Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 07.11.2012, Az. 2 BvR 1567/11

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2012, 1661

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten durch Unterbringung in einem Haftraum mit nur wenig über 6 qm Grundfläche - zur Zulässigkeit der Kopplung des Behandlungsangebots an einen Wechsel auf eine Behandlungsstation


Gründe

1

1. a) Soweit der strafgefangene Beschwerdeführer rügt, dass seine Behandlung von einer Verlegung in einen menschenunwürdigen Haftraum auf der [X.] der Justizvollzugsanstalt abhängig gemacht werde, ist die Verfassungsbeschwerde, soweit nicht bereits unzulässig, unbegründet.

2

aa) Die Unterbringung eines einzelnen Gefangenen in einem Haftraum, in dem ihm eine Grundfläche von nur wenig über 6 mBrânduşe ./. [X.], Beschwerde Nr. 6586/03, Rn. 49; Urteil vom 20. Januar 2009,  Sławomir Musiał ./. Polen, Beschwerde Nr. 28300/06, Rn. 95; Urteil vom 16. Juli 2009, [X.] ./. [X.], Beschwerde Nr. 22635/03, Rn. 43; Urteil vom 12. März 2009, [X.] ./. [X.], Beschwerde Nr. 15217/07, Rn. 93; Urteil vom 22. Mai 2012, [X.] ./. [X.], Beschwerde Nr. 5826/03, Rn. 101, m.w.N.). Das [X.] oder erniedrigender Behandlung ([X.]) hat für Hafträume, die in Einzelbelegung für Aufenthalte von mehr als einigen Stunden Dauer vorgesehen sind, eine Grundfläche von 7 m

3

bb) Soweit der Beschwerdeführer die Unzumutbarkeit der ihm angebotenen Unterbringung im Verfassungsbeschwerdeverfahren zusätzlich mit dem Verweis darauf begründet, dass ihm in der angebotenen Zelle aufgrund der gegebenen Ausstattung weniger als 2 m² freie Bodenfläche zur Verfügung stehe und das [X.] erst in einer Höhe von zwei Metern über dem Boden beginne sowie durch doppelte Vergitterung eine zu geringe [X.] aufweise, ist die Verfassungsbeschwerde - unabhängig von der Frage, inwieweit damit Menschenwürdeverstöße oder sonstige Rechtsverletzungendargetan sind - unzulässig, weil insoweit der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt ist, der es erfordert, dass vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde die Möglichkeiten der Abwehr des gerügten [X.] im fachgerichtlichen Verfahren genutzt werden (vgl. [X.] 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; dort auch zur diesbezüglichen Darlegungslast). Der Beschwerdeführer hat es, soweit aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, versäumt, das von ihm für unzureichend erachtete Maß an verbleibender freier Bodenfläche und die Beschaffenheit des Haftraumfensters bereits im fachgerichtlichen Verfahren zu rügen.

4

b) Soweit die Verfassungsbeschwerde dahin zu verstehen sein sollte, dass der Beschwerdeführer die Koppelung des Behandlungsangebots an einen Wechsel in die angebotene Zelle auch unabhängig davon, ob diese Unterbringung als solche die Grenzen des Zumutbaren überschreitet, im Hinblick darauf beanstanden will, dass eine einzeltherapeuthische Behandlung ohne einen Wechsel auf die [X.]ermöglicht werden könne, ist - abgesehen davon, dass auch insoweit der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt sein dürfte - ein Grundrechtsverstoß nicht ersichtlich. Im Hinblick auf das legitime Ziel eines möglichst effizienten Einsatzes der [X.] ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Justizvollzugsanstalt diesen Einsatz an einen Wechsel der jeweiligen Gefangenen auf die [X.] koppelt, die aufgrund der Gesamtheit der dortigen Wohn- und Behandlungsbedingungen insgesamt einen günstigeren Rahmen für therapeutische Erfolge bietet. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, die Behandlung eines Gefangenen dürfe nicht von der Zustimmung zur Unterbringung in einen mehrfach belegten Haftraum abhängig gemacht werden (vgl. § 18 HStVollzG), kommt es nicht an, da die Behandlung des Beschwerdeführers nicht von der Unterbringung in einem mehrfach belegten Haftraum, sondern von einem Wechsel in einen - wenn auch besonders kleinen - Einzelhaftraum abhängig gemacht wurde.

5

2. Die Frage, ob in dem Umstand, dass die Justizvollzugsanstalt einzeltherapeutische Behandlung nur auf einer einzigen von mehreren Stationen für einen Bruchteil der Gefangenen anbietet, eine mit dem Anspruch auf einen resozialisierungsorientierten Strafvollzug (vgl. [X.] 98, 169 <200 f.>; 116, 69 <85 f.>; stRspr) unvereinbare Unterausstattung mit [X.] zum Ausdruck kommt, stellt sich im vorliegenden Fall nicht als eine die Grundrechte des Beschwerdeführersbetreffende Frage. Denn die Behandlung des Beschwerdeführersist nicht an einer etwaigen Unterausstattung der Justizvollzugsanstalt mit [X.], sondern an seinem Unwillen, sich in den angebotenen Haftraum auf der [X.] verlegen zu lassen, gescheitert. Ein grundrechtlicher Anspruch des Gefangenen darauf, dass ihm unabhängig von berechtigten organisatorischen Belangen der Anstalt und unabhängig von sachlichen Gesichtspunkten der Behandlungsoptimierung bestimmte Behandlungsmöglichkeiten an seinem bisherigen [X.] innerhalb der Anstalt, also ohne Verknüpfung mit einem Haftraumwechsel, angeboten werden, besteht nicht.

6

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1567/11

07.11.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Frankfurt, 16. Juni 2011, Az: 3 Ws 274/11 (StVollz), Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 3 MRK, § 18 StVollzG HE

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 07.11.2012, Az. 2 BvR 1567/11 (REWIS RS 2012, 1661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1661

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 1127/14 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Entschädigungsanspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen - hier: Verletzung der Menschenwürde durch Unterbringung in …


1 BvR 1567/14 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


1 BvR 1751/14 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


1 BvR 1406/14 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


1 BvR 1332/14 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Parallelentscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 117/16

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.