Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.07.2010, Az. I ZR 57/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4784

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Gegenstand

Dreidimensionale Gemeinschaftsmarke: Bedeutung eines einzelnen Zeichenbestandteils für den Gesamteindruck eines Gesamtzeichens – Goldhase II


Leitsatz

Goldhase II

Die Bedeutung, die einem einzelnen Bestandteil für den Gesamteindruck eines mehrgliedrigen Zeichens zukommt, hängt maßgeblich auch davon ab, in welcher Beziehung er innerhalb der konkreten Gestaltung des jeweiligen Gesamtzeichens zu den übrigen Zeichenbestandteilen steht. Dabei kann sich insbesondere der Grad der Kennzeichnungskraft eines Zeichenbestandteils im Verhältnis zur Kennzeichnungskraft anderer Zeichenbestandteile auf den Gesamteindruck des mehrgliedrigen Zeichens auswirken .

Tenor

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1 ist ein [X.] Unternehmen, das hochwertige Schokoladenerzeugnisse und Süßwaren herstellt und vertreibt, darunter auch [X.]; in [X.] werden ihre Produkte von ihrem Tochterunternehmen, der Klägerin zu 2, hergestellt und vertrieben.

2

Die Klägerin zu 1 ist Inhaberin der am 8. Juni 2000 angemeldeten und am 6. Juli 2001 für Schokolade und Schokoladenwaren eingetragenen dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke Nr. 1698885. Als Wiedergabe der Marke sind beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt folgende in den Farben gold, rot und [X.] gehaltene Abbildungen hinterlegt:

Abbildung          Abbildung
                                                      Abbildung

3

Die Beklagte stellt ebenfalls [X.] her und vertreibt diese.

4

Die Klägerinnen sehen darin eine Verletzung der [X.]. Sie wenden sich mit ihrer Klage gegen eine bestimmte Gestaltung des [X.] der Beklagten.

5

Die Klägerinnen haben - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,

1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr [X.] gemäß dem in der Sitzung [des Berufungsgerichts] vom 8. November 2007 überreichten Exemplar des beanstandeten Riegelein-Hasen [der Beklagten] anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben oder sonstig in den Verkehr zu bringen;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie den vorstehend bezeichneten [X.] ab dem 6. Juli 2001 vertrieben hat; dies unter Angabe genauer Umsatzzahlen und der gewerblichen Abnehmer sowie ab diesem Zeitpunkt Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie für den vorstehend bezeichneten [X.] Werbung betrieben hat;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch Handlungen gemäß Nr. 1 seit dem 6. Juli 2001 entstanden ist oder noch entstehen wird.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben ([X.], [X.], 136 = [X.], 638). Auf die Revision der Klägerinnen hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen ([X.], Urteil vom 26. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 295 - [X.]). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerinnen erneut zurückgewiesen ([X.], [X.], 191).

7

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der [X.] gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] mangels Bestehens einer [X.] verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9

Zwischen den von der [X.] und den vom Zeichen der [X.] erfassten Waren bestehe Identität. Insgesamt sei eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der [X.] anzunehmen. Sie gehe neben dem Wortbestandteil "[X.]" auch von Form und Farbe des sitzenden [X.] aus. Nach den von den [X.] vorgelegten Verkehrsbefragungen verstehe ein erheblicher Teil des Verkehrs Form und Farbe des [X.]n in ihrer Kombination auch unabhängig von den sonstigen Gestaltungsmerkmalen als Hinweis auf das Unternehmen der [X.]. Die Verkehrsbefragungen belegten, dass der Verkehr bereits aus der Gestalt und der Farbe des Lindt-[X.] auf eine bestimmte Herkunft schließe. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass das rote Bändchen mit dem goldenen Glöckchen und das aufgemalte Gesicht für die Kennzeichnungskraft der [X.] ohne Bedeutung wären. Denn der Verkehr achte bei dem hier in Rede stehenden Produkt auf die ästhetische Gestaltung und Verpackung der Ware als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft. Außerdem werde vor allem das rote Bändchen mit dem Glöckchen in der sehr intensiven Werbung derart herausgestellt, dass der Verkehr es, wenn getragen von einem sitzenden [X.], als weiteren Hinweis auf das Unternehmen der [X.] auffasse.

