Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2017, Az. VI ZR 52/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7896

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Pflicht des Prozessbevollmächtigten zur Unterrichtung der Partei über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist


Leitsatz

Ein Prozessbevollmächtigter muss seine Partei darüber unterrichten, ob, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und bei welchem Gericht gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann (im Anschluss an Senat, Beschluss vom 9. Mai 1989, VI ZB 12/89, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 1977, IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom 20. Mai 1981, IVb ZB 524/81, VersR 1981, 850 und vom 30. Mai 1985, III ZB 10/85, VersR 1985, 768). Diese Unterrichtung erfordert eine richtige Belehrung über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 12. März 1969, IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636 und vom 9. Februar 1977, IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198).

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 3. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 34.000 €.

Gründe

I.

1

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von (weiterer) Geldentschädigung wegen verschiedener Presseberichterstattungen in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von jeweils 3.000 € an die Kläger verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 9. Dezember 2015 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2016, eingegangen am selben Tag, haben die Kläger Widereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.

2

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen.

3

a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen:

4

Sie hätten ihrem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gegenüber erklärt, dass sie das Berufungsurteil nicht akzeptieren wollten. Dieser habe sich bereit erklärt, ihnen beim [X.] zugelassene Rechtsanwälte zu benennen. Durch folgende schriftliche Verfügung habe er einer Mitarbeiterin eine Anweisung erteilt:

"S. ./. A. Zeitung

Bitte Mdt. schriftl. mitteilen:

Beschwerdefrist 1 Mo, Begründung 2 Mo

RAe für [X.] http://[X.]...].de

http://[...].com/

[X.]: 2 Wo"

"Sehr geehrter S.,

sehr geehrter Herr H.,

Sie können gegen das Urteil des [X.] innerhalb von zwei Monaten Beschwerde beim [X.] einlegen.

Rechtsanwälte für den [X.] sind z.B.: [X.]...].de und

[…].com

Mit freundlichen Grüßen

i.A. W."

6

Die Mitarbeiterin könne sich den Fehler nicht erklären. Als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte sei sie bereits seit mehreren Jahren in der Kanzlei tätig, arbeite selbständig sowie gewissenhaft und sei auch unter den Kollegen als besonders zuverlässig bekannt. Sie verfasse häufig kürzere Schreiben an Mandanten auf Anweisung selbst, wobei es bislang nicht zu Problemen gekommen sei. Deshalb habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte das Schreiben vor dem Ausgang nicht mehr kontrolliert.

7

Aufgrund der fehlerhaften Information hätten die Kläger den bei dem [X.] zugelassenen (jetzigen) Prozessbevollmächtigten erst am 26. Januar 2016 - nach Ablauf der Beschwerdefrist - mandatiert.

8

Das Verschulden des [X.] habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte nicht zu vertreten, da er eine eindeutige Einzelanweisung erteilt habe. Auch Tätigkeiten zur Fristwahrung dürften delegiert werden. Das gelte sogar für die Ausgangskontrolle von fristwahrenden Schriftsätzen, die vom Anwalt selbst einzureichen seien. Werde eine konkrete Einzelweisung erteilt, bei deren Befolgung die Frist gewahrt worden wäre, treffe den Anwalt kein Verschulden, wenn die Weisung versehentlich nicht befolgt werde.

9

Bei zutreffender Umsetzung der Weisung hätten sie rechtzeitig Kontakt mit einem beim [X.] zugelassenen Anwalt aufgenommen und die Frist wäre nicht versäumt worden.

Zur Glaubhaftmachung haben die Kläger eine anwaltliche Versicherung ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vorgelegt.

b) Damit haben die Kläger eine unverschuldete Fristversäumung nicht ausreichend dargelegt (§ 233 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf Grundlage ihres Vortrags im Wiedereinsetzungsantrag kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ursächlich für die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist geworden ist.

aa) Das Mandat eines Prozessbevollmächtigten ist grundsätzlich nicht beendet, bevor er seinem Auftraggeber das Urteil übersandt, dessen Zustellung mitgeteilt und auf die [X.] hingewiesen hat ([X.], Urteil vom 16. Dezember 1959 - [X.], [X.]Z 31, 351, 354; Beschlüsse vom 9. Februar 1977 - [X.], NJW 1977, 1198; vom 20. September 1989 - [X.], NJW 1990, 189, 190). Ein Prozessbevollmächtigter muss seine [X.] darüber unterrichten, ob, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und bei welchem Gericht gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann (Senat, Beschluss vom 9. Mai 1989 - [X.], juris Rn. 5; [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 1977 - [X.], NJW 1977, 1198; vom 20. Mai 1981 - [X.], [X.], 850; vom 30. Mai 1985 - [X.], [X.], 768). Diese Unterrichtung erfordert eine richtige Belehrung über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist ([X.], Beschlüsse vom 12. März 1969 - [X.] 1061/68, [X.], 635, 636; vom 9. Februar 1977 - [X.], NJW 1977, 1198). Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit darf der Rechtsanwalt diese Aufgabe nur einem gut ausgebildeten und zuverlässigen Büropersonal, das er mit genauen, unmissverständlichen Anweisungen versehen hat, übertragen (Senat, Beschluss vom 9. Mai 1989 - [X.], juris Rn. 6; [X.], Beschlüsse vom 12. März 1969 - [X.] 1061/68, [X.], 635, 636; vom 9. Februar 1977 - [X.], NJW 1977, 1198; vom 30. Mai 1985 - [X.], [X.], 768).

bb) Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter seine Mitarbeiterin genau und unmissverständlich anwies, den Zeitpunkt des Ablaufs der [X.] mitzuteilen. Insoweit beschränken sich die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag darauf, dass durch das Schreiben „die Frist zur Zulassungsbeschwerde und deren Begründung mitgeteilt werden“ sollte und die Mitarbeiterin die „Anweisung nicht richtig umgesetzt“ sowie „eine Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde“ behauptet habe. Dies legt nahe, dass sich der Umsetzungsfehler auf die Mitteilung einer falschen abstrakten [X.] von zwei Monaten beschränkte. Jedenfalls ergibt sich daraus nicht, dass der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Mitarbeiterin angewiesen hätte, das konkrete Datum des Ablaufs der Beschwerdefrist mitzuteilen.

Davon ausgehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verschulden des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger zumindest mitursächlich für die Versäumung der [X.] geworden ist. In einem solchen Fall ist der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2016 - [X.] 38/15, juris Rn. 10).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht fristgerecht eingelegt und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

von Pentz

      

Müller     

      

Allgayer     

      

Meta

VI ZR 52/16

18.07.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 3. Dezember 2015, Az: 13 U 45/15

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO, § 234 ZPO, § 544 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2017, Az. VI ZR 52/16 (REWIS RS 2017, 7896)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 13-14 REWIS RS 2017, 7896


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZR 52/16

Bundesgerichtshof, VI ZR 52/16, 18.07.2017.


Az. 13 U 45/15

Oberlandesgericht Köln, 13 U 45/15, 10.02.2016.


Az. XI ZR 501/15

Bundesgerichtshof, XI ZR 501/15, 12.07.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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