Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2018, Az. 1 StR 444/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 233

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) STRAFTATEN VERJÄHRUNG BETRUG SOZIALVERSICHERUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beginn der Verfolgungsverjährung beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


Tenor

Die Revision des Angeklagten S.            und die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2018 werden verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 64 Fällen und die nichtrevidierende Angeklagte darüber hinaus wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs verurteilt. Es hat die Angeklagten jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt.

2

Gegen dieses Urteil richtet sich zum einen die durch den Angeklagten eingelegte Revision, mit der er das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend macht und die allgemeine Sachrüge erhebt. Zum anderen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit zuungunsten beider Angeklagter eingelegten Revisionen, die vom [X.] nicht vertreten werden, gegen das Urteil. Sie beanstandet insbesondere die Höhe der geschätzten Bruttoentgelte, auf deren Grundlage das [X.] die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge berechnet hat und macht lückenhafte Feststellungen zu den Steuerdelikten geltend.

A.

3

Das [X.] hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

[X.] Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

4

Die miteinander verheirateten Angeklagten beschäftigten seit 2001 Mitarbeiter, die im Rahmen von [X.] vertrieben. Im Zeitraum von Januar 2004 bis April 2009, also über 64 Monate, waren es insgesamt ca. 900 Arbeitnehmer, die zunächst für das von der Angeklagten betriebene Einzelunternehmen [X.].                   ([X.]) und ab dem 1. August 2006 für die von ihr als formelle Geschäftsführerin geführte M.         Ltd. & Co. [X.] ([X.]) tätig waren.

5

Der Angeklagte war von 2001 bis 2009 in den durch seine Ehefrau gegründeten Unternehmen tätig. Faktisch war er sowohl für die Geschäftsführung des Einzelunternehmens als auch der [X.] verantwortlich. Insbesondere den Mitarbeitern gegenüber trat er als maßgeblicher Entscheidungsträger und als Vorgesetzter in Erscheinung. Er gab seiner Ehefrau Weisungen, die sie befolgte. Auch nach der Trennung der Eheleute im Jahr 2007 blieb es dabei, dass der Angeklagte die Geschäfte verantwortlich führte.

6

Für ihre Tätigkeit wurden die Werber von den Kolonnenführern aufgeteilt und mittels Sammeltransporten an ihre Einsatzorte gebracht. Die Werber hatten keine Möglichkeit, an anderen als den vorgegebenen Standorten tätig zu werden. Der Angeklagte überprüfte die Zusammensetzung der Teams und änderte diese nach seinen Wünschen. Er überwachte die vorgegebenen Arbeitszeiten, kontrollierte die Menge der abgeschlossenen Verträge und die Auszahlung der sogenannten [X.]ovision.

7

Für den Zeitraum Januar 2004 bis April 2009 meldeten die Angeklagten die 900 Beschäftigten, die als Arbeitnehmer bei ihnen tätig waren, weder sozialversicherungsrechtlich an, noch führten sie Sozialversicherungsabgaben für sie ab. Vielmehr suggerierten sie ihnen, selbständige Handelsvertreter zu sein.

8

Das Einzelunternehmen hatte seinen Geschäftssitz zunächst in [X.]      . In 2004 wurde der Sitz nach [X.]        , sodann vom 1. März 2007 bis 1. Februar 2010 nach [X.]          und ab dem 1. Februar 2010 nach [X.] verlegt. Noch im Juli 2008 erfolgte eine Gewerbeanmeldung für die [X.] . Die am 31. Juli 2006 gegründete [X.] hatte ihren Sitz ebenfalls in [X.]        . Die Tätigkeit der [X.] wurde im April 2009 eingestellt, da die [X.] in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wurde durch Beschluss des [X.] vom 7. September 2011 mangels Masse eingestellt; die Gesellschaft wurde von Amts wegen am 5. Juli 2012 aus dem Handelsregister gelöscht.

I[X.] Steuerhinterziehung

9

Die Angeklagte machte in den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar 2009 bis März 2009, den Quartalsanmeldungen für das I[X.] und II[X.] Quartal 2009 sowie in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 und 2008 auf Veranlassung des Angeklagten unberechtigt [X.] für die [X.] aus Scheinrechnungen der nicht als Unternehmer tätigen Werber geltend. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das [X.] reichte sie nicht ein. Für diesen Voranmeldungszeitraum standen ihr berechtigte [X.] zu. Die abgegebenen Voranmeldungen und die Umsatzsteuerjahreserklärung 2008 enthielten jeweils eine Zahllast. Die aus der falschen Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 resultierende Erstattung setzte das Finanzamt nicht mehr fest. Es entstand ein Gesamtsteuerschaden von knapp 500.000 Euro.

