Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2010, Az. XII ZB 35/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5850

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]BESCHLUSS [X.]/10

vom 16. Juni 2010 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 1626 a, 1666, 1672, 1680; GG Art. 6; [X.] § 20 Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufent-haltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Über-tragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Ent-scheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2010 - [X.]/10 - [X.]- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juni 2010 durch die [X.] Richterin [X.], die Richterinnen [X.], [X.] und [X.] Klinkhammer und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des [X.] als Familiensenat vom 12. Juni 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen. [X.]: 3.000 • Gründe: [X.] Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die nicht verheirateten Eltern des am 13. April 2006 geborenen Kindes. Sie hatten nur eine kurzzeitige Beziehung. Die Mutter, die drei weitere Kinder hat, verheimlichte ihre Schwangerschaft. Nach der Geburt setzte sie das Kind aus, indem sie in einen anderen Stadtteil fuhr und das Kind dort vor die Tür eines Wohnhauses legte. Nachdem das Kind aufgefunden wurde, wurde es vom Jugendamt in Obhut genommen und in eine Pflegefamilie gegeben. Mutter und Vater des Kindes wurden erst später ermit-telt. Die Mutter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. 1 - 3 - [X.], die das Kind zunächst zur Adoption freigegeben hatte, ist als alleiniger Inhaberin des Sorgerechts das Aufenthaltsbestimmungsrecht [X.] und dem Jugendamt als Pfleger übertragen worden. Zwischen Vater und Kind finden in wechselndem Umfang begleitete Umgangskontakte statt. 2 3 [X.] beantragt, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Antrag zurückgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde des [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die vom Vater eingelegte Rechtsbeschwerde. I[X.] 1. Nach Auffassung des [X.]s fehlt dem Vater die Be-schwerdeberechtigung. Es hat sich auf die Rechtsprechung des [X.], dass dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerde-recht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des Familiengerichts zustehe. Erforderlich sei ein Eingriff in ein zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht. Dass er ein berechtigtes Interes-se an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben möge, genüge nicht, ebenfalls nicht sein Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG. Auf die Entschei-dung des [X.] vom 20. Oktober 2008 ([X.], 2185) könne sich der Vater nicht mit Erfolg berufen, weil diese Entscheidung den nicht vergleichbaren Fall betreffe, dass der Vater die elterliche Sorge über einen längeren Zeitraum zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich wahrgenommen habe. 4 2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 5 - 4 - a) Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.]-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - [X.] ZR 8/08 - [X.], 192). 6 7 b) Das [X.] ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 [X.] nicht für [X.] gilt (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 [X.]; vgl. [X.]/[X.] Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 57 Rdn. 31) und die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 [X.] gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 2 [X.] für Familiensachen ausdrück-lich ausgeschlossen ist (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2008 - [X.] ZB 103/08 [X.], 220 [X.]. 12 und vom 13. April 2005 - [X.] ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.). Auch entspricht es der Rechtspre-chung des Senats, dass nach der allgemeinen Regelung in § 20 [X.] dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen einen Beschluss zusteht, durch den Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt worden sind, weil ein berechtigtes Interesse nicht ausreicht und auch das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG für sich genommen keine Beschwerdeberechtigung [X.] (Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - [X.] ZB 103/08 - [X.], 220 [X.]. 