Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2014, Az. IX ZR 87/14

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 405

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Gegenstand

Insolvenz des Vermieters: Fortbestehen des Mietverhältnisses mit Wirkung für die Insolvenzmasse


Leitsatz

In der Insolvenz des Vermieters besteht das Mietverhältnis nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn es in Vollzug gesetzt war, der Mieter aber den Besitz an der Wohnung bei Insolvenzeröffnung wieder aufgegeben hatte (Ergänzung zu BGH, 5. Juli 2007, IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der Zivilkammer 16 des [X.] vom 25. März 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. August 2013 wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass [X.] des Beklagten aus dem Mietverhältnis zwischen ihm und der [X.]              bezüglich der in [X.]                                 gelegenen Wohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben, die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte mietete am 19. September 1978 eine Wohnung im Haus              in H.    . Die H.                             (künftig: Schuldnerin) erwarb das Grundstück in der Absicht, das Miethaus umfangreich zu sanieren. Da die Wohnungen in dem Objekt während der geplanten Baumaßnahmen nicht mehr bewohnbar waren, schlossen die Schuldnerin und der Beklagte am 20. Oktober 2010 eine Sanierungsvereinbarung. Danach sollte der Beklagte während der Sanierungsarbeiten in eine von der Schuldnerin angemietete Ersatzwohnung umziehen und nach Abschluss der Sanierung wieder in seine alte Mietwohnung zurückkehren. Gemäß der Vereinbarung zog der Beklagte in die Ersatzwohnung um. Die Sanierungsarbeiten wurden nicht zu Ende geführt.

2

Auf Antrag der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser lehnte gegenüber dem Beklagten die Erfüllung des [X.] gemäß § 103 [X.] ab und kündigte den Mietvertrag, weil es ihm infolge der zum Stillstand gekommenen Sanierungsarbeiten nicht möglich sei, dem Beklagten den [X.] zu gewähren. Der Beklagte trat dem entgegen und bestand auf der Einhaltung von Miet- und Sanierungsvertrag.

3

Der Kläger hat deswegen den Beklagten auf Feststellung verklagt, dass das Mietverhältnis erloschen sei, hilfsweise auf Feststellung, dass die [X.] gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien und weiter hilfsweise, dass das Mietverhältnis am 28. Februar 2013 geendet habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ersten Hilfsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist begründet.

I.

5

Das Berufungsgericht hat - soweit noch von Belang - ausgeführt, der Antrag auf Feststellung, dass [X.] des [X.]n aus dem Mietverhältnis gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien, bleibe ohne Erfolg. Denn im vorliegenden Fall sei nicht § 103 [X.], sondern § 108 [X.] anzuwenden, auch wenn § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 5. Juli 2007 - [X.], [X.], 116 Rn. 13 ff) einschränkend dahin auszulegen sei, dass diese Regelung nur gelte, wenn das Mietverhältnis im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sei. Dies sei aber der Fall, weil der [X.] bei ungekündigtem Mietvertrag bereits seit September 1978 in der Wohnung gewohnt habe. Unerheblich sei, dass er übergangsweise in eine Ersatzwohnung gezogen sei; dadurch habe er zwar seinen unmittelbaren Besitz verloren, er sei aber weiterhin als mittelbarer Besitzer anzusehen, weil die Sanierungsvereinbarung ihm als Besitzmittlungsverhältnis weiterhin den Besitz vermittele.

6

Auch wenn der [X.] nicht mittelbarer Besitzer der Wohnung geblieben wäre, gälte nichts anderes. Denn der Sachverhalt, den der [X.] entschieden habe, sei mit dem streitgegenständlichen nicht vergleichbar. Vorliegend sei das Mietobjekt vorhanden, selbst wenn sich die Wohnung derzeit in einem [X.] befinde. Der Kläger habe die Wahl, die Wohnung entweder fertigzustellen oder sie im [X.] zu veräußern. Der [X.] sei überdies besonders schutzbedürftig, weil er in dem Mietobjekt 32 Jahre gewohnt habe.

