Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 444/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 6177

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Gegenstand

Auslegung einer Bezugnahmeklausel - Betriebliche Übung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. August 2017 - 6 [X.]/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2015 - 4 Ca 1221/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

2

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist seit 1979 bei der [X.] und ihren Rechtsvorgängerinnen im Klinikum in der [X.] 27 in [X.] beschäftigt. Das Klinikum wurde ua. vom [X.] und dem diesem nachfolgenden Bkreis in Form eines Eigenbetriebs als „[X.]-Klinikum“ geführt. In einer Vereinbarung vom 1. April 1991 heißt es ua.:

        

„Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der [X.] ([X.]) Ost in der jeweilig gültigen Fassung am 01.04.1991.“

3

In einer Vertragsänderung vom 1./10. Juli 1991 heißt es ua.:

        

„…    

        

§ 3     

        

Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. [X.] geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung. Weiterhin sind die Bestimmungen des [X.] und seiner Anlagen vom 31.08.1990 [X.]. Artikel 1 des [X.] vom 23.09.1990 anzuwenden.

        

…“    

4

Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wurde im Jahr 2005 in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) übergeleitet.

5

[X.] ging das Klinikum im Wege eines Betriebsübergangs auf die S-Klinikum Gmb[X.] über, die zunächst weiterhin den [X.] anwandte.

6

Mit Schreiben vom 20. August 2010 teilte die S-Klinikum Gmb[X.] der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 1. Januar 2010 der [X.] ([X.] M/W/[X.]) und zum 1. Juli 2010 der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag ([X.]) sowie damit verbundene haustarifliche Sonderregelungen in [X.] getreten seien und das Arbeitsverhältnis „aus diesem Grund“ in das neue Tarifrecht „übergeleitet“ werde. Mit weiterem Schreiben im Oktober 2010 wurde die Klägerin unter Bezugnahme auf den [X.] M/W/[X.] und den [X.] sowie den Konzern-Überleitungs-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/[X.]), den Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/[X.]), den [X.] (A-TV M/W/[X.]) bei Auszubildenden und den [X.] ([X.]) über die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts informiert. In einem dritten Schreiben vom 28. Oktober 2010 wurde sie erneut auf das Inkrafttreten der neuen Tarifverträge hingewiesen und ihr mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis werde „aus diesem Grund“ in das neue Tarifrecht übergeleitet. Seitdem wurden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewandt.

7

Mit Wirkung zum 1. November 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs auf die Beklagte, damals firmierend unter „[X.] B mb[X.]“, über.

8

Die Beklagte betrieb schon vor Übernahme des [X.]-Klinikums in [X.], in der [X.] 4, das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Am 28. März 2006 hatte sie mit der [X.] ([X.]) einen [X.]austarifvertrag ([X.]-[X.]TV) abgeschlossen.

9

Mit Schreiben vom 7. November 2013 informierte die Beklagte die Klägerin über den Betriebsübergang und teilte mit, bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht würden „die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen von [X.] durch den Tarifvertrag von [X.] abgelöst“. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 widersprach die Klägerin der Anwendung des [X.]-[X.]TV und beanspruchte auch für die [X.] nach dem 1. November 2013 die Anwendung der [X.]-Tarifverträge.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für den Monat November 2013 eine Nettovergütung i[X.]v. 1.756,57 Euro. Bei Anwendung der [X.]-Tarifverträge hätte der Klägerin ein Arbeitsentgelt i[X.]v. 1.789,25 Euro netto zugestanden. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt nach § 15 [X.]-[X.]TV 38 Stunden wöchentlich, nach den tariflichen Regelungen des [X.]-Konzerns lediglich 35 Stunden.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2014 forderte die Klägerin die Beklagte ua. zur Zahlung von [X.] auf.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis richte sich weiter nach den für den [X.]-Konzern geltenden Tarifverträgen. Das ergebe sich aus einer konkludenten Änderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel oder aus einer betrieblichen Übung, da seit dem [X.] die tarifvertraglichen Regelungen des [X.]-Konzerns auf ihr Arbeitsverhältnis angewandt worden seien.

