Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 13047

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010317U4STR399.17.0

BUN[X.]SGER[X.]CHTSHOF

[X.]M NAMEN [X.]S VOLKES

URTE[X.]L
4
StR
399/17

vom
1. März 2018

[X.]St:
ja zu [X.] und [X.][X.]
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

StGB § 212 Abs. 1

Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von
bedingtem Tötungsvor-satz bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr.

[X.], Urteil vom 1. März 2018

4 StR 399/17

LG [X.]

in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1.
Februar 2018 in der Sitzung am 1.
März 2018, an denen
teilgenommen ha-ben:
Vorsitzende [X.]in am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.]in am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof

als Vertreter des [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

und
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger
des Angeklagten [X.]

,

Rechtsanwalt

und
Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten N.

,

-
3
-
Rechtsanwältin

in der Verhand-lung

als Vertreterin der Nebenklägerin [X.]

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter des [X.] M.

[X.]

,

der Nebenkläger M.

[X.]

in Person

in der Verhandlung

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter des [X.] P.

[X.]

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Februar 2017 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Stra-ßenverkehrs
zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es den Ange-klagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Führerscheine eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihnen lebenslang keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten [X.].
[X.].
1.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhren die
[X.] in der Nacht zum 1.
Februar 2016 gegen 0.30
Uhr mit ihren hoch-motorisierten Fahrzeugen den [X.] in [X.] in [X.]elben Richtung. Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N.

war die Nebenklägerin
[X.]

. An der Kreuzung am [X.] kamen sie bei rotem Ampel-
signal nebeneinander zum Stehen.
Der Angeklagte [X.]

, der die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklag-
ten N.

wahrnahm, signalisierte durch laute Motorgeräusche, dass er zu
einer Wettfahrt bereit sei. Die Angeklagten unterhielten sich kurz und verabre-deten durch Gesten und das Spiel mit dem Gaspedal spontan ein Autorennen entlang des [X.]s und der [X.]. Ziel sollte ein [X.] an der Ecke [X.] und [X.] sein, wobei die An-1
2
3
-
5
-
geklagten bis dorthin elf ampelgeregelte Kreuzungen
zu überqueren und eine Strecke von zweieinhalb Kilometern zurückzulegen hatten.
Der Angeklagte [X.]

mit stark überhöhter Geschwindigkeit los, um möglichst schnell und vor dem Angeklagten N.

das Ziel zu erreichen. Der Angeklagte N.

nahm,
nachdem er zunächst noch an zwei roten Ampeln angehalten hatte, unter deut-n-

um vor dem Angeklagten [X.]

das Ziel zu erreichen. Er holte den Angeklagten [X.]

spätestens in
Höhe der [X.] ein. Zwei Fußgängerinnen, die sich auf einer dort gelegenen Mittelinsel des [X.]s befanden und gerade die Fahrbahn queren wollten, sprangen hinter das Geländer des [X.] zurück, um nicht von den Fahrzeugen der Angeklagten erfasst zu werden.
Beide Fahrzeuge hatten zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von deutlich über 100
km/h erreicht. Die Kurve am [X.] befuhren die [X.] im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Die in der Kurve an der [X.] [X.] und [X.] liegende Lichtzeichenanlage überfuh-ren beide bei rotem [X.].
Am Kurvenausgang beschleunigte der Angeklagte [X.]

sein Fahrzeug,
um den nun vor ihm fahrenden Angeklagten N.

wieder einzuholen, und
erreichte hierbei eine Geschwindigkeit von 100 bis 150
km/h. Der Angeklagte N.

fuhr auf der linken, der Angeklagte [X.]

auf der rechten der beiden
für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Fahrspuren auf die für sie Rotlicht zeigende Ampel an der Kreuzung [X.] und [X.] zu. 4
5
6
-
6
-
Beide Angeklagten fuhren bei rotem [X.] in den Kreuzungsbereich ein, der Angeklagte N.

mit einem Vorsprung von wenigen Metern und einer
Geschwindigkeit von 139 bis 149
km/h, der Angeklagte [X.]

mit einer Ge-
schwindigkeit von mindestens 160 bis 170
km/h.

n-berger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision nicht nur verletzt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer

auch der Nebenklägerin [X.]

als
Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N.

war ihnen gleichgültig;
sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung [X.] Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahr-zeuge nahmen sie billigend in Kauf.
[X.]n der Kreuzung kollidierte der Angeklagte [X.]

bsolut unfähig

mit dem Fahrzeug des Geschädigten [X.]

