Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.11.2011, Az. 2 C 57/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 1136

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Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, weiterhin Beamtin des beklagten [X.] zu sein.

2

Durch das [X.] in [X.] vom 12. Dezem[X.] 2006 ([X.]. [X.] [X.]) wurden die staatlichen Aufgaben der Umweltverwaltung des beklagten [X.] zum 1. Januar 2007 bei den [X.] gebündelt. In einem zweiten Schritt zur Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform wurden Zuständigkeiten im Umweltrecht den [X.]n und kreisfreien Städten zugewiesen. Dies geschah mit dem Gesetz zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts vom 11. Dezem[X.] 2007 ([X.]. [X.] S. 662, [X.]. 2008, [X.]. [X.] S. 155), dessen Artikel 61 das [X.] und finanzwirtschaftlichen Folgen der Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts (im Folgenden: [X.]) enthält. Ein Teil der bei den [X.] mit Aufgaben der Umweltverwaltung betrauten Beamten sollte zum 1. Januar 2008 auf der Grundlage dieses Gesetzes und eines von der jeweiligen Bezirksregierung zu erstellenden [X.] in den Dienst einer kommunalen Körperschaft treten. §§ 1 und 2 [X.] lauten:

"§ 1

Grundsatz

Das Land stellt den [X.]n und kreisfreien Städten das zur Erfüllung der ihnen durch die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz zum 1. Januar 2008 neu ü[X.]tragenen Aufgaben erforderliche Fachpersonal zur Verfügung. Die Zahl der Stellen, die für die Erfüllung der neuen Aufgaben erforderlich sind, und ihre Verteilung auf die [X.] und kreisfreien Städte ergeben sich aus der Anlage 1.

§ 2

Beamte

(1) Die Beamten der [X.], die mit den Aufgaben nach § 1 betraut sind, gehen kraft Gesetzes nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die [X.] und kreisfreien Städte ü[X.].

(2) Die jeweilige Bezirksregierung [X.]eitet den Personalü[X.]gang vor der Ü[X.]tragung der Aufgaben auf der Grundlage eines [X.] vor. Der [X.] ist im Einvernehmen mit dem [X.], Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter Berücksichtigung [X.] Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.

(3) Zwischen dem Land [X.] - vertreten durch die jeweilige Bezirksregierung - und der ü[X.]nehmenden kommunalen Körperschaft werden Personalü[X.]leitungsverträge geschlossen."

3

In der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz ([X.]) vom 11. Dezem[X.] 2007, die als Art. 15 des [X.] von Aufgaben des Umweltrechts vom 11. Dezem[X.] 2007 erlassen worden ist, sind detailliert die ü[X.]tragenen Aufgaben aufgelistet.

4

Der im Okto[X.] 2007 von der Bezirksregierung, bei der die Klägerin tätig war, erstellte und dem Innenministerium unterbreitete [X.] sah vor, dass die Klägerin zum 1. Januar 2008 auf die Beigeladene ü[X.]gehen solle. Im Novem[X.] 2007 teilte die Bezirksregierung der Klägerin mit, nach der Billigung des [X.] durch die zuständigen Ministerien werde sie vorbehaltlich der Verabschiedung des geplanten Gesetzes per Gesetz zum 1. Januar 2008 in den Dienst der Beigeladenen ü[X.]geleitet.

5

Die Klägerin ist mit ihrem Klagebegehren auf Feststellung, dass sie weiterhin in einem Beamtenverhältnis zum beklagten Land steht, in beiden Instanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die beabsichtigte Ü[X.]leitung nicht eingetreten sei. Das Personalfolgengesetz lege nicht selbst fest, welche Beamte beim Land verbleiben und welche Beamte zu welcher Körperschaft ü[X.]gehen sollten. Auch bei einer Gesamtbetrachtung von Gesetz und [X.] sei die Ü[X.]leitung nicht herbeigeführt worden. Dem Gesetz könne im Wege der Auslegung nicht entnommen werden, dass dem [X.] diese Rechtsfolge zukommen solle. Diese Auslegung sei im Übrigen auch verfassungsrechtlich geboten.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten [X.], mit der es beantragt,

die Urteile des O[X.]verwaltungsgerichts für das Land [X.] vom 24. Septem[X.] 2010 sowie des [X.] vom 30. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des beklagten [X.] ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen [X.] Recht entschieden, dass die Klägerin am 1. Januar 2008 nicht Beamtin der Beigeladenen geworden, sondern Beamtin des beklagten [X.] geblieben ist. Das [X.] ist nicht geeignet gewesen, einen [X.] herbeizuführen. Dies ergibt die Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte.

