Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. IV ZR 256/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 883

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[X.] BESCHLUSS IV ZR 256/05 vom 14. November 2007 in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] am 14. November 2007 beschlossen: 1. Auf die Beschwerde des [X.]n wird die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 22. September 2005 zugelassen. 2. Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Re-visionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen. Streitwert: 24.797,66 •

Gründe: [X.] 1. Die Klägerin nimmt den [X.]n auf Rückzahlung eines [X.]s in Höhe von 48.500 DM in Anspruch. Sie hat behauptet, der [X.] habe einen Schuldschein über diese Darlehenssumme mit Datum vom 31. Dezember 1996 an diesem Tage in Gegenwart von [X.]. Der [X.] trägt demgegenüber vor, seine Unterschrift 1 - 3 -

unter diesem Schuldschein sei ebenso gefälscht wie jene unter einer mit "Erklärung und Ehevorvertrag" bezeichneten Urkunde mit dem Datum des 15. Januar 1997, in dem die Klägerin erklärte, sie sei bereit, am Ta-ge der Eheschließung mit dem [X.]n auf alle Rechte aus dem [X.] zu verzichten. Hilfsweise wendet der [X.] ein, er habe unter beiden Urkunden Blankounterschriften geleistet, es handele sich also um einen Fall von [X.].
2. Das [X.] hat zur Frage der Echtheit der Unterschriften des [X.]n unter den beiden Urkunden sowie zur zeitlichen Abfolge von Textschrift und Unterschrift Gutachten des [X.]eingeholt. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die [X.] unter den beiden Urkunden seien mit hoher Wahrscheinlichkeit, die bereits zur an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit tendiere, echte Unterschriftsleistungen des [X.]n. Nach kritischer Stellung-nahme des [X.]n dazu gab das [X.] dem Sachverständigen eine Ergänzung seines Gutachtens auf und kündigte neuen Termin zu dessen Anhörung an. Nach Eingang des Gutachtens bestimmte es [X.] zur Anhörung des Sachverständigen und Fortsetzung der mündli-chen Verhandlung. Wegen dauerhafter Erkrankung des [X.] sah es schließlich jedoch von einer mündlichen Anhörung ab und holte stattdessen eine weitere schriftliche Stellungnahme des Sachver-ständigen ein. Die Klägerin hatte dieser Verfahrensweise zuvor zuge-stimmt; der [X.] hatte sich nicht geäußert. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den Beweis für die Echtheit der Unterschrift des [X.]n unter dem Schuldschein mithilfe des [X.]

geführt, ein [X.] sei weder hinsichtlich des Schuldscheins noch hinsichtlich des so ge-2 - 4 -

nannten [X.] bewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.]n hat keinen Erfolg gehabt.
3. Mit seiner Beschwerde beanstandet der [X.] unter anderem die unterbliebene persönliche Anhörung des Schriftsachverständigen in der mündlichen Verhandlung sowie die unterbliebene Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens; insoweit rügt er die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Im Übrigen habe nur die Klägerin, nicht aber er, der [X.], sein Einverständnis mit dem Verzicht auf die persönliche Anhörung des Sach-verständigen in der mündlichen Verhandlung erklärt. 3 I[X.] Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revi-sion ist begründet. Es verletzt den Anspruch des [X.]n auf rechtli-ches Gehör, dass das Berufungsgericht den gerichtlich bestellten [X.]nicht zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens sowie der ergänzenden schriftlichen Stellung-nahme angehört hat. 4 1. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese Verletzung von [X.] bereits aus einer Missachtung des unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO bestehenden Rechtes einer Partei ergibt, die persönliche Anhörung eines Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu verlangen. Zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs haben die [X.] nach §§ 397, 402 ZPO ohne Rücksicht darauf, ob das Gericht seiner-seits noch [X.] sieht oder ob zu erwarten ist, dass der Sachverständige seine Auffassung noch ändert, einen Anspruch darauf, dass sie ihm die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich 5 - 5 -