, der aus
der [X.] in Fahrtrichtung der Angeklagten von rechts kommend regelkonform bei grünem [X.] in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Das von dem
Angeklagten [X.]

gesteuerte Fahrzeug drehte sich nach
links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden Pkw des [X.], bevor es mit einer Geschwindigkeit von 140
km/h gegen eine Hoch-beeteinfassung stieß. Auch das von dem Angeklagten N.

gesteuerte
Fahrzeug kollidierte frontal mit einer Hochbeeteinfassung.
7
8
-
7
-
Der Geschädigte [X.]

, dessen Fahrzeug durch die Wucht des
Aufpralls durch die Luft geschleudert worden war, zog sich schwere [X.] zu und verstarb noch am Unfallort. Die Beifahrerin im Fahrzeug des Ange-klagten N.

wurde erheblich verletzt. Der Kopf einer Fußgängerin wurde
von vorbeifliegenden Fahrzeugteilen nur um wenige Zentimeter verfehlt. Die Angeklagten wurden leicht verletzt.
2.
Das [X.] hat angenommen, dass sich die Angeklagten

[X.] als Mittäter (§
25 Abs.
2 StGB)

wie folgt strafbar gemacht haben: bezüg-lich des Geschädigten [X.]

wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mit-
teln (§
211 Abs.
2 StGB); bezüglich der Beifahrerin im Fahrzeug des [X.] N.

wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen
Werkzeugs sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5 StGB); zudem wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefähr-dung durch Nichtbeachtung der Vorfahrt und durch zu schnelles Fahren an
einer Kreuzung gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
2 a) und d) StGB.
[X.][X.].
Die Rechtsmittel der
Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr bedarf. Das Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende [X.] auf.
1.
Bereits die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
9
10
11
12
-
8
-
Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach §
16 Abs.
1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum [X.] führenden Handlung vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1985

3
StR
300/85, [X.] 1986, 59; Beschluss vom 7.
September 2017

2
StR
18/17, [X.], 27; [X.], StGB, 65.
Aufl.,
§
15 Rn.
3; MüKo-StGB/[X.], 3.
Aufl., §
212 Rn.
5). Fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. [X.], Urteile vom 30.
April 1997

2
StR
550/96, [X.]R StGB §
15 Vorsatz
5; vom 23.
Oktober 1985

3
StR
300/85,
aaO; Beschlüsse vom 7.
September 2017

2
StR
18/17, aaO; vom 14.
Juni 1983

4
StR
298/83, [X.], 452; [X.], aaO, §
15 Rn.
3). Aus der [X.], dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten
oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg

bei [X.] den Todeserfolg

herbeiführt. Dass dies auf die Tat der Angeklagten zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. [X.]m Gegenteil:
Das [X.] hat einen bedingten Tötungsvorsatz erst

