Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. 1 StR 261/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2008

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:211117U1STR261.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR 261/17
vom
21. November
2017
in der Strafsa[X.]e
gegen

wegen versu[X.]ten Tots[X.]lags

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21.
November
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgeri[X.]tshof
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgeri[X.]tshof
Prof. Dr. Jäger,
Bellay
und die [X.]innen
am Bundesgeri[X.]tshof
Cirener,
[X.],

Staatsanwältin

als Vertreterin
der [X.],

Re[X.]tsanwalt

als Verteidiger,

Re[X.]tsanwältin

als Vertreterin des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Ges[X.]äftsstelle,

für Re[X.]t erkannt:
-
3
-
Die Revisionen der Staatsanwalts[X.]aft und des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21.
November 2016 werden verworfen.
Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Re[X.]tsmittels. Die Staatskasse hat die Kosten des Re[X.]tsmittels der Staatsan-walts[X.]aft eins[X.]ließli[X.] sämtli[X.]er im Revisionsverfahren entstandener geri[X.]tli[X.]er Auslagen und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Re[X.]ts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des versu[X.]ten [X.] in Tateinheit mit gefährli[X.]er Körperverletzung in Tatmehrheit mit ge-fährli[X.]er Körperverletzung aus tatsä[X.]li[X.]en Gründen freigespro[X.]en. Gegen dieses Urteil wendet si[X.] die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwalts[X.]aft mit der Beanstandung der Verletzung formellen und ma-teriellen Re[X.]ts. Die Revision des [X.] rügt die Verletzung materiellen Re[X.]ts. Beide Re[X.]tsmittel haben keinen Erfolg.

1
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4
-
I.
Die Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am 29. Januar 2016 gegen 21.40 Uhr na[X.]einander die Ges[X.]ädigte

H.

und den Nebenkläger mit einem etwa 30

-n-den Klinge mit einer Länge von etwa 11
cm vorsätzli[X.] verletzt zu haben.
Der erhebli[X.] alkoholisierte Angeklagte habe si[X.] zunä[X.]st zur Wohnung der Ges[X.]ädigten

H.

begeben, um eine Geldforderung von 50
Euro einzutreiben. Ihm sei jedo[X.] ni[X.]t geöffnet worden. Als

H.

wenig [X.] zum Zigarettenholen die Wohnung verlassen habe, sei ihr der Angeklagte in einem s[X.]malen Verbindungsweg plötzli[X.] und überras[X.]end gegenübergetre-e-packt und gegen eine Wand gedrückt. Dann habe er mit dem [X.] vor

H.

herumgefu[X.]telt, die ihre
Hände s[X.]ützend vor ihren Körper gehalten ha-be, und ihr dabei eine einen Zentimeter lange S[X.]nittwunde zwis[X.]en dem zweiten und dritten Finger der re[X.]ten Hand zugefügt. Aufgrund der [X.] von

H.

sei der Nebenkläger hinzugeeilt und habe versu[X.]t, den Angeklagten wegzustoßen oder wegzuziehen. Der Angeklagte habe [X.] mit dem [X.] ausgeholt und habe von oben herab in Ri[X.]tung des Kopfes des [X.] ges[X.]lagen. Dabei habe er den Nebenkläger, der den S[X.]lag abfangen wollte, erhebli[X.] an der linken Hand verletzt, so dass [X.] operativ habe versorgt werden müssen.

II.
Das [X.] hat im Wesentli[X.]en folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
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-
1. Bei dem vielfa[X.] vorbestraften Angeklagten bestehen mehrere [X.] Krankheitsbilder, nämli[X.] eine ausgeprägte
Polytoxikomanie und eine hirnorganis[X.]e [X.] aufgrund dur[X.] exzessiven Alko-holkonsums hervorgerufenen Nervenzelluntergangs im Gehirn, begleitet von einer intellektuellen Minderbegabung. Die Störungen wirken si[X.] dabei insbe-sondere so aus, dass der Angeklagte wi[X.]tige und unwi[X.]tige Dinge vermis[X.]t, völlig unreflektiert und im Übermaß Alkohol und Drogen konsumiert sowie per-sönli[X.]keitsbedingt eine hohe Kritiklosigkeit, Verführbarkeit, Unorganisiertheit, Impulshaftigkeit sowie fehlende Selbstkritik und fehlende Eigenreflexion zeigt. Aufgrund der psy[X.]opathologis[X.]en Krankheitsbilder und der intellektuellen Minderbegabung ist der Angeklagte zu kreativen Lügen ni[X.]t in der Lage. Eine erhöhte Aggressivität ist beim Angeklagten ni[X.]t vorhanden.
2. Am Abend des 29.
Januar 2016 begab si[X.] der Angeklagte in ein Wäld[X.]en am Stadtrand von [X.]