B.

Die Revision des Angeklagten

[X.]

Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor; Verfolgungsverjährung ist insbesondere für die im Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen [X.]begangenen Taten des Veruntreuens und Vorenthaltens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB durch den Angeklagten nicht eingetreten.

1. Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verfolgungsverjährung sobald die Tat beendet ist. Nach gefestigter Rechtsprechung - von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass gibt - tritt bei Taten nach § 266a Abs. 1 StGB als echtem Unterlassungsdelikt Beendigung erst ein, wenn die Beitragspflicht erloschen ist (vgl. nur [X.], Beschluss vom 7. März 2012 - 1 [X.], [X.], 235 Rn. 4; [X.], StGB, 66. Aufl., § 78a Rn. 14 und § 266a Rn. 18a), sei es durch Beitragsentrichtung, sei es durch Wegfall des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2012 - 1 [X.], [X.] 2013, 64 [X.]) oder durch das Ausscheiden des [X.] aus der Vertreterstellung (MüKoStGB/[X.] StGB, 3. Aufl., § 266a Rn. 116).

Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen, wonach die Angeklagten die Beitragspflichten für das Unternehmen [X.]im Zeitraum Januar 2004 bis Juli 2006 nicht erfüllt haben, waren die Taten zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zwar vollendet, allerdings nicht beendet.

a) Die Angeklagte hatte weder die Beiträge geleistet noch waren diese verjährt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). An ihrer Stellung als Beitragsschuldner hat sich auch dadurch nichts geändert, dass ab August 2006 nicht mehr die Angeklagte im Rahmen der [X.] die Arbeitnehmer beschäftigt hatte, sondern die von beiden Angeklagten geführte [X.]. Die Beitragspflicht einer natürlichen Person erlischt, wenn kein anderer Grund (Zahlung, Verjährung) vorliegt, erst mit dem Tod der natürlichen Person (vgl. [X.] in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., [X.] Rn. 278; [X.]/[X.], [X.] 2011, 305 f.). Es ist unerheblich, wann die gewerbliche Tätigkeit des Einzelunternehmens eingestellt wird. Denn das Einzelunternehmen ist nicht der Arbeitgeber nach § 266a Abs. 1 StGB, da diesem die eigenständige Rechtspersönlichkeit fehlt.

b) Auch ein Wegfall einer Vertreterstellung nach § 14 StGB des Angeklagten und eine damit einhergehende Tatbeendigung kommt nicht in Betracht. Vertreter ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 StGB u.a. derjenige, der von dem Inhaber eines Betriebes bzw. Unternehmens oder sonst dazu befugt ist, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten. Für einen Vertreter in diesem Sinne beginnt die Verjährungsfrist, sobald seine Pflicht zu handeln, entfällt ([X.], Urteil vom 4. April 1979 - 3 [X.], [X.]St 28, 371, 380; MüKoStGB/[X.] StGB, 3. Aufl., § 266a Rn. 116). Dies ist der Fall, sobald seine Vertreterstellung endet.

aa) Das Einzelunternehmen hat ausweislich der Feststellungen jedenfalls bis Februar 2010 bestanden. Dass das Einzelunternehmen noch aktiv war, wird belegt durch die noch nach 2006 erfolgten mehrfachen Sitzverlegungen des Unternehmens, zuletzt im Februar 2010 nach [X.]        , an den Sitz der Betriebsstätte der [X.], und die im Juli 2008 erfolgte Gewerbeanmeldung.

bb) Der Angeklagte war jedenfalls bis zum Ende des Tatzeitraums im April 2009 in den Unternehmen seiner Ehefrau, mithin auch für die [X.]tätig. Er war ihr Vertreter und damit auch der des Einzelunternehmens. Dies ist aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausreichend zu entnehmen.