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass der [X.] für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.] M[X.]F[X.]/W/[X.]),

        

der Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.] M[X.]F[X.]/W/[X.]),

        

der Überleitungs-Konzern-Tarifvertrag (Ü-TV [X.]) für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur,

        

der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.]/W/[X.]),

        

der Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische [X.]eil-, Fach- und [X.]ilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur ([X.])

        

seit dem 1. November 2013 Inhalt des zwischen ihr und der [X.] bestehenden Arbeitsverhältnisses sind.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit erfolgtem Betriebsübergang seien die für den [X.]-Konzern geltenden Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den [X.]-[X.]TV abgelöst worden. Die Norm erfasse nicht nur tarifgebundene Arbeitnehmer, sondern gelte auch für sog. Außenseiter. Überdies finde der [X.]-[X.]TV auch aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Bezugnahmeklausel sei eine sog. Tarifwechselklausel.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Die Tarifverträge des [X.]-Konzerns finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

I. Die Klage ist als sog. Elementenfeststellungsklage ([X.]. nur [X.] 1. Juli 2009 - 4 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 131, 176; 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 128, 165) zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (st. Rspr., zB [X.] 25. Januar 2017 - 4 [X.] - Rn. 16) besondere Feststellungsinteresse. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die - dynamische - Anwendbarkeit der im Antrag konkret bezeichneten Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien im Umfang des gestellten Antrags geklärt werden (zu diesem Erfordernis [X.] 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 21 mwN).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Tarifverträge des [X.]-Konzerns finden weder aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme noch aufgrund einer betrieblichen Übung oder konkludenten Vertragsänderung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] angenommen, die im Antrag genannten Tarifverträge des [X.]-Konzerns fänden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen [X.] Anwendung. Die Parteien haben arbeitsvertraglich vielmehr die tariflichen Regelungen des [X.]/[X.] [X.] in Bezug genommen. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen (zu den Maßstäben der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 134, 283).

a) In ihrer vertraglichen Vereinbarung vom 1. April 1991 haben die damaligen Arbeitsvertragsparteien den Tarifvertrag zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - ([X.]) in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen. Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom 1. bzw. 10. Juli 1991 finden für das Arbeitsverhältnis „die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der [X.] geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung“. Die Auslegung dieser - wie das [X.] zu Recht angemerkt hat - „außergewöhnlichen und grammatikalisch etwas verunglückten“ Vertragsklausel ergibt, dass die Arbeitsvertragsparteien die Regelungen des [X.] [X.] in Bezug genommen haben.

aa) Zwar sind in der Klausel die in Bezug genommenen Tarifverträge nicht ausdrücklich benannt. Aufgrund des typischerweise der Vereinbarung einer [X.] zugrunde liegenden Vereinheitlichungsinteresses des Arbeitgebers als Verwender der vorformulierten Vertragsbestimmungen ist die Verweisung in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte dahingehend zu verstehen, dass die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in Bezug genommen werden sollten. Dies war, da die Arbeitgeberin zum damaligen Zeitpunkt dem öffentlichen Dienst ([X.]) zugehörig war, der [X.]. Soweit nach der Vertragsklausel die für „den Angestellten“ jeweils geltenden Tarifverträge maßgebend sein sollen, ist dies lediglich als Abgrenzung zu den für die zum damaligen Zeitpunkt für die gewerblichen Arbeitnehmer geltenden abweichenden Tarifverträgen zu verstehen. Für das Verständnis als Bezugnahme auf den [X.] spricht weiter der enge zeitliche Zusammenhang mit der vertraglichen Inbezugnahme des [X.] in der Vereinbarung vom 1. April 1991. Dass die Arbeitsvertragsparteien mit der unklar gehaltenen Formulierung im nur wenige Monate später abgeschlossenen [X.] bzw. 10. Juli 1991 eine abweichende, inhaltsdynamische Abrede treffen wollten, ist der nachfolgenden Vereinbarung nicht hinreichend deutlich zu entnehmen.

