Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2021, Az. VIII ZR 150/20

8. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1606

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Gegenstand

Wohnraummiete bei preisgebundenem Wohnraum: Rückforderung von Betriebskostenvorauszahlungen bei unzureichender Belegeinsicht


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

1

1. Der Kläger ist Mieter von zwei öffentlich geförderten Wohnungen der [X.] in [X.], im Hinblick auf eine der beiden Wohnungen gemeinsam mit seiner Ehefrau. [X.] haben die Mieter [X.] zu leisten, unter anderem für die Kosten des Hauswarts. Mit der Erbringung dieser Leistungen beauftragte die Beklagte die demselben Konzern zugehörige [X.] (im Folgenden: [X.]).

2

Mit der Betriebskostenabrechnung für das [X.] legte die Beklagte für die Position "Hauswart" für die vom Kläger gemietete Wohnung 130,09 € um, für die vom Kläger und seiner Ehefrau gemietete Wohnung 158,58 €. Die von der [X.] verlangten Nachzahlungen auf die Betriebskosten entrichtete der Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

3

Mit der Klage hat der Kläger Rückzahlung von 288,67 € gefordert, im Hinblick auf einen Betrag von 158,58 € an sich und seine Ehefrau, jeweils nebst Zinsen. Zur Begründung hat er in erster Linie geltend gemacht, die Beklagte habe ihm hinreichende Einsicht in die den Hauswartkosten zugrundeliegenden Abrechnungsunterlagen nicht gewährt.

4

Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Insoweit hat die Beklagte die aus anderen Gründen erfolgte Verurteilung zur Rückzahlung in Höhe von 14,83 € an den Kläger beziehungsweise in Höhe von 18,08 € an den Kläger und seine Ehefrau, jeweils nebst Zinsen, hingenommen. Auf die im Übrigen eingelegte Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die weitergehende Klage abgewiesen.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

6

2. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Berufung der [X.] sei begründet.

8

Allerdings habe die Beklagte die vom Kläger begehrte Belegeinsicht zu Unrecht verweigert. Sie habe ihm zwar Einsicht in den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der [X.], den Katalog der von dieser zu erbringenden Leistungen sowie die monatlichen Einzelrechnungen der [X.] gewährt. Der Geschäftsbesorgungsvertrag lasse jedoch nicht erkennen, welche Vergütung die Beklagte mit der [X.] vereinbart habe. Die Kontrollbefugnis des [X.] erstrecke sich auch auf die Prüfung, ob und inwieweit er mit Gewinnmargen der [X.] belastet werde. Da diese demselben Konzern wie die Beklagte zugehörig sei, bestehe für den Mieter von öffentlich gefördertem Wohnraum ein schutzwürdiges Interesse, dass der Umfang der Gewinnerzielung transparent sei.

9

In Anbetracht dessen habe dem Kläger zwar ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf laufende Nebenkostenvorauszahlungen und von der [X.] verlangte Nachzahlungen zugestanden. Da er ein solches aber nicht geltend gemacht habe, bestehe nach der Rechtsprechung des [X.] ein Rückzahlungsanspruch jedoch nicht. Vielmehr sei der Kläger darauf zu verweisen, zunächst auf Vorlage der Belege zu klagen.

II.

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des [X.] sei auch zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO), weil die Frage des Umfangs des Belegeinsichtsrechts von Mietern preisgebundenen beziehungsweise öffentlich geförderten Wohnraums höchstrichterlich nicht geklärt sei; das gelte zugleich für die Frage, ob auch Mieter preisgebundenen Wohnraums bei zu Unrecht verweigerter Belegeinsicht auf eine vorherige Klage auf Auskunftserteilung, gegebenenfalls im Wege der Stufenklage, zu verweisen seien.