, um dort mit einem von ihm um den -

cm langen s[X.]arfen Klinge und einem Gewi[X.]t von wenigen 100 Gramm Wurzeln auszugraben, die er später in Weihna[X.]tskrippen einbauen wollte. Na[X.]dem er in erhebli[X.]em Umfang Bier konsumiert, einen Joint mit synthetis[X.]en Drogen gerau[X.]t und eine Tablette Rohypnol eingenommen hatte, begab si[X.] der [X.] zur Wohnung der

H.

, um sowohl gegenüber ihr als au[X.] gegenüber dem Nebenkläger Geldforderungen von jeweils 50
Euro einzutreiben. Da beide auf sein Klingeln an der Wohnungstür ni[X.]t öffneten, warf er kleine Geldmünzen gegen das rückwärtige Fenster, was ebenfalls igno-riert wurde.
Gegen
21.30 Uhr verließen

H.

und der Nebenkläger die [X.], na[X.]dem sie na[X.] einem lauten Geräus[X.] festgestellt hatten, dass ein Briefkasten bes[X.]ädigt war, und sie den Angeklagten als Täter vermuteten. Im 5
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sog. [X.] trafen sie auf den Angeklagten, wobei es zu einer tätli[X.]en Auseinandersetzung kam, an der alle drei beteiligt waren. Der Angeklagte -atz, wobei

H.

und der Nebenkläger dur[X.] dieses verletzt wurden.

H.

zog si[X.] dabei eine etwa einen Zentimeter lange S[X.]nittwunde an der re[X.]ten Hand sowie [X.] an beiden Armen zu. Der Nebenkläger erlitt eine S[X.]nittwunde am re[X.]ten Daumen mit Teildur[X.]trennung der langen Streck-sehne des Daumens sowie eine Verletzung einer Arterie, die sofort zu einem spritzenden Blutaustritt führte. Der Angeklagte erlitt [X.] am Auge und am re[X.]ten Knie sowie Hautdefekte und beklagte Prellungen am [X.]. Die Auseinandersetzung endete damit, dass der Nebenkläger wegrann-te und

H.

ihm auf Zuruf folgte. Der Angeklagte entfernte si[X.] in Ri[X.]-tung seiner Unterkunft. Als er die dort bereits wartende Polizei bemerkte, warf er das [X.] in einer Entfernung von wenigen hundert Metern in ein Gebüs[X.].
Aufgrund der Wirkungen des Alkohols und der vom Angeklagten zudem konsumierten Drogen sowie seiner hirnorganis[X.]en [X.] war zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsi[X.]t in das Unre[X.]t seines Tuns die Steue-rungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben.
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7
-
3. Der nähere Ablauf der tätli[X.]en Auseinandersetzung war für das [X.] ni[X.]t aufklärbar. Ausgehend von einer Gesamtwürdigung aller be-deutsamen Umstände ist das [X.] unter Anwendung des [X.] zugunsten des Angeklagten von folgendem Tatges[X.]ehen ausgegangen:
Unmittelbar na[X.] dem Zusammentreffen attackierten

H.

und der Nebenkläger den Angeklagten mit Pfefferspray. Um si[X.] gegen weitere An--h-men von mit Verteidigungswillen geführten Handlungen nahm er dabei billigend in Kauf.

