Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.06.2015, Az. 4 AZR 371/13

4. Senat | REWIS RS 2015, 9594

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Gegenstand

Eingruppierung einer Sozialarbeiterin


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30. Oktober 2012 - 12 [X.]/12 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2012 - 1 Ca 1356/11 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 1. November 2009 nach der [X.] zur Anlage C zum [X.]/[X.] zu vergüten und die anfallenden monatlichen Nettodifferenzbeträge für die Monate November 2009 bis einschließlich September 2011 ab dem 27. Oktober 2011 und für die folgenden Kalendermonate jeweils ab dem 1. des Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin ist [X.] und seit dem Jahr 1981 bei dem beklagten Kreis (im Folgenden: Beklagter) beschäftigt. Seit 1995 ist sie im Sozialpsychiatrischen Dienst tätig. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der [X.] ([X.]) kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 6 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.] - Besonderer Teil Verwaltung - ([X.])) vom 27. Juli 2009 gelten für die Eingruppierung der Beschäftigten des [X.] ab dem 1. November 2009 nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der „Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen ([X.]) § 56“ die [X.]e des Anhangs zur Anlage [X.] Die Klägerin erhält seither eine Vergütung nach der [X.] 12 [X.]-[X.]/[X.].

3

Die Klägerin betreut im Rahmen der ihr übertragenen Tätigkeit Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie ist unter Einbeziehung fachärztlicher Beratung eigenverantwortlich für die Umsetzung der im [X.] bei psychischen Krankheiten (im Folgenden: PsychKG [X.]) vorgesehenen Maßnahmen zuständig. Sie hat die überwiegend telefonisch und persönlich an sie herangetragenen [X.] selbständig und vollständig zu bearbeiten. Es obliegt ihr, - ggf. nach Durchführung von Sprechstunden oder Hausbesuchen - die Situation zu bewerten und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Soweit erforderlich stellt sie auch Anträge nach dem [X.]. Dieser Aufgabenkreis umfasst - wie auch in der Stellenbeschreibung dargestellt - einen Arbeitszeitanteil von [X.] der Gesamttätigkeit der Klägerin.

4

Im Kreisgebiet des Beklagten betreuten die 12 Sozialarbeiter und Sozialpädagogen im Jahr 2008 1.089 und im Jahr 2009 1.125 „Klienten“. 2008 wurden 89 und 2009 41 Personen untergebracht, wobei der Sozialpsychiatrische Dienst nicht in allen Fällen beteiligt war.

5

Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 sowie 4. Mai 2011 hat die Klägerin Vergütung nach der [X.] 14 [X.]-[X.]/[X.] rückwirkend ab 1. November 2009 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit erfülle schon unter Berücksichtigung des im Klammerzusatz genannten „[X.]“ das [X.] der zweiten Alternative der begehrten [X.]. Die von ihr zu erbringenden Tätigkeiten seien zudem mit denen der Mitarbeiter des [X.] gleichwertig. Sie treffe Entscheidungen zur Gefahrenabwehr.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. November 2009 Vergütung nach der [X.] S 14 des Anhangs zur Anlage [X.] zum [X.]-[X.]/[X.] zu zahlen und die anfallenden monatlichen Nettodifferenzbeträge für die Monate November 2009 bis einschließlich September 2011 ab dem 27. Oktober 2011 und für die folgenden Kalendermonate jeweils ab dem 1. des Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Klägerin erfülle nicht die Anforderungen des [X.]s der [X.] 14 Alt. 2 [X.]-[X.]/[X.]. Die Aufgaben nach dem PsychKG [X.] seien den Ordnungsbehörden zugewiesen. Daraus folge, dass im Sozialpsychiatrischen Dienst keine Tätigkeiten anfielen, die denen gleichwertig seien, die von den Mitarbeitern des [X.] verrichtet würden. Die Mitarbeiter des [X.] seien - anders als die des [X.] - nie „Herren des Verfahrens“. Deren Beteiligung an Unterbringungsverfahren falle statistisch und tatsächlich nicht ins Gewicht. Die Zahl der Unterbringungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten sei im Vergleich zum [X.] unterdurchschnittlich.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen.

