Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.05.2012, Az. 7 AZN 423/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 6448

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Gegenstand

Berufung zum ehrenamtlichen Richter - keine Überprüfung von Verfahrensmängeln durch das Revisionsgericht


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 15. November 2011 - 4 [X.] - wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das [X.] wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG zuzulassen, wenn ein Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dieser Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt einen absoluten Revisionsgrund dar mit der Folge, dass die Kausalität der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird. In einem solchen Fall ist das [X.]erufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

3

2. Die Voraussetzungen eines absoluten Revisionsgrundes sind nicht erfüllt. Das [X.]erufungsgericht war bei der anzufechtenden Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt iSd. § 547 Nr. 1 ZPO. Es hat in der von § 35 Abs. 2 ArbGG vorgeschriebenen [X.]esetzung mit einem Vorsitzenden und [X.] aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber mündlich verhandelt und entschieden. Die [X.]estellung des [X.]s R zum Mitglied des Magistrats der Stadt [X.] und dessen Ernennung zum [X.]eamten auf Zeit hat zwar möglicherweise zur Folge, dass er die Voraussetzungen zur [X.]erufung als [X.] aus den Kreisen der Arbeitnehmer nicht mehr erfüllt und daher nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auf entsprechenden Antrag von seinem Amt entbunden werden müsste. Da [X.] aber im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung von den Amtspflichten weder entbunden noch eine Anordnung nach § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG getroffen war, verstößt seine Mitwirkung daran nicht gegen die Vorschriften über die ordnungsgemäße [X.]esetzung des Gerichts.

4

a) Fällt eine Voraussetzung für die [X.]erufung eines [X.]s beim [X.] nachträglich fort, so ist dieser nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auf Antrag der nach § 20 Abs. 1 ArbGG zuständigen Stelle oder auf eigenen Antrag von seinem Amt zu entbinden. Nach § 21 Abs. 5 Satz 2 ArbGG entscheidet die vom [X.] bestimmte Kammer des [X.]s über die Entbindung. Eine Entscheidung von Amts wegen ist nicht zulässig. Die zuständige Kammer kann lediglich gemäß § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG anordnen, dass [X.] nach Einleitung des [X.] bis zu der Entscheidung über die Entbindung vom Amt nicht heranzuziehen ist. Diese Anordnung setzt keinen besonderen Antrag voraus. Sie kann vom Gericht von Amts wegen getroffen werden (GMP/Prütting 7. Aufl. § 21 Rn. 34).

5

Durch die Verfahrensregelung über die Amtsentbindung macht das Gesetz deutlich, dass ein [X.] bis zu einer nach § 21 Abs. 5 ArbGG ergangenen Entscheidung im Amt bleibt und deshalb wirksam an Entscheidungen mitwirken kann (GMP/Prütting § 21 Rn. 30). Aus § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 ArbGG ergibt sich, dass das Revisionsgericht nicht prüft, ob bei der [X.]erufung [X.] Verfahrensmängel unterlaufen sind oder Umstände vorgelegen haben, die die [X.]erufung eines [X.]s von seinem Amt ausschließen. Ist [X.] formell berufen, so kommt es nicht darauf an, ob er hätte berufen werden dürfen. Es kann ebenso wenig vom Revisionsgericht geprüft werden, ob [X.] ua. nach § 21 Abs. 5 ArbGG von seinem Amt hätte entbunden werden müssen. Verliert ein [X.] die Eigenschaft als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer und wirkt er gleichwohl an einer Entscheidung des Arbeitsgerichts oder des [X.]s mit, kann dies nicht mit einem Rechtsmittel gerügt werden, solange er nicht von seinem Amt entbunden ist (vgl. GMP/Germelmann § 65 Rn. 12 und GMP/Müller-Glöge § 73 Rn. 35).

6

b) Danach liegt der absolute Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen [X.]esetzung des Gerichts nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob - wofür vieles spricht - die Voraussetzungen für die [X.]erufung des Herrn R zum [X.] durch einen Wechsel in das [X.]eamtenverhältnis gem. § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 1, § 5 Abs. 2 ArbGG entfallen sind. Dann jedenfalls war er zum Zeitpunkt der anzufechtenden Entscheidung am 15. November 2011 weder von seinem Amt nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG entbunden noch eine Entscheidung nach § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG getroffen.

7

II. Der Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) zurückzuweisen.

8

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Zwanziger    

        

    [X.]    

        

        

        

    Spie    

        

    Schuh    

                 

Meta

7 AZN 423/12

15.05.2012

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 24. Februar 2011, Az: 1 Ca 1296/10, Urteil

§ 547 Nr 1 ZPO, § 35 Abs 2 ArbGG, § 21 Abs 5 S 1 ArbGG, § 73 Abs 2 ArbGG, § 65 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.05.2012, Az. 7 AZN 423/12 (REWIS RS 2012, 6448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6448

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