Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.12.2010, Az. 33 W (pat) 123/08

33. Senat | REWIS RS 2010, 751

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Oppenheim" – Freihaltungsbedürfnis - Verkehrsdurchsetzung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 306 58 034.9

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 7. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des [X.] vom 16. Juni 2008 im Umfang der folgenden noch beanspruchten Dienstleistungen aufgehoben:

[X.]: Erstellung von Wirtschaftsprognosen; betriebswirtschaftliche Beratung bei [X.] und [X.];

Klasse 36: Finanzwesen, Geldgeschäfte, Bankgeschäfte einschließlich im [X.] und Tageshandel, Einlagengeschäfte, Kreditgeschäfte, Effektengeschäfte, [X.], [X.], [X.], Leasinggeschäfte, Ausgabe von Wertpapieren, Arbitragegeschäfte (Finanzdienstleistungen), Factoring, [X.], Finanzanalysen, Beratung in Finanzangelegenheiten, Übernahme von Bürgschaften, finanzielle Schätzungen, Wertschätzungen, Vermittlung von Vermögensanlagen, Vermögensverwaltung, Vermögensberatung, Kapitaltransfer, Verwahrung von Wertstücken in Safes, Nachforschung in Geldangelegenheiten, [X.], [X.],

[X.], nämlich Dienstleistungen eines Wertpapiermaklers,

Ausführen von Orders/Aufträgen über den An- oder Verkauf von Wertpapieren über das [X.] und anderen Onlinediensten,

finanzielle Beratung bei [X.] und [X.].

Gründe

I.

1

Am 18. September 2006 ist die Wortmarke

2

[X.]

3

für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 14, 16, 35, 36, 38 und 42 angemeldet worden, unter anderem für die im [X.] aufgeführten Dienstleistungen (allerdings mit teilweise noch klärungsbedürftigen Dienstleistungsbegriffen).

4

Mit Beschluss vom 16. Juni 2008 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich bei der angemeldeten Marke um eine freihaltungsbedürftige geografische Angabe. [X.] sei eine Kleinstadt am [X.], die zwischen [X.] und [X.] im [X.] gelegen sei. Dieser Landkreis gehöre zu den besonders wirtschaftsstarken Regionen von [X.], in der die Ansiedlung neuer Unternehmen gefördert werde. Die zentrale Lage um die Landeshauptstadt [X.] in der Nähe zum [X.] mit großem Flughafen sowie die Lage am [X.] als Verkehrsader machten die Region zu einem bedeutenden Umschlagplatz. Sie stelle einen idealen Standort für produzierende und Dienstleistungsunternehmen dar, zumal sich erfahrungsgemäß Unternehmen aus wirtschaftlichen Ballungsräumen in die nahe gelegene Peripherie solcher Finanz- und Wirtschaftszentren verlagerten.

5

Auch die beanspruchten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen könnten jederzeit in einer [X.] mit rund 7000 Einwohnern angeboten oder erbracht werden. In [X.] sei eine Filiale der Sparkasse [X.] ansässig. Abgesehen davon, dass dabei die Zahl der Mitbewerber nicht entscheidend sei und die Erbringung von Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen auch nicht an eine am Ort residierende Bank gebunden sei, seien auch freie bzw. selbständige Vermittler und Vermögensberater o. Ä. zu berücksichtigen. Auch die weiteren beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38, und 42 könnten in [X.] angeboten oder erbracht und die beanspruchten Waren dort produziert oder angeboten werden, wofür auch das aufgrund der landschaftlich reizvollen Lage [X.]s zu erwartende erhöhte Besucheraufkommen spreche. Somit lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass einschlägige Herstellungs-, Vertriebs- und/oder Dienstleistungsunternehmen in [X.] beheimatet sein könnten bzw. dass eine solche Ansiedlung nicht außerhalb aller wirtschaftlichen Wahrscheinlichkeiten liege.