II.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung nicht gemäß § 108 [X.] mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Kläger hat die Erfüllung des [X.] in Ausübung seines Wahlrechts nach § 103 Abs. 1 [X.] durch Schreiben vom 4. Mai 2012 wirksam abgelehnt.

8

1. Zwischen der Schuldnerin und dem [X.]n bestand ein Mietverhältnis über Wohnraum, dessen Abwicklung sich nach den §§ 103 ff [X.] richtet.

9

a) Der [X.] und sein damaliger Vermieter haben einen Wohnraummietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen. In die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist die Schuldnerin mit dem Erwerb der Wohnung anstelle des ursprünglichen Vermieters nach § 566 Abs. 1 [X.] eingetreten. Das zwischen der Schuldnerin und dem [X.]n bestehende Mietverhältnis ist nicht durch den vor der Insolvenzeröffnung geschlossenen Sanierungsvertrag beendet worden. Mit dieser Vereinbarung haben die Schuldnerin und der [X.] das bestehende Mietverhältnis nur geändert. Der [X.] war danach verpflichtet, für die Dauer der Sanierungsmaßnahmen aus der Wohnung auszuziehen; erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen sollte er wieder in die Wohnung einziehen dürfen und hätte die Schuldnerin ihm die Wohnung wieder zum Gebrauch überlassen müssen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Mietverhältnis unberührt gelassen; seine Abwicklung richtet sich aber nach den Regeln des Insolvenzrechts (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

b) Für Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume (fortan nur: Mietverhältnisse) gilt in der Insolvenz einer Vertragspartei grundsätzlich § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.], der § 103 Abs. 1 [X.] verdrängt, soweit er anwendbar ist ([X.], Urteil vom 5. Juli 2007 - [X.], [X.], 116 Rn. 9). Ansprüche aus einem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die [X.] nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]). Ansprüche für die [X.] vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 108 Abs. 3 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 3. April 2003 - [X.], [X.], 373).

Insbesondere kann der Mieter auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache verlangen. Denn der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache (§ 535 Abs. 1 Satz 2 [X.]) begründet unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, keine Insolvenzforderung (§ 108 Abs. 3 [X.]), sondern eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Mit der Fortdauer des Mietverhältnisses besteht nämlich die [X.] nach Verfahrenseröffnung weiter und ist vertragliche Gegenleistung des vom Mieter an die Masse weiter gezahlten Mietzinses ([X.], Urteil vom 3. April 2003, aaO mwN).

2. Doch findet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend § 108 Abs. 1 [X.] keine Anwendung, so dass § 103 [X.] nicht verdrängt ist und der Kläger die Erfüllung des [X.] wirksam ablehnen konnte.

a) Der [X.] war nach Auszug aus der zu sanierenden Wohnung nicht deren unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer.

aa) Durch das Verlassen der Wohnung hat der [X.] freiwillig und willentlich die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung aufgegeben, die Wohnung zur Sanierung an die Schuldnerin übergeben und so den unmittelbaren Besitz an ihr nach § 856 Abs. 1 [X.] verloren (vgl. [X.]/[X.], 6. Aufl., § 856 Rn. 2, 7). An der Freiwilligkeit ändert sich nicht dadurch etwas, dass die Schuldnerin von ihm möglicherweise nach § 554 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] in der zur [X.] der Sanierungsvereinbarung geltenden Fassung vom 2. Januar 2002 die vorübergehende Räumung der Mietwohnung im Rahmen der Pflicht, Baumaßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Mietsache zu dulden, hätte verlangen können. Eine solche Verpflichtung wird in Ausnahmefällen angenommen, etwa wenn Erhaltungsmaßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können und sichergestellt ist, dass die Baumaßnahme tatsächlich durchgeführt wird und die Finanzierung geregelt ist ([X.], [X.] 1965, 85 f; vgl. [X.]/[X.], [X.], 2014, § 555a Rn. 9; [X.], Mietrecht 11. Aufl., § 555a Rn. 34). Abgelehnt wurde sie etwa bei einer Sanierungsmaßnahme zur Modernisierung eines Gebäudes, die sich über 14 Monate hinziehen sollte ([X.], [X.], 96). Ob der [X.] nach dieser Rechtsprechung tatsächlich aus seiner Wohnung hätte ausziehen müssen, ist nicht festgestellt, Vortrag hierzu fehlt. Darauf kommt es auch nicht an. Mit der Sanierungsvereinbarung, in der die Schuldnerin dem [X.]n weitgehende finanzielle und sonstige Zugeständnisse gemacht hat, damit dieser durch seinen Auszug die beabsichtigte Komplettsanierung ermöglichte, wollten die Vertragsparteien ohne Hinzuziehung von Gerichten das Problem unter Abwägung der beiderseitigen gegenseitigen Interessen einvernehmlich, damit aber auch freiwillig, lösen.

