die Sparkasse ausgekehr-ten
Betrag nicht für ihn, den Kläger, gesichert zu haben, und verlangt [X.] in entsprechender Höhe nebst Zinsen. Das Landgericht
hat die Kla-ge abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten insoweit [X.] verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

2
-
4
-
Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu-rückweisung der Berufung
des [X.].

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe den Kläger unzutreffend beraten. Er hätte rechtzeitig einen [X.] stellen und den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er
andernfalls seine Rechtsposition in Bezug auf die Wohnung verlieren würde.
Die Übertragung des [X.] auf den Schuldner sei im Verhältnis zum Kläger unwirksam ge-wesen, hätte eine Fortsetzung der Teilungsversteigerung also nicht gehindert.
Nach der Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens sei davon auszuge-hen, dass der Kläger bei entsprechender Belehrung zugestimmt hätte. Wenn man zugunsten des Beklagten unterstelle, dass der Kläger trotz ausreichender Beratung keinen [X.] hätte
stellen wollen, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, ihn ergänzend über weitere [X.] zu beraten. Nachdem der Schuldner alleiniger Eigentümer der Wohnung ge-worden sei, hätte der Beklagte
einen Antrag auf Zwangsversteigerung der Wohnung stellen müssen. Außerdem habe er es unterlassen,
die [X.] des Miteigentumsanteils des Schuldners zu betreiben oder diesbe-züglich die Eintragung einer Sicherungshypothek zu veranlassen.

3
4
-
5
-
II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §
280 BGB wegen des [X.]en
[X.]s ist nicht schlüssig dargelegt.

a) Entgegen der Ansicht der Revision hat
das Berufungsgericht insoweit nicht entgegen §
308 Abs.
1 Satz 1 ZPO über einen Klagegrund (§
253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO) entschieden, welchen der Kläger nicht geltend gemacht hat. Mit Schriftsatz vom 19.
Februar 2014 hat der
Kläger dem Beklagten -
teils unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 3.
Februar 2014
-
vorgeworfen, eigenmächtig die Stellung eines [X.]s [X.] zu haben.
Es handelt sich insoweit um eine Klageänderung (§
263 ZPO), welche das Berufungsgericht in seinem Urteil erkennbar zugelassen hat. Ob die Voraussetzungen vorlagen, unter welchen eine Klageänderung
im Beru-fungsverfahren gemäß §
533 ZPO zulässig ist, wird im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft, wenn das Berufungsgericht eine Sachentscheidung über den neuen Klagegrund getroffen hat
(vgl. [X.], Urteil vom 20.
Juni 2000 -
IX
ZR 81/98, [X.], 1574, 1575 zu §
530 ZPO aF, vom 2.
April 2004 -
V
ZR 107/03, [X.], 141
f; vom 25.
Oktober 2007 -
VII
ZR 27/06, [X.], 158
f).

b) Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag nicht dadurch
schuldhaft
verletzt, dass er nicht rechtzeitig vor Ablauf der Sechsmo-natsfrist des §
31 Abs.
1 Satz 2 [X.] einen Antrag auf Fortsetzung des Verstei-gerungsverfahrens gestellt hat. Er hat den Kläger insoweit auch nicht unzutref-fend belehrt.
Der Beklagte
war nicht verpflichtet, den Kläger auf einen nach An-5
6
7
8
-
6
-
sicht des Berufungsgerichts aus einer analogen Anwendung des §
888 Abs.
2 BGB folgenden Anspruch auf Wiedereintragung der [X.] als Eigentümerin der Wohnung hinzuweisen, diesen
Anspruch
für ihn
durchzusetzen und sodann die Teilungsversteigerung fortzuführen.