Trotz der [X.] und der gesteigerten Kennzeichnungskraft der [X.] bestehe mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit keine [X.]. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit durch Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks seien nur Übereinstimmungen in denjenigen Merkmalen maßgeblich, die jeweils herkunftshinweisende Bedeutung hätten. Danach führe die mangelnde Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen dazu, dass das angegriffene Zeichen die [X.] nicht verletze. Es seien nicht nur die den Gesamteindruck jedenfalls [X.] "[X.]" einerseits und "Riegelein" andererseits einander vollkommen unähnlich. Auch die Farbe der Folie, in der der von der [X.] vertriebene [X.] eingepackt sei, sei eine andere; dies ergebe sich deutlich aus dem im Verhandlungstermin zu den Akten gereichten Riegelein-[X.]. Dieser sei nicht in eine leuchtende Goldfolie eingewickelt, sondern in eine eher bronzefarbene Folie. Der unterschiedliche Farbeindruck werde bestärkt durch die braune, aufgemalte Schleife, die mit der leicht ins bräunliche gehenden Folie harmoniere. Der angegriffenen Ausführungsform fehle auch das rote Stoffbändchen mit dem Glöckchen, das für die [X.] charakteristisch sei und zu deren Funktion als Hinweis auf die Herkunft aus dem Unternehmen der [X.] maßgeblich beitrage. Ähnlich sei allerdings die Form des sitzenden [X.]. Dieser Umstand sei jedoch angesichts der gravierenden Unterschiede der übrigen Kennzeichnungselemente nicht geeignet, eine [X.] herbeizuführen. Nicht zuletzt verleihe das aufgemalte Gesicht mit dem geöffneten Mund und den sichtbaren Zähnen dem Riegelein-[X.] einen eher fröhlichen Charakter, während der [X.] eher zurückhaltend und edel gezeichnet sei.

II. Die Revision der [X.] hat schon deshalb Erfolg, weil sich das Exemplar des Riegelein-[X.], der in dieser konkreten Form Gegenstand des zuletzt gestellten [X.] ist, nicht mehr bei den Akten befindet und dem Revisionsgericht daher eine Überprüfung der maßgeblich auch auf die genaue Farbgebung abstellenden Beurteilung der [X.] durch das Berufungsgericht nicht möglich ist. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine [X.] verneint hat, weist zudem weitere rechtsfehlerhafte Erwägungen auf.

1. Das Berufungsgericht hat eine [X.] trotz gesteigerter Kennzeichnungskraft der [X.] und [X.] wegen der mangelnden Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen verneint. Zur Begründung hat es maßgeblich auch auf die Farbe der Folie des von der [X.] vertriebenen [X.] abgestellt. Diese sei eine andere, wie sich deutlich aus dem im Verhandlungstermin zu den Akten gereichten Riegelein-[X.] ergebe. Der [X.] sei nicht wie der [X.] gemäß der [X.] in eine leuchtende Goldfolie eingewickelt, sondern in eine eher bronzefarbene Folie. Der unterschiedliche Farbeindruck werde bestärkt durch die braune, aufgemalte Schleife, die mit der leicht ins [X.] gehenden Folie harmoniere. Die dagegen gerichtete Rüge der Revision ist begründet.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestehen von [X.] im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen ist und dabei insbesondere der Grad der Bekanntheit der Marke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das beanstandete Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem beanstandeten Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von Bedeutung sind (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2006 - [X.]/04 P, Slg. 2006, [X.] = [X.], 237 Rn. 18 - [X.]/PICARO; Urteil vom 23. März 2006 - [X.]/04 P, Slg. 2006, [X.] = [X.], 413 Rn. 17/18 - [X.]; [X.], Urteil vom 5. November 2008 - [X.], [X.], 766 Rn. 26 = [X.], 831 - Stofffähnchen, [X.]). Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Zeichen ist auf deren Gesamteindruck abzustellen; bei zusammengesetzten Zeichen wie im Streitfall sind dabei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2010 - [X.]/09 P, [X.], 933 Rn. 33 - [X.]/[X.], [X.]).

