Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2014, Az. 27 W (pat) 46/13

27. Senat | REWIS RS 2014, 7593

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "CRYSIS/CRISS (Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – zur rechtserhaltende Benutzung - Warenidentität – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 056 453

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 25. Februar 2014 durch [X.] [X.], [X.] [X.] und [X.] k.A. Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

2

Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; kosmetische Badezusätze; Badesalze, nicht für medizinische Zwecke; Duftwasser; Haarfärbemittel; Haarspray; Haarwaschmittel; Haarwasser; Kosmetika; Lippenstifte

3

Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; Fahrräder

4

Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente

5

Klasse 15: Musikinstrumente

6

Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; [X.]e- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren

7

Klasse 20: Möbel, Spiegel, Bilderrahmen; Waren soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen

8

Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten und Pinsel (ausgenommen für [X.]); [X.]; Putzzeug; Stahlwolle; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von [X.]); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit nicht in anderen Klassen enthalten

9

Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen

Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material)

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

Klasse 34: Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten

Klasse 42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computer-hardware und -software

eingetragene Wortmarke 30 2010 056 453

[X.]

ist aus der für die Waren

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis.

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken

Klasse 33: Weine, weinhaltige Getränke, Spirituosen, Liköre sowie alle übrigen alkoholischen Getränke (ausgenommen Biere)

geschützten älteren Wortmarke EM 000 988 345

[X.]

Widerspruch erhoben worden.

Die Markenstelle für Klasse 25 des [X.] hat den Widerspruch mit Beschluss vom 30. April 2013 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, da eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht zu besorgen sei.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sei eine Marke zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit/Identität mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit/Identität der durch die Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Darüber hinaus sei die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen, wobei eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren bestehe.

Auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung für die Waren "weinhaltige Getränke" sei eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen, da die jüngere Marke selbst bei identischen Waren den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "[X.]" sei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als durchschnittlich einzustufen. Daher habe die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einzuhalten. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe sei ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand indessen noch gewahrt. So könne von einer Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht trotz gewisser Annäherungen nicht ausgegangen werden. Die Widerspruchsmarke werde "[X.]" ausgesprochen. Bei einer englisch-sprachigen Aussprache der angegriffenen Marke wie "krai-sis" (im Hinblick auf das bekannte [X.] Wort "to cry" und wegen des [X.] zu dem Wort "[X.], das als "krai-sis ausgesprochen werde) stimmten die [X.] weder bei [X.] (zweisilbig/einsilbig) noch [X.] überein. Auch im Sprechrhythmus seien Abweichungen festzustellen, so sei das [X.] der angegriffenen Marke wegen des Zwieklanglauts "ai" deutlich weicher und gedehnter, das der Widerspruchsmarke sei demgegenüber kurz und hart. Zu berücksichtigen sei ferner, dass keine Silbe der angegriffenen Marke identisch bzw. klangidentisch mit dem Widerspruchszeichen ist. Auch bei einer in geringerem Umfang zu erwartenden Aussprache wie "kri-sis" (im Hinblick auf Wörter wie "crystal") seien klangliche Unterschiede gegeben. Bei einer "[X.]" Aussprache der angegriffenen Marke als "[X.]" (vgl. Wörter wie [X.]=Hüpo oder Crysantheme=Krüsantheme) schließlich seien die Vergleichsmarken ebenfalls im Hinblick auf [X.], [X.] und Sprechrhythmus phonetisch ausreichend verschieden. Obwohl die [X.] in fünf Buchstaben übereinstimmten, sei auch in schriftbildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen. Die [X.] unterschieden sich in den zu berücksichtigenden verkehrsüblichen Wiedergabeformen ([X.] - [X.]/[X.] - Criss/crysis - [X.]) durch die Unterschiede an der dritten [X.] und durch die nur in der Widerspruchsmarke enthaltene auffällige Verdoppelung des [X.] am Wortende. Diese Unterschiede reichten aus, auch weil es sich vorliegend um relativ kurze Wörter handele. Schließlich trage zur besseren klanglichen und schriftbildlichen Unterscheidbarkeit der Marken hier auch der Begriffsanklang der angegriffenen Marke bei. Das Zeichen "[X.]" ist deutlich an den geläufigen [X.]n Begriff "Crisis" (für "Krise") angelehnt; diese Bedeutung sei dem breiten Publikum auch zweifellos bekannt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie weiterhin die Auffassung, die Marken seien schriftbildlich und klanglich verwechselbar.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle vom 30. April 2013 aufzuheben und die Marke 30 2010 056 453 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss.