aa) Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Mandates ver-pflichtet, den Auftraggeber umfassend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Droht dem Mandanten ein [X.], hat er diesem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken (vgl. etwa [X.], Urteil vom 18.
März 1993 -
IX
ZR 120/92, [X.], 1376, 1377; [X.] in G. Fischer/[X.]/D.
Fischer/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 4.
Aufl., §
2 Rn.
51). Der Mandant kann von ihm die Kenntnis der ein-schlägigen Rechtsnormen erwarten, bei deren Auslegung er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Hinweise, [X.] und Empfehlungen sind in der Regel an der höchstrichterlichen Recht-sprechung auszurichten ([X.], Urteil vom 28.
September 2000 -
IX
ZR 6/99, [X.]Z 145, 256, 263; vom 6.
November 2008 -
IX
ZR 140/07,
[X.]Z 178, 258 Rn.
9). Fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung, kann der Rechtsanwalt sich die erforderlichen Kenntnisse etwa durch Einsichtnahme in eines der übli-chen [X.] verschaffen ([X.], aaO §
2 Rn. 84; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Die Haftung des Rechtsanwalts, 8.
Aufl., Rn. 527). Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrich-terlichen oder instanzgerichtlichen Entscheidung waren noch in einem der gän-gigen Kommentare oder Lehrbüchern
behandelt
wurden, hat er auf der [X.] eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten.

9
-
7
-

bb) Die Pfändung des [X.], die [X.] und der Antrag auf Teilungsversteigerung des Grund-stücks, welches das Gesellschaftsvermögen ausmachte, waren sachgerecht. Die Pfändung des [X.] (§
859 Abs.
1 Satz 1 ZPO) hinderte [X.] des Schuldners über diesen mit Wirkung gegen den Kläger (§§
857, 829 Abs.
1 Satz 2 ZPO)
und eröffnete die Möglichkeit der Kündigung der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Dezember 1991 -
IX
ZR 270/90, [X.]Z 116, 222, 228
f). Die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks bewirkte ein Veräußerungsverbot hinsichtlich des Grundstücks (§
23 [X.]), dessen es [X.], weil
die Pfändung des [X.] Verfügungen über das [X.]svermögen nicht ausschloss (vgl. §
859 Abs.
1 Satz 2 ZPO).

[X.]) Zugriff auf den Gesellschaftsanteil des
weiteren Gesellschafters hatte der Kläger nicht. Der Titel gegen den Schuldner bot hierfür keine Grundlage. Dem weiteren
Gesellschafter
blieb es unbenommen, seinen Anteil abzutreten. Die Abtretung des Anteils
an einen Dritten hätte die Rechtsstellung des [X.] unberührt gelassen. Die Abtretung des Anteils
an den Schuldner führte nach den allgemeinen Regeln dazu, dass die [X.] aller Anteile in der Hand eines Gesellschafters beendet
wurde (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juli 1975 -
II
ZR 154/72, [X.]Z 65, 79, 82
f).
Die mit der Teilungsversteige-rung bezweckte Aufhebung der [X.] zwischen dem Schuldner und dem weiteren Gesellschafter
war damit -
unter Anwendung der allgemeinen Regeln über die Voraussetzungen der Teilungsversteigerung
-
nicht mehr mög-lich
(vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB 92/09, [X.], 860 Rn. 9). Sobald der Schuldner als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetra-gen war, sich das
einer Teilungsversteigerung entgegenstehende
Hindernis
also
aus dem Grundbuch ergab, war das Verfahren nach §
28 Abs.
1 [X.] auf-zuheben (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2010, aaO Rn.
8).
10
11
-
8
-

dd)
Der Beklagte hat in der gegebenen Situation angenommen, dass eine Teilungsversteigerung nicht mehr in Betracht komme und sich das Pfand-recht am Gesellschaftsanteil an dem Anspruch auf Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens fortgesetzt habe. Er hat deshalb -
vergeblich
-
die Sparkasse auf Auskehr des [X.] in Anspruch genommen. Ob die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts dazu
zutreffen, dass der Kläger als Pfändungsgläubiger einen Anspruch analog §
888
Abs. 2 BGB auf Wiedereintragung der [X.] gehabt hätte, so dass die Teilungsversteigerung im Verhältnis zur Sparkasse rangwahrend hätte [X.] werden können, bedarf keiner Entscheidung. Ebenso ist nicht entschei-dungserheblich, ob
der gepfändete Gesellschaftsanteil für die Zwecke des [X.] als fortbestehend
hätte fingiert werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Juli 2004 -
IXa
ZB 330/03, [X.], 1843 f; of-fengelassen
von [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB 92/09, [X.], 860 Rn. 10; jeweils zum Miteigentumsanteil). Allen genannten [X.] ist gemeinsam, dass sie ein Fortbestehen des Pfändungspfand-rechts am Gesellschaftsanteil des Schuldners trotz Vereinigung aller Anteile in einer Hand, also trotz Wegfalls des [X.],
voraussetzen. Es [X.] sich um
Rechtsfortbildung handeln, die nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgt und die bisher nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung war; auch einschlägige instanzgerichtliche Rechtsprechung oder Literatur, die zu den gebräuchlichen
[X.]n gehört und deshalb [X.] einzusehen gewesen wäre, hat der Kläger nicht nachgewiesen. Angesichts dessen gereicht es dem Beklagten nicht zum Verschulden, dass er sich nicht für die vom Berufungsgericht allein für richtig gehaltene
Maßnahme
-
die Durchsetzung des Anspruchs aus §
888
Abs. 2 BGB analog und die Fortset-zung der Teilungsversteigerung
-
entschieden hat.
Der Kostenschaden aus
den 12
-
9
-
Klagen gegen die Sparkasse ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits, so dass deren Erfolgsaussicht nicht zu prüfen ist.