bb) Die inhaltlich auf den [X.] gerichtete [X.] ist [X.] ausgestaltet. Zwar erscheint sie auf den ersten Blick unstimmig, da sie einerseits auf die „jeweils geltenden“ Tarifverträge, andererseits aber „in der [X.] geltenden Fassung“ verweist. Ein Widerspruch ist jedoch dann nicht zu sehen, wenn man die Klausel zwar [X.], aber nicht inhaltsdynamisch versteht. Die Parteien wollten ersichtlich - wenngleich sprachlich missglückt - eine dynamische Verweisung vereinbaren, die sich auf Tarifverträge bezog, die zum damaligen Zeitpunkt einschlägig waren. Dies konnten sie durch eine - im öffentlichen Dienst nahezu ausschließlich verwandte - sog. kleine dynamische [X.] erreichen, dh. die Verweisung auf den [X.] in seiner jeweils geltenden Fassung.

cc) Diesem Auslegungsergebnis entspricht schließlich auch die Vertragspraxis der Parteien. Diese kann jedenfalls dann zur Auslegung der Klausel herangezogen werden, wenn sie Rückschlüsse auf den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden [X.] der Parteien zulässt ([X.] 16. Juni 2010 - 4 [X.] Rn. 18; 15. März 2006 - 4 [X.] - Rn. 38 mwN). Das ist hier der Fall. Die [X.] der Beklagten haben den [X.] bis zu seiner Ablösung durch den [X.] im Jahr 2005 tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewandt und auch alle Tariferhöhungen an die Klägerin weitergegeben.

b) Die so verstandene [X.] verweist nach gebotener ergänzender Auslegung nunmehr auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der [X.] geltenden Fassung ([X.]/[X.]).

aa) Die [X.] erfasst ihrem Wortlaut nach nur den [X.] in seiner jeweils geltenden Fassung, nicht hingegen den diesen ersetzenden [X.]. Dieser ist keine jeweilige Fassung des [X.] (vgl. nur [X.] 18. April 2012 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 141, 150). Die [X.] ist nach entsprechender Auslegung [X.], nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, auch die „ersetzenden“ Tarifverträge sollten Anwendung finden (vgl. dazu zB [X.] 10. Juni 2009 - 4 [X.] - Rn. 38; 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 130, 286), fehlt. Die unbedingte dynamische Bezugnahme führt de[X.]alb ab dem 1. Oktober 2005 zu einer nachträglichen Lücke der vertraglichen Vereinbarung, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 27, 31 ff., [X.]E 138, 269; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 23, 31 ff., [X.]E 134, 283) zu schließen ist.

bb) Aus der [X.]en Ausgestaltung der Bezugnahme ergibt sich der Wille der damaligen Arbeitsvertragsparteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie dynamisch an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst der „[X.]“, also an die Bedingungen im Bereich der [X.] ([X.]) anzupassen. Durch die weitestgehende Ersetzung des [X.] für den Bereich der Kommunen zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) vom 13. September 2005 (§ 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts [TVÜ-[X.]] vom 13. September 2005) hat die dynamische Entwicklung des [X.] und die zu seiner Ergänzung geschlossenen Tarifverträge ihr Ende gefunden. Die mit der Ersetzung des [X.] entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Danach tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Das ist hier der [X.]/[X.]. Entsprechend wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch im Jahr 2005 übergeleitet und der [X.] bis zum [X.] weiterhin zur Anwendung gebracht.

c) Da die Parteien danach mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das Tarifwerk des [X.] in § 3 des Arbeitsvertrags vom 1. bzw. 10. Juli 1991 die Regelung der Arbeitsbedingungen für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Bereich der [X.] anvertraut haben, erfasst die [X.] nicht die Haustarifverträge des (jeweiligen) privaten Arbeitgebers und damit auch nicht - wie von der Klägerin geltend gemacht - die Tarifverträge des [X.]-Konzerns. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden (vgl. auch [X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] - Rn. 19; 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 15).