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] sei in eine andersfarbige, nämlich eher bronzefarbene Folie eingewickelt, und die darauf beruhende Beurteilung, es fehle an der Zeichenähnlichkeit, wird von der Revision der [X.] jedoch mit Recht als rechtsfehlerhaft beanstandet.

aa) Die Revision führt zur Begründung ihrer Rüge aus, aus der Abbildung des [X.] der [X.], die zum Gegenstand des mit Schriftsatz vom 4. November 2002 früher gestellten Klageantrags gemacht worden sei, ergebe sich ebenso wenig eine eher bronzefarbene Tönung wie aus der Abbildung in der als Anlage [X.] mit der Klagebegründung vorgelegten Verkehrsbefragung. Diese Abbildungen zeigten jeweils einen goldfarbenen [X.]. Dies gelte auch für die Abbildung in der Senatsentscheidung vom 26. Oktober 2006 ([X.] - [X.]). Auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 8. November 2007 überreichten [X.] könne nicht abgestellt werden, da er nicht mehr Bestandteil der Gerichtsakten sei.

bb) Diese Rüge ist begründet. Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass sich die Farbgebung der Folie des in der mündlichen Verhandlung überreichten Exemplars des [X.] der [X.] von der in den überreichten Abbildungen ersichtlichen unterscheidet. Dies ergibt sich auch nicht daraus, dass das Berufungsgericht in den Urteilsgründen wegen der Farbgebung auf das überreichte Exemplar Bezug genommen hat, weil sich dieses Exemplar nicht mehr bei den Akten befindet. Für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz ist daher gemäß dem Vorbringen der [X.] davon auszugehen, dass sich der in der mündlichen Verhandlung überreichte [X.] der [X.] in der Farbgebung der Folie nicht von den aus den Abbildungen ersichtlichen unterschieden hat. Dann wird die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle gerade auch wegen einer andersartigen Farbgebung an einer Zeichenähnlichkeit, jedoch von den Feststellungen nicht getragen.

(1) Die [X.] haben sich - wie auch dem Tatbestand des ersten Berufungsurteils zu entnehmen ist - mit den während des Verfahrens zur Begründung ihres Klagebegehrens zu den Akten gereichten Abbildungen gegen einen in Goldfolie eingewickelten [X.] der [X.] gewandt. Ihr ursprünglicher Unterlassungsantrag enthielt dementsprechend den Zusatz "gemäß der nachstehend wiedergegebenen Abbildung". Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die [X.] eine Änderung ihres Klagebegehrens beabsichtigten, als sie nach Aufhebung des ersten Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache diesen Zusatz in der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht dahingehend formulierten, dass die Bezugnahme zur Beschreibung des angegriffenen [X.] nunmehr lautete: "gemäß dem in der Sitzung vom 8. November 2007 überreichten Exemplar des beanstandeten Riegelein-[X.]". Im Gegenteil ist im Sitzungsprotokoll vom 8. November 2007 vor dieser Antragsumstellung festgehalten: "Klägervertreter überreicht ein Exemplar des beanstandeten Riegelein-Osterhasen, das als Anlage zu den Akten genommen wird". Dem ist zu entnehmen, dass sich der Gegenstand der Beanstandung nicht ändern sollte, sich das Klagebegehren also nach wie vor gegen einen in Goldfolie eingewickelten [X.] der [X.] richtete.

(2) Durch die zu den Akten gereichten Abbildungen des beanstandeten [X.] der [X.] wird die Feststellung, die Farbe der Folie sei eine andere - womit im Zusammenhang der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils gemeint ist, die [X.] der Parteien seien in der Farbgebung unähnlich - nicht getragen. Auch das Berufungsgericht hat in den Gründen seines ersten Berufungsurteils den angegriffenen [X.] der [X.] bei der Prüfung dessen Ähnlichkeit im Verhältnis zur Gestaltung gemäß der [X.] als einen "ebenfalls in Goldfolie eingewickelten [X.]" bezeichnet. Dem jetzt angefochtenen Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht von dieser Feststellung abrücken wollte oder davon ausgegangen ist, der mit dem zuletzt gestellten Antrag bezeichnete [X.] der [X.] unterscheide sich in der Farbgebung der Folie von dem aus den eingereichten Abbildungen ersichtlichen Riegelein-[X.]. Demnach kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Farbgebung der sich gegenüberstehenden Gestaltungen sei so unterschiedlich, dass wegen der mangelnden Ähnlichkeit des maßgeblich auch durch die Farbe bestimmten Gesamteindrucks der Zeichen trotz gesteigerter Kennzeichnungskraft und [X.] eine [X.] zu verneinen, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.