H.

und der Nebenkläger s[X.]lugen sodann auf den Angeklag--Wehr setzte. Die von

H.

erlittene S[X.]nittwunde wurde ni[X.]t dadur[X.] verursa[X.]t, dass der Angeklagte gezielt na[X.] ihr
s[X.]lug. Vielmehr griff sie selbst in die S[X.]neide des [X.]s, mit dem der Angeklagte vor ihr in seitli[X.]er Bewegung hin und her fu[X.]telte. Die S[X.]nittwunde des [X.] entstand dadur[X.], dass der An-geklagte mit dem [X.] einen seitli[X.] gegen den Körper des [X.] ge-ri[X.]teten S[X.]lag ausführte. Andere Mittel, den gemeins[X.]aftli[X.] von

H.

und dem Nebenkläger geführten Angriff effektiv abzuwehren, standen dem Angeklagten ni[X.]t zur Verfügung. Im Hinblick auf seine massiv blutende Verlet-zung verließ der Nebenkläger flu[X.]tartig den [X.], während

H.

no[X.] weiter auf den Angeklagten eins[X.]lug und

als dieser aufgrund der Wirkungen des Pfeffersprays oder der S[X.]läge s[X.]ließli[X.] zu Boden gegangen war

au[X.] no[X.] eintrat. Auf das Zurufen des [X.] ließ au[X.] sie vom Angeklagten ab und folgte dem Nebenkläger.
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10
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8
-
Auf dieser Grundlage hat das [X.] angenommen, dass die vom Angeklagten der Ges[X.]ädigten

H.

und dem Nebenkläger zugefügten Verletzungen au[X.] im Rahmen einer dur[X.] Notwehr (§
32 StGB) gere[X.]tfertig-ten Verteidigungshandlung entstanden sein konnten. Es hat daher den Ange-klagten

der im Übrigen wegen seines Raus[X.]es ni[X.]t auss[X.]ließbar [X.] gewesen sei

[X.]li[X.]en Gründen freigespro[X.]en.

III.
Die Revision der Staatsanwalts[X.]aft bleibt ohne Erfolg.
1. Die Aufklärungsrüge, mit der die Staatsanwalts[X.]aft die unterlassene Vernehmung zweier Polizeibeamter beanstandet, ist jedenfalls unbegründet.
Sie enthält zwar neben der Benennung der beiden Polizeibeamten als n-det, dass es am Abend na[X.] der Festnahme des Angeklagten keinerlei [X.] dafür gab, dieser könne zuvor mittels Pfefferspray attackiert worden

11). Zu dieser Beweisaufnahme musste si[X.] das [X.] je-do[X.] ni[X.]t gedrängt sehen. Denn das [X.] ist von der Annahme, dass bei der Festnahme des Angeklagten keine Anzei[X.]en für die Anwendung von Pfefferspray vorhanden waren, bereits aufgrund der Vernehmung von [X.] S.

ausgegangen, der den Angeklagten na[X.] Mitter-na[X.]t
der Tatna[X.]t festgenommen hatte ([X.]
21). Dieser hatte bekundet, [X.] wahrgenommen habe, wo-bei er den dur[X.]dringenden Geru[X.] an einer Oberbekleidung, die (fris[X.]) mit

21). 11
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Damit liegt kein Aufklärungsdefizit vor. Vielmehr hat das [X.] ledigli[X.] aus dem Fehlen von Anhaltspunkten für einen Pfeffersprayeinsatz im Festnah-mezeitpunkt ni[X.]t den von der Bes[X.]werdeführerin erstrebten S[X.]luss gezo-gen, dass im Rahmen des Tatges[X.]ehens kein Pfefferspray eingesetzt worden sei ([X.]).
2. Au[X.] die Na[X.]prüfung des Urteils aufgrund der Sa[X.]rüge deckt keinen Re[X.]tsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
a) Das Urteil genügt den Darstellungsanforderungen des §
267 Abs.
5 Satz
1 [X.].
Das [X.] hat in den Urteilsgründen zuerst den [X.] aufgezeigt und sodann den festgestellten Sa[X.]verhalt ges[X.]ildert, wobei es in einer ges[X.]lossenen Darstellung zunä[X.]st diejenigen Tatsa[X.]en zum objekti-ven Tatbestand festgestellt hat, die es für erwiesen hält (vgl. zu den Darstel-lungsanforderungen [X.], Urteil vom 10. August 2011

