Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 06.04.2016, Az. V R 25/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 13474

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

EuGH-Vorlage zu den Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung, insbesondere zum Inhalt des Merkmals des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift i.S. des Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL - Voraussetzungen für die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Vertrauensschutzgründen - Billigkeitsverfahren unionsrechtsgemäß


Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

1. Setzt Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraus, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet?

2. Für den Fall, dass Frage 1. zu verneinen ist:

a) Reicht für die Angabe der Anschrift nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL eine Briefkastenadresse?

b) Welche Anschrift ist von einem Steuerpflichtigen, der ein Unternehmen (z.B. des Internethandels) betreibt, das über kein Geschäftslokal verfügt, in der Rechnung anzugeben?

3. Ist für den Fall, dass die formellen Rechnungsanforderungen des Art. 226 MwStSystRL nicht erfüllt sind, der Vorsteuerabzug bereits immer dann zu gewähren, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige die Einbeziehung in einen Betrug weder kannte noch kennen konnte oder setzt der Vertrauensschutzgrundsatz in diesem Fall voraus, dass der Steuerpflichtige alles getan hat, was von ihm zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überprüfen?

Tenor

I. Dem [X.] ([X.]) werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Setzt Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraus, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet?

2. Für den Fall, dass Frage 1. zu verneinen ist:

a) Reicht für die Angabe der Anschrift nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL eine [X.]?

b) Welche Anschrift ist von einem Steuerpflichtigen, der ein Unternehmen (z.B. des Internethandels) betreibt, das über kein Geschäftslokal verfügt, in der Rechnung anzugeben?

3. Ist für den Fall, dass die formellen Rechnungsanforderungen des Art. 226 MwStSystRL nicht erfüllt sind, der Vorsteuerabzug bereits immer dann zu gewähren, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige die Einbeziehung in einen Betrug weder kannte noch kennen konnte oder setzt der Vertrauensschutzgrundsatz in diesem Fall voraus, dass der Steuerpflichtige alles getan hat, was von ihm zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überprüfen?

[X.] Das Verfahren wird bis zur Entscheidung durch den [X.] ausgesetzt.

Tatbestand

1

I. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

2

[X.]wischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und [X.]evisionsbeklagte (Kläger) aus [X.]echnungen der Firma [X.] ([X.]) den Vorsteuerabzug geltend machen kann.

3

Der Kläger betreibt einen Kraftfahrzeughandel. In den Streitjahren (2009 bis 2011) kaufte er u.a. Fahrzeuge von [X.], der sein Unternehmen im [X.] in die [X.] in [X.] (Inland) verlegt hatte. Unter dieser Adresse hat [X.] dem Kläger die streitbefangenen [X.]echnungen ausgestellt.

4

[X.] hatte in [X.] (Inland) von der dort ansässigen Firma U [X.]äumlichkeiten angemietet. Ob es sich dabei um einen [X.]aum oder nur um den Teil eines [X.]aumes handelte, ist streitig. Unstreitig ist, dass [X.] dort kein Autohaus unterhielt. Er vertrieb ausschließlich im Onlinehandel. Die Fahrzeuge wurden dem Kläger oder seinen Mitarbeitern zum Teil in [X.] in der [X.], zum Teil an öffentlichen Plätzen --z.[X.] übergeben. [X.]ach dem Vortrag des [X.] kam in dem [X.] an, wurde dort sortiert und bearbeitet und es wurden dort die Akten geführt. Außen am Gebäude befand sich ein Firmenschild mit dem Aufdruck "[X.]". Ob sich dort auch ein Briefkasten befand, ist nicht geklärt. [X.] wurde unter der vorgenannten Anschrift beim Finanzamt T geführt.

5

Im [X.]ahmen einer beim Kläger durchgeführten [X.] gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen des [X.] nicht in Abzug gebracht werden könnten, weil die in den [X.]echnungen ausgewiesene Anschrift des leistenden Unternehmers tatsächlich nicht bestanden habe. [X.] habe im Inland keine Betriebsstätte. Die Geschäftsadresse diene nur als [X.] ([X.]), an der lediglich von [X.] die Post abgeholt worden sei. Es sei dort nichts vorhanden gewesen, was auf ein Unternehmen hindeute.

6

Der Beklagte und [X.]evisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte der Auffassung der [X.] und erließ am 13. September 2013 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2009 bis 2011. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2013 lehnte es den Antrag des [X.] auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung ([X.]) ab. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

7

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. [X.] habe unter der in den [X.]echnungen angegebenen Anschrift zwar keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet, denn es sei bereits unklar, ob [X.] überhaupt einen abgeschlossenen [X.]aum oder lediglich eine Teilfläche in einem [X.]aum gemietet habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass [X.] einen ganzen [X.]aum angemietet habe, sei dieser nicht so eingerichtet gewesen, dass dort geschäftliche Aktivitäten hätten stattfinden können.