[X.] in der Ausübung der Gewalt nach § 856 Abs. 2 [X.] ist nicht gegeben, weil der [X.] nach den Vereinbarungen des [X.] während der Dauer der Sanierung keine Möglichkeit der Gewaltausübung mehr hatte (vgl. [X.]/[X.], aaO § 856 Rn. 14). Unmittelbare Besitzerin der Wohnung war vielmehr mit der Wohnungsübergabe die Schuldnerin und nach der Insolvenzeröffnung der Kläger (§ 148 Abs. 1 [X.]).

bb) Der [X.] ist nach seinem Auszug auch nicht nach § 868 [X.] mittelbarer Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung geworden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vermittelte der Sanierungsvertrag dem [X.]n nicht den mittelbaren Besitz. Denn die Schuldnerin hat als unmittelbare Besitzerin gegenüber dem [X.]n den Besitz nicht in Anerkennung eines [X.] ausgeübt ([X.]/[X.], 6. Aufl., § 868 Rn. 8). Aus dem Sanierungsvertrag ergibt sich an keiner Stelle, dass sie die Wohnung für die Dauer der Sanierung für den [X.]n besitzen sollte. Sie war auch nicht diesem gegenüber aufgrund des [X.] zeitweise zum Besitz berechtigt. Vielmehr ergab sich ihr Recht zum Besitz allein aus ihrer Stellung als Eigentümerin (§ 872 [X.]). Mithin war dem [X.]n die Wohnung im [X.]punkt der Insolvenzeröffnung nicht - wie nach dem Mietverhältnis im Grundsatz geschuldet - überlassen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 22. Oktober 1975 - [X.], [X.]Z 65, 137, 139; vom 1. Februar 1989 - [X.], [X.], 375, 376; [X.], [X.] 1989, 665 f).

b) Da der [X.] zum [X.]punkt der Insolvenzeröffnung mithin nicht Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung war, greift § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht ein. Denn diese Regelung ist einschränkend dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich nur zur Anwendung kommt, wenn das Mietverhältnis im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend den mietvertraglichen Vereinbarungen in Vollzug gesetzt worden war und weiterhin vollzogen wurde.

aa) Das Berufungsgericht hat im Ansatz richtig erkannt, dass die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] auf Fälle nicht anwendbar ist, in denen die Mietsache im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters dem Mieter noch nicht überlassen war ([X.], Urteil vom 5. Juli 2007 - [X.], [X.], 116 Rn. 13 ff). Denn eine wortgetreue Anwendung dieser Regelung würde den Mieter eines in Insolvenz geratenen Vermieters in unangemessener Weise vor anderen Gläubigern bevorzugen. Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 103 ff, 108 ff [X.] gebieten eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 108 Abs. 1 [X.] in der Insolvenz des Vermieters auf Mietverhältnisse, die im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sind ([X.], aaO Rn. 18).

