Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2000, Az. VI ZR 268/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 942

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[X.] DES VOLKESURTEILVI ZR 268/99Verkündet am:10. Oktober 2000Holmes,[X.] [X.]:ja[X.]Z:[X.]: ja[X.] § 3 Abs. 2aZu den Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Kraftfahrers gegen-über einem achtjährigen Kind, das sich als Radfahrer auf dem Gehwegneben der Fahrbahn befindet.[X.], Urteil vom 10. Oktober 2000 - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] Lepa, [X.], [X.], [X.] und Wellnerfür Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.] [X.] vom 20. Juli 1999 imKostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil ent-schieden worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der am 25. August 1984 geborene Kläger nimmt die [X.] [X.] wegen eines Unfalls an seinem 8. Geburtstag gegen 17 Uhr inD. auf der [X.] in Anspruch. Der Geschäftsführer der [X.] zu [X.] an diesem Tag mit dem bei der [X.] zu 2 haftpflichtversicherten Pkwder [X.] zu 1 die [X.]. Auf dem aus seiner Fahrtrichtung rechts ver-laufenden Bürgersteig befand sich der Kläger mit seinem Fahrrad. Der [X.] -wurde von dem Pkw erfaßt und schwer verletzt. Der Hergang des Unfalls istzwischen den Parteien streitig.Mit seiner Klage begehrt der Kläger Ersatz seines materiellen und im-materiellen Schadens. Das [X.] hat ein hälftiges Mitverschulden [X.] an dem Unfall zugrunde gelegt und der Klage unter Abweisung im [X.] zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungs-gericht unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel beider Parteiendas Mitverschulden des [X.] mit 25 % bemessen und die [X.] [X.] Grundlage als Gesamtschuldner zum Ersatz des materiellen Schadens,die Beklagte zu 2) auch zum Ersatz des immateriellen Schadens verurteilt undentsprechend die Verpflichtung beider Beklagter zum Ersatz künftig entstehen-der Schäden festgestellt. Mit der Revision verfolgen die [X.] ihr Begeh-ren auf Abweisung der Klage in vollem Umfang weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hält die [X.] für verpflichtet, dem [X.] % seines durch den Unfall verursachten materiellen Schadens zu ersetzen.Die Beklagte zu 2 habe darüber hinaus unter Berücksichtigung eines Mitver-schuldens des [X.] von 25 % ein Schmerzensgeld von 37.500 DM nebstZinsen zu bezahlen (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB; § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungs-gesetz).- 4 -Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Pkw der [X.]zu 1 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h gefahren, als es [X.] mit dem vom Bürgersteig auf die Fahrbahn der [X.] Kläger gekommen sei. Der Fahrer des Pkw habe den Kläger zwar vordem Unfall aus einer größeren Entfernung gesehen, seine [X.] dann auf den übrigen Verkehr gerichtet, ohne sich nochmals über [X.] des Kindes zu vergewissern, obwohl ihm das aufgrund [X.] ohne weiteres möglich gewesen wäre. Angesichts des Altersdes [X.] sei der Fahrer des Pkw jedoch nach § 3 Abs. 2 a [X.] verpflichtetgewesen, entweder den Kläger im Auge zu behalten oder aber seine Ge-schwindigkeit so zu verringern, daß er den Pkw im [X.] weit eherzum Stillstand hätte bringen können.I[X.] Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die [X.] tatsächlichen Feststellungen vermögen die Annahme des Berufungs-gerichts, der Fahrer des Fahrzeugs der [X.] habe gegen § 3 Abs. 2 a[X.] verstoßen, nicht zu tragen.1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschuldendes Pkw-Fahrers nicht schon darin, daß er mit einer Geschwindigkeit von50 km/h sich dem auf dem Gehweg mit dem Fahrrad fahrenden Kläger genä-hert hat, ohne seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern oder den Kläger gezieltim Auge zu behalten. Damit überspannt das Berufungsgericht die [X.]. Zwar stellt § 3 Abs. 2a [X.] an die Sorgfaltspflicht des Fahr-- 5 -zeugführers gegenüber Kindern erhöhte Anforderungen. Der erkennende Se-nat hat aber stets darauf hingewiesen, daß auch gegenüber Kindern die an [X.] zu stellenden Anforderungen nicht überspanntwerden dürfen, wenn nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung eine Gefähr-dung nicht zu erwarten ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 1997 - [X.] -NJW 1997, 2756, 2757 m.w.N.; vom 5. Mai 1992 - [X.] - [X.],890).Auch gegenüber Kindern gilt grundsätzlich der [X.], [X.] Berufungsgericht im Ansatzpunkt ohne Rechtsfehler erkennt. Der [X.] daher nur dann, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in [X.] sich befinden, Auffälligkeiten zeigen, die zu Gefährdungen führen könnten,von dem Kraftfahrer verlangt, daß er besondere Vorkehrungen (z.B. Verringe-rung der Fahrgeschwindigkeit, Einnehmen der