wie sich aus UA
25 ergibt

für den Zeitpunkt fest-gestellt, als die Angeklagten bei Rotlicht zeigender Ampel in den Bereich der Kreuzung [X.]/[X.] einfuhren. Aus dieser Feststel-lung, die auch an anderer Stelle des Urteils keine Modifizierung findet, vielmehr mehrfach bestätigt wird
(etwa auf UA
60), folgt zugleich, dass sich das [X.] nicht die Überzeugung verschafft hat, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor dem Einfah-ren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannten und billigend in Kauf nah-13
14
-
9
-
men. Hatten die Angeklagten indes den Tötungsvorsatz erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich gefasst, könnte ihre Verurteilung wegen eines vorsätz-lichen Tötungsdelikts
nach den dargestellten Grundsätzen nur dann Bestand haben, wenn sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Handlung vornahmen, die für den tödlichen Unfall ursächlich war, oder eine gebotene Handlung unterließen, bei deren Vornahme der Unfall vermieden worden wäre.
Feststellungen zu einem solchen unfallursächlichen Verhalten, das vom Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen war, hat
das [X.] nicht getrof-fen. Vielmehr hat es sowohl bei der Darstellung des Sachverhalts als auch an weiteren Stellen des Urteils ausgeführt, dass die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich bereits keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kollision mehr besaßen: So hat es etwa bezüglich des Angeklagten [X.]

festgestellt,

(UA

e-klagten [hätten] sich durch ihr Verhalten, insbesondere ihre Geschwindigkeit, UA

u-

60). Die
für den Unfall maßgeblichen Umstände, insbe-sondere die bereits erreichte Kollisionsgeschwindigkeit sowie das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roten [X.]s, lagen danach bereits vor bzw. waren unumkehrbar in Gang gesetzt, als die Angeklagten

nach den Feststel-lungen

den Tötungsvorsatz fassten. Ein unfallursächliches Verhalten der [X.], das zeitlich mit der Fassung des Tötungsvorsatzes zusammenfiel oder nachfolgte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.
Dass der Tötungsvorsatz ab einem Zeitpunkt vorlag, als
die tödliche Kollision bereits nicht mehr zu [X.] war, ist für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts rechtlich be-deutungslos.
15
-
10
-
2.
Zudem halten die Beweiserwägungen, mit denen das [X.]
einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat,
auch unter Berücksichti-gung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. [X.], Urteile vom 12.
Januar 2017

1
StR
360/16, juris Rn.
10; vom 18.
September 2008

5
StR
224/08, [X.], 401, 403; vom 20.
Juni 2013

4
StR
159/13, juris
Rn.
19) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
[X.]n rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rechtsprechung bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der [X.] auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (vgl. [X.], Urteile vom 27.
Juli 2017

3
StR
172/17, [X.], 37, 38; vom 8.
Dezember 2016

1
StR
351/16,
[X.], 277, 279; vom 7.
Juli 2016

4
StR
558/15, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, be-dingter
67; vom 14.
August 2014

4
StR
163/14, NJW 2014, 3382, 3383; vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.]St 57, 183, 186). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestands-verwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. [X.], Urteile vom 14.
Januar 2016

4
StR
72/15, [X.], 211, 215; vom 30.
April 2014

2
StR
383/13, [X.] 2015, 300, 301; vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.]St 57, 183, 186; vom 16.
Oktober 2008

4
StR
369/08, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
63).
b)
Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdi-gung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen 16
17
18
-
11
-
(vgl. [X.], Urteile vom 7.
Juli 2016

4
StR
558/15,
aaO; vom 19.
April 2016

5
StR
498/15,
aaO; vom 16.
September 2015

2
StR
483/14, [X.], 25, 26).
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs-
oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der [X.] regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des [X.] auseinan[X.]etzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände

insbesondere die konkrete Angriffs-weise

mit in Betracht zieht (vgl. [X.], Urteile vom 14.
Januar 2016

4
StR 84/15, [X.], 79, 80; vom 18.
Oktober 2007

3
StR
226/07, [X.], 93
f.; vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, aaO, 186
f.). Dabei ist die ob-jektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher [X.]ndikator sowohl für das Wissens-
als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. [X.], Urteile vom 14.
Januar 2016

4
StR 84/15, aaO, 80; vom 16.
Mai 2013

3
StR 45/13, [X.], 242, 243; Beschluss vom 26.
April 2016

2
StR
484/14, [X.], 22, 23). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines [X.]s sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz ge-handelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Hand-lungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Oktober 1986