Diese Einschränkung hat schon der Gesetzgeber der Konkursordnung vorgenommen, indem er nicht in Vollzug gesetzte Mietverträge ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 21 KO ausgenommen hat, weil man nicht von einem konkursfesten "verdinglichten" Rechtsverhältnis sprechen könne, bevor die Mietsache übergeben sei. Der Anspruch auf Überlassung der Mietsache sei vielmehr rein obligatorisch. Die Nichterfüllung eines noch nicht begonnenen [X.] benachteilige den Mieter auch nicht in dem Maße wie die fristlose Beendigung eines in Vollzug gesetzten Mietverhältnisses. Es bleibe bei dem allgemeinen Wahlrecht des Konkursverwalters, so dass der Konkursverwalter prüfen könne, ob die Durchführung des Vertrages im Interesse der Masse liege; wähle er Erfüllung, müssten beide Parteien den Vertrag vollständig und bis zum Ende erfüllen (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 4, [X.] f; [X.], Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 19 f).

Insbesondere dann, wenn die Masse aus § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet wäre, eigens für einen bestimmten Mieter einen Mietgegenstand herzustellen, träfen sie besondere Belastungen. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten würden in einem solchen Fall weder vorab noch bei Übergabe des Gebäudes an den Mieter ausgeglichen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgt der Ausgleich durch Mietzahlungen über einen längeren [X.]raum hinweg. Demgegenüber müsste der Verwalter bei Anwendung des § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] zunächst die Herstellungskosten aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investitionen während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des [X.] auszahlten. Das Insolvenzverfahren ist jedoch auf eine zügige Abwicklung angelegt. Kann das schuldnerische Unternehmen nicht saniert werden, ist das Schuldnervermögen zu verwerten und der Erlös nach Abzug der Kosten unter die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 1 Satz 1 [X.]). Dem widerspricht es, die Masse zu Vorleistungen zu verpflichten, die sich erst nach zehn oder mehr Jahren auszahlen ([X.], Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 22; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Oktober 2011 - [X.], [X.], 2262 Rn. 6).

In vielen Fällen würde die Durchführung des [X.] schlicht daran scheitern, dass der Verwalter die zur Anschaffung oder Errichtung der Mietsache erforderlichen Kosten weder aus der Masse aufbringen noch anderweitig finanzieren kann. Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung wären ebenfalls Masseverbindlichkeiten. Das Insolvenzverfahren müsste folglich gemäß §§ 208 ff, 211 [X.] nach (anteiliger) Befriedigung der [X.] zum Nachteil der Insolvenzgläubiger wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt werden. Mit der vom Gesetzgeber der [X.] angestrebten höheren Verteilungsgerechtigkeit wäre diese unverhältnismäßige Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers nicht zu vereinbaren ([X.], Urteil vom 5. Juli 2007, aaO Rn. 23).

bb) Diese Erwägungen treffen auch auf vorliegenden Fall zu (aA MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 108 Rn. 12b; vgl. auch [X.]/[X.], KO, 9. Aufl., § 19 Rn. 43; [X.]/[X.], [X.], § 108 Rn. 110 f). Er ist einerseits dadurch gekennzeichnet, dass der Mietvertrag zwar jahrelang vor Stellung des Insolvenzantrags in Vollzug gesetzt war, andererseits aber auch dadurch, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung - und damit auch seine insolvenzfeste, "verdinglichte" Rechtsposition - vor Stellung des Insolvenzantrags aufgegeben hat, um dem Vermieter die umfassende Sanierung zu ermöglichen, diese Sanierung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters jedoch zum Erliegen gekommen ist. Denn die streitgegenständliche Wohnung befand sich bei Insolvenzeröffnung in einem [X.]. Der Kläger müsste also zunächst die über die mietvertragstypischen Instandhaltungskosten (vgl. [X.], Urteil vom 3. April 2003 - [X.], [X.], 373) hinausgehenden Sanierungskosten (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 108 Rn. 110; [X.], [X.] 2008, 155, 156) aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investition während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des [X.] auszahlt. Dies aber widerspricht, wie bereits ausgeführt wurde, dem Sinn des Insolvenzverfahrens.