Die Funktion des Angeklagten und sein geschäftliches Verhältnis zu seiner Ehefrau waren bis zum Ende des Tatzeitraums im April 2009 unverändert. Demnach war die Ehefrau zwar formell als Inhaberin der [X.]verantwortlich, sie hatte aber die Vertretung von Beginn der Geschäftstätigkeit an auf den Angeklagten übertragen. Hierzu gehörten auch die Anmeldung der Arbeitnehmer und die Beitragsentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge. Die angeklagte Ehefrau hatte sowohl die [X.]als auch die [X.] einzig auf Veranlassung des Angeklagten gegründet. Die [X.] war aus dem ehemaligen Geschäft des [X.] des Angeklagten entstanden. Der Angeklagte traf die maßgeblichen Entscheidungen und gab Anweisungen, die seine Ehefrau auch tatsächlich ausführte. Sie selbst war im Tatzeitraum noch als Werberin tätig. Sie erhielt aus ihren eigenen Unternehmen - also der [X.]und der [X.] - einen wöchentlichen Verdienst als Werberin in Höhe von 200 Euro bis 250 Euro. Zusätzlich zahlte der Angeklagte ihr jährlich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.000 Euro aus, was er allerdings nach der Trennung auf ca. 200 bis 300 Euro reduzierte. Es ist daher auszuschließen, dass der Angeklagte seine Vertretungsmacht für das Einzelunternehmen nach Juli 2006 nicht mehr ausgeübt hat oder ihm diese von seiner Ehefrau entzogen worden ist.

2. Die mit Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gegenüber dem Angeklagten am 28. September 2011 (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), mit Anklageerhebung am 19. Januar 2015 (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB) und mit Eröffnung des Hauptverfahrens am 16. Januar 2017 unterbrochene Verjährungsfrist war also zum Zeitpunkt des Erlasses des erstinstanzlichen Urteils am 9. Januar 2018, auch unter Berücksichtigung der Frist des § 78c Abs. 3 StGB, noch nicht abgelaufen.

I[X.]

1. Die Überprüfung des Urteils auf die Revision des Angeklagten hat im Schuldspruch in den Fällen 1. - 64. der Urteilsgründe wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Sowohl die Verantwortlichkeit des Angeklagten als faktischer Geschäftsführer für beide Unternehmen als auch die Arbeitgebereigenschaft ist aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung und unter Zugrundelegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Dezember 2016 - 1 StR 185/16, [X.], 321 Rn. 15; vom 13. Oktober 2016 - 3 [X.], [X.], 64, 65 und vom 5. Juli 2018 - 1 [X.] Rn. 12) festgestellt worden.

2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat das [X.] den [X.] rechtsfehlerfrei bestimmt.

Dem Tatgericht obliegt es nach ständiger Rechtsprechung, die geschuldeten Beiträge - für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert - nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des [X.] der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen ([X.], Beschlüsse vom 4. März 1993 - 1 StR 16/93, [X.], 364; vom 20. April 2016 - 1 StR 1/16, [X.], 352, 353 und vom 5. Juli 2018 - 1 [X.] Rn. 12; Urteil vom 20. März 1996 - 2 StR 4/96, [X.], 543; MüKoStGB/[X.] StGB, 3. Aufl., § 266a Rn. 61, 133), weil die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu berechnen ist ([X.], Urteil vom 11. August 2010 - 1 [X.], [X.], 376). Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden ([X.], Beschluss vom 10. November 2009 - 1 [X.], [X.], 635 Rn. 4 ff.; MüKoStGB/[X.] StGB, 3. Aufl., § 266a Rn. 136 f.).

Danach durfte das [X.] die Höhe der vorenthaltenen Beiträge schätzen. Die Grundlagen dieser Schätzung hat es nachvollziehbar dargelegt, indem es das ausgezahlte Nettoarbeitsentgelt für jeden einzelnen Arbeitnehmer anhand der festgestellten [X.]ovisionszahlungen über die abgeschlossenen Abonnements festgestellt und tabellarisch aufgeführt hat. Dabei hat es sich rechtsfehlerfrei an den günstigsten Beitragssätzen orientiert, um einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang (§ 261 StPO; vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 - 1 StR 505/16, [X.] 2017, 254, 256; vom 6. April 2016 - 1 StR 523/15, [X.], 728, 729 und vom 10. November 2009 - 1 [X.], [X.], 635 Rn. 8) feststellen zu können.

Zwar hat es der Hochrechnung des [X.] auf das Bruttoentgelt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 20. April 2016 - 1 StR 1/16, [X.], 352, 353 und vom 6. April 2016 - 1 StR 523/15, [X.], 363 Rn. 18 ff.) die unzutreffende Annahme zugrunde gelegt, dass die Abzüge vom Bruttoarbeitslohn, nämlich Lohnsteuer, [X.], ggf. Kirchensteuer und Sozialversicherungsabgaben, in der [X.] immer 40 % betragen. Der [X.] kann aber anhand der mitgeteilten Berechnungsgrundlagen hier ausschließen, dass eine Neuberechnung des [X.] für den jeweiligen Arbeitnehmer pro Monat einen Schadensbetrag ergeben hätte, der zu einer maßgeblichen Veränderung des [X.] der Taten und zu einer abweichenden Strafzumessung durch das [X.] geführt hätte.