Dies trägt indessen weder die vom Berufungsgericht genannten Zulassungsgründe noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Fragestellungen, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, sind nicht klärungsbedürftig.

a) Der Senat hat, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, bereits entschieden, dass Mieter in einem laufenden Mietverhältnis die Rückzahlung der auf die vereinbarten Nebenkosten geleisteten Abschlagszahlungen nicht verlangen können, wenn der Vermieter die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu Unrecht verweigert (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2010 - [X.], [X.], 857 Rn. 5). Die Mieter sind insoweit auch bei einer - wie hier - formell wirksamen Betriebskostenabrechnung durch ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen geschützt, solange ihnen eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2020 - [X.], NJW 2021, 693 Rn. 12; Senatsbeschlüsse vom 22. November 2011 - [X.], [X.], 276 Rn. 3; vom 22. Juni 2010 - [X.], aaO Rn. 3 ff.). Durch diesen Einbehalt können sich Mieter schadlos halten und Druck auf den Vermieter ausüben (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 2021 - [X.], [X.], 1541 Rn. 65; vom 29. März 2006 - [X.], [X.], 383 Rn. 13). Überdies können Mieter - wovon das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist - ihren Anspruch auf Vorlage der Belege einklagen, sofern der Vermieter die Belegeinsicht zu Unrecht verweigert (Senatsbeschluss vom 22. Juni 2010 - [X.], aaO Rn. 5).

b) Besonderheiten, die eine weitere höchstrichterliche Leitentscheidung erforderlich machten, weist der vorliegende Fall nicht auf. Die vorgenannten Grundsätze über das Belegeinsichtsrecht gelten, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, auch für preisgebundenen und öffentlich geförderten Wohnraum. Für preisgebundenen Wohnraum existiert mit § 8 Abs. 4 WoBindG und § 29 Abs. 1 NMV zwar eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Rechts des Mieters auf Einsicht in die Unterlagen, die der Vermieter zur Abrechnung von Betriebskosten heranzieht (vgl. Senatsbeschluss [[X.]] vom 11. Januar 1984 - [X.], [X.], 284, 295 f.; [X.]/Langenberg, Mietrecht, 14. Aufl., § 556 BGB Rn. 479; [X.]/Saxinger, Handbuch [X.] Wohnungsbau und Mietrecht, 2019, [X.]). Die genannten Bestimmungen lassen indes nicht erkennen, dass der Normgeber Mieter preisgebundenen Wohnraums im Hinblick auf das Belegeinsichtsrecht als schutzbedürftiger angesehen hat als Mieter preisfreien Wohnraums und eröffnen Mietern preisgebundenen Wohnraums keine über die Senatsrechtsprechung hinausgehenden Rechte. Zwar bestimmt § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV für preisgebundene Wohnraummietverhältnisse, dass der Mieter stets anstelle der Einsicht in die Berechnungsunterlagen gegen Erstattung der Auslagen Ablichtungen verlangen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. März 2006 - [X.], [X.], 1419 Rn. 21). Diese Vorschrift gewährt dem Mieter preisgebundenen Wohnraums jedoch kein weitergehendes Prüfungsrecht. Auch das Berufungsgericht und die Revision stellen dies nicht in Frage.

c) Die beschriebenen Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Senats auch für die Rückforderung vom Mieter [X.] Nachzahlungen auf die Betriebskosten (vgl. Senatsurteile vom 10. April 2019 - [X.], NJW-RR 2019, 877 Rn. 20, 36; vom 7. Februar 2018 - [X.], NJW 2018, 1599 Rn. 29; Senatsbeschluss vom 22. November 2011 - [X.], aaO Rn. 2 mwN). Auch insoweit besteht kein Bedürfnis für eine weitere höchstrichterliche Klärung.