Der Kläger hat in Abrede gestellt, die zur Herstellung der Mietsache erforderlichen Kosten aus der Masse aufbringen oder anderweitig finanzieren zu können. Die Ansprüche des [X.]n auf Schadensersatz wegen Nichtüberlassung der streitgegenständlichen Wohnung und auf Zahlung der im Sanierungsvertrag vereinbarten Vertragsstrafe wären bei Anwendung von § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] Masseverbindlichkeiten, die zur Unzulänglichkeit der Masse führen könnten. Übermäßige Belastungen zu Gunsten eines einzelnen Gläubigers von der Masse fernzuhalten, war gerade der Grund für die vom [X.] vorgenommene teleologische Reduktion (vgl. [X.] in Festschrift [X.], 2008, [X.], 344 f).

Das Interesse des [X.]n an der Mietsache beschränkt sich darauf, dass sein mit der Schuldnerin geschlossener Sanierungsvertrag durchgeführt wird. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zu anderen gegenseitigen Verträgen, die dem Wahlrecht des Verwalters nach § 103 Abs. 1 [X.] unterfallen. Erst dann, wenn der Mieter die Mietsache in Gebrauch hat, ist ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bis zum Ende der vereinbarten Mietzeit oder auf die Einhaltung vertraglicher Kündigungsfristen anzuerkennen (vgl. [X.], aaO S. 345).

3. Nach diesen Erwägungen ist der nicht besitzende Mieter in der Insolvenz des Vermieters weniger geschützt als der besitzende Mieter. Dies ist auch bei der Wohnraummiete nicht unbillig; denn nur für den besitzenden Mieter bildet die Wohnung den Mittelpunkt seiner privaten Existenz ([X.] 134, 242 Rn. 270; vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 289 Rn. 14). Diese Wertung liegt auch den Regelungen über den Schutz der Mieter einer Wohnung in §§ 549 ff [X.] zugrunde.

a) Nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 [X.] tritt der Erwerber anstelle des Vermieters nur dann in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen [X.] veräußert wird, also das Eigentum auf den Erwerber übergeht (vgl. [X.]/[X.], 6. Aufl., § 566 Rn. 12). Der Erwerber tritt danach nicht in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn die Wohnung zwar bereits vermietet, aber zum [X.]punkt des [X.] noch nicht an den Mieter überlassen worden ist, worunter regelmäßig die [X.] an den Mieter zu verstehen ist ([X.]/[X.], aaO Rn. 14; vgl. aber auch [X.], Urteil vom 1. Februar 1989 - [X.], [X.], 375, 376; [X.], [X.] 1989, 665). Entsprechendes hat die Rechtsprechung über den Wortlaut der Regelung hinaus nach dem Zweck der Vorschrift des § 566 [X.] angenommen, wenn der Mieter trotz [X.] des Mietverhältnisses schon vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber aus der Mietwohnung ausgezogen ist. Der in § 566 [X.] geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, dem die Wohnung aufgrund wirksamen [X.] überlassen worden ist. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung als berechtigter Besitzer soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Das Erfordernis der Überlassung der Wohnung an den Mieter erfüllt ferner eine Publizitätsfunktion, denn der Erwerber kann in der Regel bereits aus der Besitzlage ablesen, in welche Mietverhältnisse er eintreten muss. Nach seinem Wortlaut und Zweck setzt § 566 [X.] deshalb grundsätzlich voraus, dass im [X.]punkt des [X.] ein wirksames Mietverhältnis besteht und sich der Mieter noch im Besitz der Wohnung befindet ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2009 - [X.], NJW 2010, 1068 Rn. 21). Die aus dem Normzweck des § 566 [X.] abgeleitete Begrenzung seines Schutzbereichs wirkt nicht nur, wenn ein Mieter im [X.]punkt der Veräußerung bei bestehendem Mietverhältnis aus dem Mietobjekt vorzeitig ausgezogen war ([X.], Urteil vom 4. April 2007 - [X.], [X.], 1818 Rn. 8, 10), sondern auch dann, wenn der Mieter infolge vorgetäuschten Eigenbedarfs ausgezogen war und der Mietvertrag wegen der Täuschung nicht rechtswirksam beendet wurde (vgl. [X.], Urteil vom 16. Dezember 2009, aaO).