2
StR
311/86, [X.]R StGB §
15
Vorsatz, bedingter
1

Willenselement; Beschluss vom 7.
März 2006

4
StR
25/06, [X.], 446). Dabei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stel-lenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. [X.], Urteil vom 26.
November 2014

2
StR
54/14, [X.], 516, 517; Beschlüsse vom 19
-
12
-
10.
Juli 2007

3
StR
233/07, [X.], 307; vom 27.
August 2013

2
StR
148/13, NStZ 2014,
35).
c)
Diesen Anforderungen werden die Beweiserwägungen der [X.] nicht gerecht, da sich das angefochtene Urteil mit einem wesentlichen vor-satzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat.
aa)
[X.]n Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des [X.]

wie hier

ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht (vgl. [X.], Urteile vom 20.
Juni 2000

4
StR
162/00, [X.], 583, 584; vom 20.
Dezember 1968

4
StR
489/68, [X.], Nr.
44). Bei riskanten Ver-haltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl.
BayObLG,
NJW 1955, 1448, 1449 für den alkoholisierten Autofahrer; [X.], AT
[X.], 4.
Aufl., §
12 Rn. 23
ff.; [X.]., [X.], 2004, 243, 255; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S.
219; [X.], JA 2017, 786, 788; [X.],
NJW 2017, 1350
f.). Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinan[X.]etzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des [X.] aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche [X.]ntegrität drohte. Hierfür können sich wesentliche [X.]ndizien aus den objektiven Tatumstän-den ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. So kann es sich etwa unterschiedlich auf 20
21
-
13
-
das Vorstellungsbild des [X.] zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.
bb)
Bei ihrer Würdigung des Geschehens hat die [X.] dem Ge-sichtspunkt einer möglichen unfallbedingten Eigengefährdung bereits im Ansatz
jegliches Gewicht abgesprochen, indem sie davon ausgegangen ist, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt hätten.
(1)
Das [X.] hat die Annahme eines solchen Sicherheitsgefühls der Angeklagten jedoch bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet, da es hierbei rechtsfehlerhaft maßgeblich auf einen nicht existierenden Er-fahrungssatz zurückgegriffen hat (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Dezember 1954

5
StR
416/54, [X.]St 7, 82, 83; Beschluss vom 8.
September 1999

2
StR 369/99, [X.]R StPO §
261 Erfahrungssatz
6; [X.]/[X.], 60.
Aufl., §
337 Rn.
31).
Das angefochtene Urteil geht von der Hypothese aus, dass mit den
Angeklagten vergleichbare Verkehrsteilnehmer regelmäßig kein Eigenrisiko in

nnenschweren, stark be-schleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos
dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kraftfahr-zeug grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrt-22
23
24
-
14
-
heit ausblendet, gibt es indes nicht. Ein entsprechendes Vorstellungsbild ist konkret auf die Angeklagten bezogen zudem nicht belegt. Gerade angesichts der vorliegend objektiv drohenden Unfallszenarien

Kollisionen an einer inner-städtischen Kreuzung mit anderen Pkw oder, wie die Urteilsgründe mitteilen, sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160
km/h

versteht sich dies auch nicht von selb[X.]
(2)
Zudem liegen dem angefochtenen Urteil wi[X.]prüchliche Annahmen bezüglich der durch die Angeklagten vorgenommenen Gefahreinschätzung zu-grunde. Während die [X.] einerseits davon ausgeht, dass die Ange-klagten sich selbst in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt und keinerlei Eigenrisiko in Rechnung gestellt hätten, hat sie andererseits ausgeführt, dass beide Ange-klagten
mit dem Vorsatz bezüglich einer Körperverletzung der Nebenklägerin [X.]

, und zwar einer solchen mittels eines gefährlichen Werkzeugs und
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.

