Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2018, Az. 27 W (pat) 64/17

27. Senat | REWIS RS 2018, 11612

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BRAIN4Kids/brain4kids" – Wiedereinsetzung in die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr – verspätete Einzahlung - Online-Überweisung am Tag des Fristablauf – fehlende Sicherstellung des rechtzeitigen Eingangs – Zurechnung des Verschuldens des Verfahrensbevollmächtigten – Fiktion der Nichteinlegung – Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 211 845

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 26. März 2018 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und die Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

[X.] Der Antrag der Widersprechenden auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Beschwerde gegen Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 7. Juli 2017 gilt als nicht eingelegt.

II[X.] Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 28. Juni 2015 angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 12. Oktober 2015 unter der Nummer 30 2015 211 845 für diverse Waren der Klassen 9 und 10 sowie Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister eingetragen worden.

3

Mit Beschluss vom 7. Juli 2017 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 41, den gegen die Eintragung dieser Marke gerichteten Widerspruch aus der geschäftlichen Bezeichnung brain4kids zurückgewiesen.

4

Gegen den ihr am 17. Juli 2017 zugestellten Beschluss hat die Widersprechende am 17. August 2017 Beschwerde eingelegt.

5

Ebenfalls am 17. August 2017, und zwar um 17.33 Uhr, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Widersprechenden die [X.] i. H. v. 200.- Euro online überwiesen. Ausweislich des sich bei der Akte befindlichen Kontoauszugs des [X.] erfolgte die Gutschrift dieser Zahlung i. H. v. 200.- Euro am Folgetag, also am 18. August 2017.

6

Hierauf und auf die Vorschrift des § 6 Abs. 2 PatKostG hingewiesen, hat die Widersprechende und Antragstellerin mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 1. Februar 2018, bei Gericht eingegangen am 2. Februar 2018, „vorsorglich“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

7

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Überweisung der [X.] am [X.], also am 17. August 2017, rechtzeitig sei, da nicht damit gerechnet werden könne, dass die Bundeskasse bzw. die [X.] den Betrag erst einen Tag später und damit verspätet dem Amt gutschreibe.

8

Eine frühere Überweisung sei schon denkgesetzlich nicht möglich, weil die Entscheidung, Beschwerde einzulegen, erst am letzten Tag der Beschwerdefrist gefallen sei. Von einem Bürger könne nicht verlangt werden, dass er „in vorauseilendem Gehorsam“ Gebühren überweise, nur weil möglicherweise die empfangende Behörde zu langsam arbeite.

9

Die Antragstellerin beantragt,

ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] zu gewähren.

Der Antragsgegner hat sich zum Wiedereinsetzungsantrag nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des [X.], die Schriftsätze der Beteiligten, die Hinweise des Gerichts und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Widersprechenden auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einzahlung der [X.] ist zulässig, aber nicht begründet. Mangels rechtzeitiger Zahlung der [X.] ist daher festzustellen, dass die Beschwerde gem. §§ 66 Abs. 2, 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gilt.

1. Gem. § 66 Abs. 2 [X.] ist eine Beschwerde gegen einen Beschluss des [X.] innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim Patentamt einzulegen. Binnen dieser Frist ist gem. § 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 PatKostG auch die dafür vorgesehene Gebühr zu zahlen ([X.], [X.], 1286, Rn. 12 – Mehrschichtlager; [X.], [X.], 1255 Rn. 10 – [X.]). Für die vorliegende Beschwerde ist nach Nr. 401 300 des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz eine Gebühr i. H. v. 200.- Euro zu entrichten. Gem. § 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG gilt die Handlung – also die Einlegung der Beschwerde – als nicht vorgenommen, wenn eine Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt wird.

Vorliegend ist die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgt. Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 41, vom 7. Juli 2017 ist der Antragstellerin am 17. Juli 2017 zugestellt worden.

Der angegriffene Beschluss war mit der erforderlichen Belehrung versehen, so dass die Beschwerdefrist mit Zustellung des Beschlusses zu laufen begann (vgl. [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 61 Rn. 19). Nach § 61 Abs. 2 [X.] ist Beschlüssen des [X.] eine Erklärung beizufügen, mit der die Beteiligten über das Rechtsmittel, das gegen den Beschluss gegeben ist, über die Stelle, bei der das Rechtsmittel einzulegen ist, über die Rechtsmittelfrist und, sofern für das Rechtsmittel eine Gebühr nach dem Patentkostengesetz zu zahlen ist, über die Gebühr unterrichtet werden. Eine solche schriftliche Belehrung ist vorliegend erfolgt.

Die Frist zur Einzahlung der [X.] endete gem. § 82 Abs. 1 S. 1 [X.], § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am Donnerstag, den 17. August 2017.

