Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2000, Az. II ZB 20/99

II. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1567

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/[X.] Juli 2000in [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB §§ 174 Abs. 2, 175; ZPO § 233 [X.] ist mit dem Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfah-rens unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach§ 175 BGB als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes [X.] auf dem Postweg überhaupt nicht erhalten hat, die Wiedereinset-zung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist allein deshalb zu versagen,weil sie den Zustellungsbevollmächtigten nicht bestellt [X.], [X.]uß vom 24. Juli 2000 - [X.] - [X.] a.[X.] [X.] hat am 24. Juli 2000 durch den [X.] [X.] und [X.],Prof. [X.], [X.] und die Richterin [X.]:Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten werden der[X.]uß des 19. Zivilsenats des [X.] amMain vom 9. August 1999 und der [X.]uß der [X.] vom 2. Juni 1999 aufgehoben.Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegendie Nichteinhaltung der Einspruchsfrist hinsichtlich des [X.] des [X.] am Mainvom 19. November 1998 gewährt.[X.]: 10 Mio. [X.]:[X.] Die Klägerin nimmt als Konkursverwalterin über das Vermögen derD. Bank AG den in [X.]wohnhaften Beklagten auseinem Zeichnungsschein gemäß § 185 AktG sowie aus unerlaubter Handlungauf Zahlung von 10 Mio. DM in Anspruch. Die Klageschrift, die Verfügung [X.] zum schriftlichen Vorverfahren gemäß § 276 ZPO einschließlich [X.] 4 -Belehrung über das Erfordernis der Bestellung eines Zustellungsbevollmäch-tigten gemäß § 174 Abs. 2 ZPO und des Hinweises auf die Konsequenzen [X.] ansonsten möglichen Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175Abs. 1 ZPO) wurden dem Beklagten persönlich am 3. März 1998 im Wege [X.] nach § 199 ZPO zugestellt. Nachdem der Beklagte hierauf nichtreagiert hatte, erließ das [X.] am 19. November 1998 antragsgemäßohne mündliche Verhandlung ein entsprechendes Versäumnisurteil und setztedarin die Einspruchsfrist auf sechs Wochen fest. Dieses Urteil wurde dem [X.] am 24. November 1998 durch Aufgabe zur Post (§ 175 Abs. 1Satz 2 ZPO), der Klägerin per [X.] am 25. November 1998zugestellt. Auf Antrag der Klägerin wurde - im Hinblick auf eine beabsichtigteAuslandsvollstreckung - das Versäumnisurteil dem Beklagten nochmals, undzwar nunmehr laut einer förmlichen [X.] am 25. März 1999im Wege der Auslandszustellung, zugestellt. Der Beklagte legte über seinedaraufhin beauftragten Prozeßbevollmächtigten am 16. April 1999 [X.] das Versäumnisurteil ein. Das [X.], das den Einspruch [X.] wirksam hielt und dementsprechend die Frist zur Einspruchsbegründungantragsgemäß bis zum 10. Juni 1999 verlängerte, stellte sodann die frühereZustellung vom 24. November 1998 fest und ließ den bis dahin fehlenden [X.] nach § 213 ZPO durch die Urkundsbeamtin der [X.] am 6. Mai 1999 nachholen. Nach entsprechendem gerichtlichen Hinweisbeantragten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, denen erstmals am27. April 1999 Akteneinsicht gewährt worden war, am 10. Mai 1999 Wiederein-setzung in den vorigen Stand; zur Glaubhaftmachung bezogen sie sich auf ei-ne eidesstattliche Versicherung des Beklagten, nach der ihm das [X.] erstmals am 18. März 1999 zugestellt worden ist; dabei handelte es sich- seinem Vorbringen zufolge - um die formale Auslandszustellung, die entge-gen der offiziellen [X.] bereits an diesem Tage erfolgte. Das- 5 -[X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den [X.] gegen das Versäumnisurteil als verspätet verworfen. Die dagegen ge-richtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das [X.] zu-rückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der weiteren sofortigenBeschwerde.I[X.] Die gemäß § 568 a ZPO statthafte weitere sofortige Beschwerde istbegründet.Die Vorinstanzen haben zwar zutreffend den Einspruch des [X.] das Versäumnisurteil vom 19. November 1998 als verspätet angesehen;sie haben ihm jedoch zu Unrecht die beantragte Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist verweigert und [X.] rechtsfehlerhaft seinen Einspruch als unzulässig verworfen.1. Bei Einlegung des Einspruchs am 16. April 1999 war allerdings dieEinspruchsfrist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bereits verstri-chen. Sie begann - da es sich um ein im schriftlichen Vorverfahren erlassenesVersäumnisurteil handelte - mit der letzten der von Amts wegen zu bewirken-den Zustellungen an die Parteien, d.h. hier mit der Urteilszustellung an dieKlägerin am 25. November 1998 (§§ 310 Abs. 3, 331 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO;vgl. dazu [X.], [X.]