1
StR 114/11, [X.], 110). Erst im Ans[X.]luss daran folgt die Beweiswürdigung, in der das [X.] dargelegt hat, aus wel[X.]en Gründen es si[X.] vom Tatvorwurf ni[X.]t überzeugen konnte (vgl. dazu [X.],
Urteil vom 8.
Mai 2014

1
StR 722/13 mwN). Diese Darstellung ermögli[X.]te dem Senat die Überprüfung, ob dem [X.] Re[X.]tsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Ents[X.]ei-dungsgegenstand bildende Sa[X.]verhalt ers[X.]öpfend gewürdigt worden ist (vgl. dazu [X.], Urteil vom 23.
Juli 2008

2
StR 150/08, [X.]St 52, 314).
b) Au[X.] die Beweiswürdigung hält re[X.]tli[X.]er Na[X.]prüfung stand.
aa) Das Revisionsgeri[X.]t muss es grundsätzli[X.] hinnehmen, wenn das Tatgeri[X.]t einen Angeklagten freispri[X.]t, weil es Zweifel an seiner Täters[X.]aft ni[X.]t zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sa[X.]e des Tatri[X.]ters 15
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10
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261 [X.]). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine S[X.]lussfolgerungen brau[X.]en ni[X.]t zwingend zu sein, es genügt, dass sie mögli[X.] sind (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 10.
Mai 2017

2
StR 258/16 und vom 12.
Februar 2015

4
StR 420/14, [X.], 148 mwN). Es kommt ni[X.]t darauf an, ob das Revisionsgeri[X.]t [X.] Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden
hätte. Vielmehr hat es die tatri[X.]terli[X.]e Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wä-re (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 2015

5
StR 521/14, [X.], 178, 179). Die revisionsgeri[X.]tli[X.]e Prüfung bes[X.]ränkt si[X.] allein darauf, ob dem Tatri[X.]ter Re[X.]tsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sa[X.]li[X.]-re[X.]tli[X.]er Hinsi[X.]t der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprü[X.]li[X.], unklar oder lü-ckenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesi[X.]erte Erfahrungssätze ver-stößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 1.
Juni 2016

1
StR 597/15, Rn. 27 mwN [insoweit in [X.], 272 ni[X.]t abgedruckt]).
Das Urteil muss zudem erkennen lassen, dass der Tatri[X.]ter sol[X.]e Um-stände, die
geeignet sind, die Ents[X.]eidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss si[X.] ferner ergeben, dass die einzelnen [X.] ni[X.]t nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Ge-samtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 23.
Juli 2008

2
StR 150/08, [X.], 2792, 2793 mwN). Re[X.]tsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung s[X.]ließli[X.] dann, wenn der Tatri[X.]ter an die zur Verurteilung erforderli[X.]e Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt und dabei ni[X.]t bea[X.]tet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig auss[X.]ließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit ni[X.]t erforderli[X.] ist. Denn es genügt ein na[X.] der Lebenserfahrung ausrei[X.]endes Maß an Si[X.]erheit, das vernünftige und ni[X.]t bloß auf denktheoretis[X.]e Mögli[X.]keiten gegründete 20
-
11
-
Zweifel ni[X.]t zulässt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 12.
Juli 2017

1
StR
535/16, Rn.
7; vom 12.
Januar 2017

1
StR 360/16, Rn. 10
und
vom 11.
Mai 2017

4 StR 554/16, Rn. 6; jeweils mwN). Dabei ist es weder im [X.] auf den [X.] no[X.] sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsä[X.]li[X.]en Anhaltspunkte erbra[X.]t hat (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 27.
September 2017

2
StR 146/17, [X.], 383
und vom 22.
September 2016

2
StR 27/16, Rn.
26, jeweils mwN).
[X.]) Ausgehend von diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung re[X.]tli-[X.]er Na[X.]prüfung stand.
(1) Der Senat besorgt ni[X.]t, das [X.] könnte überspannte Anfor-derungen an die Überzeugungsbildung von der S[X.]uld des Angeklagten gestellt haben. Dies gilt au[X.], soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass Teile der Eiseien ([X.]
16). Das [X.] hat dies angenommen für die Behauptungen des Angeklagten, der Nebenkläger habe zuerst die Auseinandersetzung mit ihm gesu[X.]t,

