Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2017, Az. VI R 62/15

6. Senat | REWIS RS 2017, 8063

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Gegenstand

Abzinsung von Angehörigendarlehen


Leitsatz

1. Unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbständigen oder Land- und Forstwirt gewährt, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 26. Juni 2014  11 K 877/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Darlehen zwischen Ehegatten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewinnerhöhend abzuzinsen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, sowie aus selbständiger Arbeit und Kapitalvermögen, die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften (2005).

3

Die Klägerin stellte dem Kläger am 2. Januar 2006 Geldbeträge, welche sie aus privaten Verkäufen erzielt hatte, in Höhe von ... € für den Gewerbebetrieb und in Höhe von ... € für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung. In der Bilanz zum 30. Juni 2006 wurde letzterer Betrag als Einlage erfasst. In den Bilanzen des Gewerbebetriebs zum 31. Dezember 2006 und des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs für das Wirtschaftsjahr 2006/07 wurden die beiden Geldbeträge demgegenüber als Darlehen ausgewiesen.

4

Mit Bescheid vom 30. Juli 2007 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Einkommensteuer 2005 fest. Die Kläger legten hiergegen Einspruch ein. Mit Bescheid vom 23. Juli 2008 wurde die Einkommensteuer 2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung festgesetzt.

5

Im Rahmen der endgültigen Veranlagung 2006 im [X.] reichten die Kläger auf den 28. Dezember 2005 datierte Darlehensverträge mit folgendem gleichlautenden Inhalt nach:

"

1.  

Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von [X.] ... (...) zur Ablösung von Schulden in der Landwirtschaft (Gastwirtschaft).

        

2.  

Das Darlehen ist unverzinslich.

        

3.  

Die Auszahlung des Darlehens erfolgt am 2.1.2006.

        

4.  

Das Darlehen ist am 31.12.2015 in voller Höhe zur Rückzahlung fällig."

6

Im Zuge weiterer Ermittlungen ergab sich, dass die Darlehensverträge erst im [X.] schriftlich fixiert wurden, aber bereits bei Hingabe der Beträge am 2. Januar 2006 eine Darlehensvereinbarung bestanden hatte.

7

Anlässlich einer Befragung der Bußgeld- und Strafsachenstelle des [X.] vom 9. Juni 2009 erklärte die Klägerin, es habe sich bei den Geldzuwendungen nicht um Schenkungen, sondern um Darlehen an [X.] gehandelt. Zwar seien die Geldzuwendungen zunächst als Einlage verbucht worden, im folgenden Wirtschaftsjahr seien jedoch [X.] vorgenommen worden. Auch der damalige steuerliche Berater führte anlässlich einer Befragung aus, die Kläger hätten stets betont, dass es sich um Darlehen der Ehefrau gehandelt habe.

8

Das [X.] ging deshalb davon aus, dass die Geldbeträge als Darlehen zur Finanzierung der beiden Betriebe gewährt worden und steuerlich anzuerkennen seien. Wegen der Unverzinslichkeit seien die Darlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Dadurch ergäben sich Gewinnerhöhungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € (2006), bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von ... € sowie eine Gewinnminderung in Höhe von ... € (Wirtschaftsjahr 2005/06). Mit [X.], zuletzt vom 11. November 2010, setzte es die Einkommensteuer 2005 und die Einkommensteuer 2006 entsprechend fest.

9

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2015, 1084 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen,
das Urteil des [X.] München vom 26. Juni 2014  11 K 877/11 sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. März 2011 aufzuheben und die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 11. November 2010 insoweit zu ändern, als die Einkommensteuer 2005 und 2006 neu festgesetzt und dabei die Abzinsung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG im Gewerbebetrieb (im Wirtschaftsjahr 2006) und im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (in den Wirtschaftsjahren 2005/06 und 2006/07) rückgängig gemacht wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht darauf erkannt, dass die streitigen [X.] gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewinnerhöhend abzuzinsen sind.

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind (betriebliche) Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). Die Verpflichtung zur Abzinsung gilt für [X.] ebenso wie bei [X.] (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 5. Mai 2011 IV R 32/07, [X.], 524, [X.], 98).

a) Eine betriebliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn der auslösende Vorgang einen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist. Demgemäß sind [X.] dem Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke, beispielsweise zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern oder zur Ablösung anderer [X.], verwendet werden (Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, [X.]E 161, 290, [X.] 1990, 817, unter [X.]). Auf die Person des Gläubigers oder seine Beweggründe kommt es nicht an ([X.]-Urteile vom 11. Februar 1955  8/55 U, [X.]E 60, 311, [X.]I 1955, 119; vom 12. Juli 2012 I R 23/11, [X.]E 238, 344, und Senatsurteil vom 7. Mai 1965 VI 217/64 U, [X.]E 82, 548, [X.]I 1965, 445), so dass auch bei einem [X.] unter Verwandten allein der vom Darlehensnehmer mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zweck entscheidend ist ([X.]-Urteil in [X.]E 60, 311, [X.]I 1955, 119).