. v. 5. Oktober 1994 - [X.]/94, NJW 1994, 3359,3360 m.w.[X.]). Die Zustellung an den Beklagten galt bereits mit der Aufgabe [X.] am Tage zuvor als bewirkt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO), weil der [X.] - nach der ordnungsgemäßen Verfahrenseinleitung - entgegen § 174Abs. 2 ZPO bis dahin keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatte. [X.] Förmlichkeiten dieses - verfassungsrechtlich unbedenklichen ([X.]NJW 1997, 1772) - [X.] wurden eingehalten. Die Urkunds-- 6 -beamtin der Geschäftsstelle hat gemäß § 213 ZPO in den Akten vermerkt, zuwelcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe zur Post erfolgt ist; derWirksamkeit des Vermerks steht nicht entgegen, daß er erst einige Zeit nachdem [X.] während des [X.] gefertigt wurde([X.], [X.]. v. 22. Februar 1989 - [X.], [X.], 1287, 1288m.w.[X.]). Die mit der letzten der vorgenannten Amtszustellungen am 25. No-vember 1998 in Gang gesetzte Einspruchsfrist war zur [X.] zweifelsfrei abgelaufen.2. Dem Beklagten ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugewähren, weil er ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist ge-hindert war (§ 233 ZPO). Das [X.] ist der Ansicht, der Beklagte habe als Adressatder Zustellung durch Aufgabe zur Post nach § 175 ZPO das Risiko des hier [X.] kommenden Verlustes der Sendung im postalischen Bereich und derdadurch bedingten Unkenntnis von der fingierten Zustellung und dem Fristen-lauf zu tragen, weil in der Nichtbenennung des Zustellungsbevollmächtigten eindie Wiedereinsetzung hinderndes Mitverschulden liege. Dieser [X.] der Senat nicht zu folgen.Die Regelungen der §§ 174 Abs. 2, 175 ZPO dienen allerdings - im In-teresse der Prozeßwirtschaftlichkeit, aber auch des Justizgewährungsan-spruchs des Klägers - einer zügigen Förderung des Rechtsstreits durch [X.] und die Parteien; sie sollen der Gefahr unangemessener Verzögerun-gen bei solchen Verfahren vorbeugen, an denen im Ausland wohnende [X.] beteiligt sind. Als unmittelbare Folge des Verstoßes gegen die in § 174Abs. 2 ZPO angeordnete Verpflichtung zur Bestellung eines [X.] 7 -vollmächtigten geht daher wegen der Fiktion des § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO beider Berechnung des Fristenlaufs die [X.] grundsätzlich zu Lasten [X.]. Damit ist jedoch kein genereller Ausschluß der [X.] verbunden; vielmehr wendet der Bundesgerichtshofin ständiger Rechtsprechung in den Fällen der Versäumung von Notfristen, dieaus Zustellungen gemäß § 175 ZPO resultieren, Wiedereinsetzungsrecht an([X.], Urt. v. 10. November 1998 aaO S. 1192 m.w.[X.]; vgl. dazu auch [X.]). Ein die Wiedereinsetzung hinderndes Verschulden kann dahernicht - wie dem [X.] offenbar vorschwebt - ohne Rücksicht aufdie konkreten Hinderungsgründe für die Fristversäumung bereits aus dem [X.] gegen § 174 Abs. 2 ZPO hergeleitet werden. Führt die Fiktion des§ 175 ZPO im Extremfall dazu, daß beim tatsächlichen Zugang des Urteils [X.] bereits abgelaufen ist oder erhält der Empfänger - wie hier -bis zum Fristablauf wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhauptkeine Kenntnis vom Erlaß des Urteils, so wird eine wesentliche Aufgabe [X.], dem Empfänger rechtliches Gehör zu verschaffen und ein fairesVerfahren zu gewährleisten ([X.] NJW 1988, 2361), verfehlt. Mit dem [X.] wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens ist es nachAnsicht des Senats unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die [X.] § 175 ZPO als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes [X.] auf dem Postweg überhaupt nicht erhält, den Rechtsbehelf des [X.]s endgültig abzuschneiden, und zwar allein deshalb, weil sie den [X.] nicht bestellt hat ([X.], [X.]