Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2011, Az. VI ZR 269/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9750

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Gegenstand

Arzthaftungsprozess: Anhörung des Sachverständigen hinsichtlich des Bestehens von Leitlinien


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 5. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 160.000 €

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es die Ausführungen der Klägerin zur Notwendigkeit der Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt hat. Bei diesem Vorbringen handelt es sich um einen Kernpunkt ihres Vortrags, den sie unter Beweisantritt durch Sachverständigengutachten auf die Stellungnahme des [X.]gestützt hat, bei der es sich der Sache nach um einen qualifizierten Parteivortrag handelt (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2000 - [X.], [X.], 525, 526 mwN). Nach dessen Stellungnahme ist es bei Operationen mit dem Einbau von [X.] nach den Leitlinien zur Verhinderung von postoperativen Wundinfektionen vorgeschrieben, eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durchzuführen.

2

Das Berufungsgericht hätte wegen dieses qualifizierten Parteivortrags den gerichtlichen Sachverständigen dazu ergänzend anhören müssen, ob solche Leitlinien zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin vorlagen und entsprechend dem Vorbringen der Klägerin dem ärztlichen Standard zum Zeitpunkt der Behandlung entsprachen. Sofern dies der Fall gewesen wäre, hätte mit Hilfe des Sachverständigen geklärt werden müssen, ob in der Nichtbeachtung der Leitlinien im Streitfall ein grober Behandlungsfehler lag, der zu einer Umkehr der Beweislast führen könnte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reichte der Vortrag der Klägerin hierfür aus, zumal sich der [X.] auf eine Veröffentlichung der [X.] bezogen hat, und dies - jedenfalls für einen Sachverständigen - ohne Weiteres als Quellenangabe ausreicht. Es handelt sich dabei um die [X.], welche die Leitlinien ihrer Fachgesellschaften allgemein zugänglich in "[X.] online" veröffentlicht. Den Leitlinien "[X.]" (Erstellungsdatum 1/1999, letzte Überarbeitung 6/2009, [X.] online) ist zu entnehmen, dass eine perioperative Antibiotikaprophylaxe als angezeigt angesehen wird, wenn das Risiko einer Infektion zwar gering ist, bei ihrer Manifestation aber eine erhebliche Morbidität oder sogar Letalität droht, etwa bei Implantationen von [X.]. Auch wenn den Leitlinien keine konstitutive Bedeutung zukommt, hätte das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ohne Befragung des gerichtlichen Sachverständigen nicht übergehen dürfen, zumal der Sachverständige Privatdozent [X.] nur zur Erforderlichkeit einer postoperativen Antibiose nach Auftreten der Entzündungssymptome Stellung genommen hatte.

3

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, die unterlassene Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen der Klägerin nachzuholen. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des nicht festgestellten Verstoßes gegen [X.] revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

[X.]                                  Wellner                               Pauge

                      [X.]                                  von [X.]

Meta

VI ZR 269/09

07.02.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 5. August 2009, Az: 5 U 69/08, Urteil

Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2011, Az. VI ZR 269/09 (REWIS RS 2011, 9750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9750


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZR 269/09

Bundesgerichtshof, VI ZR 269/09, 07.02.2011.


Az. 5 U 69/08

Oberlandesgericht Köln, 5 U 69/08, 05.08.2009.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 61/12

VI ZR 382/12

VI ZR 269/09

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