9

Gemäß § 2 Abs. 1 [X.] gehen die Beamten der [X.]en, die mit den zum 1. Januar 2008 kommunalisierten Aufgaben der Umweltverwaltung betraut sind, zwar kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die [X.] und kreisfreien Städte als die neuen Aufgabenträger über, allerdings "nach Maßgabe der Absätze 2 und 3". Nach § 2 Abs. 2 [X.] bereitet die jeweilige [X.] den [X.] auf der Grundlage eines von ihr erstellten [X.] vor.

Der [X.] obliegt nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 [X.] eine vorbereitende Aufgabe, die ihrerseits auf der Grundlage des zuvor von ihr erstellten [X.] zu erfolgen hat. Das bedeutet zwingend, dass das [X.] die in seinem § 2 Abs. 1 gewollte gesetzliche Überleitung nicht an den [X.] oder an dort getroffene Festlegungen knüpft, sondern gemäß seinem § 2 Abs. 2 an einen weiteren behördlichen Akt, der auf der Grundlage des [X.] zu ergehen hat. Worin dieser behördliche Akt bestehen soll, der dann die gesetzliche Überleitung auslösen würde, wird im [X.] nicht geregelt und erschließt sich auch nicht auf andere Weise.

Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Ziel des § 2 [X.] war, die ordnungsgemäße Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben durch die kommunalen Körperschaften ohne zeitliche Verzögerung sicherzustellen. Das sollte durch die Überleitung der mit den Aufgaben bislang betrauten Beamten erreicht werden. Dieses Ziel besagt aber nichts über den dabei einzuschlagenden Weg. Die erforderlichen [X.] hätten auch auf gesetzlicher Grundlage durch Verwaltungsakt angeordnet werden können (vgl. §§ 128 ff. [X.]. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die rechtsstaatlich gebotenen Verfahrensrechte der betroffenen Beamten hätten beachtet und deren schutzwürdige Belange in die Entscheidungsfindung im Einzelfall hätten einfließen können. In den Fällen der Anfechtung von Verwaltungsakten hätte die Wahrnehmung der versorgungsrechtlichen Aufgaben bei dem neuen Dienstherrn durch Abordnungen sichergestellt werden können, wie dies auch geschehen ist.

Das [X.] enthält auch deshalb keine gesetzliche Überleitung, weil wesentliche im Zusammenhang mit einer solchen Überleitung zu regelnde Fragen nicht normiert sind. Das betrifft insbesondere die Frage, wann die Verbindlichkeit der [X.] im Sinne ihrer "Endgültigkeit" eintritt, also ab wann die [X.] nicht mehr von der [X.] geändert werden konnten, so dass danach abweichende Regelungen nur über die Maßnahmen Versetzung und Abordnung durch den neuen Dienstherrn zu treffen wären. Auch die Frage, nach welchen Kriterien Beamte beim Land verbleiben oder zu einer Kommune übergeleitet werden sollten, ist nicht geregelt. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da die [X.]en als die bisherigen Beschäftigungsbehörden - anders als die [X.] bei der Kommunalisierung der [X.] (vgl. das Urteil des Senats vom 24. November 2011 - BVerwG 2 C 50.10 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) - fortbestanden und viele Beamte neben zur Kommunalisierung vorgesehenen Aufgaben auch andere, in der Zuständigkeit der [X.]en bleibende Aufgaben wahrnahmen mit der Folge, dass deshalb nur ein Teil der von § 2 Abs. 1 [X.] erfassten Beamten auch tatsächlich auf eine Kommune übergehen sollte.

