Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.09.1999, Az. 4 O 44/99

4. Zivilkammer | REWIS RS 1999, 213

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3500,- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Entscheidungsgründe

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aufgrund zweier Vollstreckungsbescheide vom 6. November 1996 (Anlage K 1) über 15.350,84 und vom 31. August 1998 über 8.567,92 DM (K 2) als Übernehmer des Vermögens des Herrn A in Anspruch. Den Vollstreckungsbescheiden liegen Forderungen aus einer Bürgschaft zugrunde, die A am 30.6.1993 für Forderungen der Klägerin aus Leasingverträgen gegen seine Ehefrau übernommen hatte. Es handelt sich um im Jahr 1996 und davor fällig gewordene Leasingraten für Anlagen, die die Klägerin an Frau A für den Betrieb eines computergesteuerten Tennisplatzbelegungssystems verleast hatte. Herr A war Mitinhaber des europäischen Patents O 334 290, das eine Vorrichtung zum Anzeigen und Kontrollieren von Platzbuchungen betrifft. Am 4.7.1997 schlossen A und der Beklagte die als Anlage B2 vorgelegte schriftliche Vereinbarung, in der es heißt:

"Herr A übergibt Herrn B das alleinige Recht zur Herstellung und Nutzung von Magnetkarten für die Zeiterfassung von Sportanlagen gemäß Deutsches Patent Nr. 58904541.5."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen. Gemäß der Umschreibungsbestätigung des Deutschen Patentamts vom 22. Juli 1997 (Anlage B 3) wurde der A zustehende Anteil an dem  unter dem Aktenzeichen 589 04 541.5-08 bei dem Deutschen Patentamt geführten Schutzrecht auf Antrag vom 26. August 1999 auf den Beklagten umgeschrieben.

Die Klägerin macht geltend, mit der Übertragung des Anteils an dem europäischen Patent habe der Beklagte das gesamte Vermögen des Herrn A übernommen. Bereits am 19.8.1997 sei A überschuldet gewesen, was sich daraus ergebe, daß er sich zu diesem Zeitpunkt - unstreitig – an die Schuldnerberatungsstelle der Stadt Dormagen gewandt habe. Zwischen den Parteien unstreitig ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Ruhegehaltsansprüche A s im August 1997 wegen Forderungen in Höhe von 854.000,- DM gepfändet waren (Anlage W 9). Die Klägerin behauptet, die im Jahr 1996 unstreitig im Eigentum A s stehenden  Grundstücke seien im Zeitpunkt der Übertragung des Patents so hoch belastet gewesen, daß sie keinen Vermögenswert mehr darstellten. Bezüglich eines der Grundstücke hat die Klägerin einen Grundbuchauszug des Amtsgerichts Neuss vorgelegt (Anlage A 17), auf den Bezug genommen wird. Die Vermögensverhältnisse A s seien dem Beklagten, seinem Schwager, bekannt gewesen.

Nachdem der Beklagte Widerklage wegen Patentverletzung erhoben hat, hat das Amtsgerichts Brühl, bei dem der Rechtsstreit zunächst anhängig war, den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen. Die erkennende Kammer hat die Widerklage abgetrennt.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das europäische Patent 0 334 290 auf sie zu übertragen  und die zugehörige Urkunde des Europäischen Patentamts an sie herauszugeben.

Nunmehr beantragt sie,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 23.918,76 nebst 12,5 % Zinsen aus 15.350,84 DM seit dem 8. August 1996 und 10 % Zinsen aus weiteren DM 8.567,92 seit dem 5. Januar 1997 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Übertragung des Patents sei zum Zwecke der Sicherung einer Forderung aus einem Darlehen in Höhe von 25.000,- DM erfolgt, das er A gewährt habe. Die Belastungen der im Zeitpunkt der Übertragung im Eigentum A s stehenden Grundstücke hätten  den Verkehrswert bei weitem nicht erreicht. Die in dem Vollstreckungsbescheid vom 6. November 1996 titulierte Forderung sei erfüllt. Der Vollstreckungsbescheid vom 31.8.98 sei A nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Die in diesem Vollstreckungsbescheid bezeichneten Leasingverträge seien ihm, dem Beklagten, nicht bekannt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in der geänderten Fassung zulässig, aber unbegründet.

1.

Es kann dahinstehen, ob der Übergang von dem Verlangen auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das europäische Patent (in diesem Sinne war die auf § 419 BGB gestützte Klage auf Übertragung des Patents und Herausgabe der Patenturkunde auszulegen) zu dem Zahlungsanspruch als Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO zu bewerten ist. Denn der Beklagte hat sich im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung rügelos auf die geänderte Antragsfassung eingelassen, so daß gemäß § 267 ZPO die Einwilligung des Beklagten in die Antragsänderung anzunehmen ist, die im übrigen auch als sachdienlich anzusehen ist, § 263 ZPO.

2.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht aus § 419 BGB – der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – begründet.

Die Vorschrift des § 419 BGB, der am 1. Januar 1999 infolge der Insolvenzordnung außer Kraft getreten ist, ist für Vermögensübernahmen, die vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben, weiter anwendbar (Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 419, Rdnr. 1). Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des Art. 170 EGBGB. Diese Vorschrift hat als Überleitungsvorschrift zum Schuldrecht beim Inkrafttreten des BGB durch Zeitablauf ihre unmittelbare Bedeutung verloren. Ihre Regelung, daß das Schuldverhältnis nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht untersteht, das zur Zeit der Verwirklichung seines Entstehungstatbestandes galt, ist aber Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Art. 170 EGBGB ist daher entsprechend anwendbar, wenn schuldrechtliche Normen ohne Übergangsvorschrift verändert werden (vgl. BGH NJW 1985, 2941, 2942; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Einl. v. § 241, Rdnr. 29). Da die von der Klägerin behauptete, einen gesetzlichen Schuldbeitritt begründende Vermögensübernahme unter der Geltung des § 419 BGB stattgefunden hat, ist diese Vorschrift im Streitfall anwendbar.