H.

oder der Nebenkläger hätten ein Pfefferspray eingesetzt, beide hätten auf ihn einges[X.]lagen sowie für die Einlassung des Angeklagten, -

16). Es hat hierdur[X.] jedo[X.] ni[X.]t gegen den [X.] verstoßen. Denn das [X.] hat diese Behauptungen des Angeklagten ni[X.]t als unwiderlegbar seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Vielmehr hat es eine re[X.]tsfehlerfreie Gesamtwürdigung aller festgestellten Indiztatsa[X.]en dur[X.]geführt, bei der es den Umstand, dass es für diese Teile der Einlassung des Angeklagten keine Beweise gibt, berücksi[X.]tigt hat ([X.]
25
f.). Erst aufgrund dieser Gesamtwür-digung ist das [X.] zu dem Ergebnis gelangt, dass es Zweifel an der dem Angeklagten zur Last liegenden Tatbegehung ni[X.]t zu überwinden ver-21
22
-
12
-
mo[X.]te. Dies re[X.]tfertigte die Freispre[X.]ung des Angeklagten aus tatsä[X.]li[X.]en e-nen Gesamtwürdigung bestehen au[X.] keine Anhaltspunkte dafür, das Landge-ri[X.]t
könnte re[X.]tsfehlerhaft davon ausgegangen sein, dass für eine Verurtei-lung eine absolute, das Gegenteil denknotwendig auss[X.]ließende und von nie-mandem anzweifelbare Gewissheit erforderli[X.] sei.
(2) Das Urteil lässt au[X.] erkennen, dass das [X.] all diejenigen Umstände, die geeignet sind, die Ents[X.]eidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezo-gen hat.
Insbesondere hat es ausdrückli[X.] in
den Blick genommen, dass

H.

und der Nebenkläger eine für si[X.] plausibel ers[X.]einende S[X.]ilderung des Ges[X.]ehens abgegeben haben. Es hat aber i-das Verlassen der Wohnung, in die Gesamtwürdigung eingestellt. Ohne Re[X.]tsfehler durfte das [X.] angesi[X.]ts der Feststellungen der Sa[X.]-verständigen

Fe.

zum Vorhandensein von Antragungen von typis[X.]en [X.] ([X.]
20) den Einsatz von Pfefferspray im Rahmen der Auseinandersetzung als naheliegend ([X.]
25) werten. Das [X.] hat in seine Gesamtwürdigung au[X.] eingestellt, dass die Einlas-we[X.]selnde Tats[X.]ilderungen abgegeben, sondern anfangs au[X.] jegli[X.]e Ver-wendung einer Waffe bestritten, die Waffe sogar versteckt und davon gespro-

26).
23
24
-
13
-
Der Umstand, dass das [X.] si[X.] trotz dieser Unstimmigkeiten im Einlassungsverhalten des Angeklagten in der Gesamts[X.]au ni[X.]t mit hinrei-[X.]ender Si[X.]erheit von einem dem Tatvorwurf entspre[X.]enden Ges[X.]ehen überzeugen konnte, ist re[X.]tli[X.] ni[X.]t zu beanstanden. Denn es kommt ni[X.]t darauf an, ob das Revisionsgeri[X.]t angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatri[X.]terli[X.]e Überzeu-gungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre.
Es bestehen hier au[X.] keine Anhaltspunkte dafür, das [X.] könnte verkannt haben, dass für die Überzeugungsbildung ein na[X.] der Lebenserfahrung ausrei[X.]endes Maß an Si[X.]erheit, das vernünftige Zweifel ni[X.]t zulässt, ausrei[X.]t.
(3) Die Beweiswürdigung ist au[X.] ni[X.]t deshalb lückenhaft, weil das [X.] die Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren ni[X.]t im Einzelnen dargestellt hat. Zwar kann ein We[X.]sel der Einlassung eines Be-s[X.]uldigten im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unri[X.]tigkeit seiner Ein-lassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswür-digung verringern oder sogar ganz entfallen lassen (vgl. [X.], Urteile vom 6.
November 2003