-liche Ve

72). Da sich die Nebenklägerin bei der Tatbegehung auf dem Beifahrersitz neben dem Angeklagten N.

befand,
hat das [X.] bezüglich der [X.]nsassen desselben [X.] zwei einander wi[X.]prechende Gefahreinschätzungen vorgenommen. Die

nicht naheliegende

Annahme, die Angeklagten hätten ihre eigene Gefähr-dung und die der Nebenklägerin unterschiedlich bewertet, wird von der [X.] nicht erläutert.
3.
Was den Angeklagten N.

betrifft, könnte das Urteil im Übrigen
schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, auf die das Land-gericht die Annahme stützt, der Angeklagte N.

habe sich des mittäter-
schaftlich begangenen Mordes schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht 25
26
-
15
-
standhalten. Die vom [X.] vorgenommene Prüfung mittäterschaftlichen Verhaltens greift zu kurz, da die gebotene tatbestandsbezogene Prüfung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung

die hier auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gerichtet sein musste

unterblieben i[X.]
a)
Mittäterschaft im Sinne des §
25 Abs.
2 StGB setzt einen gemein-samen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objek-tiven Tatbeitrag leisten muss ([X.] Rspr.;
vgl. [X.], Beschlüsse vom 13.
Septem-ber 2017

2
StR
161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 4.
April 2017

3
StR
451/16, juris Rn.
7). Der gemeinsame [X.] muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, vielmehr genügt eine konkludente Übereinkunft; diese kann auch

in Er-weiterung des ursprünglichen [X.]s

im Rahmen arbeitsteiliger Tatausfüh-rung getroffen werden ([X.], Urteile vom 1.
Dezember 2011

5
StR
360/11, [X.], 77, 78; vom 15.
Januar 1991

5
StR
492/90, [X.]St 37, 289, 292; vom 9.
März 1994

3
StR
711/93, [X.], 394; Beschluss vom 18.
Mai 1995

5
StR
139/95, [X.]St 41, 149, 151). Bezugspunkt des [X.] bzw. des [X.]s ist gemäß §
25 Abs.
2 StGB jedoch stets die Straf-tat. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeits-teiliges Zusammenwirken gerichtet i[X.] Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter le-diglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.
b)
Vorliegend fehlt es bereits an der Feststellung eines durch die Ange-klagten gefassten gemeinsamen Tatentschlusses, der eine bedingt vorsätzliche Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers umfasste. Festgestellt und belegt hat die [X.] lediglich, dass sich die Angeklagten bei ihrem Zusammen-27
28
-
16
-

47) haben. Ferner hat das [X.] darauf
verwiesen, der An-geklagte N.

habe durch sein Fahrverhalten bei stetig steigender Ge-
schwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Angeklagten [X.]

ftemessen ein-

49). Aus diesen Ausführungen lässt sich indes lediglich die Verabredung und gemeinsame Durchführung eines illegalen Straßenrennens entnehmen. Weder für den Zeitpunkt der Rennverabredung noch für den nach-folgenden Rennverlauf hat das [X.] eine

zumindest konkludente

Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses festgestellt
und belegt. Viel-

eines Autorennens/Stechens naturgemäß ein von einer gemeinsamen Tatherr-schaft ge

49) darstellt. Die erforderliche Anknüpfung dieser Erwägungen an ein vorsätzliches Tötungsdelikt findet sich im Rahmen der Prüfung der Mittäterschaft nicht. Dass die Angeklagten den Entschluss ge-fasst hätten, einen anderen durch gemeinschaftliches Verhalten zu töten, lässt sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen.
[X.][X.][X.].
1.
Die Ausführungen der Revisionsführer zu dem vom [X.] ein-geholten verkehrspsychologischen Gutachten geben Anlass zu folgenden Be-merkungen:
Die Feststellung, ob ein Angeklagter vorsätzlich gehandelt hat, ist Tatfra-ge und obliegt allein
dem Tatrichter (vgl. [X.], Urteile vom 3.
Dezember 2015