6

Ohne Belang sei es, ob der Name "[X.]" auch als Familienname vorkomme. Dies ändere nichts an der Eignung als geografische Herkunftsangabe. Auch lasse sich aus der Eintragung einer Marke in einem anderen [X.] kein Rechtsanspruch auf Eintragung einer Marke herleiten. Denn innerhalb des Bereichs der harmonisierten Markenrechte seien auch abweichende Beurteilungen der Schutzfähigkeit möglich. Es sei ausschließlich auf die relevanten Umstände im jeweiligen Einzelfall abzustellen, die in den Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedlich sein könnten.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung hat sie zunächst ausführlich zu der ihrer Auffassung nach von Haus aus bestehenden Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke vorgetragen. Unter anderem meint sie, dass die kleine Gemeinde [X.] mit knapp 7000 Einwohnern nicht einen derartigen Grad an Bekanntheit aufweise, dass ihr Name überhaupt als geografische Angabe verstanden werde, und dass die Eigenschaften des Ortes keinen hinreichenden Bezug zu den Waren und Dienstleistungen aufwiesen. Es fehle an einer entsprechenden wirtschaftlichen Bedeutung, selbst im Bereich des Weinanbaus, zumal es dort nur 15 Winzerbetriebe gebe. Dies gelte erst recht für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Hierfür sei [X.] völlig bedeutungslos. Ortsnamen würden in der Finanzbranche auch nicht als geografische Herkunftshinweise verstanden werden, wie das Beispiel der (ehemaligen) [X.] mit Sitz in [X.]/M. zeige. Im Übrigen müssten bei der Ermittlung des Freihaltebedürfnisses für geografische Herkunftsangaben im Rahmen einer Abwägung auch die Individualinteressen des [X.] hinreichend berücksichtigt werden. Hierbei sei zu bedenken, dass die [X.] aus dem Nachnamen des Gründers der Anmelderin bestehe. Gerade bei der Erbringung von Dienstleistungen, die besonders mit einer Vorstellung von persönlicher Verantwortung verknüpft seien, könne es einem Namensträger nicht verwehrt werden, nach den Grundsätzen der Entscheidung [X.], 475, [X.] - Caren Pfleger seinen auf einem bestimmten Gebiet bekannt gewordenen Namen auch zur Kennzeichnung der von ihm auf dem speziellen Gebiet geschaffenen Waren zu verwenden. Namentlich für Vermögensverwaltung und [X.] identifiziere der Verkehr den Namen mit den Produkten des Namensträgers. Bei der überwiegenden Mehrheit der [X.] Privatbanken werde der Familienname des Gründers in der Firma aufgeführt. Der Personenname sei der "Prototyp" der Marke und komme etwa auch in § 23 Nr. 1 [X.] und im Recht der Gleichnamigen zum Tragen. Diese grundsätzliche Wertung sei auch im Rahmen der Abwägung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu Gunsten der Anmelderin zu berücksichtigen.

8

Hilfsweise macht die Anmelderin die Verkehrsdurchsetzung ihrer Marke nach § 8 Abs. 3 [X.] geltend. Nach den Grundsätzen der Entscheidung [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 51 - [X.] seien dabei Kriterien wie Marktanteil, Intensität, geografische Verbreitung, Dauer der Benutzung oder Werbeaufwand zu berücksichtigen. Außerdem führt die Anmelderin die - aufgrund von Verkehrsdurchsetzung stattgebende - Senatsentscheidung vom 17. Juli 2007 (33 W (pat) 124/04) zur Marke "[X.]" an, zu der sich hier auffällige Parallelen ergäben. Darin habe der Senat deutlich gemacht, dass die Verkehrsdurchsetzung der Bezeichnung einer traditionsreichen Privatbank, die mit der Bezeichnung einer für den fraglichen Produktbereich unbedeutenden [X.] übereinstimme, bereits durch Vorlage z. B. von Presseberichten und Erläuterung der Firmengeschichte nachgewiesen werden könne. Zudem sei vorliegend zu berücksichtigen, dass [X.] mit 24.000 Einwohnern deutlich größer als [X.] sei und eine Reihe von Industrieunternehmen aufweise.

