Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2010, Az. VI R 35/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 5283

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Gegenstand

Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland - Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers - Wert des Vermögens einer unterhaltenen Person - Berücksichtigung eines eigengenutzten Wohnhauses - Aufteilung einheitlicher Unterhaltszahlungen


Leitsatz

1. Ein eigengenutztes Wohnhaus ist ebenso wie ein Angehörigen überlassenes Wohnhaus als Vermögen des Unterhaltsempfängers mit dem Verkehrswert zu berücksichtigen (entgegen R 33a.1 EStR) .

2. Der Wert des Vermögens einer unterhaltenen Person ist in der Regel bis zu einem Wert von 15.500 € gering; diese Wertgrenze ist bei Zahlungen ins Ausland entsprechend der sog. Ländergruppeneinteilung an die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person anzupassen .

3. Leben mehrere Unterhaltsempfänger zusammen, ist eine Aufteilung einheitlicher Unterhaltszahlungen nur möglich, wenn diese gewissermaßen "aus einem Topf" wirtschaften .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Unterhalt von in der [X.] lebenden Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG) zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr (2005) zahlten sie insgesamt 7.350 € an die in der [X.] lebenden Eltern der Klägerin. Ausweislich einer von den [X.] Behörden ausgestellten Unterhaltsbescheinigung sind die Eltern nicht berufstätig, haben keine eigenen Einkünfte oder Vermögen und tragen neben den Klägern keine anderen Personen zu ihrem Unterhalt bei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) wurden die Angaben dahingehend berichtigt, dass der Vater der Klägerin eine Rente in Höhe von 220 € monatlich bezieht und Eigentümer von zwei Häusern mit jeweils einer Wohnfläche von etwa 45 qm ist. In einem Haus wohnen die Eltern selbst, das andere Haus, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus der Eltern belegen ist, wird unentgeltlich von dem Bruder der Klägerin und dessen Familie genutzt. Neben dem Bruder leben noch zwei Schwestern mit ihren jeweiligen Familien in derselben Gemeinde, aber nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Eltern.

3

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr beantragten die Kläger, die Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG abzuziehen. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ab und wies den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Kläger wandten sich dagegen mit der Klage.

4

Das [X.] gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1565 veröffentlichten Gründen teilweise statt.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die unzutreffende Anwendung von § 33a EStG.

6

Das [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] Köln vom 20. Mai 2008  6 K 1156/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die bisherigen Feststellungen des [X.] tragen nicht dessen Entscheidung, dass die Zahlungen der Kläger an die in der [X.] lebenden Eltern der Klägerin als Unterhaltszahlungen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen sind. Das [X.] wird nach Maßgabe der nachstehenden Rechtsgrundsätze des [X.]s die entsprechenden Feststellungen nachzuholen und erneut zu entscheiden haben.

9

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei Unterhaltszahlungen an Empfänger im Ausland bestimmt § 33a Abs. 1 Satz 5  2. Halbsatz EStG zusätzlich, dass nach inländischen Maßstäben zu beurteilen ist, ob der Steuerpflichtige zum Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist.

a) Nach der neuen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) (Urteil des erkennenden [X.]s vom 5. Mai 2010 [X.], [X.]E 230, 12) knüpft die gesetzliche Unterhaltsberechtigung i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG an die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs --Anspruchsgrundlage, Bedürftigkeit, [X.] an und beachtet auch die Unterhaltskonkurrenzen (§§ 1606, 1608 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers i.S. des § 1602 BGB ist daher Voraussetzung für die Annahme einer Unterhaltsberechtigung i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG. Bedürftigkeit ist beispielsweise gegeben, wenn die unterhaltene Person weder Vermögen hat noch Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielt. Die [X.] in § 33a Abs. 1 Satz 1, 4 und 5 EStG sowie das zu berücksichtigende eigene Vermögen des Unterstützten in § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ergänzen insoweit die zivilrechtlichen Regelungen, ersetzen diese aber nicht (so aber [X.]/[X.], EStG, 29. Aufl., § 33a Rz 19). Der [X.] folgt damit der sog. konkreten Betrachtungsweise und verweist zur näheren Begründung auf sein Urteil in [X.]E 230, 12).