c)
Die Revision beanstandet darüber hinaus mit Recht, dass jeglicher Vortrag des [X.] dazu fehlt, welche Weisungen er erteilt hätte, wenn der Beklagte ihn in dem vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Sinne beraten hätte.
Das Berufungsgericht hat die Vermutung des beratungsgerechten
Verhal-tens herangezogen.
Daran ist richtig, dass ein Vermutungstatbestand dann, wenn er einschlägig ist, auch
fehlenden Sachvortrag ersetzen kann. Die Vo-raussetzungen der genannten Vermutung sind jedoch nicht erfüllt.

aa) Die Vermutung des beratungsgemäßen Verhaltens kommt zur An-wendung, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Um-stände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre. Voraussetzung sind danach tatsächli-che Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den rechtli-chen Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Die Beweiserleichte-rung zugunsten des Mandanten gilt also nicht generell. Sie setzt einen Tatbe-stand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang
zwischen der Pflichtverlet-zung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typi-scherweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der [X.] eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen ([X.], Urteil vom 30.
September 1993 -
IX
ZR 73/93, [X.]Z
123, 311, 314
f; vom 10.
Mai 2012 -
IX
ZR 125/10, [X.]Z 193, 193 Rn. 36).

bb) Hier
gab es -
die vom Berufungsgericht geforderte Belehrung als rechtlich vertretbar
unterstellt
-
nicht nur eine mögliche vernünftige Entschei-13
14
15
-
10
-
dung. Es
war schon aus Rechtsgründen offen, ob die Teilungsversteigerung dann, wenn ein [X.] fristgerecht gestellt worden wäre, fortge-führt worden wäre. Bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts ist
nirgends die Ansicht vertreten worden, dass die Pfändung eines [X.] und die Beschlagnahme des Grundstücks, welches das Gesellschaftsvermögen bildet, zur relativen Unwirksamkeit der
Abtretung des nicht gepfändeten Anteils an den [X.] führt. Der Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass der Antrag auf Fortsetzung der Teilungsversteigerung nur nach für ihn positiver Klärung einer bis dahin offenen Grundsatzfrage im Rahmen der voraussichtlich klagweisen Durchsetzung des aus einer analogen Anwendung des §
888
Abs. 2
BGB
abgeleiteten Anspruchs auf
Wiedereintragung der [X.] bürgerlichen Rechts als Grundstückseigentümerin Aussicht auf Erfolg hatte. Schon das Kostenrisiko hätte den Kläger von einer solchen Klage abhal-ten können. Hätte er obsiegt, hätte er die
Teilungsversteigerung wohl fortsetzen können; seine Forderung gegen den Schuldner, die vorhersehbar durch den zu erwartenden [X.] nur zu einem geringen Teil gedeckt war, hätte sich aber durch den Kostenerstattungsanspruch noch erhöht.
Es liegt daher kein Fall vor, in dem die Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens heran-gezogen werden kann.

