Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2011, Az. X ZB 11/10

10. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4701

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Gegenstand

Fremdsprachige Patentanmeldung: Anforderungen an eine ordnungsgemäße Übersetzung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats) des [X.] vom 22. Juli 2010 wird auf Kosten der Präsidentin des [X.] zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 50.000 [X.] festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Anmelderin hat am 21. September 2007 beim [X.] eine Erfindung mit der Bezeichnung "[X.] per [X.]" (Maschinen für die Bearbeitung von Tafeln aus Holz oder dergleichen) in [X.] Sprache zum Patent angemeldet. Zu der Anmeldung gehören 15 Patentansprüche. Die Ansprüche 2 bis 15 sind unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen.

2

Am 12. November 2007 reichte die Anmelderin eine [X.] Übersetzung der Anmeldung ein, in der lediglich die Patentansprüche 1 bis 13 enthalten waren. Diese Unterlagen wurden als [X.] 10 2007 045 086 am 21. Mai 2008 veröffentlicht. Auf den Antrag der Anmelderin, die [X.] zu berichtigen und um die gegenüber den Anmeldeunterlagen fehlenden Ansprüche 14 und 15 zu ergänzen, hat das [X.] mit Bescheid vom 10. Februar 2009 mitgeteilt, dass mangels vollständiger Übersetzung der Patentansprüche nach der [X.] im Hinblick auf § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Anmeldung als nicht erfolgt gelte. Die Anmelderin reichte am 4. März 2009 eine Übersetzung der kompletten Anmeldung mit den Ansprüchen 14 und 15 unter Hinweis darauf ein, dass sie diese Fassung bereits am 12. November 2007 übermittelt habe.

3

Das [X.] (Prüfungsstelle 15) hat durch Beschluss vom 1. April 2009 festgestellt, dass die Anmeldung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht erfolgt sei, da die vollständige Übersetzung nicht innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der fremdsprachigen Anmeldung zur Akte gelangt sei.

4

Die Anmelderin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und hilfsweise beantragt, die Eingabe vom 4. März 2009 als Antrag auf Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten im Sinne von § 38 [X.] und weiter hilfsweise als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung einer Übersetzung anzusehen.

5

Im Beschwerdeverfahren ist die Präsidentin des [X.]s dem Verfahren auf eine entsprechende Anheimgabe des Patentgerichts beigetreten.

6

Das Patentgericht hat den Beschluss des [X.]s aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt dessen Präsidentin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung der Beschwerde der Anmelderin. Die Anmelderin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

7

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die Anmelderin habe mit der am 12. November 2007 eingereichten Übersetzung den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] genügt. Dass in dieser Übersetzung die Patentansprüche 14 und 15 nicht enthalten gewesen seien, führe nicht dazu, dass die Anmeldung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] als nicht erfolgt gelte. Nach Sinn und Zweck des § 35 [X.] sei es nicht gerechtfertigt, die Fälle fehlerhafter oder unvollständiger Übersetzungen ausnahmslos dem Fall einer gänzlich fehlenden Übersetzung gleichzustellen. Grundsätzlich genüge auch eine fehlerhafte oder unvollständige Übersetzung dem Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.].

9

Mit der nach § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] einzureichenden Übersetzung solle in angemessener Frist eine [X.] Arbeitsgrundlage für das weitere Verfahren und für die zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erforderliche Herausgabe der [X.] zur Verfügung gestellt werden. Dieser Zweck werde durch eine [X.] Übersetzung, die Fehler oder Auslassungen aufweise, nicht ernsthaft in Frage gestellt.

So sei für den ursprünglichen [X.]sgehalt der Patentanmeldung nicht die [X.] Übersetzung, sondern vielmehr der zunächst eingereichte fremdsprachige Text maßgeblich. [X.] die [X.] Übersetzung inhaltliche Fehler, die dazu führten, dass der [X.] Text über den [X.]sgehalt des fremdsprachigen Textes hinausgehe, setze sich der Anmelder dem Risiko aus, dass seine Anmeldung wegen unzulässiger Erweiterung zurückgewiesen werde (§ 38 [X.]) oder - sofern hierauf ein Patent erteilt werden sollte, weil der Fehler im Erteilungsverfahren nicht zutage getreten sei - dass der Einspruchs- oder [X.] der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) gegeben sei. Rechtliche Vorteile könnten dem Anmelder somit aus [X.] nicht erwachsen.

Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb geboten, weil die [X.] zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Existenz der Anmeldung und das mögliche künftige Schutzrecht auf Grundlage der Übersetzung erstellt werde. Dritte, die auf die Richtigkeit der [X.] bzw. der Übersetzung vertraut hätten, würden nicht geschädigt. Fehlerhafte Übersetzungen hätten allenfalls nachteilige Folgen für den Anmelder selbst, weil sie sich negativ auf einen Entschädigungsanspruch nach § 33 [X.] auswirken oder umgekehrt wettbewerbsrechtliche Abwehr- und Schadensersatzansprüche Dritter gegenüber dem Anmelder auslösen könnten.

Der [X.] habe für den vergleichbaren Fall der fehlerhaften Übersetzung einer [X.] Patentschrift entschieden, dass die gesetzlichen Wirkungen des Patents für die [X.] auch dann einträten, wenn die vom Patentinhaber fristgerecht eingereichte Übersetzung des nicht in [X.]r Frage veröffentlichten [X.] Patents Auslassungen aufweise ([X.], Urteil vom 18. März 2010 - [X.], [X.], 708 Rn. 14 - Nabenschaltung II). Die hierfür maßgeblichen Erwägungen seien auf den Fall einer unzureichenden Übersetzung einer nationalen Patentanmeldung übertragbar.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Präsidentin des [X.]s ist gemäß §§ 77 Satz 2, 101 Abs. 1 [X.] zur Einlegung der Rechtsbeschwerde befugt. Es genügt, dass sie die Interessen wahrnimmt, die ihre Beteiligung am Verfahren veranlasst haben ([X.], Beschluss vom 3. November 1988 - [X.], [X.]Z 105, 381, 382 - Verschlussvorrichtung für Gießpfannen; Beschluss vom 10. Juli 1986 - [X.], [X.] 1986, 877 - Kraftfahrzeuggetriebe).

2. Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass die Rechtsfolge nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht eingetreten ist.

a) Die Rechtsbeschwerde kann insoweit nicht mit Erfolg geltend machen, dass eine Übersetzung, die Auslassungen in der Beschreibung der Erfindung oder bei den Patentansprüchen aufweise, schon begrifflich keine Übersetzung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] darstelle. Dies lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen. Vielmehr liegt der Regelung des § 35 [X.] gerade die Erkenntnis zugrunde, dass Übersetzungen regelmäßig nicht vollkommen mit dem Originaltext übereinstimmen und Unzulänglichkeiten aufweisen können. Dementsprechend stellt auch die Begründung zu § 35 [X.] klar, dass sich der [X.]sgehalt einer Erfindung nach der Anmeldung in der Originalsprache und nicht nach der Übersetzung richtet, und hebt ausdrücklich hervor, dass die Möglichkeit, die Anmeldung in ihrer Originalsprache einzureichen, dem Anmelder die Gewähr bieten soll, dass durch die Übersetzung keine Bestandteile der [X.] verloren gehen (vgl. Begründung des [X.] zum 2. [X.]ÄndG, BT-Drucks. 13/9971, S. 31 = [X.] 1998, 393, 403).

b) Das Patentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Sinn und Zweck des § 35 [X.] nicht erfordern, die Fälle fehlerhafter oder unvollständiger [X.]r Übersetzungen dem Fall einer gänzlich fehlenden Übersetzung gleichzustellen mit der Folge, dass jeder Fehler oder jede Auslassung zum Verlust des [X.] führen muss.

Allerdings fehlt es an einer gesetzlichen Regelung dazu, wie bei fehlerhaften oder unvollständigen Übersetzungen zu verfahren ist. Für den [X.]sgehalt der Anmeldung ist die Übersetzung nicht entscheidend. Dieser bestimmt sich nach der fremdsprachigen Fassung, was für den Anmelder den Vorteil hat, dass keine Bestandteile der [X.] durch die Übersetzung verloren gehen (vgl. Begründung des [X.] zum 2. [X.]ÄndG, BT-Drucks. 13/9971, S. 31 = [X.] 1998, 393, 403). Die Übersetzung dient vielmehr neben dem Zweck, die interessierte Öffentlichkeit zu informieren, auch dazu festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die für die Anmeldung erforderlich sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Patentamt für die weitere Behandlung prüfen können. Deshalb ist auf diese Voraussetzungen abzustellen.