9

Zu den in [X.], a. a. [X.], Nr. 51 genannten Kriterien des Marktanteils und der Intensität der Benutzung führt die Anmelderin aus, dass sie im einschlägigen Marktsegment der Privatbanken die Marktführerin in [X.] sei. Dazu verweist sie u. a. auf das [X.], in dem es heißt: "[X.]. [X.] … die größte [X.] Privatbank vor M.M.[X.] & CO aus [X.] und die größte [X.] Bank in Familienbesitz". Als solche habe sich die Anmelderin den Ruf eines Traditionshauses erworben. Zur geografischen Verbreitung trägt die Anmelderin vor, dass sie in acht großen Städten in [X.] vertreten sei. Darüber hinaus sei die Unternehmensgruppe in wichtigen Finanzmärkten, wie z. B. [X.], [X.], [X.] und [X.] präsent. Mit einer über 200-jährigen Benutzungsdauer (seit 1789), nur unterbrochen durch eine neunjährige Phase während der [X.], verfüge die [X.] auch über eine außergewöhnlich lange Dauer der Benutzung. Selbst berühmte Markennamen wie "[X.]" oder "[X.]" oder entsprechend bekannte Marken der Finanzbranche wie "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]" seien wesentlich jünger. Was den Werbeaufwand betreffe, so sei dieser angesichts des sehr spezifischen Abnehmerkreises nicht mit denen üblicher Produkte vergleichbar. Die Anmelderin trete jedoch vornehmlich als Sponsor und Kulturmäzen in der Öffentlichkeit auf und verweist dazu auf ihren [X.]auftritt und den Geschäftsbericht 2004. Darüber hinaus hat die Anmelderin zahlreiche Presseberichte aus den Jahren 1993 bis 2008 vorgelegt, mit der sie die Marktstellung, ihren wirtschaftlichen Erfolg und ihre Präsenz belegen will. Zudem verweist sie auf weitere Literatur zu ihrem [X.] und seiner Tätigkeit. Daraus gehe auch hervor, dass die Bezeichnung "[X.]" gerade auch in Alleinstellung für die Anmelderin und ihr Produktangebot stehe. Dies werde auch durch [X.], 21. Aufl., und das [X.] bestätigt, in denen der Begriff "[X.]" jeweils im zweiten Eintrag als "bedeutende dt. Privatbank" bzw. eine "der führenden Privatbanken [X.]s" erläutert werde. Auch die Firmen von Tochter- und Beteiligungsunternehmen der Anmelderin wiesen die Bezeichnung "[X.]" als Firmenkern auf, ebenso wie dieser Name als Bezeichnung von Investmentprodukten (Fonds) der Anmelderin verwendet werde.

Mit Schriftsatz vom 9. September 2010 hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt. Es lautet nunmehr wie folgt:

"Klasse 35: Erstellung von Wirtschaftsprognosen; betriebswirtschaftliche Beratung bei [X.] und Unternehmensaufkäufen;

Klasse 36: Finanzwesen, Geldgeschäfte, Bankgeschäfte einschließlich im [X.] und Tageshandel, Einlagengeschäfte, Kreditgeschäfte, Effektengeschäfte, [X.], [X.], [X.], Leasinggeschäfte, Ausgabe von Wertpapieren, Arbitragegeschäfte (Finanzdienstleistungen), Factoring, [X.], Finanzanalysen, Beratung in Finanzangelegenheiten, Übernahme von Bürgschaften, finanzielle Schätzungen, Wertschätzungen, Vermittlung von Vermögensanlagen, Vermögensverwaltung, Vermögensberatung, Kapitaltransfer, Verwahrung von Wertstücken in Safes, Nachforschung in Geldangelegenheiten, [X.], [X.], [X.], nämlich Dienstleistungen eines Wertpapiermaklers, Ausführen von Orders/Aufträgen über den An- oder Verkauf von Wertpapieren über das [X.] und anderen Onlinediensten, finanzielle Beratung bei [X.] und Unternehmensaufkäufen".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach der Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses begründet.