I. Die Klage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (st. Rspr., siehe nur [X.] 21. März 2012 - 4 [X.] - Rn. 18; 17. November 2010 - 4 [X.]/09 - Rn. 15; 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 13 mwN) auch im Hinblick auf die Verzinsung (vgl. [X.] 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 10 mwN) zulässig. Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass die Klägerin eine Verzinsung der monatlichen Differenzbeträge erst in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat. Zwar sind Klageerweiterungen in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig, weil das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 1 ZPO an Tatsachenvorbringen und Feststellungen im Berufungsverfahren gebunden ist (vgl. nur [X.] 28. Oktober 2008 - 3 [X.] - Rn. 17; 9. November 2005 - 5 [X.] - Rn. 13). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Änderung des Klageantrags unter § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO fällt und der neue Antrag - wie hier - auf [X.] oder [X.] tatsächliches Vorbringen gestützt werden kann (vgl. nur [X.] 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 12; 19. Februar 2002 - 3 [X.] - zu II der Gründe).

II. Die Klage ist auch begründet. Der [X.] ist verpflichtet, die Klägerin nach der [X.] 14 [X.]/[X.] zu vergüten.

1. Für die Eingruppierung der Klägerin sind aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit neben § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.], der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) nach wie vor maßgebend ist, ua. die nachstehenden Bestimmungen der [X.] des [X.]/[X.] von Bedeutung:

„S 12

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten. …

S 14

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z. B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).“

Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 11 vom 24. Januar 2011 fügten die Tarifvertragsparteien der [X.] 14 [X.]/[X.] eine neue Protokollerklärung Nr. 13 hinzu. Dort heißt es:

„13. Das ‚Treffen von Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls und die Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind‘, sind im [X.] bei Tätigkeiten im Rahmen der Fallverantwortung bei

- Hilfen zur Erziehung nach § 27 SGB VIII,

- der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII,

- der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII),

- der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50 SGB VIII)

einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erfüllt.

…“

2. Die Klägerin kann sich für ihr Begehren, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, nicht allein wegen ihrer Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst auf den Klammerzusatz des [X.] der [X.] 14 Alt. 2 [X.]/[X.] (Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise) stützen. Durch diesen wird lediglich ein Fachdienst, nicht jedoch eine bestimmte Tätigkeit bezeichnet. Es handelt sich nicht um ein tarifliches „[X.]“ (dazu etwa [X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 14; 23. März 2011 - 4 [X.] 926/08 - Rn. 22 mwN), das eine Prüfung allgemeiner [X.]e entbehrlich macht ([X.] 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 32).

3. Die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit erfüllt aber das [X.] der [X.] 14 Alt. 2 [X.]/[X.].

a) Die Tätigkeit der Klägerin besteht weitgehend aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang.

aa) Nach der Definition der Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 [X.] ist grundsätzlich und allein das Arbeitsergebnis für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs maßgebend (st. Rspr., zB [X.] 21. März 2012 - 4 [X.] - Rn. 24 mwN).

(1) Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen [X.] oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs zunächst außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt worden ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen [X.] zu bewerten ([X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 17; 6. Juli 2011 - 4 [X.] 568/09 - Rn. 58). Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. [X.] können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind ([X.] 13. Mai 2015 - 4 [X.] 355/13 - Rn. 16). Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (st. Rspr., zB [X.] 21. August 2013 - 4 [X.] 933/11 - Rn. 14, [X.]E 146, 22; grdl. 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 20 mwN).

(2) Bei der Bearbeitung von Fällen durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bildet regelmäßig nicht jeder einzelne Fall einen Arbeitsvorgang, sondern erst die Befassung mit allen Fällen füllt diesen Rechtsbegriff aus (st. Rspr., [X.] 21. August 2013 - 4 [X.] 968/11 - Rn. 14; 6. März 1996 - 4 [X.] 775/94  - zu II 3 b der Gründe). Andernfalls käme es zu einer tarifwidrigen Atomisierung solcher Tätigkeiten (st. Rspr., [X.] 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 22; 20. März 1996 - 4 [X.] 1052/94 - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 82, 272). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der zugewiesene Personenkreis auch einheitlich bestimmt ist. Hat ein Sozialarbeiter verschiedene, voneinander abgrenzbare Personenkreise zu betreuen (zB Obdachlose/Nichtsesshafte, Flüchtlinge/Asylbewerber), deren Status und [X.] rechtlich ganz unterschiedlich bestimmt sind, kommt bei getrennter Betreuung die Aufteilung der Tätigkeit in je einen Arbeitsvorgang für je eine Gruppe der betreuten Personen in Betracht (vgl. [X.] 10. Dezember 2014 - 4 [X.] 773/12 - Rn. 25 mwN).