2. Die weiteren Pflichtverletzungen, auf welche das Berufungsgericht die Verurteilung hilfsweise gestützt hat, sind bisher nicht Gegenstand des [X.] gewesen und tragen das Berufungsurteil deshalb nicht. Das Berufungs-gericht hat gegen §
308
Abs.
1
ZPO verstoßen, indem es über prozessuale [X.] entschieden hat, welche der Kläger so nicht geltend gemacht hat.

a) Gemäß §
308 Abs.
1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Bindung an den Antrag betrifft 16
17
-
11
-
nicht nur den [X.], sondern auch den Grund des erhobenen An-spruchs (§
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Der Kläger allein legt den
Streitgegenstand fest, den prozessualen Anspruch also, über welchen das Gericht zu entschei-den hat. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Klä-ger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssach-verhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet ([X.], Urteil vom 3.
April 2003 -
I
ZR 1/01, [X.]Z 154, 342, 347 f; vom 29.
Juni 2006 -
I
ZR 235/03, [X.]Z 168, 179 Rn. 15). Legt ein Gericht seinem Urteils-ausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Klageantrag begründet hat, verstößt es gegen §
308 Abs.
1 ZPO.
Das Gericht darf sein Urteil nicht auf einen Klagegrund stützen, welchen der Kläger nicht geltend gemacht hat.

b) Der Streitgegenstand einer Klage, mit welcher ein Anspruch auf [X.] wegen einer Anwaltspflichtverletzung geltend gemacht wird, wird wesentlich durch den Vorwurf bestimmt, welchen der klagende Mandant
erhebt, und den Schaden, welchen die behauptete Pflichtverletzung
nach Darstellung des [X.]
verursacht hat. Wirft der klagende Mandant dem beklagten Anwalt etwa Fehler beim Ausspruch einer fristlosen Kündigung vor, ist dies ein anderer Streitgegenstand als der Vorwurf einer unsachgemäßen Prozessführung im anschließenden Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
November 1992 -
IX
ZR 221/91, [X.]). Der Vorwurf einer pflichtwidrigen Prozessführung ist ein anderer Streitgegenstand als derjenige der Falschberatung vor Erhebung einer erkennbar aussichtslosen Klage ([X.], Beschluss vom 29.
September 2011 -
IX
ZB 106/11, [X.], 2113 Rn. 9
ff, 13
mit zust. [X.]. [X.], [X.], 653). Umgekehrt erfasst der Vorwurf der Falschberatung vor Erhebung der aussichtslosen Klage nicht auch denjeni-gen des unterlassenen Hinweises auf eine erfolgversprechende Revision ([X.], 18
-
12
-
Urteil vom 13.
März 2008 -
IX
ZR 136/07, [X.], 1560 Rn. 24). Der Kläger hat den Streitgegenstand festzulegen. Alternativen, die im Widerspruch zum Hauptvorbringen stehen, können nur nach den
Regeln der eventuellen Klage-häufung hilfsweise geltend gemacht werden.

Wirft der Mandant dem Rechtsanwalt im Ergebnis das Unterlassen einer erfolgversprechenden Maßnahme vor, reicht es nicht aus, den Auftrag [X.], welchen er dem Anwalt erteilt hat, und sodann zu beanstanden, dass das erstrebte Ziel nicht erreicht worden sei. Er darf es nicht dem Gericht über-lassen, Wege zu suchen, auf denen dieses Ziel hätte erreicht werden können, um sodann dem Anwalt vorzuwerfen, diese Wege nicht beschritten
zu haben. [X.] bestimmt ist die Klage vielmehr erst dann, wenn der Kläger vor-trägt, welche erfolgversprechende Maßnahme der Anwalt unterlassen hat.
Kommen mehrere Wege in Betracht, kann er die Klage hierauf stützen, hat [X.], soweit sie sich ausschließen
oder zu unterschiedlichen Schäden geführt haben
sollen,
ein Haupt-
und Hilfsverhältnis zu bilden.
An diesen Vortrag ist das Gericht gebunden.
Zu einer Ergänzung einer u[X.]ollständigen Klage
ist es
nicht
verpflichtet und im Hinblick auf den [X.], welcher den [X.] beherrscht, auch nicht berechtigt, solange es an einer eindeutigen pro-zessualen Erklärung des [X.] fehlt
(vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juni 2011 -
IX
ZR 47/10, [X.], Rn. 2).