1. Allerdings ist die angemeldete Marke nicht bereits von Haus aus schutzfähig, da ihr jedenfalls das [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegensteht. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

"[X.]" ist der Name einer Kleinstadt am [X.] in der Nähe von [X.] mit ca. 7000 Einwohnern. Wichtigster Wirtschaftszweig der [X.] ist der Anbau, die Produktion und der Handel mit Wein, wo [X.] auch eine gewisse überregionale Bekanntheit erlangt hat. Darüber hinaus haben der Tourismus und bestimmte Kulturangebote ([X.]er Theaterfestspiele) eine gewisse Bedeutung.

Mag es sich damit bei [X.] auch um eine kleine Ortschaft mit vergleichsweise geringer wirtschaftlicher Bedeutung handeln, so ist es doch selbstverständlich, dass in einer [X.] mit ca. 7000 Einwohnern unternehmensbezogene Dienstleistungen der Klasse 35 und auch Finanzdienstleistungen der Klasse 36 erbracht werden bzw. in Zukunft erbracht werden können. Wie der Anmelderin bereits mit Zwischenbescheid des Senats vom 6. Juli 2010 unter Übersendung entsprechender Rechercheergebnisse mitgeteilt worden ist, befindet sich in der [X.] [X.] zumindest ein Unternehmen, das im Bereich des Managements von Holdinggesellschaften tätig ist. Zudem sind dort Betriebe aus dem Bereich des Finanzwesens tätig. Zu letzteren gehören neben [X.] auch die Filialen verschiedener Banken und Sparkassen. Diesen Unternehmen sich zukünftig ansiedelnden Betrieben muss es unbenommen bleiben, unbehindert von Monopolrechten Dritter auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im Ort [X.] hinzuweisen, so dass der Eintragung von Haus aus das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegensteht.

2. Das [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und ebenso eventuell bestehende [X.]se nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 [X.] sind jedoch nach § 8 Abs. 3 [X.] durch Verkehrsdurchsetzung überwunden.

Nach der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 3 Abs. 3 [X.] ist Voraussetzung für eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft, dass ein wesentlicher Teil des angesprochenen Verkehrs die Marke mit einem konkreten Marktteilnehmer und mit keinem anderen Unternehmen in Verbindung bringt ([X.] GRUR 2002, 804, 808, [X.]. 65 - [X.]). Die Prüfung, ob das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch konkrete und verlässliche Informationen belegt ist, obliegt dem nationalen Gericht, d. h. hier dem zur Entscheidung berufenen Senat, wobei eine Gesamtschau sämtlicher relevanter Gesichtspunkte geboten ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 727, [X.]. 49, 54 - [X.]). In die Prüfung einzubeziehen sind u. a. der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Markenbenutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie der Teil des beteiligten Verkehrs, der die Waren auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt ([X.], a. a. [X.], [X.]. 51 - [X.]; [X.]. 60 - [X.]). Dabei kommt es nicht allein auf generelle und abstrakte Angaben, z. B. bestimmte Prozentsätze, an ([X.], a. a. [X.], Nr. 62 - [X.]), wenngleich in schwierig zu beurteilenden Fällen auch Verbraucherbefragungen nach Maßgabe des nationalen Rechts Berücksichtigung finden können ([X.], a. a. [X.], Nr. 53 - [X.]).