[X.]

Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des [X.]s auch nicht geboten ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keine Erfolg, weil eine Gefahr von Verwechslungen im Sinn vom § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht besteht.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu löschen, wenn unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungs- bzw. Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht.

Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. [X.], 235 - [X.]; [X.] GRUR 2005, 1042 - [X.] Life).

Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2007, 318 - [X.]/Autec).

Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Der Gesamteindruck ist deshalb maßgeblich, weil der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelteile achtet (vgl. [X.] GRUR 2007, 700 - Limoncello; [X.], 295 - Goldhase).

Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken verneint.

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ist, wovon auch die Beschwerdebegründung vom 19. Juni 2013 ausgeht, allein für die Waren "weinhaltige Getränke" zu unterstellen, wobei Identität zu den Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 33 besteht.

Den danach erforderlichen deutlichen Abstand hält die jüngere Marke allerdings in allen Richtungen ein, wie die Markenstelle bereits in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und überzeugend herausgearbeitet hat, worauf daher Bezug genommen werden kann. Für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr ist die Nähe der Zeichen entgegen der Annahme der Widersprechenden nicht ausreichend.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, Schriftbild und Sinngehalt zu beurteilen, und dabei nach dem Gesamteindruck, wie Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verbraucher in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken.

Mit Rücksicht darauf scheidet auch zur Überzeugung des [X.]s eine Markenähnlichkeit wegen der Einsilbigkeit der Widerspruchsmarke und den darin verdoppelten, auffälligen "s" in visueller, akustischer und nicht zuletzt begrifflicher Hinsicht aus.

So ist zunächst entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht davon auszugehen, dass die Zeichen schriftbildlich verwechselbar wären. Der [X.] kann der Markenstelle nur darin beitreten, dass der Buchstabe "[X.]" und die Verdoppelung in "ss" der Widerspruchsmarke deutliche Unterschiede bewirken.

Auch klanglich liegt eine Verwechselbarkeit fern, da selbst bei flüchtiger Aussprache das einsilbige "[X.]" nicht wie das bei jeder Aussprachevariante zweisilbige und damit auch im Rhythmus abweichende "krai-sis", "krie-sis" oder "[X.]" (die drei denkbaren Sprechvarianten, die auch die Markenstelle herangezogen hat) klingt.

Der mit Blick auf die anzunehmenden Warennähe zu fordernde deutliche Abstand der Zeichen ist schließlich aus dem auch von der Markenstelle herangezogenen Gesichtspunkt des Sinngehalts der Anmeldemarke gegeben. Denn angesichts dessen werden klangliche Unterschiede der gegenüberstehenden Bezeichnungen vom Verkehr wesentlich schneller erfasst, so dass es im Verkehr gar nicht erst zu Verwechslungen kommt, wenn eine der gegenüberstehenden Bezeichnungen einen für jedermann verständlichen Sinngehalt aufweist (vgl. [X.], 320, 323 Quick/Glück; [X.], 130 - [X.]y/[X.] je m. w. Nachw.). Zurecht hat die Markenstelle auf die deutlich erkennbare Anlehnung an den Begriff "Krise" oder englisch "crisis" hingewiesen, die die angesprochenen Verkehrskreise bemerken werden.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]).

Meta

27 W (pat) 46/13

25.02.2014

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2014, Az. 27 W (pat) 46/13 (REWIS RS 2014, 7593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7593

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