b) Die nach dem ausgeübten Besitz vorgenommene Unterscheidung findet ihre innere Berechtigung in der Verfassung. Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen und deshalb ebenso grundgesetzlich geschützt wie die Eigentumsposition des Vermieters. Dieser grundrechtliche Schutz setzt aber voraus, dass der Mieter Besitzer der gemieteten Wohnung ist, dass das Mietverhältnis mithin in Vollzug gesetzt ist (vgl. [X.] 89, 1, 5 ff; [X.], [X.], 2658, 2659; [X.], 355, 356 f; [X.] 134, 242 Rn. 270; [X.], Urteil vom 28. Januar 2009, aaO; vom 8. Juni 2011 - [X.], [X.], 2144 Rn. 11; vgl. [X.]/[X.]/Papier, GG, 2014, Art. 14 Rn. 202; [X.], aaO).

4. Der [X.] kann die Überlassung der streitgegenständlichen Wohnung nicht erreichen. Denn nach seinem in der Revisionsinstanz entgegen § 559 Abs. 1 ZPO gehaltenen Tatsachenvortrag hat der Kläger die Wohnung zwischenzeitlich veräußert. Da § 566 Abs. 1 [X.] zu seinen Gunsten nicht zur Anwendung kommt, weil er zum [X.]punkt der Veräußerung nicht Besitzer der Wohnung war, kann er seinen Anspruch auf Übergabe der Mietwohnung gegenüber dem Erwerber nicht durchsetzen. Aber auch wenn der Kläger die sich im [X.] befindliche Wohnung nicht veräußert hat, kann der [X.] sie nicht beziehen, weil sie nicht bewohnbar ist. In beiden Fällen blieben dem [X.]n - sollte § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Anwendung kommen - gegen die Masse nur Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüche. Eine Bevorzugung des [X.]n gegenüber den [X.] wegen solcher Ansprüche widerspricht aber den sich aus §§ 103 ff [X.] ergebenden Wertungen des Gesetzgebers.

5. Auch ein etwaiger Rechtsmissbrauch durch einen Vermieter, der unter Einsatz einer finanziell nicht ausreichend ausgestatteten juristischen Person die "Entmietung" eines Hauses betreibt, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung des § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Ein Mieter muss nur in Ausnahmefällen seine Wohnung vorübergehend verlassen, um die Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten zu dulden, und das auch nur, wenn der Vermieter seine ernsthaften Sanierungsabsichten und die Finanzierbarkeit der Baumaßnahme beweist. Soweit es dennoch in Einzelfällen zu einem Rechtsmissbrauch kommen sollte, haften die handelnden Personen dem Mieter deliktisch, etwa nach § 826 [X.].

III.

Das angefochtene Urteil kann deshalb nicht bestehen bleiben. Da das Berufungsgericht den Sachverhalt rechtsfehlerfrei festgestellt hat und das festgestellte Sachverhältnis, ohne dass es hierzu weiteren Vortrags und weiterer Feststellungen bedürfte, eine Entscheidung über den in der Berufungsinstanz gestellten Feststellungsantrag ermöglicht, kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die angefochtenen Entscheidungen waren insoweit abzuändern, als die Klage auch in Bezug auf den ersten Hilfsantrag abgewiesen worden ist.

Kayser                      [X.]                         Pape

               Grupp                          [X.]

Meta

IX ZR 87/14

11.12.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hamburg, 25. März 2014, Az: 316 S 97/13

§ 103 Abs 1 InsO, § 108 Abs 1 S 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2014, Az. IX ZR 87/14 (REWIS RS 2014, 405)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 627 REWIS RS 2014, 405

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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