2. Die Revision rügt ferner mit Recht, dass auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur mangelnden Ähnlichkeit der sich hier gegenüber stehenden Kennzeichnungen nicht in allen Punkten der rechtlichen Überprüfung standhalten.

a) Zum Gesamteindruck der [X.] führt das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf seine Feststellungen zur Kennzeichnungskraft dieser Marke lediglich aus, neben dem Wortbestandteil nähmen Form und Farbe des sitzenden [X.] sowie das rote plissierte Bändchen mit dem goldenen Glöckchen und auch die Zeichnung des Gesichts an der herkunftshinweisenden Bedeutung der [X.] teil. Anschließend fügt es im Hinblick auf die angegriffene Gestaltung an, aus dem Umstand, dass der Verkehr sich bei [X.], die mit der [X.] gekennzeichnet seien, daran gewöhnt habe, auch der Form und der Farbe der Ware sowie ihrer ästhetischen Gestaltung eine herkunftshinweisende Bedeutung beizumessen, folge, dass diese Elemente auch bei dem angegriffenen Zeichen als herkunftshinweisend in die Beurteilung einzubeziehen seien. Sodann nimmt das Berufungsgericht einen Vergleich der jeweiligen Merkmale der [X.], also Wortbestandteil, Farbe, Form und sonstige Kennzeichnungselemente, mit den entsprechenden Gestaltungsmerkmalen der angegriffenen Ausführungsform vor.

b) Entgegen der in dieser Vorgehensweise zum Ausdruck kommenden Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beurteilung, ob und in welchem Maße sich gegenüberstehende, aus mehreren Bestandteilen bestehende Zeichen in ihrem Gesamteindruck ähnlich sind, nicht allein auf die Feststellung, welche Gestaltungsmerkmale der Zeichen als solche herkunftshinweisend sind, und einen Vergleich der jeweiligen [X.] als solche gestützt werden.

aa) Dies ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Umstand, dass ein [X.] grundsätzlich einen herkunftshinweisenden Gehalt aufweist, nicht dazu führt, dass er schon deshalb den Gesamteindruck des Zeichens in gleicher Weise (mit)bestimmt wie andere herkunftshinweisende Bestandteile des Zeichens. Die Bedeutung, die einem einzelnen Bestandteil für den Gesamteindruck eines Zeichens zukommt, hängt vielmehr maßgeblich auch davon ab, in welcher Beziehung er innerhalb der konkreten Gestaltung des jeweiligen Gesamtzeichens zu den übrigen [X.]n steht. Dabei kann sich insbesondere der Grad der Kennzeichnungskraft eines [X.]s im Verhältnis zur Kennzeichnungskraft anderer [X.] auf den Gesamteindruck des mehrgliedrigen Zeichens auswirken. So sind im Regelfall kennzeichnungsschwächere Merkmale neben kennzeichnungsstärkeren Bestandteilen für den Gesamteindruck eines Zeichens nicht von maßgeblicher Bedeutung ([X.]Z 169, 295 Rn. 24 - [X.], [X.]).