[X.]

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft

[X.]

Auch die zulasten beider Angeklagter eingelegten Revisionen der [X.] wegen der Verurteilung wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Sozialversicherungsabgaben haben aus den oben ausgeführten Gründen keinen Erfolg.

I[X.]

Die Revision der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Verurteilung der Angeklagten wegen Steuerhinterziehung ist unbegründet.

1. Die Feststellungen des [X.]s tragen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Steuerhinterziehung aus dem vom [X.] schon in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen. Soweit eine Verurteilung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfolgt ist (Fälle 1. - 4., 6. - 8. der Urteilsgründe), hat das [X.] das Abgabedatum, die Höhe der Vorsteuer aus den Scheinrechnungen sowie die Tatsache, ob eine zustimmungsbedürftige Anmeldung vorlag (vgl. § 168 S. 2 [X.]) festgestellt. Hinsichtlich der Tat nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] werden die Abgabefrist, der Umsatzsteuerschaden und die berechtigten [X.] (§ 15 UStG) festgestellt. Die Höhe des Steuersatzes, deren Angabe die Revision vermisst, ergibt sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bereits aus dem Gesetz (§ 12 Abs. 1 UStG).

2. Auch die Strafzumessung ist ohne Rechtsfehler. Das [X.] hat in allen Fällen den Regelstrafrahmen des § 370 Abs. 1 [X.] angewendet. Soweit eine Hinterziehung von über 50.000 Euro zu berücksichtigen war, ist es zwar von der Verwirklichung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] ausgegangen, hat aber die Indizwirkung wegen mildernder Umstände als entkräftet angesehen. Für den [X.] hat es den Strafrahmen gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert.

Insbesondere die Nichtannahme besonders schwerer Fälle ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] ist zutreffend vom Vorliegen der tatbestandsähnlichen Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] ausgegangen. Es hat zudem bedacht, dass durch das Vorliegen der Voraussetzungen eines Regelbeispiels nur indiziert wird, dass es sich um einen besonders schweren Fall handelt und diese Indizwirkung im Einzelfall entfallen kann. Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatgerichts (vgl. [X.], Urteil vom 5. September 2017 - 1 [X.], [X.], 224 Rn. 19 ff. [X.]). Dem ist das [X.] im Rahmen der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung nachgekommen.

3. Soweit die Revision vertritt, dass das [X.] im Fall 5 der Urteilsgründe den Vorsteueranspruch bei der Schadensfeststellung berücksichtigt habe, entspricht dies nicht den Urteilsfeststellungen. Das [X.] berücksichtigt den [X.] tatsächlich erst im Rahmen der Strafzumessung, nämlich bei der Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung entkräftet wird. Es kann daher offen bleiben, ob die Voraussetzungen der geänderten Rechtsprechung des [X.]s vorliegen, wonach der [X.] insoweit bereits beim [X.] zu berücksichtigen ist, als ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz besteht (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2018 - 1 [X.], NJW 2019, 165 Rn. 16 ff.). Vorliegend kann der [X.] jedenfalls ausschließen, dass sich die nur auf [X.] erfolgte Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens nachteilhaft (vgl. § 301 StPO) für die Angeklagte ausgewirkt hat, da das [X.] das Vorliegen eines besonders schweren Falles abgelehnt und die Höhe des tatsächlich geringeren Steuerschadens im Rahmen der Strafzumessung umfassend berücksichtigt hat.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Cirener     

        

[X.]     

        

Meta

1 StR 444/18

19.12.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Cottbus, 9. Januar 2018, Az: 22 KLs 2/15

§ 78a S 1 StGB, § 266a Abs 1 StGB, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2018, Az. 1 StR 444/18 (REWIS RS 2018, 233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 233

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 58/19 (Bundesgerichtshof)

Strafverfolgungsverjährung: Verjährungsbeginn bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


5 StR 249/18 (Bundesgerichtshof)

(Begriff des Arbeitgebers im Sinne von § 266a StGB)


1 StR 199/10 (Bundesgerichtshof)

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Notwendige Tatsachenfeststellungen im Strafurteil zur Höhe vorenthaltener Sozialversicherungsbeträge; Schätzung des …


1 StR 33/19 (Bundesgerichtshof)

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Beweiswürdigung zur Stellung als faktischer Geschäftsführer


5 StR 122/19 (Bundesgerichtshof)

Subjektiver Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.