Vorliegend ergibt die Gesamtbewertung aller vorgelegten und ermittelten Belege und Tatsachen, dass der Nachweis einer Durchsetzung der Marke "[X.]" für die noch beanspruchten Dienstleistungen in den maßgeblichen Verkehrskreisen, die den beanspruchten Dienstleistungen mit besonderer Aufmerksamkeit begegnen, erbracht worden ist.

a) Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein Freihaltungsbedürfnis für die Ortsbezeichnung "[X.]" angesichts der geringen Größe der [X.] vergleichsweise begrenzt ist. Die Kleinstadt [X.] hat nur knapp 7000 Einwohner und verfügt im Bereich der hier noch streitgegenständlichen Dienstleistungen weder über eine Bekanntheit noch über eine große oder auch nur mittelgroße Zahl von Betrieben bzw. Dienstleistungserbringern. Solche Betriebe, insbesondere Filialen von Kreditinstituten, finden sich dort vielmehr nur in einer Anzahl, wie es die Größe einer solchen Kleinstadt typischerweise erwarten lässt. Neben sogenannten [X.] konnten in [X.] anhand des [X.]s überhaupt nur zwei echte Bankfilialen ermittelt werden. Im Übrigen benennt sich auch keines der dort tätigen Kreditinstitute nach dem Ort (vielmehr: "[X.]er Volksbank", "Sparkasse [X.]", "[X.]"). Die Anforderungen an die Verkehrsdurchsetzung können daher kaum mit denen verglichen werden, wie sie etwa bei Ortsnamen wie "[X.]" bzw. "[X.]" oder "[X.]" angesetzt werden müssten. Ohne die generell für jede Verkehrsdurchsetzung geltenden [X.] zu unterschreiten, liegen die Anforderungen damit deutlich unterhalb dessen, was bei der Benennung selbst einer mittelgroßen [X.] ohne besondere Bedeutung für das Finanzwesen oder den Bereich der Unternehmensberatung erforderlich wäre.

Diesen Anforderungen genügt die angemeldete Marke, wobei der Senat angesichts des von ihm ermittelten und des von der Anmelderin vorgelegten Materials von der Einholung eines Gutachtens über eine demoskopische Verkehrsbefragung oder der Zurückverweisung an das Patentamt zur weiteren Feststellung der Verkehrsdurchsetzung absehen konnte. Zwar betreffen viele der streitgegenständlichen Dienstleistungen auch breite Endabnehmerkreise, so dass eine demoskopische Verkehrsbefragung den sichersten Nachweis der Verkehrsdurchsetzung bei den Endverbrauchern ermöglichen würde. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann sich der Anmelder aber auch aller sonstigen geeigneten Beweismittel bedienen, wobei der Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den angesprochenen Verkehrskreisen von Bedeutung sein können (s. o.). Die erforderlichen Feststellungen sind also nicht nur aufgrund von generellen und abstrakten Prozentsätzen demoskopischer Untersuchungen möglich (vgl. [X.] a. a. [X.] - [X.]; [X.]. 1999,734, 736 (Nr. 23 f.) - [X.]; GRUR 2002, 804, 808 (Nr. 60 - 62) - [X.]; vgl. auch [X.] 2004, 331, 332 - Westie-Kopf; [X.], 33. Sen. v. 17.07.2007 (33 W (pat) 124/04) - [X.], demgegenüber vom Regelfall des Erfordernisses eines demoskopischen Nachweises ausgehend: [X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl., [X.]. 419, 421). Auch wenn die Anmelderin als Privatbank gerade keinen hohen Marktanteil im Bereich des Finanzwesens aufweisen kann, so liegen hier dennoch infolge einer mittelbar belegten hohen Verkehrsbekanntheit, einer außergewöhnlich lang dauernden und nachhaltigen Benutzung der Marke, die der Anmelderin den Ruf eines Traditionshauses verschafft hat, und eines vergleichsweise niedrigen [X.] besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, die Verkehrsdurchsetzung auch ohne Durchführung einer Verkehrsbefragung festzustellen.

b) Für die [X.] von 1993 bis zum [X.] hat die Anmelderin zahlreiche Presseauszüge vorgelegt, in denen das Wort "[X.]" erkennbar als Kurzname des Betriebs der Anmelderin verwendet wird (Anlage 21 zum Schriftsatz der Anmelderin vom 13. Februar 2009). In chronologischer Reihenfolge seien hier folgende Presseschlagzeilen als Beispiele zitiert:

"[X.] will seine Rolle als unabhängige Privatbank sichern" ([X.] v. 21.05.1993);

"[X.] stellt Weichen neu" ([X.] v. 21.05.1993);

"Kein [X.] mehr unter den Gesellschaftern der Bank" ([X.]er [X.]anzeiger v. 21.05.1993);

"[X.]: [X.] Fonds erfolgreich" (Börsen-[X.]ung vom 14.12.1996);

"[X.] spielt den Geburtshelfer" ([X.] v. 08.05.1998 zum damaligen Zusammenschluss der Automobilkonzerne [X.] und Chrysler);

"[X.] erwartet Ergebnisverbesserung" ([X.] v. 21.04.1999);

"[X.] steht vor einem Kulturwandel" ([X.] v. 12.10.2004);

"[X.] jetzt Spitze in [X.]" ([X.] v. 05.01.2005);

"[X.] zufrieden mit [X.]" ([X.] v. 21.04.2005);

"[X.] Bank steigt mit [X.] bei [X.] ein" ([X.]ische Post v. 23.09.2005);

"[X.] verstärkt [X.]" ([X.] v. 19.10.2005);

"[X.] startet Handel in [X.]" (Börsen-[X.]ung v. 09.11.2005);

"[X.] stärkt [X.] Geschäft" (Börsen-[X.]ung v. 30.11.2005);

"[X.] stockt in [X.] auf" (Börsen-[X.]ung v. 14.03.2006);

"[X.] zieht es ins Ausland" ([X.] v. 27.04.2006);

"[X.]-Beteiligung in [X.]" ([X.] v. 17.04.2007);

"[X.] stockt auf" ([X.] v. 24.04.2007);

"[X.] trotzt Turbulenzen" ([X.] v. 30.04.2008);

"[X.] zerlegt Tochter [X.]: Privatbank lagert Depotgeschäft aus" ([X.] [X.] v. 14.10.2008);

"Mehr Einfluss für [X.] - Viel Einfluss für [X.]" ([X.] v. 14.11.2008).

Die Beispiele zeigen (auch für die [X.] der Anmeldung im September 2006), dass die überregionale Presse von ihren Lesern in Zusammenhang mit Wirtschaftsmeldungen bei der Nennung von "[X.]" (ohne Zusätze wie "Bank", "[X.]" o. Ä.) erwartet, dass sie mit dieser Bezeichnung ein bestimmtes Bankinstitut identifizieren und sie nicht etwa einer Ortschaft zuordnen (anders wäre dies sicherlich bei Schlagzeilen wie z. B.: "[X.] steht vor einem Kulturwandel", "[X.] trotzt Turbulenzen" o. Ä.).

Zudem finden sich in den vorgelegten [X.] häufig auch Hinweise auf den Ruf bzw. die Bedeutung der Anmelderin als (seinerzeit) größte [X.] Privatbank, z. B.:

[X.] v. 08.12.2005 (unter der Überschrift: "Der Geldadel aus [X.]":) "[X.] ist [X.]s größte Privatbank. Das Traditionshaus sieht ganz [X.] als Heimatmarkt und richtet den [X.]ick bis nach [X.]";

([X.] v. 08.12.2005 in Zusammenhang mit der Eröffnung einer Repräsentanz in [X.]): "… Hilfreich ist auch der Name [X.]. …";

([X.] v. 15.11.2005): "Die Gunst des guten Namens" …"

(aus dem Text: "Der Name [X.] hat in [X.] seinen klangvollen Namen über die mehr als vierzig Jahre Kommunismus behalten. So erinnert sich manch ein [X.] von heute an Simon [X.], der Mitfinanzier der Eisenbahn nach [X.] war.");

sued[X.].de v. 03.11.08 ([X.]. 145): "… Anfangs finanzierte [X.] Fürsten und Könige, später [X.]. Zudem gründete die Bank eigene Unternehmen, wie den weltweit ersten Rückversicherer [X.]er Rück. … So war Bankchef [X.] ein enger Berater von Bundeskanzler [X.]. Später stieg der ehemalige [X.] [X.] als Partner ein. …".