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weisen die einzelnen Bestandteile der [X.] eine unterschiedliche Kennzeichnungskraft auf. Die [X.] selbst verfügt nach der Auffassung des Berufungsgerichts über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft, die neben dem Wortbestandteil auch von Form und Farbe des sitzenden [X.] ausgehe. Der Verkehr schließe, so das Berufungsgericht, bereits aus Form und Farbe des [X.]n auf eine bestimmte Herkunft. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft dieser Bestandteile des zusammengesetzten Klagezeichens hat das Berufungsgericht insbesondere daraus hergeleitet, dass die im Mai 2006 durchgeführte Verkehrsbefragung, bei der nur ein in Goldfolie eingewickelter sitzender [X.] gezeigt wurde, höhere Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade als diejenige von Mai 2005 ergeben habe, bei der den Befragten ein [X.] gezeigt wurde, der neben Form und Farbe zusätzlich das rote Bändchen mit Glocke aufwies. Diesen Feststellungen ist weiter zu entnehmen, dass Form und Farbe als [X.]n jedenfalls auch eine höhere Kennzeichnungskraft als denjenigen Gestaltungsmerkmalen (rotes Bändchen mit Glöckchen, aufgemaltes Gesicht) zukommen soll, die das Berufungsgericht zwar auch als herkunftshinweisend angesehen hat, ohne ihnen aber eine auch nur annähernd vergleichbare Kennzeichnungskraft zuzuweisen. Unter diesen Umständen kann dann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die nicht besonders kennzeichnungskräftigen Merkmale gleichwohl den Gesamteindruck der [X.] maßgeblich mitbestimmen.

cc) Die Auffassung des Berufungsgerichts, auch den genannten Gestaltungselementen der [X.] (rotes Bändchen mit Glöckchen, aufgemaltes Gesicht) komme eine herkunftshinweisende Funktion zu, ist zudem, wie die Revision mit Recht rügt, mit den Ergebnissen der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Verkehrsbefragungen nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Der Umstand, dass die Verkehrsbefragungen, bei denen den Befragten [X.] ohne diese Gestaltungsmerkmale gezeigt wurden, höhere Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade ergeben haben, als sie bei Vorlage eines vollständigen Exemplars erzielt wurden, spricht zunächst gegen die Annahme, der Verkehr sehe auch in diesen Bestandteilen des Klagezeichens einen Hinweis auf die Herkunft des so gestalteten Produkts, und zwar in der Weise, dass sie nicht hinter anderen dominierenden Gestaltungselementen in der maßgeblichen Wahrnehmung des Gesamteindrucks zurücktreten. Das Berufungsgericht legt demgegenüber nicht nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen den Verkehrsbefragungen das Gegenteil zu entnehmen sein soll. Dies lässt sich jedenfalls nicht mit seiner Ansicht begründen, die Ergebnisse der Verkehrsbefragungen erlaubten den Schluss, dass der Verkehr bei dem hier in Rede stehenden Produkt auf die ästhetische Gestaltung und Verpackung der Ware als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft achte.

Denn die ästhetische Gestaltung der mit der Marke übereinstimmenden Ware ist für die hier zu prüfende Herkunftsfunktion des Zeichens entweder schon aus Rechtsgründen unbeachtlich (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. e iii [X.]; Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.]; § 3 Abs. 2 Nr. 3 [X.]; vgl. ferner [X.], Urteil vom 5. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 131, 144 - Abschlussstück; Beschluss vom 24. Mai 2007 - [X.], [X.], 71 Rn. 18 = [X.], 107 - Fronthaube; Urteil vom 30. April 2008 - [X.], [X.], 793 Rn. 15 = [X.], 1196 - Rillenkoffer) oder der Verkehr sieht darin jedenfalls dann keinen Herkunftshinweis, wenn er sie - was nach den Ergebnissen der Verkehrsbefragungen hier hinsichtlich der in Rede stehenden Gestaltungsmerkmale (Bändchen mit Glöckchen, Bemalung) naheliegt - ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen ([X.], Beschluss vom 15. Dezember 2005 - [X.], [X.]Z 166, 65 Rn. 17 - [X.]). Auch der Umstand, dass das rote Bändchen mit Glöckchen nach den - von der Revision angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts in der sehr intensiv betriebenen Werbung herausgestellt worden ist, lässt daher nicht den Schluss zu, der Verkehr werde dieses Gestaltungselement als weiteres herkunftshinweisendes Merkmal auffassen.