b) Die bisherigen Feststellungen des [X.] gestatten keine Entscheidung darüber, ob die von den Klägern unterstützten Angehörigen tatsächlich bedürftig sind. Das [X.] hat die beiden Häuser des [X.] der Klägerin zu Unrecht nicht als relevantes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt und daher keine Feststellungen zu deren Wert getroffen.

aa) Nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ist Voraussetzung für den Abzug von [X.] u.a., dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens; ein Wert von bis zu 15.500 € ist in der Regel gering ([X.]-Urteil vom 12. Dezember 2002 [X.]/01, [X.]E 201, 192, [X.], 655). Der [X.] hält an dieser Grenze von 15.500 € zumindest für das Streitjahr weiterhin fest.

Der Wert von 15.500 € ist im Streitfall aber entsprechend der sog. Ländergruppeneinteilung im Schreiben des [X.] vom 17. November 2003 [X.] 2285- 54/03 ([X.], 637) für jede unterhaltene Person um die Hälfte auf 7.750 € zu mindern, da nur so das Vermögen der Unterhaltsempfänger typisierend nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person angemessen abgebildet werden kann ([X.]-Urteil vom 2. Dezember 2004 [X.]/03, [X.]/NV 2005, 1009).

bb) Nach den Feststellungen des [X.] besitzt der Vater der Klägerin ein eigengenutztes Haus, dessen Verkehrswert aber nach Überzeugung des [X.] die Wertgrenze von 15.500 € nicht überschreitet. Das [X.] folgt damit im Grundsatz der Rechtsprechung des III. [X.]s des [X.], der im Rahmen des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ein selbstgenutztes Eigenheim mit dem Verkehrswert ansetzt. Der erkennende [X.] folgt dieser Auslegung, da die Regelung des § 33a Abs. 1 EStG ihre Rechtfertigung und ihren sachlichen Grund im Zivilrecht findet (vgl. auch [X.]-Urteil in [X.]E 201, 192, [X.], 655; entgegen R 33a.1 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2005). Würde man das [X.] nach den Wertungen des Sozialrechts als Schonvermögen ansehen, wäre selbstgenutztes Wohneigentum gegenüber anderem Vermögen privilegiert.

Das [X.] hat jedoch keine konkreten Feststellungen zum Wert des eigengenutzten Hauses getroffen. Es ist nicht erkennbar aufgrund welcher Umstände oder Überlegungen das [X.] zu dieser Überzeugung gelangt ist, dass der Wert des eigengenutzten Hauses die Wertgrenze des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht überschreitet. Im Hinblick auf die dazu nachzuholenden Feststellungen weist der [X.] vorsorglich darauf hin, dass die Kläger nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung erhöhte Mitwirkungspflichten zur Aufklärung des Sachverhalts und für die Vorsorge sowie Beschaffung von Beweismitteln treffen, wenn sie Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige steuermindernd geltend machen.

cc) Entgegen der Auffassung des [X.] ist das im Eigentum des [X.] der Klägerin befindliche Wohnhaus aufgrund der unentgeltlichen Überlassung an den [X.] auch nicht als unverwertbares Vermögen unberücksichtigt zu lassen. Eine generelle Unverwertbarkeit kann nur angenommen werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Verwertung des Vermögens ausgeschlossen ist. Eine derartige Unverwertbarkeit schließt den Ansatz eines Vermögens im Rahmen des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG aus, das Vermögen ist wertlos (so auch sinngemäß [X.]-Urteil vom 29. Mai 2008 [X.], [X.]E 221, 221, [X.] 2009, 361). Dies ist im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsempfänger mit der Überlassung seine Bedürftigkeit selbst herbeigeführt hat (vgl. hierzu auch [X.]-Urteil vom 12. November 1996 [X.]/95, [X.]E 182, 64, [X.] 1997, 387).