13). [X.]) Ob an dieser Rechtsprechung nach dem zwischenzeitlich ergange-nen Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2009 ([X.], 103) festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall besteht die Be-sonderheit, dass die elterliche Sorge der Mutter nur noch eingeschränkt zu-steht, weil ihr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ein wesentlicher Teil der Personensorge entzogen worden ist. Der Senat hat bereits auf den Unterschied zwischen einer Entscheidung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnt, zu 8 - 5 - den Fällen hingewiesen, in denen der Mutter das Sorgerecht vom [X.] nach § 1666 BGB entzogen wurde (Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - [X.] ZB 103/08 [X.], 220 [X.]. 15). 9 Im Fall des [X.] hat das Familiengericht nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Diese Regelung begründet ein subjektives Recht des [X.], aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 [X.] ergibt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - [X.] ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969). Ein solcher Fall liegt hier vor. Durch den Entzug des Aufenthaltsbestim-mungsrechts ist die Mutter insoweit nicht mehr Inhaberin der Personensorge. Es steht demnach zwar keine vollständige Sorgerechtsentziehung in Rede, sondern nur die Entziehung einer einzelnen Befugnis. Der hinter der ersatzwei-sen Übertragung des Sorgerechts nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB ste-hende gesetzgeberische Gedanke gebietet aber auch eine Anwendung auf die Entziehung von Teilbefugnissen (zutreffend [X.] Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 7 UF 1050/09 - juris; [X.]/[X.] BGB [2009] § 1680 Rdn. 16 m.w.N.; MünchKomm/Finger 5. Aufl. § 1680 Rdn. 17; Pa-landt/[X.] BGB 69. Aufl. § 1680 Rdn. 5; [X.] 2008, 243; vgl. auch BayObLG FamRZ 1985, 635, 636). Das muss jedenfalls für das hier in Rede stehende Aufenthaltsbestimmungsrecht gelten, weil es sich dabei um ei-ne der wichtigsten Sorgerechtsbefugnisse handelt. Der gesetzliche Gedanke des § 1680 BGB, dass bei einem Ausfall des ursprünglich Sorgeberechtigten oder einem diesen betreffenden Sorgerechtsentzug die nicht mehr ausgeübte Rechtszuständigkeit dem anderen Elternteil zu übertragen ist, könnte [X.] unterlaufen werden, indem etwa restliche Befugnisse dem für die elterliche Sorge ungeeigneten Elternteil belassen werden und dem anderen Elternteil so 10 - 6 - der Zugang zum Sorgerecht versperrt bliebe. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Denn die Mutter, die weiterhin Inhaberin der restlichen Sorgerechtsbefug-nisse geblieben ist, hatte nicht nur das Kind zunächst zur Adoption freigegeben, sondern hat zu dem Kind auch keinen Kontakt und strebt ihn auch nicht an. 11 [X.]) Ob es sich bei der Entscheidung um eine erstmalige Prüfung der Sorgerechtsübertragung nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB oder aber we-gen der bereits erfolgten Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt um eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - [X.] ZB 28/05 - FamRZ 2005, 1469 und kritisch hierzu [X.]/[X.] [2009] § 1680 Rdn. 24, 14) und welchen Kriterien die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater [X.] (vgl. [X.] [X.], 103; [X.] Beschluss vom 20. Oktober 2008 [X.], 1285; Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - 7 - - [X.] ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969), ist hier nicht ausschlaggebend, weil eine Beschwerdeberechtigung des [X.] in jedem Fall gegeben ist. Hahne [X.] [X.]: [X.], Entscheidung vom 09.01.2009 - 313 F 48/08 - [X.], Entscheidung vom 12.06.2009 - 25 UF 20/09 -

Meta

XII ZB 35/10

16.06.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2010, Az. XII ZB 35/10 (REWIS RS 2010, 5850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5850

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 35/10 (Bundesgerichtshof)

Elterliche Sorge für ein Kind nicht verheirateter Eltern: Beschwerderecht des Vaters gegen die Ablehnung der …


XII ZB 103/08 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 241/09 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 241/09 (Bundesgerichtshof)

Sorgerechtsregelungsverfahren: Beschwerdebefugnis der Großeltern


XII ZB 67/14 (Bundesgerichtshof)

Elterliche Sorge: Beschwerdeberechtigung des nicht mehr sorgeberechtigten Elternteils gegen die Übertragung des Sorgerechts vom Amtsvormund …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 35/10

25 UF 20/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.