8

Der Klage sei aber stattzugeben, weil die Angabe der Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.]r. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfordere, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfänden. Die anderslautende [X.]echtsprechung des [X.] ([X.]) sei in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung des Geschäftsgebarens überholt.

9

Im Übrigen habe die Klage auch mit dem Hilfsantrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen Erfolg. Der Kläger habe alles getan, was von ihm zumutbarer Weise verlangt werden könne, um die Unternehmereigenschaft des [X.] und die [X.]ichtigkeit der [X.]echnungsangaben zu überprüfen.

Hiergegen richtet sich die [X.]evision, mit der das [X.] Verletzung materiellen [X.]echts (§ 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 UStG) sowie Verfahrensfehler (Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) geltend macht.

Das [X.] habe im [X.]ahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung aufklären müssen, ob es sich bei den Lieferungen des [X.] um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt habe; hierfür gebe es zahlreiche Anhaltspunkte.

Im Übrigen scheitere der Vorsteuerabzug daran, dass die [X.]echnungen des [X.] nicht die Anschrift auswiesen, unter der er seine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet habe.

Die Gewährung der Vorsteuern im Billigkeitsverfahren komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht alles ihm [X.]umutbare getan habe, um sich von der [X.]ichtigkeit der [X.]echnungsangaben zu überzeugen.

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die [X.]evision zurückzuweisen.

Soweit das [X.] rüge, das [X.] habe nicht aufgeklärt, ob es sich bei den Lieferungen des [X.] um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt habe, liege neuer, im [X.]evisionsverfahren nicht zu berücksichtigender Sachvortrag vor.

Im Übrigen hätten die [X.]echnungen des [X.] dessen zutreffende Anschrift ausgewiesen. Denn dort habe sich dessen Unternehmen befunden. [X.] habe dort Miete gezahlt, einen eigenen Briefkasten und ein Firmenschild gehabt, geschäftliche Unterlagen dort verwahrt, Post sei dort für ihn angenommen und abgeholt worden und er habe einen Festnetztelefonanschluss unterhalten.

Entscheidungsgründe

II. Der [X.] legt dem [X.] die in den Leitsätzen bezeichneten Fragen zur Auslegung der MwStSyst[X.]L vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] aus.

1. [X.]echtlicher [X.]ahmen

a) Unionsrecht

Art. 168 MwStSyst[X.]L bestimmt zum Umfang des [X.]echts auf Vorsteuerabzug:
"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die [X.]wecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden; ...".

Art. 178 MwStSyst[X.]L regelt die Voraussetzungen zur Ausübung des [X.]echts auf Vorsteuerabzug wie folgt:
"Um das [X.]echt auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ausgestellte [X.]echnung besitzen; ...".

Gemäß Art. 220 Abs. 1 MwStSyst[X.]L stellt jeder Steuerpflichtige in folgenden Fällen eine [X.]echnung entweder selbst aus oder stellt sicher, dass eine [X.]echnung vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder in seinem Namen und für seine [X.]echnung von einem Dritten ausgestellt wird:
"1. Er liefert Gegenstände oder erbringt Dienstleistungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person; ...".

Art. 226 MwStSyst[X.]L bestimmt zu den obligatorischen [X.]echnungsangaben:
"Unbeschadet der in dieser [X.]ichtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte [X.]echnungen für [X.] nur die folgenden Angaben enthalten:

...

5. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers; ...".

In Art. 1 der [X.]/[X.] des [X.]ates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der [X.]echtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der [X.] an nicht im Gebiet der [X.] ansässige Steuerpflichtige ([X.]ichtlinie 86/560/[X.]) heißt es:
"Im Sinne dieser [X.]ichtlinie gilt
1. als nicht im Gebiet der [X.] ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der [Sechsten] [X.]ichtlinie, der in dem [X.]raum nach Artikel 3 Absatz 1 der vorliegenden [X.]ichtlinie in diesem Gebiet weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch – in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung – seinen Wohnsitz oder üblichen Aufenthaltsort gehabt hat und der in dem gleichen [X.]raum in dem in Artikel 2 genannten Mitgliedstaat keine Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht hat ...".

b) Nationales [X.]echt
§ 14 UStG bestimmt zur Ausstellung von [X.]echnungen:
"(1) [X.]echnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der [X.]echnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des [X.] ... .
...

(4) Eine [X.]echnung muss folgende Angaben enthalten:
1. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, ...".

§ 15 Vorsteuerabzug
(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte [X.]echnung besitzt.

§ 16[X.] regelt zur abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen:
"Steuern können niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit [X.]ustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren [X.] und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren [X.] berücksichtigt werden. Die Entscheidung über die abweichende Festsetzung kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden."