In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des [X.]es führen die Gesetzesmaterialien nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar hat die [X.]regierung in der amtlichen Begründung zu ihrem Gesetzentwurf ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Überleitung kraft Gesetzes erfolgen soll. So heißt es zu § 2 Abs. 1 [X.] ([X.]/4973 vom 6. September 2007, [X.]): "Die Beamten, die im Zuge der Reform den Dienstherrn wechseln, werden durch gesetzliche Regelung zum 1. Januar 2008 auf die jeweilige aufnehmende Körperschaft übergeleitet. [X.] im Sinne des § 28 [X.]beamtengesetz finden nicht statt." (vgl. auch die amtliche Begründung zu § 2 Abs. 2 [X.]: "Die Vorschrift enthält Rahmenregelungen für das Verfahren und die Kriterien der Personalauswahl. Die jeweilige [X.] entscheidet noch vor Übertragung der Aufgaben, welche Beamten zu welchen neuen Aufgabenträgern übergeleitet werden. Die neuen Aufgabenträger erhalten weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten. Die gesetzliche Festlegung des Auswahlverfahrens dient der Bestimmtheit der gesetzlichen Maßnahme der Personalüberleitung.").

Allerdings hat dieser Wille keinen Niederschlag im Gesetz gefunden und ist deshalb unbeachtlich. Wie dargelegt lässt § 2 Abs. 2 [X.] nur den Schluss zu, dass zum [X.] noch etwas hinzukommen muss, um die Überleitung kraft Gesetzes auszulösen, ohne dass das [X.] dieses "etwas" regelt. Der Gesetzgeber überlässt es der [X.], die konkrete Auswahl zu treffen, welcher Beamte übergeleitet wird und welcher Beamte - unter Berücksichtigung [X.] Kriterien und dienstlicher Belange - beim Land verbleibt. Dementsprechend wurde auch bei der Anwendung des Gesetzes verfahren.

Nach alledem bedarf es keiner Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Überleitungsregelungen des [X.]es, so dass sich schon deshalb die Frage einer Vorlage an das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht stellt. Allerdings unterläge ein Regelungsmodell, das den [X.] an einen verwaltungsinternen, nicht auf unmittelbare Rechtswirkungen im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG gerichteten Plan knüpft, wegen der damit verbundenen Verkürzung der Verfahrensrechte der betroffenen Beamten und deren Recht auf effektiven Rechtsschutz schwerwiegenden Bedenken.

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob dem Land die Gesetzgebungskompetenz für den sogenannten [X.] [X.] und damit für den Erlass der Überleitungsregelungen des [X.]es zustand. Dies hängt vom Bedeutungsgehalt des Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ab, der durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 ([X.]) mit Wirkung vom 1. September 2006 eingeführt wurde. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des [X.] auf die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder (und der anderen dienstherrnfähigen Körperschaften) mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung. Dieser Wortlaut deutet darauf hin, dass statusändernde Maßnahmen, zu denen der [X.] gehört, erfasst werden. Andererseits entspricht dies wohl nicht den Vorstellungen des [X.], der die Gesetzgebungskompetenz des [X.] auf grundlegende Statusangelegenheiten beschränken wollte (vgl. BTDrucks 16/813 S. 14; Bericht der [X.], in: [X.]tag/[X.]rat, Dokumentation der Kommission von [X.]tag und [X.]rat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, [X.] ff.).

Schließlich bedarf es auch keiner Anrufung des Gemeinsamen Senats im Hinblick auf das Urteil des [X.]arbeitsgerichts vom 14. Juli 2010 - 10 [X.] - ([X.]. 12 Nr. 143) zur Überleitung der [X.] Tarifbeschäftigten. Denn in diesem Urteil wurden andere Normen zugrunde gelegt als die für die Überleitung von Beamten maßgeblichen (insbesondere § 3 statt § 2 [X.]). Außerdem sieht das [X.] für Tarifbeschäftigte keinen Arbeitgeberwechsel, sondern lediglich eine Personalgestellung durch das Land vor.

Meta

2 C 57/10

24.11.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. September 2010, Az: 6 A 2143/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.11.2011, Az. 2 C 57/10 (REWIS RS 2011, 1136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1136

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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10 AZR 182/09

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