Die Klägerin hat jedoch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, daß der Anteil ihres Schuldners an dem europäischen Patent 0 334 290, dessen deutschen Anteil er dem Beklagten am 4. Juli 1997 übertragen hat, (nahezu) sein gesamtes Vermögen darstellte. Zwar genügt für die Herbeiführung des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 419 BGB auch die Übertragung eines einzelnen Gegenstandes, wenn dieser nahezu das gesamte Vermögen des Schuldners ausmacht. Das Vermögen im Sinne des § 419 BGB ist nur das vollstreckungsfähige Aktivvermögen des Schuldners, aus dem der Gläubiger sich gegebenenfalls befriedigen kann (BGHZ 66, 220; 93, 138; 111, 15). Es ist daher unerheblich, welche weiteren Forderungen im Zeitpunkt der Übertragung des Patentanteils gegen den Schuldner bestanden und ob dieser "überschuldet" war, wenn neben dem Patentanteil noch weitere, nicht ganz unerhebliche Vermögensstücke in seinem Vermögen vorhanden waren.

Insoweit kommen zunächst die nicht deutschen Anteile des europäischen Patents in Betracht. Denn wie aus der schriftlichen Vereinbarung vom 4. Juli 1997 (Anlage B 2) und der Umschreibungsbestätigung des Deutschen Patentamts (Anlage B 3) hervorgeht, hat Herr A lediglich den deutschen Anteil des europäischen Patents auf den Beklagten übertragen. Dies ergibt sich daraus, daß sich die Vertragsurkunde nur auf das "deutsche Patent" bezieht, das mit dem Aktenzeichen bezeichnet wird, unter dem offenbar der deutsche Anteil des europäischen Patents bei dem Deutschen Patentamt registriert ist. Ob das europäische Patent im Zeitpunkt der Übertragung noch Geltung für weitere Vertragsstaaten besaß und wie hoch gegebenenfalls der Wert der weiteren nationalen Anteile war, die im Vermögen des Schuldners verblieben, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Auch unabhängig von dem Bestehen weiterer nationaler Anteile an dem europäischen Patent hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, daß der Anteil des Schuldners an dem europäischen Patent nahezu sein gesamtes Vermögen darstellte. Unstreitig war er im Zeitpunkt der Übertragung Eigentümer mehrerer Grundstücke. Die Klägerin hätte daher nähere Angaben zum Verkehrswert der Grundstücke und der Höhe der Belastungen machen müssen. Der pauschale Vortrag, daß die Belastungen den Verkehrswert erschöpft hätten, ist auch angesichts des Umstandes, daß der Schuldner bereits im August 1997 "überschuldet" und seine Ruhegehaltsansprüche gepfändet waren, sowie der Zwangsversteigerung der Grundstücke im Jahr 1998 nicht ausreichend. Denn diese Umstände lassen nicht den Schluß darauf zu, daß die dinglichen Belastungen der Grundstücke im Juli 1997 bereits deren Verkehrswert erreichten. Da die Klägerin den Streitwert der ursprünglich auf Übertragung des Patents gerichteten Klage nur mit 8.000,- DM angegeben hat, wird der Wert des Patentanteils nicht höher zu veranschlagen sein. Daher würde bereits ein die Belastungen um einen relativ geringfügigen Betrag übersteigender Verkehrswert der Grundstücke genügen, um eine Übernahme des gesamten Vermögens auszuschließen.

Da die Übernahme des gesamten Vermögens anspruchsbegründende Voraussetzung ist, trägt die Klägerin hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Da ihr aufgrund des Vortrags des Beklagten zumindest einige der Grundstücke bekannt waren (bezüglich des Grundstücks in Hackenbroich hat sie selbst einen Grundbuchauszug vorgelegt), war es ihr auch möglich, im einzelnen zum Verkehrswert der Grundstück und der Höhe der Belastungen vorzutragen. Eine andere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast käme nur in Betracht, wenn dem Beklagten aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses zu dem dem Schuldner noch verbliebenen Vermögen substantiierte Angaben betreffend dessen Wert eher zumutbar wären als der Klägerin. Dies ist aber bei der Übernahme eines einzelnen Vermögensgegenstandes nicht anzunehmen.

3.

Eine Haftung des Beklagten für die in dem Vollstreckungsbescheid vom 31. August 1998 titulierten Forderungen gegen Herrn A scheidet überdies deshalb aus, weil die Klägerin das Bestehen dieser Forderungen dem Grunde nach nicht schlüssig dargelegt hat. Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids berufen. Die Rechtskraft ist erst nach der angeblichen Vermögensübernahme eingetreten. Eine Rechtskrafterstreckung auf den Vermögensübernehmer wird aber nur erwogen, wenn die Vermögensübernahme vor Rechtskraft des Titels erfolgt (BGH NJW 1987, 2863; WM 1970, 1291). Denn die Stellung des   Vermögensübernehmers kann sich nicht dadurch nachträglich verschlechtern, daß der Schuldner einen Prozeß schlecht führt oder einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden läßt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 325, Rdnr. 34 für das gleichgelagerten Fall eines Sicherungsgebers). Die Klägerin hätte daher die Begründetheit der in dem zweiten Vollstreckungsbescheid titulierten Leasingforderungen im einzelnen darlegen müssen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Richterin am Landgericht Dieck-Bogatzke kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben.

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4 O 44/99

23.09.1999

Landgericht Düsseldorf 4. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 23.09.1999, Az. 4 O 44/99 (REWIS RS 1999, 213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 1999, 213

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