. v. 4. Dezember 1991- IV ZB 4/91, [X.], 1701, 1702; [X.] aaO S. 1772).Im vorliegenden Fall ist danach - nicht anders als bei gewöhnlichen,nicht auf einer Fiktion beruhenden Inlandszustellungen - die [X.] Beklagten als unverschuldet anzusehen, weil ihm ein Verlust der [X.] 8 -auf dem Postweg nicht anzulasten ist. Ausweislich seiner eidesstattlichen Ver-sicherung vom 14. Mai 1999 ist ihm die am 24. November 1998 zur Post gege-bene Sendung mit dem Versäumnisurteil nie zugegangen, so daß von einemderartigen Verlust auszugehen ist. Nach Aktenlage besteht kein Anlaß, an [X.] der eidesstattlichen Versicherung zu zweifeln. Der Beklagte hat- obwohl ihm dies hinsichtlich eines etwaigen Fristenlaufes eher ungünstigwar - versichert, die im Wege der Auslandszustellung wiederholte [X.] bereits am 18. März 1999 tatsächlich erhalten zu [X.] nicht etwa eine Woche später - wie von der [X.] Behörde in der Zu-stellungsurkunde vermerkt. Die Richtigkeit der diesbezüglichen [X.] sich zudem daraus, daß der Inhalt der Sendung bereits durch die [X.] Rechtsanwälte des Beklagten am 23. März 1999 per Fax an seine der-zeitigen Prozeßbevollmächtigten übermittelt worden ist. Da der Beklagte nachErhalt der Auslandszustellung sogleich seine Prozeßbevollmächtigten bestelltund mit der Einlegung des Einspruchs beauftragt hat, erscheint seine weitereVersicherung glaubhaft, er würde selbstverständlich - auch angesichts [X.] von 10 Mio. DM - umgehend die Rechtsanwälte schon früher [X.] haben, wenn ihn die am 24. November 1998 zur Post aufgegebeneSendung tatsächlich erreicht [X.] Die - von den Vorinstanzen auf der Grundlage ihres [X.] folgerichtig nicht geprüften - formalen Voraussetzungen der Wiederein-setzung sind ebenfalls gegeben, insbesondere ist die Frist des § 234 ZPO [X.]. Diese Frist begann frühestens am 27. April 1999, dem Tag, an demden Prozeßbevollmächtigten des Beklagten erstmals Akteneinsicht gewährtwurde; somit war die Einreichung des Gesuchs am 10. Mai 1999 rechtzeitig.Eine frühere Behebung des Hindernisses - Unkenntnis von der gemäߧ 175 ZPO fingierten früheren Zustellung vom 24. November 1998 - [X.] -nicht in Betracht. Gerade weil die Auslandszustellung des Urteils am [X.] erfolgte, mußte der Beklagte nicht mit einer früheren Zustellung gemäߧ 175 ZPO rechnen, weil eine "doppelte" Zustellung jedenfalls grundsätzlichnicht ohne weiteres erwartet werden konnte. Folgerichtig haben seine Prozeß-bevollmächtigten auch zunächst am 31. März 1999 nur Akteneinsicht [X.] sich am 16. April 1999 mit der Einlegung des Einspruchs begnügt, weil dieAkte wegen der Auslandszustellung bei Gericht nicht vor dem 27. April 1999verfügbar war. Hinzu kam, daß selbst das [X.] zunächst von der [X.] des Einspruchs ausging, indem die [X.] den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten schriftlich beschei-nigte, daß das Versäumnisurteil am 25. März 1999 zugestellt sei, und im übri-gen die Frist zur Einspruchsbegründung antragsgemäß bis zum 10. Mai 1999verlängerte. Das Gericht selbst stellte erst am 6. Mai 1999 nach [X.] die bereits am 24. November 1998 gemäß § 175 ZPO bewirkte frühereZustellung fest und ließ den bis dahin fehlenden Aktenvermerk nach§ 213 ZPO nachholen; erst danach wies es durch Schreiben vom 6. Mai 1999den Beklagten auf die veränderte Situation hin. Bei dieser Sachlage mußtendie Prozeßbevollmächtigten des Beklagten jedenfalls nicht vor der eigenenAkteneinsicht die frühere [X.] zudem damals noch nicht förmlich bescheinigte -Zustellung vom 24. November 1998 bemerken.4. Mit der die Wiedereinsetzung stattgebenden Entscheidung ist zu-gleich die auf die Fristversäumung gestützte Einspruchsverwerfung durch das[X.] gegenstandslos.5. Über die Kosten des [X.] - zu denen auchdie Kosten der für den Beklagten erfolgreichen Beschwerdeverfahren gehö-- 10 -ren - ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu erkennen (vgl.[X.]/[X.], ZPO 21. Aufl. § 238 Rdn. 11 m. Rechtsprechungsnachw.).Röhricht[X.]Goette Kurzwelly Münke

Meta

II ZB 20/99

24.07.2000

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2000, Az. II ZB 20/99 (REWIS RS 2000, 1567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1567

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.