Gem. § 2 Nr. 2 PatKostZV i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PatKostG gilt bei Überweisungen als [X.] der Tag, an dem der Betrag dem Konto der zuständigen Bundeskasse für das [X.] gutgeschrieben wird. Dies war vorliegend der 18. August 2017, also nach Ablauf der Zahlungsfrist gem. § 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 PatKostG.

Die [X.] ist damit nicht rechtzeitig eingegangen. Es wird auch keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der [X.] gewährt.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Frist zur Einzahlung der [X.] (§§ 66 Abs. 2, 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 PatKostG) ist zwar gem. § 91 Abs. 1 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag vom 2. Februar 2018 wurde insbesondere rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 91 Abs. 5 [X.] sowie innerhalb der Frist von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses gem. § 91 Abs. 2 [X.] gestellt. Insoweit nimmt der Senat zugunsten der Antragstellerin als Fristbeginn den Zeitpunkt an, in dem die Antragstellerin von dem verspäteten Eingang der [X.] (nämlich am 18. August 2017) positive Kenntnis hatte. Dies ist der Zeitpunkt des Zugangs des diesbezüglichen gerichtlichen Hinweises am 17. Januar 2018. Die versäumte Handlung, die gem. §§ 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 PatKostG erforderliche Zahlung der [X.], war bereits veranlasst worden und wurde ebenfalls innerhalb dieser Frist mit Gutschrift der Zahlung am 18. August 2017 „nachgeholt“ gem. § 91 Abs. 4 S. 1 [X.].

3. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht begründet, da ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vorliegt.

Eine Wiedereinsetzung wird gem. § 91 Abs. 1 S. 1 [X.] nur demjenigen gewährt, der an der Einhaltung der Frist ohne Verschulden gehindert war. Eine Fristversäumung ist dabei ohne Verschulden erfolgt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war (vgl. [X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 91 Rn. 10). Gem. §§ 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO steht dabei das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleich. An die Sorgfalt eines Anwalts werden von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angelegt (vgl. [X.] a. a. O. § 91 Rn. 13).

Vorliegend hat die Widersprechende ihr Wiedereinsetzungsgesuch damit begründet, dass die Veranlassung einer Online-Überweisung am Tage des Fristablaufs rechtzeitig sei und nicht damit gerechnet werden könne, dass die Gutschrift des Betrages erst einen Tag später erfolge.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Annahme fehlenden Verschuldens zu begründen.

§ 2 Nr. 2 PatKostZV i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PatKostG regelt ausdrücklich, dass nicht der Tag als [X.] gilt, an dem eine Überweisung veranlasst wird, sondern erst der Tag, an dem der Betrag dem Konto der zuständigen Bundeskasse für das [X.] gutgeschrieben wird. Bereits aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Veranlassung einer Überweisung – und zwar auch einer Online-Überweisung – zur Wahrung der Frist nicht ausreichend ist. Wie allgemein bekannt ist und sich aus dem vom Senat mit Hinweis vom 1. März 2018 versandten Medienbericht ergibt, kann nicht mit einer taggleichen Gutschrift eines überwiesenen Betrages gerechnet werden. Dies entspricht auch der Regelung in § 675 s. Abs. 1 BGB (a. F.), nach der der Zahlungsdienstleister des Zahlers verpflichtet ist sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstags beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingeht. Dies war vorliegend der 18. August 2017, an dem die Gutschrift auch tatsächlich erfolgt ist.

Der anwaltliche Vertreter durfte daher nicht auf eine Gutschrift noch am [X.], also am 17. August 2017, vertrauen, zumal er die Online-Überweisung erst gegen Abend dieses Tages um 17.33 Uhr veranlasst hat.

Dem steht auch nicht entgegen, dass es grundsätzlich möglich sein muss, eine Frist wie die vorliegende Beschwerdefrist bis zum letzten Tag auszuschöpfen. In einem solchen Fall ist jedoch durch die gewählte Zahlungsart – beispielsweise eine Bareinzahlung gem. § 2 Nr. 1 PatKostZV i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PatKostG – sicherzustellen, dass die [X.] rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist eingeht.

Vor diesem Hintergrund ist von einem der Antragstellerin gem. §§ 82 Abs. 1 S. 1 [X.] i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten auszugehen, so dass Wiedereinsetzung nicht zu gewähren ist.

Im Hinblick auf die versäumte Frist zur Zahlung der [X.] war gem. § 82 Abs. 1 S. 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.

Zudem war die Rückzahlung der [X.] anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die verspätet gezahlte Gebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist ([X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 66 Rn. 53).

Die Entscheidung ist unanfechtbar ([X.] a. a. O., § 83 Rn. 7).

Meta

27 W (pat) 64/17

26.03.2018

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2018, Az. 27 W (pat) 64/17 (REWIS RS 2018, 11612)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11612

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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