halten, in mündlicher Anhörung stellen können (st. [X.].; vgl. nur [X.] vom 15. März 2006 - [X.] - [X.], 950 unter [X.] [X.]. 6 m.w.[X.]). Einen solchen Antrag hat der [X.] indessen nicht ausdrücklich gestellt. Ob seinem Verlangen auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens jedenfalls hilfsweise ein Antrag auf Anhö-rung des Sachverständigen [X.]zu entnehmen war und ob sich der [X.] zwar nicht ausdrücklich, wie das Berufungsgericht meint, aber zumindest stillschweigend mit einer (weiteren) schriftlichen Erläuterung des Sachverständigen einverstanden erklärt hat, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn das Berufungsgericht war schon von Amts wegen verpflichtet, nicht ohne eine mündliche Anhörung des Schriftsachver-ständigen zum Nachteil des [X.]n zu entscheiden.
2. a) Sachverständigengutachten unterliegen gemäß § 286 ZPO der freien Beweiswürdigung durch das Gericht ([X.], Urteil vom 27. Mai 1982 - [X.] - NJW 1982, 2874 unter [X.]). Auf dem [X.] wird das durch § 442 ZPO ausdrücklich bestätigt. Dabei hat das Gericht das Gutachten eines gerichtlich bestellten [X.] sorgfältig und kritisch zu würdigen ([X.] aaO). Das gilt insbeson-dere dann, wenn die Echtheit eines Schriftzuges anhand von [X.] zu beurteilen ist und der Sachverständige auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles, etwa wegen der Qualität des ihm zur Verfügung stehenden [X.], nur zu einer Wahrscheinlich-keitsaussage gekommen ist. Dann kann die Erörterung des Gutachtens mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die grund-sätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt (§ 411 Abs. 3 ZPO) unumgänglich werden, um Zweifel zu klären und Unklarheiten zu beseitigen ([X.], Urteile vom 27. Mai 1982 - [X.] - NJW 1982, 2874 unter [X.]; vom 11. Juli 2001 - [X.]/00 - NJW 2001, 3269 un-6 - 6 -

ter [X.] a [X.]. 15). Danach durfte sich das Berufungsgericht im vorliegen-den Fall der erstinstanzlichen Würdigung des Schriftsachverständigen-gutachtens nicht allein an Hand der schriftlichen Stellungnahmen und [X.] des Sachverständigen [X.]anschließen. b) Das Berufungsgericht hat sich zwar mit der auch vom Sachver-ständigen mehrfach und deutlich hervorgehobenen minderen Eignung des Schriftvergleichsmaterials und mit den Auswirkungen dieses Um-standes auf die Aussagekraft der Schlussfolgerungen des [X.] auseinandergesetzt. [X.] begegnet es [X.], dass das Berufungsgericht ohne weitere Nachfrage die [X.] vom 17. Juni 2004, wonach er trotz Fehlens ausreichender Vergleichsunterschriften "praktisch keine Zweifel an der Echtheit der beiden Unterschriften" habe, in seine Würdi-gung einbezogen hat. Damit hat es sich den Blick dafür verstellt, dass der Sachverständige andererseits auf gesicherter Grundlage, nämlich unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden [X.], lediglich eine Wahrscheinlichkeitsaussage dahingehend zu treffen vermochte, die Echtheit sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" festzustellen, die "bereits zu der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit hin ten-diere". Dieser Widerspruch war klärungsbedürftig, zumal der Sachver-ständige selbst die Zuordnung des Echtheitsgrades zur sechsten Stufe der Skala - mit einer Tendenz zur siebten Stufe - nach einem Vergleich mit lediglich provozierten Unterschriften schon für sich genommen als seltenen Ausnahmefall bezeichnet hatte. 7 II[X.] Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] auf Folgendes hin: 8 - 7 -

9 1. Sollte die nunmehr nachzuholende mündliche Anhörung des Sachverständigen [X.], etwa wegen dessen fortbestehender Erkran-kung, nicht möglich sein oder sonst - etwa infolge technisch unzurei-chender Ausstattung des Sachverständigen - in der Sache keinen Erfolg versprechen, wird das Berufungsgericht insgesamt eine neue Begutach-tung durch einen anderen Sachverständigen erwägen müssen (§ 412 Abs. 1 ZPO; vgl. insoweit [X.], Urteil vom 10. Dezember 1991 - [X.] - NJW 1992, 1459 unter III). 2. Je nach Ausgang der mündlichen Anhörung bzw. der neuen [X.] wird das Berufungsgericht auch das Beweisangebot des [X.]n in Betracht ziehen müssen, wonach eine chemische Analyse des für den Schuldschein und den sog. Ehevorvertrag benutzten Papiers nä-heren Aufschluss über deren Entstehungszeitpunkt geben könne. Zur 10 - 8 -

Auslegung und Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO verweist der [X.] auf den Beschluss des [X.] vom 21. Dezember 2006 - [X.] - NJW 2007, 1531 unter III). Terno [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.10.2004 - 5 O 151/00 - [X.], Entscheidung vom [X.]/04 -

Meta

IV ZR 256/05

14.11.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. IV ZR 256/05 (REWIS RS 2007, 883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 883

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