c) Der vom Berufungsgericht vorgenommene Vergleich der sich gegenüberstehenden Gestaltungen der Parteien ist ferner deshalb unzureichend, weil es einen Gesamteindruck der Gestaltung des [X.] der [X.] nicht ermittelt hat. Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung vielmehr eine bloße Beschreibung des Produkts der [X.] zugrunde gelegt und sich sodann darauf beschränkt, den einzelnen Ausstattungsmerkmalen des [X.] der [X.] die entsprechenden Gestaltungselemente der [X.] gegenüberzustellen. Zusätzlich hat es lediglich darauf abgestellt, aus der Gewöhnung des Verkehrs an die herkunftshinweisende Bedeutung von Form und Farbe sowie der ästhetischen Gestaltung des [X.]n folge, dass diese Elemente auch bei dem angegriffenen Zeichen als herkunftshinweisend in die Beurteilung einzubeziehen seien. Auch dieser Würdigung des Berufungsgerichts kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.

aa) Aus der in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechung des Senats, nach der der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke Auswirkungen darauf hat, ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr als Form einer Ware begegnet ([X.], Urteil vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 171, 89 Rn. 30 - Pralinenform, [X.]), kann im vorliegenden Fall - nach den bislang getroffenen Feststellungen - keine herkunftshinweisende Bedeutung der angeführten Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Ausführungsform hergeleitet werden. Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die sich gegenüberstehenden Gestaltungen der Parteien in ihrer Gesamtheit oder hinsichtlich einzelner ihrer Elemente identisch sind. Es ist lediglich hinsichtlich der Form des sitzenden [X.] von einer bloßen Ähnlichkeit ausgegangen, ohne aber deren Grad festzustellen. Da die Gestaltungsform eines sitzenden [X.] nicht schutzfähig ist, soweit sie üblichen Abbildungen einer naturgetreuen Sitzhaltung des [X.] entspricht oder ihnen weitgehend angenähert ist, reicht die Feststellung einer bloßen Ähnlichkeit hinsichtlich der Form für die Annahme nicht aus, der Verkehr übertrage an die Form anknüpfende [X.] von der [X.] auf die angegriffene Ausführungsform. Das Berufungsgericht hätte vielmehr im Einzelnen darlegen müssen, bei welchen Formelementen eine Ähnlichkeit gegeben ist, bei welchen Abweichungen bestehen und wie sich diese Unterschiede auf die Wahrnehmung des Verkehrs auswirken (vgl. [X.], [X.], 793 Rn. 19 - Rillenkoffer).

bb) Zudem hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorgelegten Verkehrsbefragungen nur festgestellt, dass die gesteigerte Kennzeichnungskraft der [X.] (auch) auf Form und Farbe des [X.] beruht. In welchem Umfang der festgestellte Grad an Kennzeichnungskraft dabei der Form und in welchem Maß er der Farbe oder beiden gemeinsam zuzuschreiben ist, lässt sich weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch den zwischen Form und Farbe nicht unterscheidenden Verkehrsbefragungen entnehmen. Auch aus diesem Grund kommt es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht in Betracht, für eine Übertragung von [X.] an die Form als solche anzuknüpfen. Hinsichtlich der Farbe sowie der von ihm der ästhetischen Gestaltung zugeschriebenen Merkmale ist das Berufungsgericht sogar von einer mangelnden Ähnlichkeit der beiden sich gegenüberstehenden Zeichen ausgegangen, so dass auch insoweit der Schluss von der Kennzeichnungskraft der Merkmale der [X.] auf einen herkunftshinweisenden Charakter der entsprechenden Merkmale der angegriffenen Ausführungsform nicht trägt.

d) Da das Berufungsgericht die sich gegenüberstehenden Zeichen somit nicht rechtsfehlerfrei nach ihrem Gesamteindruck miteinander verglichen hat, fehlt es auch deshalb an der tatsächlichen Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts, trotz [X.] und gesteigerter Kennzeichnungskraft des Klagezeichens sei mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit eine [X.] zu verneinen.

III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Mit der - an sich vorrangigen (vgl. [X.]Z 169, 295 Rn. 28 - [X.]) - Frage, ob die Beklagte die Gestaltung ihres [X.] markenmäßig verwendet (vgl. dazu [X.], Urteil vom 3. Februar 2005 - [X.], [X.], 414, 415 f. = WRP 2005, 610 - [X.] Schaumgebäck; [X.], [X.], 766 Rn. 45 - Stofffähnchen), hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Auch insoweit ist dem Senat eine eigene abschließende Entscheidung jedoch schon deshalb nicht möglich, weil sich das Exemplar des mit dem Unterlassungsantrag beanstandeten Riegelein-[X.], das in der Sitzung des Berufungsgerichts vom 8. November 2007 überreicht worden ist, nicht mehr bei den Akten befindet und sich die konkrete Gestaltung dieses [X.], insbesondere hinsichtlich der Farbgebung, auch nicht aus unstreitigem Parteivorbringen ergibt.