4
StR 270/03, [X.], 88 und vom 16.
August 1995

2 [X.], [X.]R [X.] §
261 Einlassung
6). Eine widerlegte Einlas-sung kann aber grundsätzli[X.] ni[X.]t allein zur Grundlage einer dem Angeklagten ungünstigen Sa[X.]verhaltsdarstellung gema[X.]t werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl.,
§ 261 Rn.
11a). Vielmehr bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Indizien, in die der Umstand, dass die Einlassung des Angeklagten widerlegt worden ist, einzubeziehen ist.
25
26
-
14
-
Diesen Anforderungen genügt das angefo[X.]tene Urteil. Das [X.] hat ausdrückli[X.] berücksi[X.]tigt, dass der Angeklagte mehrfa[X.] we[X.]selnde Tats[X.]ilderungen abgegeben und zunä[X.]st sogar jegli[X.]e Verwendung einer Waffe bestritten hatte ([X.]). Es hat re[X.]tsfehlerfrei die in weiten Teilen widerlegte Einlassung des Angeklagten ([X.] 15f-ie Gesamtwürdigung im Rahmen der Beweisaufnahme eingestellt ([X.]
26). Auf die Einzelheiten seiner Einlassungen bei polizeili[X.]en Vernehmun-gen im Ermittlungsverfahren kam es hier ersi[X.]tli[X.] ni[X.]t an. Denn das Landge-ri[X.]t hat dargelegt, dass der Angeklagte an einer hirnorganis[X.]en Persönli[X.]-keitsstörung leidet und si[X.] aufgrund seines Alkohol-
und Drogenkonsums zum Tatzeitpunkt in einem Zustand ni[X.]t auss[X.]ließbar vollständig aufgehobener Steuerungsfähigkeit befand, die si[X.] dergestalt auf sein Einlassungsverhalten ausgewirkt haben konnte, dass er die Ges[X.]ehensabläufe abwei[X.]end von der Realität erinnerte oder Erinnerungslücken konfabulatoris[X.] ausfüllte ([X.]
26).

IV.
Die zuletzt nur no[X.] auf die Sa[X.]rüge gestützte Revision des Nebenklä-gers ist ebenfalls unbegründet.
Die Beweiswürdigung hält aus den bereits zur Revision der Staatsan-walts[X.]aft ausgeführten Gründen re[X.]tli[X.]er Na[X.]prüfung stand. Der Erörte-rung eines mögli[X.]en Notwehrexzesses bedurfte es ni[X.]t, weil es an [X.] für eine mögli[X.]e Übers[X.]reitung der Grenzen der Notwehr fehlt. Sol-[X.]e ergeben si[X.] au[X.] ni[X.]t aus der Art der vom Nebenkläger erlittenen Verlet-
ehen, dass dieser mit 27
28
29
-
15
-
dem [X.] ledigli[X.] einen seitli[X.] geführten S[X.]lag gegen den Körper des [X.] ausführte, na[X.]dem er es vorher bereits drohend vor si[X.] her ge-s[X.]wungen hatte, wobei ihm andere Mittel, um den gegen ihn geführten Angriff abzuwehren, ni[X.]t zur Verfügung standen ([X.] 9, 24).

V.
Wegen der Kostenents[X.]eidung verweist der Senat auf [X.], Bes[X.]luss vom 20. Dezember 1957

1 StR 33/57, [X.]St 11, 189 und [X.], Urteil vom 30.
September 2004

5 [X.]/04 mwN. Angesi[X.]ts des weitergehenden Re[X.]tsmittels der Staatsanwalts[X.]aft, das si[X.] au[X.] gegen den Freispru[X.] vom Tatvorwurf einer gefährli[X.]en Körperverletzung gegenüber

H.

ri[X.]tet, ers[X.]eint es angemessen, hier von einer Belastung des [X.] mit ge-ri[X.]tli[X.]en Auslagen
des Revisionsverfahrens neben der Staatskasse ganz ab-zusehen.
Graf

Jäger

Bellay

Cirener

Frau Rin[X.] [X.]

ist wegen urlaubsbedingter

Abwesenheit an der

Unters[X.]rift gehindert.

Graf

30

Meta

1 StR 261/17

21.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2017, Az. 1 StR 261/17 (REWIS RS 2017, 2008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2008

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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