4
StR
367/15, [X.], 668, 669
f.; vom 16.
Mai 2013

3
StR
45/13, NStZ 29
30
-
17
-
2013, 581, 583; vom 13.
Dezember 2005

1
StR
410/05, [X.], 386
f.; LK-StGB/[X.], 12.
Aufl., §
15 Rn.
63). Diese Prüfung hat stets einzelfallbezo-gen zu erfolgen und lässt eine generalisierende Betrachtung

etwa in Gestalt von Rechts-
oder Erfahrungssätzen, denen zufolge bei einem bestimmten [X.] oder einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich eine vorsätz-liche Tatbegehung zu bejahen oder zu verneinen sei

nicht zu (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Dezember 2015

4
StR
367/15, aaO, 669
f.; Beschlüsse vom 7.
März 2006

4
StR
25/06, [X.], 446; vom 14.
Januar 2003

4
StR
526/02, [X.], 369, 370; LK-StGB/[X.], aaO, §
15 Rn.
67; vgl. auch zur geringen Bedeutung allgemeiner statistischer Aussagen im Rahmen von Prognoseent-scheidungen [X.], Beschlüsse vom 17.
Februar 2016

2
StR
545/15, [X.] 2016, 720, 722; vom 30.
März 2010

3
StR
69/10, [X.], 203, 204). Dies gilt auch für den im angefochtenen Urteil und seitens der Revisionen in a-e-gens oder auch des Fehlens eines ([X.] einer kategorialen Zu-ordnung über den Einzelfall hinaus nicht zugänglich.
2.
Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gelangen, gilt mit Blick auf mögliche Mordmerkmale das Folgen-de:
a)
Bezüglich des [X.] der Verwendung eines gemeingefähr-lichen Mittels wird eine konsistente Gesamtbewertung der subjektiven Tatseite vorzunehmen sein. Soweit in dem angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit dem Tötungsvorsatz ausgeführt wird, mögliche
Gedanken der Angeklagten an
g-31
32
-
18
-
ten hätten die Tötung von Personen durch umherfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge

also auch des eigenen Fahrzeugs

billigend in Kauf genommen, lässt sich dies nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang brin-gen.
b)
Gegebenenfalls wird auch das Mordmerkmal der Heimtücke zu [X.] sein, wobei allerdings das hierfür erforderliche Ausnutzungsbewusstsein einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. [X.],
Urteile vom 15.
November 2017

5
StR
338/17, [X.], 97, 98; vom 29.
Januar 2015

4
StR
433/14, [X.], 392, 393; vom 11.
November 1986

1
StR
367/86, [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Heimtücke
1; vom 30.
Januar 1990

1
StR
688/89, [X.]R StGB §
211 Abs.
2 Heimtücke
11; und vom 25.
Oktober 1984

4
StR
615/84, [X.], 216).
3.
Der Senat weist darauf hin, dass sich das gesamte Renngeschehen

entgegen der Auffassung der
[X.] (UA
65)

als eine prozessuale Tat darstellt.
4.
Hinsichtlich der Vorbelastung der Angeklagten mit straßenverkehrs-rechtlichen Ordnungswidrigkeiten wird der neue Tatrichter gegebenenfalls Ge-legenheit haben, sich mit einer möglichen Tilgungsreife und einer daraus fol-genden Unverwertbarkeit einzelner Registereintragungen auseinanderzusetzen. Dabei sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit im Urteil so festzustellen, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
August 1993

4
StR
627/92, NJW 1993, 3081, 3084; MüKo-[X.]R/[X.], §
29 [X.]G Rn.
5).
33
34
35
-
19
-
5.
Bei der Bemessung einer möglichen Sperrfrist nach §
69a StGB sind auch die Dauer und die Wirkungen des Strafvollzugs infolge einer [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Juli 1997

4
StR
271/97, NStZ-RR 1997, 331, 332).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

[X.]
Feilcke
36

Meta

4 StR 399/17

01.03.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17 (REWIS RS 2018, 13047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13047

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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