d) Die Revision meint lediglich, bei typisierter Betrachtungsweise seien Mieter öffentlich geförderten Wohnraums schutzbedürftiger als Mieter frei finanzierter und preisfreier Wohnungen; eine Stufenklage sei Mietern preisgebundenen Wohnraums nicht zuzumuten, weil sie überwiegend in beengten finanziellen Verhältnissen lebten. Ungeachtet dessen, ob und inwieweit dies angesichts der Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen, zutrifft, sind die finanziellen Verhältnisse von Mietern preisgebundenen Wohnraums sowie ein pauschal reklamierter erhöhter Schutzbedarf kein geeignetes Kriterium, welches die materielle Rechtsstellung eines Mieters solchen Wohnraums bei zu Unrecht verweigerter Einsicht in die Unterlagen zur Betriebskostenabrechnung zu seinen Gunsten verändern könnte.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob dem Kläger unzureichend Belegeinsicht gewährt worden ist. Denn entgegen der Ansicht der Revision ist an der vom Berufungsgericht zu Recht zugrunde gelegten, gefestigten Rechtsprechung des Senats festzuhalten, wonach in einem laufenden Mietverhältnis der Mieter nicht die Rückerstattung von Abschlagszahlungen auf die vereinbarten Betriebskosten verlangen kann, wenn der Vermieter die Betriebskosten nicht rechtzeitig abrechnet. Dies gilt erst Recht, wenn der Vermieter Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu Unrecht verweigert. Die Mieter - und zwar auch die Mieter preisgebundenen Wohnraums - sind, wie ausgeführt, insoweit durch ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen geschützt, solange ihnen eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist.

Aufgrund eines berechtigt ausgeübten Leistungsverweigerungsrechts läuft der Mieter wegen der einbehaltenen [X.] mangels Schuldnerverzugs entgegen der Ansicht der Revision nicht Gefahr, dass der Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, [X.]) oder gegebenenfalls fristgemäß nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kündigen kann. Im Übrigen trifft es zwar zu, dass der Vermieter durch die Verweigerung einer berechtigterweise begehrten Belegeinsicht in vertragsverletzender Weise den Mieter an der Ausübung seines Rechts auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung hindert (vgl. Senatsurteil vom 10. April 2019 - [X.], aaO Rn. 36). Daraus folgt jedoch - anders als die Revision meint - nicht, dass die Vertragsverletzung des Vermieters ohne Weiteres zu einem Rückzahlungsanspruch des Mieters führen müsste. Das gilt auch für den von der Revision angeführten Gesichtspunkt, bei Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts bleibe für eine gewisse Zeit ungeklärt, in welcher Höhe eine Betriebskostenforderung des Vermieters bestehe. Dies mag zwar sein, geht aber in erster Linie zu Lasten des Vermieters, der trotz laufender Kosten Vorauszahlungen des Mieters (temporär) nicht erhält.

Zwar könnte der Vermieter, wie es in der Revisionsbegründung anklingt, noch in einem unmittelbar auf Rückerstattung von [X.] gerichteten Prozess des Mieters eine bisher zu Unrecht verweigerte Einsicht in Abrechnungsunterlagen zur Betriebskostenabrechnung gewähren. Gleichwohl stellt eine solche prozessuale Gestaltungsmöglichkeit keinen hinreichenden Grund dar, dem Mieter ohne vorausgegangene Prüfung der Abrechnungsunterlagen einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückforderung von Vorauszahlungen zu gewähren.

b) Die Klage auf Rückforderung der erbrachten Vorauszahlungen ist daher derzeit nicht begründet. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger Rückerstattung der geleisteten Nachzahlungen wegen unzureichend gewährter Einsicht in die die Position "Hauswart" betreffenden Abrechnungsunterlagen begehrt. Auch insoweit hätte der Kläger, wie bereits ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Senats (siehe oben [X.]) ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen können.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

[X.]     

      

Dr. Schneider     

      

Kosziol

      

Dr. Liebert     

      

Wiegand     

      

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 8. Februar 2022 erledigt worden.

Meta

VIII ZR 150/20

26.10.2021

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG München I, 14. Mai 2020, Az: 31 S 7015/19

§ 556 BGB, § 29 Abs 2 S 1 NMV, § 8 Abs 4 WoBindG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2021, Az. VIII ZR 150/20 (REWIS RS 2021, 1606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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