Für die Bestimmung des [X.] stellt § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] bei fremdsprachigen Anmeldungen darauf ab, dass die Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 und 2 (Name des Anmelders und Antrag auf Erteilung des Patents) und, soweit diese Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, Unterlagen nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 [X.] (Beschreibung der Erfindung) beim Patentamt eingegangen sind. Die Vorlage von Patentansprüchen ist für die Zuerkennung des [X.] hingegen nicht erforderlich.

Dem Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung entspricht es, dass eine Übersetzung, die jedenfalls der Form nach den Anforderungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] genügt, d.h. die dort genannten Angaben umfasst, die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht auslöst. Erfüllt die Übersetzung die Mindestanforderungen, die für die fremdsprachige Anmeldung selbst gelten - Name des Anmelders, Antrag auf Erteilung des Patents und Angaben, die dem äußeren Anschein nach eine Beschreibung der Erfindung darstellen -, so genügt sie den Anforderungen, die das Gesetz für die Zuerkennung des [X.] ausreichen lässt. Weitergehende Anforderungen als für die fremdsprachige Anmeldung selbst sind an die Übersetzung nicht zu stellen. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts kann dagegen nicht entscheidend sein, wie umfangreich Auslassungen in der Übersetzung verglichen mit den fremdsprachigen Unterlagen sind, denn dies würde eine Prüfung im Einzelfall voraussetzen, die das Gesetz nicht fordert und die das Patentamt jedenfalls nicht für alle Fremdsprachen leisten kann. Entscheidend ist vielmehr, soweit es um die Beschreibung und, soweit vorhanden, um die Patentansprüche geht, der äußere Anschein einer Beschreibung, auf den § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] für den fremdsprachigen Text ausdrücklich abstellt. Auf diesen Anschein kommt es nicht nur für den fremdsprachigen Text selbst, sondern auch für dessen Übersetzung an, denn auch für Letztere gilt, dass eine Prüfung auf Vollständigkeit nicht Voraussetzung für die Zuerkennung des [X.] ist.

Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Übersetzung wird durch § 14 [X.] Rechnung getragen, der bestimmt, dass [X.] Übersetzungen von Schriftstücken, die zu den Unterlagen der Anmeldung zählen, von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt werden oder von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt sein müssen. Für die Zuerkennung des [X.] ist demnach erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorliegen, sowie dass innerhalb der Frist von drei Monaten eine § 14 [X.] entsprechende Übersetzung vorliegt, die denselben Anforderungen genügt, mag sie auch ansonsten unvollständig oder fehlerhaft sein.

Genügt die Anmeldung im Übrigen den Anforderungen der §§ 34, 36, 37 und 38 nicht, so gilt nach § 42 [X.], dass eine Beseitigung der Mängel auf Anforderung möglich ist.

c) Im Streitfall waren die dargelegten Anforderungen ungeachtet des Umstands erfüllt, dass in der [X.]n Übersetzung die [X.] und 15 fehlten. Die Mängel der am 10. Oktober 2008 eingereichten Übersetzung der Anmeldung ziehen daher nicht die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] nach sich. Die Anmelderin konnte die Übersetzung der fehlenden Ansprüche vielmehr auch noch nach Ablauf der Dreimonatsfrist vorlegen. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 35 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist daher nicht erforderlich.

IV. [X.] beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 51 Abs. 1 GKG.

V. Eine mündliche Verhandlung hat der [X.] nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.]).

Meier-Beck                                           Mühlens                                         Gröning

                              Grabinski                                           [X.]

Meta

X ZB 11/10

18.07.2011

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 22. Juli 2010, Az: 10 W (pat) 23/09

§ 35 Abs 2 S 1 PatG, § 35 Abs 2 S 2 PatG, § 14 PatV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2011, Az. X ZB 11/10 (REWIS RS 2011, 4701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4701


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZB 11/10

Bundesgerichtshof, X ZB 11/10, 18.07.2011.


Az. 10 W (pat) 23/09

Bundespatentgericht, 10 W (pat) 23/09, 22.07.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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