Bremsbereitschaft) zur Abwen-dung der Gefahr trifft. So hatte in dem der Senatsentscheidung vom 5. [X.] (- [X.] - [X.], 890) zugrundeliegenden Fall ein fünfjähri-ges Kind sich von der Begleitung seiner Mutter auf dem Gehweg gelöst [X.] selbständig in Richtung Fahrbahn gelaufen. In einem weiteren, dem [X.] zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt war ein 7 3/4 Jahrealtes Kind zusammen mit seinem sechsjährigen Bruder auf Kinderfahrräderndem PKW der [X.] auf dem rechten Gehweg der [X.] nebeneinanderfahrend entgegengekommen; auffällig für den PKW-Fahrer war, daß die Kinderin eine unklare Verkehrslage fuhren, weil der Gehweg mit 1,85 m verhältnis-mäßig schmal war und die Kinder eine Bushaltestelle zu passieren hatten, ander ein Fahrgast nach dem Bus Ausschau hielt und deshalb unklar war, [X.] für die Kinder zum Vorbeifahren blieb (Senatsurteil vom 2. Juli 1985- VI ZR 22/84 - [X.], 1088, 1089). Schließlich hat der Senat eine den[X.] einschränkende Situation bejaht, wenn Kinder in [X.] 6 -Gruppe mit Fahrrädern auf dem Radweg in Richtung einer Furt an einer [X.] fuhren ohne erkennen zu lassen, daß sie rechtzeitig anhalten würden(Senatsurteil vom 1. Juli 1997 - [X.] - NJW 1997, 2756). Solche [X.], die die Annahme rechtfertigen würden, der Fahrer des [X.] habe nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des [X.] ver-trauen dürfen, hat das Berufungsgericht hier bislang nicht festgestellt. [X.] bei einem Kind im Alter des [X.], bei dem weder aus seinem Verhaltennoch aus der Situation, in der es sich befindet, Auffälligkeiten zu erkennensind, muß ein Kraftfahrer kein verkehrswidriges Verhalten in Betracht ziehen.Der Kläger war acht Jahre alt und altersgemäß entwickelt; er fuhr [X.] dem Fahrrad auf dem Gehweg. Irgend eine Besonderheit, die zu [X.] hätte führen können, ist bislang nicht ersichtlich. In einem solchen Fallbedeutet es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten des Kraftfahrers, ohneweitere Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung von ihm zu verlangen,vorsorglich die Geschwindigkeit zu verringern oder das Kind ständig im [X.] behalten.Falls das Berufungsgericht bei der hiernach erforderlichen weiterenSachprüfung erneut ein schuldhaftes Fehlverhalten des [X.] für [X.] erachten sollte, wird es zu berücksichtigen haben, daß sich aus demGutachten des Sachverständigen bisher nicht entnehmen läßt, der Fahrer [X.] eine rechtzeitige Reaktion den Unfall zeitlich und örtlich vermeiden [X.]. Dabei wird jedoch zu beachten sein, daß der für eine Haftung erforderli-che [X.] schon dann anzunehmen ist, wenn der Unfall beiordnungsgemäßer Fahrweise des PKW zu deutlich geringeren Schäden [X.] geführt hätte (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - [X.]/99 -NJW 2000, 3069 m.w.[X.] 7 -2. Zutreffend hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, daß die[X.] den Beweis der Unabwendbarkeit nach § 7 Abs. 2 StVG nicht ge-führt und daß sie deshalb für die von dem Unfallfahrzeug ausgehende Be-triebsgefahr einzustehen haben (§ 7 Abs. 1 StVG). Ein unabwendbares Ereig-nis liegt nur dann vor, wenn es auch bei äußerst möglicher Sorgfalt nicht hätteabgewendet werden können (vgl. [X.]Z 117, 337, 340). Die tatsächlichen Vor-aussetzungen dieses Haftungsausschlusses haben die [X.] nicht bewie-sen. Das Berufungsgericht hat im Anschluß an die Ausführungen des gerichtli-chen Sachverständigen festgestellt, es sei eine Geschwindigkeit des Pkw [X.] und 70 km/h wahrscheinlich. Kommt hiernach eine Überschreitungder zulässigen Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 [X.]) in Betracht, kann nichtdavon ausgegangen werden, daß der Fahrzeugführer jede nach den [X.] gebotene Sorgfalt beobachtet habe.[X.] das angefochtene Urteil auf eine schuldhafte Verursachung des [X.] durch den Geschäftsführer der [X.] zu 1 gestützt ist und diese Be-urteilung aus den dargelegten Gründen keinen Bestand haben kann, wird dasBerufungsgericht - gegebenenfalls nach weiterer Beweiserhebung - im Rahmender erneuten Sachprüfung die beiderseitigen Verursachungsanteile nach§§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG abzuwägen haben. Dabei wird zu beachten sein,daß die Abwägung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. Senats-urteil vom 13. Februar 1990 - [X.] - [X.], 535, 536) Œ entge-gen der Ansicht der Revision - nur in Ausnahmefällen dazu führen kann, eine- 8 -etwa allein verbleibende Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs hinter das [X.] des Kindes zurücktreten zu lassen.[X.] [X.][X.] Dr. GreinerWellner

Meta

VI ZR 268/99

10.10.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2000, Az. VI ZR 268/99 (REWIS RS 2000, 942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 942

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