Der im Eigentum des [X.] der Klägerin stehende Grundbesitz ist daher unabhängig von seiner konkreten Nutzung als verwertbares Vermögen anzusehen.

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der [X.] kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

a) Das [X.] hat im weiteren Rechtsgang festzustellen, ob das Vermögen des [X.] der Klägerin und das Vermögen der Mutter der Klägerin jeweils den Wert von 7.750 € übersteigen. Es wird hierzu eine Bewertung der Vermögen des [X.] und der Mutter der Klägerin vorzunehmen haben. Dabei wird es nach § 31 des Bewertungsgesetzes ([X.]) das ausländische Grundvermögen nach § 9 [X.] mit dem gemeinen Wert anzusetzen haben. Sollte das [X.] feststellen, dass lediglich der Vater der Klägerin über relevantes Vermögen verfügt, wird es zu prüfen haben, ob der Vater der Klägerin so leistungsfähig ist, dass er seiner vorrangigen Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Mutter der Klägerin nach § 1608 BGB nachkommen kann.

b) Das [X.] hat festgestellt, dass der Bruder der Klägerin mit seiner Familie in unmittelbarer Nachbarschaft seiner Eltern in einem dem Vater der Klägerin gehörenden Haus wohnt. Diese Feststellungen des [X.] lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass der Bruder der Klägerin zusammen mit seinen Eltern eine [X.] der Rechtsprechung des [X.] gebildet hat. Nach dieser Rechtsprechung kann bei einem Zusammenleben mehrerer unterstützter Personen in einem Haushalt grundsätzlich nicht darauf abgestellt werden, an welchen der Angehörigen jeweils einzelne Teilbeträge überwiesen worden sind. Einheitliche Unterhaltsleistungen, die für den Unterhalt einer solchen Personengruppe bestimmt sind, sind vielmehr nach einem allgemeinen Maßstab aufzuteilen ([X.]-Urteil vom 2. Dezember 2004 [X.]/03, [X.]E 208, 531, [X.] 2005, 483, m.w.N.).

In Anlehnung an die Legaldefinition der "[X.]" in § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG liegt eine [X.] dann vor, wenn über das bloße gemeinsame Wohnen hinaus quasi "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. auch BTDrucks 15/1516, S. 53 zum Begriff der [X.] in § 9 Abs. 5 des [X.]). Ein derartiges gemeinsames Wirtschaften ist nach den Feststellungen des [X.] nicht zu erkennen. Die Feststellungen des [X.] lassen im Übrigen auch nicht auf ein gemeinsames Wohnen schließen. Hierfür genügt es nicht, dass zwei räumlich getrennte Wohnungen lediglich in unmittelbarer Nachbarschaft belegen sind. Zudem hat das [X.] keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Zahlungen, die tatsächlich an den Vater der Klägerin in der [X.] ausgezahlt wurden, auch für den Bruder der Klägerin bestimmt waren. Dies wäre aber Voraussetzung, um überhaupt von Zahlungen an Mitglieder einer [X.] sprechen zu können ([X.]-Beschluss vom 25. März 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 932). Das [X.] ist daher nach den bisherigen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zahlungen von insgesamt 7.350 € nur zu 2/3 --also in Höhe von 4.900 €-- dem Unterhalt der beiden Eltern der Klägerin gedient haben und zu 1/3 dem Unterhalt der Familie des Bruders der Klägerin.

Meta

VI R 35/09

30.06.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 20. Mai 2008, Az: 6 K 1156/07, Urteil

§ 33a Abs 1 EStG 2002, § 1602 BGB, R 33a.1 Abs 2 EStR 2005, § 31 BewG 1991, § 9 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2010, Az. VI R 35/09 (REWIS RS 2010, 5283)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5283

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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