b) Darlehen, die einem Betriebsinhaber von einem Angehörigen gewährt werden, sind allerdings nicht dem Betriebsvermögen, sondern dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen, wenn sie zwar zivilrechtlich, aber unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind. Daraus folgt nicht nur, dass Zinsen hierfür nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, sondern auch, dass die Darlehensvaluta selbst dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen ist. Wenn und soweit der Darlehensbetrag dem betrieblichen Konto gutgeschrieben wird, ist dieser in der Bilanz daher zwingend als Einlage zu erfassen ([X.]-Beschluss vom 22. April 2015 IV B 76/14, [X.]/NV 2015, 976). Eine Abzinsung scheidet in diesem Fall notwendigerweise aus (Kiesel in [X.]/[X.]/ [X.] --[X.]--, § 6 EStG Rz 702).

aa) Maßgebend für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen (§ 12 Nrn. 1 und 2 EStG) motiviert sind, ist seit der Neuausrichtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im [X.] an den Beschluss des [X.] vom 7. November 1995  2 BvR 802/90 ([X.] 1996, 34, unter [X.]) die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Zwar ist weiterhin Voraussetzung, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht mehr jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (zum Ganzen [X.]-Urteile vom 16. Dezember 1998 [X.], [X.]/NV 1999, 780, unter [X.], und vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97, [X.]E 191, 250, [X.] 2000, 386, unter 2.a, m.w.N.; Schreiben des [X.] vom 23. Dezember 2010, [X.], 37, Rz 8). Von wesentlicher Bedeutung ist, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind ([X.]-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 50/97, [X.]E 191, 267, [X.] 2000, 393, unter II.2.). Ferner ist von Belang, ob es sich um ein Rechtsgeschäft unter volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen oder um eine Vereinbarung etwa zwischen Eltern und minderjährigen Kindern handelt ([X.]-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, [X.]E 165, 53, [X.] 1991, 838). Dabei hängt die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen vom Anlass der Darlehensaufnahme ab ([X.]-Urteil vom 22. Oktober 2013 [X.], [X.]E 242, 516, [X.] 2014, 374).

bb) Die revisionsrechtliche Überprüfung der (hierfür notwendigen) Gesamtwürdigung des [X.] durch den [X.] beschränkt sich darauf, ob das [X.] von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen (Indizien) einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2017 VI R 59/15, zur amtlichen [X.] bestimmt; [X.]-Urteil vom 4. Oktober 2016 IX R 8/16, [X.]E 255, 259, [X.] 2017, 273, m.w.N.).

c) Auch unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbständigen oder Land- und Forstwirt gewährt hat, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen. Weder lässt sich dem Gesetzeswortlaut eine Einschränkung im Hinblick auf [X.] entnehmen noch verlangt der Zweck der Vorschrift eine Sonderbehandlung solcher Darlehen. Die Abzinsung gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht ([X.]-Beschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, [X.]E 226, 347, [X.] 2010, 177, mit [X.]. [X.], [X.] --[X.]-- 2010, 341; [X.]-Urteile vom 27. Januar 2010 I R 35/09, [X.]E 228, 250, [X.] 2010, 478, und vom 8. November 2016 I R 35/15, [X.]E 256, 253, [X.] 2017, 768, Rz 28 f.; auch BTDrucks 14/23, 171). Sie beruht auf dem Faktor "Zeit" und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind ([X.]-Urteile in [X.]E 256, 253, [X.] 2017, 768, und in [X.], 524, [X.], 98). Diese Überlegung gilt für [X.] nicht anders als für sonstige [X.] ([X.]/[X.], EStG, 36. Aufl., § 6 Rz 457; [X.]/Kiesel, § 6 EStG Rz 702).

Der Abzinsungsbetrag kann auch nicht durch Buchung einer Einlage neutralisiert werden. Zwar ist die Zinslosigkeit des Darlehens außerbetrieblich motiviert, bloße Nutzungsvorteile sind jedoch nicht einlagefähig (Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, [X.]E 151, 523, [X.] 1988, 348; [X.]-Beschluss in [X.]E 226, 347, [X.] 2010, 177; [X.], [X.], 2275, 2278; [X.]/[X.], [X.] 2010, 862). Ebenso scheidet die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens aus; denn der fiktive Zinsertrag stellt "kein vorab vereinnahmtes Entgelt" i.S. des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG dar ([X.]/[X.], [X.] 2010, 862, 863; [X.], [X.] 2013, 170, 171; wohl a.[X.]/[X.], § 6 EStG Rz 956).

Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Es ist von der [X.] gedeckt, wenn dieser eine Regelung schafft, die im Fall der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens zunächst zu einer --im weiteren Verlauf durch [X.] kompensierten-- Erhöhung des Gewinns beim Darlehensnehmer führt. Die Abzinsung von Darlehen für Zwecke der Besteuerung ist als solche weder sachwidrig noch unverhältnismäßig; sie dient vielmehr der Verteilung des [X.] nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Zuordnung ([X.], [X.] 2007, 2275, 2277). Zu einer Ausnahmeregelung in Bezug auf [X.] war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, zumal der in diesem Fall eintretende vorzeitige [X.] durch die Vereinbarung einer --sehr geringen-- Verzinsung vermieden werden kann (s. [X.]-Beschluss in [X.]E 226, 347, [X.] 2010, 177, unter [X.] zu Gesellschafterdarlehen; [X.]/Kiesel, § 6 EStG Rz 700; [X.] in [X.], EStG, 16. Aufl., § 6 Rz 149, 150; [X.]/[X.], § 6 EStG Rz 956; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 6 Rz 457).

2. Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die streitigen Darlehen (passives) Vermögen des Gewerbebetriebs und des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs geworden sind, nach [X.] steuerrechtlich anzuerkennen und daher gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen sind.

a) Der Kläger ermittelt seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). Er muss dabei das Betriebsvermögen ansetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern und damit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG).

b) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) ist davon auszugehen, dass die Klägerin dem Kläger die am 2. Januar 2006 hingegebenen Geldmittel darlehensweise zugewandt hat und diese Darlehen unverzinslich sind. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

c) Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass es sich bei den streitbefangenen Darlehen um jeweils betriebliche Verbindlichkeiten des [X.] handelte. Dieser hatte sowohl in seinem gewerblichen als auch in seinem landwirtschaftlichen Betrieb stets Verluste erlitten und die finanzierende Bank drängte auf anderweitige Beschaffung von Geldmitteln. Im Zuge dessen wurden die Darlehensvereinbarungen zwischen den Klägern getroffen, nach denen die Darlehen jeweils "zur Ablösung von Schulden" in der Landwirtschaft und der Gastwirtschaft gewährt wurden. Dem schriftlich Vereinbarten entsprechend wurden die Darlehensmittel --was zwischen den Beteiligten nicht streitig [X.] jeweils zur Ablösung betrieblicher Bankschulden verwendet. Da sich der betriebliche Charakter der Verbindlichkeit nach dem Entstehungsgrund der Verbindlichkeit beurteilt und durch einen Wechsel in der Person des Gläubigers nicht berührt wird ([X.]-Urteil in [X.]E 238, 344, und Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 161, 290, [X.] 1990, 817), änderte sich an dem betrieblichen Charakter der Verbindlichkeiten durch die Darlehen der Klägerin nichts. Die Darlehen stellten folglich ebenfalls passives Betriebsvermögen des [X.] dar.

d) Schließlich ist die Würdigung des [X.], dass die zwischen der Klägerin und dem Kläger abgeschlossenen Darlehensverträge steuerrechtlich anzuerkennen seien, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat bei der ihm obliegenden Gesamtwürdigung des Darlehensvertrags alle für den Fremdvergleich maßgeblichen Indizien entsprechend ihrer Gewichtung in seine Würdigung einbezogen.

Es hat zunächst darauf abgestellt, dass in den mündlich vereinbarten, später auch schriftlich niedergelegten Darlehensvereinbarungen Hingabe, Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zinssatz klar und eindeutig geregelt sind. Auch hat das [X.] zur Kenntnis genommen, dass die Kläger keine verkehrsüblichen Sicherheiten vereinbart haben. Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang zwar darauf hin, dass ein fremder Dritter dem Kläger Darlehensmittel in Höhe von ... € ohne Sicherheiten und Ertragsaussichten nicht ausgereicht hätte. Gleichwohl hat das [X.] hieraus nicht zwingend auf die Fremdunüblichkeit der (gesamten) Darlehensvereinbarung schließen müssen. Denn Darlehen unter nahen Angehörigen, die --wie vorliegend-- nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt werden, sind trotz fehlender Sicherheiten steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Rechtsgeschäft --wie im [X.] von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen und tatsächlich durchgeführt wurde ([X.]-Urteile in [X.]E 191, 267, [X.] 2000, 393; in [X.]E 165, 53, [X.] 1991, 838; vom 18. Dezember 1990 VIII R 1/88, [X.]E 163, 444, [X.] 1991, 911, und vom 4. März 1993 [X.], [X.]/NV 1994, 156). Schließlich spricht auch die Ertraglosigkeit des Darlehens nicht gegen die Fremdüblichkeit der Darlehensverträge. Zutreffend weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch unter Fremden und im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft die Hingabe eines zinslosen Darlehens denkbar und steuerrechtlich zu berücksichtigen ist. Denn dies bestätigt der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und die hierzu ergangene Rechtsprechung.

Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze bei der Gesamtwürdigung des [X.] liegt folglich nicht vor. Die Erkenntnis, die streitigen [X.] hielten einem Fremdvergleich stand, ist vorliegend vielmehr zumindest möglich und daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend.

e) Die [X.] des [X.] waren in den Streitjahren daher gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit 5,5 % abzuzinsen.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 62/15

13.07.2017

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 26. Juni 2014, Az: 11 K 877/11, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 3 EStG 2002, § 4 Abs 1 EStG 2002, § 5 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 5 Abs 6 EStG 2002, § 4 Abs 4 EStG 2002, § 9 Abs 1 EStG 2002, § 12 Nr 1 EStG 2002, § 12 Nr 2 EStG 2002, Art 3 GG, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2017, Az. VI R 62/15 (REWIS RS 2017, 8063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8063

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