(3) Maßgebend ist danach die [X.]. Wird einer Sozialarbeiterin die einheitliche Fallbearbeitung mit unterschiedlichen komplexen Aufgaben übertragen, ohne dass in den organisatorischen Ablauf der erforderlichen Arbeitsschritte durch den Arbeitgeber eine Zäsur mit einer neuen Arbeitsaufgabe eingefügt wird, handelt es sich regelmäßig um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Dies gilt auch dann, wenn die dort enthaltenen einzelnen Arbeitsschritte unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufweisen, die - für sich genommen - unterschiedlichen [X.]en zugeordnet werden könnten (vgl. dazu [X.] 13. Mai 2015 - 4 [X.] 355/13 - Rn. 19).

(4) Die tatsächlichen Grundlagen für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs sind von den Gerichten für Arbeitssachen zunächst zu ermitteln und festzustellen. Stehen die erforderlichen Tatsachen fest, können die Arbeitsvorgänge vom Revisionsgericht selbst bestimmt werden (st. Rspr., zB [X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 20; 28. Januar 2009 - 4 [X.] 13/08 - Rn. 44, [X.]E 129, 208; 22. Januar 1986 - 4 [X.] 409/84 - mwN).

bb) In Anwendung dieses Maßstabs bildet die Tätigkeit der Klägerin jedenfalls zu [X.] der Gesamttätigkeit einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Nach den Feststellungen des [X.]s ist die Klägerin eigenverantwortlich für die Umsetzung der Hilfe- und Schutzmaßnahmen nach dem PsychKG [X.] zuständig. Dabei obliegt es ihr, die jeweilige Situation klientenbezogen zu bewerten und die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten. Dazu gehört unstreitig auch eine sofortige Krisenintervention einschließlich der Prüfung eines Unterbringungserfordernisses. Ob eine Unterbringung notwendig ist, steht danach nicht bereits bei Übernahme der Fallverantwortung fest. Vielmehr stellt sich dies erst im Laufe der weiteren Bearbeitung heraus. Einzelne Arbeitsschritte, die die zwangsweise Unterbringung der betroffenen Personen zum Gegenstand haben, sind deshalb nach der von dem [X.]n vorgegebenen Organisation nicht von der übrigen Tätigkeit der Klägerin tatsächlich getrennt. Dem entspricht im Übrigen auch die von dem [X.]n erstellte Stellenbeschreibung, die die Tätigkeiten im Sozialpsychiatrischen Dienst nach dem PsychKG [X.] mit einem einheitlichen Arbeitszeitanteil von [X.] bemisst.

b) Die der Klägerin im Zusammenhang mit der Umsetzung von Maßnahmen nach dem PsychKG [X.] übertragene Tätigkeit erfüllt das [X.] der [X.] 14 Alt. 2 [X.]/[X.].

aa) Die Klägerin übt insoweit eine Tätigkeit aus, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich ist. Gem. § 12 Satz 1 PsychKG [X.] erfolgt die Anordnung der Unterbringung durch das Amtsgericht im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst. Die Einbeziehung des [X.] ist danach gesetzlich vorgesehen und damit „erforderlich“ iSd. [X.]. Etwas anderes gilt nach § 14 Abs. 1 Satz 4 PsychKG [X.] ausnahmsweise und lediglich für den Fall der sofortigen Unterbringung. Hier ist eine Beteiligung des [X.] gesetzlich nur vorgesehen, wenn die örtliche Ordnungsbehörde in der Beurteilung der Voraussetzungen für eine sofortige Unterbringung von einem vorgelegten ärztlichen Zeugnis abweichen will.

bb) Die Tätigkeit der Klägerin ist auch „gleichwertig“ im tariflichen Sinne.