c) Der Kläger
hat dem Beklagten in der Klageschrift vorgeworfen, die Teilungsversteigerung nicht in der gebotenen Eile durchgeführt zu haben.
Im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz
hat er sein Vorbringen dahingehend präzisiert, dass
er der unrichtigen Zusage des Beklagten vertraut habe, durch die Pfändung des [X.] im Jahre 2002 und den Antrag auf Tei-lungsversteigerung im Jahre 2005 hinreichend gesichert gewesen zu sein.
Der 19
20
-
13
-
Schaden sollte dadurch eingetreten sein, dass die Zwangsvollstreckung nicht vor der Abtretung des [X.] am 20.
März 2006 abgeschlossen gewesen sei.
Im Berufungsverfahren hat der
Kläger
die Klage
nach Ablauf der Berufungsfrist dahingehend umgestellt, dass
dem Beklagten der
unterlassene
[X.] vorzuwerfen sei.
Dieser Vorwurf stand im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen des [X.], beruhte nämlich auf der Annahme, dass der Beklagte
den Kläger
zutreffend beraten und die Zwangsversteigerung nicht
etwa
nachlässig betrieben, sondern nur die zunächst erlangte gesicherte Position im Jahre 2008 eigenmächtig und ohne Grund aufgegeben habe.
Der Schaden war neu zu berechnen, nämlich auf der Grundlage einer [X.] im Jahre 2008
oder später, nicht mehr auf derjenigen einer Zwangsversteigerung vor dem Jahre 2006.
Die
Vorwürfe, dass der Beklagte
nicht die Zwangsversteigerung des "Miteigentumsanteils"
des Schuldners, was im Hinblick auf §
719 Abs.
1 BGB, §
859 Abs.
1 Satz 2 ZPO
rechtlich gar nicht möglich war,
und
nach der Abtretung des [X.] nicht die Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum
betrieben habe,
was im [X.] auf die alsbald eingetragene Grundschuld der Sparkasse wenig Aussicht auf Erfolg versprach,
betreffen wieder andere Sachverhalte, die
der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen
hat.
Er hat seine Klage nicht, auch nicht hilfsweise, auf diese Sachverhalte gestützt.

d) Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen §
308 Abs.
1 ZPO wird nicht dadurch geheilt, dass der Kläger die Zurückweisung der Revision bean-tragt und sich dadurch die Entscheidung des Berufungsgerichts einschließlich der zusätzlichen [X.] zu eigen gemacht hat. Insoweit handelt es sich um eine Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zuläs-sig ist (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Juni 1988 -
IX
ZR 172/87, [X.]Z 105, 34, 36; vom 3.
April 2003, aaO S. 351; vom
29.
Juni 2006, aaO Rn. 24). Dem Kläger
ist 21
-
14
-
auch nicht durch Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Gele-genheit zu geben, die Klage auf neue [X.] zu stützen, nachdem er in den Tatsacheninstanzen keine entsprechenden
Vorwürfe gegen den Beklagten erhoben hat (vgl. [X.], Urteil vom 3.
April 2003, aaO; vom 29.
Juni 2006, aaO Rn. 25).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben, soweit es zum Nachteil des Beklagten entschieden hat. Es wird im bezeichneten Umfang aufgehoben.
Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist,
hat der Senat in der Sache

22
-
15
-
selbst zu entscheiden (§
563 Abs. 3 ZPO).
Die Klage wird insgesamt abgewie-sen.

Kayser
[X.]
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.11.2013 -
2 O 117/13 -

OLG Celle, Entscheidung vom 04.06.2014 -
3 [X.] -

Meta

IX ZR 142/14

17.03.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2016, Az. IX ZR 142/14 (REWIS RS 2016, 14294)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14294

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 142/14 (Bundesgerichtshof)

Rechtsanwaltshaftung: Reichweite der Beratungs- und Aufklärungspflichten bei offenen Rechtsfragen; Beweiserleichterung der Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens


IX ZB 98/16 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 98/16 (Bundesgerichtshof)

Familienstreitsache: Prüfung des Vorliegens einer sonstigen Familiensache; Antrag eines Miteigentümers auf Teilungsversteigerung des Grundstücks trotz …


V ZB 183/14 (Bundesgerichtshof)

Beschlagnahme in der Teilungsversteigerung: Veräußerungsverbot bei Pfändung eines Gesellschaftsanteils


IX ZR 145/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 142/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.