IV. Auf die Revision der [X.] ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Bei der Beurteilung, ob die Beklagte den beanstandeten [X.] markenmäßig benutzt und welche Merkmale gegebenenfalls den Gesamteindruck der sich gegenüber stehenden Gestaltungen bestimmen, ist maßgeblich darauf abzustellen, welche Gestaltungsmerkmale vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst werden (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2007 - [X.], [X.], 1071 Rn. 42 - Kinder II, [X.]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei Form und Farbe eines Produkts regelmäßig zunächst um die funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht und daher auch eine in dieser Hinsicht besondere Gestaltung eher diesem Umstand zugeschrieben wird als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.], 138 Rn. 25 = [X.], 260 - ROCHER-Kugel; Urteil vom 22. April 2010 - [X.] Rn. 30 - Pralinenform II, [X.]). Der Grad der Kennzeichnungskraft einer aus einer bestimmten Form- und Farbgebung bestehenden dreidimensionalen Marke kann zwar Auswirkungen darauf haben, ob der Verkehr diesen Gestaltungselementen einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn sie ihm als Bestandteile einer Ware begegnen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2004 - [X.], [X.], 428 f. = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade; Urteil vom 22. April 2010 - [X.] Rn. 33 - Pralinenform II). Ist die Marke aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragen, hängt ihr Schutzbereich gegenüber anderen, ähnliche Form- und Farbelemente aufweisenden Gestaltungen jedoch davon ab, ob sich die Verkehrsdurchsetzung gerade auch auf die konkrete Farb- und Formgebung erstreckt. Ist dies nicht der Fall, so erfasst der Schutzbereich der Marke regelmäßig keine Drittzeichen, die neben den nicht unterscheidungskräftigen und auch als solchen nicht verkehrsdurchgesetzten Form- und Farbelementen weitere kennzeichnungskräftige Bestandteile aufweisen, wie insbesondere herkunftshinweisende Wortbestandteile (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], [X.], 954 Rn. 39 = [X.], 1250 - Kinder III, [X.]).

Soweit das Berufungsgericht den von den [X.] vorgelegten Verkehrsgutachten entnommen hat, der Verkehr schließe im Fall des von den [X.] vertriebenen [X.] bereits aus dessen Gestalt und Farbe auf eine bestimmte Herkunft, wird gegebenenfalls zu überprüfen sein, ob die von der Revisionserwiderung erhobenen Bedenken gegen die Fragestellung und die Ergebnisse dieser Verkehrsbefragungen durchgreifen. In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein, in welchem Umfang es sich bei Form und Farbe des [X.] um auch von anderen Wettbewerbern verwendete übliche Gestaltungsmerkmale von [X.] handelt. Bei Gestaltungselementen, die eine Ware ihrer Gattung nach beschreiben oder die solchen Merkmalen ähnlich sind, liegt es nahe, dass der Verkehr diese Merkmale mit dem marktstärksten Anbieter in Verbindung bringt, ohne darin einen Herkunftshinweis zu erblicken (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Januar 2006 - [X.], [X.], 760 Rn. 18 = [X.], 1130 - [X.], [X.]). Ist der Verkehr an eine Vielzahl ähnlicher Gestaltungen gewöhnt, führen erkennbare Abweichungen zudem leicht aus dem Schutzbereich der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke hinaus (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2010 - [X.] Rn. 35 - Pralinenform II).

Bornkamm                                      Pokrant                                         Schaffert

                        Bergmann                                           Koch

Meta

I ZR 57/08

15.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 8. November 2007, Az: 6 U 10/03, Urteil

Art 9 Abs 1 Buchst b EGV 40/94

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.07.2010, Az. I ZR 57/08 (REWIS RS 2010, 4784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4784

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