(1) Eine Tätigkeit, die - wie die der Klägerin - im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Bereich der zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten steht und insoweit von Gesetzes wegen erforderlich ist, ist regelmäßig „gleichwertig“ iSd. [X.] 14 Alt. 2 [X.]/[X.] (vgl. [X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 25; 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 37). Die „Gleichwertigkeit“ setzt entgegen der Auffassung des [X.]s keine unmittelbare Entscheidungsbefugnis über eine zwangsweise Unterbringung voraus. Während nach der ersten Alternative der [X.] 14 [X.]/[X.] ausdrücklich eigene „Entscheidungen“ zu „treffen“ sind, erfordert die zweite Alternative nach dem [X.] eine eigene Antrags- und Entscheidungsbefugnis gerade nicht. Die Sozialarbeiterin muss entgegen der Auffassung des [X.]n nicht in diesem Sinne „Herr des Verfahrens“ sein. Die zweite Alternative der [X.] erfasst vielmehr Tätigkeiten, die „für … Entscheidungen“ anderer erforderlich sind. Darunter sind „begleitende“ Maßnahmen bei der Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung zu verstehen, die ihrerseits nicht allein ausschlaggebend sein müssen ([X.] 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 35). Ebenso wenig setzt die zweite Alternative der [X.] 14 [X.]/[X.] eine eigenständige Zusammenarbeit mit den Gerichten voraus. Auch eine solche wird nach dem Wortlaut der Tarifnorm nur in der ersten Alternative verlangt ([X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 25; 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 36).

(2) Die Protokollerklärung Nr. 13 zur [X.] 14 [X.]/[X.] steht diesem Normverständnis nicht entgegen. Sie bezieht sich lediglich auf das [X.] der ersten Alternative. Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen die Tarifvertragsparteien die Gleichwertigkeit iSd. zweiten Alternative für erfüllt ansehen, lassen sich der Protokollerklärung nicht entnehmen ([X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 26).

cc) Die Tätigkeit der Klägerin erfordert die Mitwirkung an Entscheidungen zur zwangsweisen Unterbringung auch in einem rechtlich ausreichenden Maße. Der Einwand des [X.]n, die Beteiligung des [X.] an Unterbringungsverfahren falle statistisch und tatsächlich nicht ins Gewicht und es fielen bei ihm nur wenige solcher Verfahren an, steht dem nicht entgegen.

(1) Für die Erfüllung des höheren [X.] ist es ausreichend, dass die Sozialarbeiterin innerhalb ihres maßgebenden Arbeitsvorgangs die fraglichen Aufgaben und Tätigkeiten in einem rechtserheblichen Umfang auszuüben hat (vgl. [X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 28; 13. November 2013 - 4 [X.] 53/12 - Rn. 31; 18. Mai 1994 - 4 [X.] 461/93 - zu [X.] 4 c der Gründe). Nicht erforderlich ist, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden [X.] innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen.

(2) Danach übt die Klägerin in einem rechtserheblichen Umfang (gleichwertige) Tätigkeiten aus, die für die zwangsweise Unterbringung erforderlich sind. Die vom [X.]n angegebenen Zahlen sind nicht von entscheidender Bedeutung. Entgegen seiner Auffassung ist für die Erfüllung des [X.] nicht die Anzahl der tatsächlich erfolgten Einweisungen maßgebend. Entscheidend ist vielmehr die Verpflichtung der Sozialarbeiterin, in einer Vielzahl von Fällen - auch in Fällen, in denen letztlich eine Einweisung der betroffenen Person nicht erfolgt oder sogar nicht einmal ein formelles Unterbringungsverfahren eingeleitet wird - die Notwendigkeit der Unterbringung zu prüfen. Die Sozialarbeiterinnen - so auch die Klägerin - müssen deshalb ihre für die qualifizierte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten während des gesamten - im Fall der Klägerin [X.] ihrer Tätigkeit ausmachenden - Arbeitsvorgangs vorhalten. Das rechtfertigt es, die betreffende Tätigkeit insgesamt dem höheren [X.] zuzuordnen ([X.] 18. März 2015 - 4 [X.] - Rn. 30).

4. Der Klägerin stehen die Zinsen für die geltend gemachten Zeiträume in der verlangten Höhe zu. Das ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.], § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 291 BGB.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Kiefer    

        

    B. Pieper    

                 

Meta

4 AZR 371/13

17.06.2015

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Siegen, 28. Februar 2012, Az: 1 Ca 1356/11, Urteil

Anl C VergGr S14 TVöD BT-V, § 22 Abs 2 BAT

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.06.2015, Az. 4 AZR 371/13 (REWIS RS 2015, 9594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9594


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 AZR 371/13

Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 371/13, 17.06.2015.


Az. 1 Ca 1356/11

Arbeitsgericht Siegen, 1 Ca 1356/11, 28.02.2012.


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16 Sa 99/14 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


Referenzen
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9 Sa 536/20

9 Sa 384/17

7 Sa 661/21

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