Der Erkenntniswert solcher Pressebeispiele geht deutlich über denjenigen von Unterlagen hinaus, wie sie üblicherweise im Rahmen der bloßen (Anfangs-) Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung vorgelegt werden (z. B. Kataloge, Preislisten, Werbematerial, Angaben über Werbeaufwand, [X.], vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], [X.]. 432). Denn zum Einen lässt die Presseberichterstattung nicht nur Rückschlüsse auf unternehmerische Anstrengungen bzw. Bemühungen um Verkehrsbekanntheit zu, sondern zeigt bereits mittelbar den Erfolg solcher Bemühungen und spiegelt damit die Bedeutung des Unternehmens und seiner Kennzeichnung auf bestimmten Dienstleistungsgebieten wider. Zum Anderen sind Presseveröffentlichungen wiederum zugleich ein Multiplikator für die Verkehrsbekanntheit, insbesondere wenn sie - wie hier - im Rahmen der Berichterstattung bedeutender überregionaler Tages- und Wirtschaftszeitungen erfolgen.

c) Entsprechende Erwähnungen finden sich auch in den allgemeinen Erläuterungswerken. In Die [X.], [X.] (2005), heißt es zum Eintrag "[X.], 1) [X.], Bankier":

"…baute das von seinem Vater Salomon [X.] … zu einer bed. Privatbank aus (heute als [X.] Sal. [X.] jr. & Cie. [X.] eine der führenden Privatbanken [X.]s, an 18 Standorten tätig) …".

Eine nahezu wortgleiche Erläuterung findet sich in [X.], [X.], 21. Aufl. (2006).

Ergänzend hat die Anmelderin zahlreiche Veröffentlichungen eingereicht, die auf das historische Wirken der Bankiersfamilie [X.] (vornehmlich in [X.]) eingehen (insbesondere Gründung von Stiftungen, Krankenhäusern, Museen, Förderung historische Forschungen).

Insgesamt lässt sich für die [X.] bis etwa 2008 aufgrund zahlreicher Belege (s. o.) ein beachtlicher Ruf und eine damit offensichtlich verbundene Bekanntheit der angemeldeten Marke "[X.]" als Bezeichnung der bis dahin größten [X.] Privatbank mit dem Ruf eines Traditionshauses belegen.

Weiter wird ergänzend auch mitberücksichtigt werden müssen, dass vor allem die adjektivisch gebildete Variante "[X.]er" zahlreichen Verkehrsteilnehmern nicht zuletzt wegen des [X.] und Konstrukteurs der ersten Atombombe in erster Linie als Nachname bekannt sein dürfte. Dies spricht ebenfalls dafür, dass der Verkehr eher dazu neigen dürfte, auch die Variante "[X.]" als Familienname zu verstehen, jedenfalls wenn sie dem Verkehr mit der oben aufgezeigten Bekanntheit in [X.] herausgestellter Form als Kennzeichnung der streitgegenständlichen Dienstleistungen entgegen tritt.

d) Diese Belege haben sich nach dem Ergebnis der [X.] auch für die [X.] ab 2009 ergänzen lassen. So hat der Senat im [X.] zahlreiche weitere jüngere Pressenennungen ermittelt, in denen das [X.] und sein Name "[X.]" behandelt wird, wenngleich - nach einer Fehlentwicklung in Zusammenhang mit Engagements der Bank bei Immobilienfonds und dem insolventen Handelsunternehmen [X.] - mit negativen Schlagzeilen, in denen insbesondere über den Verlust der Selbständigkeit des [X.]es berichtet wird, z. B.:

Süd[X.] [X.]ung v. 06.08. 2009, Seite 19:

Überschrift: "[X.] verliert ihre Unabhängigkeit";

www.faz.net/… vom 06.08.2009:

"Rettungsring für Sal. [X.] - Die [X.] Bank hat durch ihre geplante Beteiligung am [X.]. [X.] für einen Paukenschlag gesorgt. …";

www.welt.de/… v. 09.08.2009:

"Privatbanken sind vom Aussterben bedroht - … Mit Sal. [X.] verliert die größte Privatbank in [X.] ihre Selbständigkeit …";

www.handelsblatt.com/… v. 29.01.2010: "[X.] genehmigt Sal.-[X.]-Übernahme";

www.faz.net/…: "[X.] [X.] - Räume früherer [X.]-Eigner durchsucht".

Damit ist zwar eine gegenüber der bisherigen Unternehmensgeschichte vollkommen neue Entwicklung eingetreten. Dies ändert aber nichts daran, dass auch zum jetzigen [X.]punkt nach wie vor eine Verkehrsdurchsetzung festzustellen ist. Denn zum Einen tragen auch negative Schlagzeilen zur Bekanntheit bei, so dass die Bekanntheit der angemeldeten Marke "[X.]" zurzeit sogar als noch gesteigert angesehen werden muss. Zum anderen bleibt eine einmal aufgebaute Markenbekanntheit bzw. ein bestimmter Ruf erfahrungsgemäß lange [X.] erhalten und kann selbst im Falle (hier nicht eingetretener) Insolvenz und völliger Betriebseinstellung noch längerfristig erhalten bleiben (z. B. [X.], [X.], [X.], Borgward).

e) Für eine Verkehrsdurchsetzung spricht weiter die außerordentlich lange Benutzungsdauer der Kennzeichnung "[X.]" als Name des seit 1789 bestehenden [X.]es. Hierbei kann die etwa neunjährige Phase von 1938 bis 1947, in der die Bank in Zusammenhang mit der [X.] des [X.] vorübergehend den Namen "[X.] & Co." führte, schon allein wegen der bereits 1947 erfolgten Wiederaufnahme des Familiennamens "[X.]" als Firmenkern vernachlässigt werden.

f) Damit ist die Bekanntheit der Bezeichnung "[X.]" nicht nur als Unternehmenskennzeichen der Finanzbranche belegt. Nach den Feststellungen des Senats wird das Wort zugleich auch als Produktkennzeichnung bzw. als [X.] von mehrteiligen Produktbezeichnungen verwendet und ist dementsprechend als Marke durchgesetzt. Denn im Bankenbereich entspricht es der zu beobachtenden Übung, Unternehmenskennzeichen wie "[X.] Bank", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]" usw. nicht nur als solche, sondern auch zur (Mit-) Kennzeichnung der Finanzprodukte und Bankdienstleistungen des jeweiligen Unternehmens einzusetzen. Zudem hat die Anmelderin als Anlage [X.] zum Schriftsatz vom 25.05.2007 Auszüge aus ihrem [X.]auftritt vorgelegt, in dem verschiedene Fonds mit dem Namen "[X.]" als zentraler Bestandteil der Bezeichnung des Finanzprodukts aufgeführt waren ("[X.] Aktien [X.]", "[X.] Bond Global", "[X.] Portfolio E", "[X.] Strategiekonzept I", …).

Damit kann die Verkehrsbekanntheit der Bezeichnung "[X.]" nicht nur als Unternehmenskennzeichen sondern auch als Produktmarke festgestellt werden.

g) Die Verkehrsdurchsetzung erstreckt sich auf alle noch beanspruchten Dienstleistungen, da diese zum Bereich des Spektrums gehören, das von der Anmelderin als Privatbank angeboten wird.

Meta

33 W (pat) 123/08

07.12.2010

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.12.2010, Az. 33 W (pat) 123/08 (REWIS RS 2010, 751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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