2. Das [X.] hat hingegen rechtsfehlerhaft angenommen, die im Klageantrag genannten Tarifverträge seien aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine auf die Anwendung eines Tarifvertrags gerichtete betriebliche Übung neben einer auf einen anderen Tarifvertrag verweisenden arbeitsvertraglichen [X.] überhaupt entstehen kann. Im Streitfall fehlt es bereits an Anhaltspunkten für die Annahme, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bei der Anwendung der [X.]-Tarifverträge mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Tarifverträge zwar im Grundsatz im Wege einer betrieblichen Übung in Bezug genommen werden (zB [X.] 9. Mai 2007 - 4 [X.] 275/06 - Rn. 26 mwN; 19. Januar 1999 - 1 [X.] 606/98 - zu [X.]). Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden ([X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 19; 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - Rn. 59). Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen ([X.]. nur [X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 20; 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - Rn. 60 mwN). Dabei ist für die Entstehung eines Anspruchs entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte ([X.] 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - aaO; 17. März 2010 - 5 [X.] 317/09 - Rn. 20, [X.]E 133, 337). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat ([X.] 23. März 2011 - 4 [X.] 268/09 - aaO; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - Rn. 43 mwN).

b) Eine betriebliche Übung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer - möglichen - Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war ([X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - Rn. 62; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - Rn. 43; 24. November 2004 - 10 [X.] 202/04 - zu [X.] (3) der Gründe, [X.]E 113, 29). Eine betriebliche Übung entsteht auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte ([X.] 16. Juni 2004 - 4 [X.] 417/03 - zu [X.] (1) der Gründe; 16. Oktober 2002 - 4 [X.] 467/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 141). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen, und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden ([X.] 10. Dezember 2013 - 3 [X.] 832/11 - aaO; 18. April 2007 - 4 [X.] 653/05 - aaO mwN).

c) In Anwendung dieser Maßstäbe hat das [X.] die Entstehung einer betrieblichen Übung zu Unrecht angenommen.

aa) Die Beurteilung, ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen die Annahme einer betrieblichen Übung rechtfertigen oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur [X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] 990/13 - Rn. 18 mwN; grundlegend 28. Juni 2006 - 10 [X.] 385/05 - Rn. 39 mwN, [X.]E 118, 360).

bb) Im Streitfall fehlt es schon an Anhaltspunkten im Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, aufgrund derer die Klägerin davon ausgehen konnte, die Tarifverträge des [X.]-Konzerns und die daraus resultierenden Leistungen sollten ihr unabhängig von einer - vermeintlichen - Rechtspflicht auf Dauer gewährt werden. Zwar wandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Tarifverträge ab August 2010 an, sie ging aber ausweislich ihrer Schreiben vom 20. August 2010 sowie von Oktober 2010 davon aus, dass sie aufgrund der Einbeziehung des [X.] in den Geltungsbereich der [X.] „[X.]“ zu deren Anwendung verpflichtet sei. Das wird insbesondere aus ihren Mitteilungen über das Inkrafttreten der neuen Tarifverträge deutlich, in denen sie weiter ausführt, dass „aus diesem Grund“ die „Überleitung“ des Arbeitsverhältnisses „in dieses neue Tarifrecht“ erforderlich sei. Soweit sie diese Schreiben auch an nicht tarifgebundene Arbeitnehmer versandt hat, ging sie ersichtlich - wenn auch irrtümlich - davon aus, die Anwendbarkeit der [X.]-Tarifverträge ergäbe sich aus einer entsprechenden arbeitsvertraglichen [X.]. Anhaltspunkte dafür, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die [X.]-Tarifverträge ohne jegliche Rechtspflicht auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer anwenden wollen, sind - auch aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers - nicht erkennbar und von der Klägerin nicht dargelegt worden.

3. Die Entscheidung des [X.]s erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Durch die - von der Klägerin unwidersprochen gebliebene - Anwendung der [X.]-Tarifverträge durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist es nicht zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen. Aus den vorgenannten Gründen kann deren Verhalten schon nicht als Angebot auf Änderung der arbeitsvertraglichen [X.] verstanden werden. Ob in der schlichten Weiterarbeit der Klägerin eine Annahmeerklärung zu sehen wäre, welche insbesondere zur Abänderung der schriftlich vereinbarten [X.] geführt hätte (vgl. dazu [X.] 1. August 2001 - 4 [X.] 129/00 - Rn. 45 ff., [X.]E 98, 293), bedarf im Streitfall de[X.]alb keiner Entscheidung.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Kiefer    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 444/17

11.07.2018

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 23. April 2015, Az: 4 Ca 1221/14, Urteil

§ 611 BGB, TVöD, BAT-O, TVÜ-VKA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 444/17 (REWIS RS 2018, 6177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6177

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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