§ [X.] bestimmt zum Erlass:
"Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden."

2. Vorbemerkungen zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen

a) Für 15 v.H. der Lieferungen, die der Kläger von [X.] bezogen hat, hat das [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O für den [X.] bindend festgestellt, dass die Fahrzeuge "aus [X.] stammten". Der [X.] versteht dies dahingehend, dass die Lieferungen in [X.] ausgeführt wurden und die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt sind. Damit ist für diese Lieferungen die Frage entscheidungserheblich, ob die [X.]echnungen des [X.] den Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigen.

b) Für 85 v.H. der Fahrzeuglieferungen sind die an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende [X.]echnung zu stellenden Voraussetzungen und die Vorlagefragen im derzeitigen Verfahrensstadium (noch) nicht entscheidungserheblich, weil das [X.] nicht geklärt hat, ob überhaupt die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG --hier die vom leistenden Unternehmer "geschuldete Steuer"-- erfüllt sind.

Da die Fahrzeuge nach den Feststellungen des [X.] aus [X.] stammten, [X.] dort seinen Wohnsitz und seine Bankverbindung hatte und in [X.] in [X.] keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltete, liegt es nicht fern, dass die Fahrzeuge bei der Lieferung an den Abnehmer (Kläger) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt und diese Lieferungen des [X.] an den Kläger deshalb gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind. Damit würden bereits die materiellen Voraussetzungen des [X.] nach § 15 Abs. 1 UStG nicht vorliegen, weil diese eine vom leistenden Unternehmer "geschuldete" Steuer voraussetzen. Die Frage nach den [X.]echnungsanforderungen würde sich folglich nicht stellen.

3. [X.]ur [X.]echtslage ...

a) ... nach nationalem [X.]echt

aa) Festsetzungsverfahren

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte [X.]echnung besitzt. Dies erfordert, dass die dem Unternehmer erteilte [X.]echnung den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht (z.B. [X.]-Urteil vom 10. September 2015 V [X.] 17/14, [X.]NV 2016, 80, [X.]z 26, 28). Das umfasst gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers. Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen [X.]echnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht kein Anspruch auf Vorsteuerabzug ([X.]-Urteile vom 22. Juli 2015 V [X.] 23/14, [X.] 250, 559, [X.] 2015, 914, [X.]z 22; vom 2. September 2010 V [X.] 55/09, [X.] 231, 332, [X.], 235, [X.]z 12; vom 30. April 2009 V [X.] 15/07, [X.] 225, 254, [X.], 744, [X.]z 31 f.; vom 23. September 2009 II [X.] 66/07, [X.] 227, 212, [X.], 712, [X.]z 10; vom 17. Dezember 2008 XI [X.] 62/07, [X.] 223, 535, [X.], 432, [X.]z 13 ff.).

Nach ständiger [X.]echtsprechung des [X.] wird das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn sowohl Sinn und [X.]weck der [X.]egelung in § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG als auch das Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer gebieten es, der Finanzverwaltung anhand der [X.]echnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals der Leistung eines anderen Unternehmers zu ermöglichen. Deshalb ist die in der [X.]echnung ausgewiesene Umsatzsteuer nur dann als Vorsteuer abzuziehen, wenn der in der [X.]echnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei [X.]echnungstellung tatsächlich bestanden hat; die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im [X.]punkt der [X.]echnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift nicht aus ([X.]-Urteile vom 22. Juli 2015 V [X.] 23/14, [X.], 914, [X.]z 25; vom 8. Juli 2009 XI [X.] 51/07, [X.]NV 2010, 256, [X.]z 16; vom 30. April 2009 V [X.] 15/07, [X.] 225, 254, [X.] 2009, 744, [X.]z 32, 39; vom 6. Dezember 2007 V [X.] 61/05, [X.] 221, 55, [X.] 2008, 695, [X.]z 33; vom 19. April 2007 V [X.] 48/04, [X.] 217, 194, [X.], 315, [X.]z 50; vom 27. Juni 1996 V [X.] 51/93, [X.] 181, 197, [X.] 1996, 620, [X.]z 15). Die im [X.]-Urteil in [X.] 217, 194, [X.], 315, [X.]z 50 in einem obiter dictum geäußerte Ansicht, dass "nach den Umständen des Einzelfalles ... auch ein '[X.]' mit postalischer Erreichbarkeit der [X.]" könne, hat der [X.] im Urteil in [X.] 250, 559, [X.], 914, [X.]z 25 (die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde 1 Bv[X.] 2419/15 hat das [X.] mit Beschluss vom 13. Februar 2016 nicht zur Entscheidung angenommen) ausdrücklich aufgegeben.

Da nach den den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] unter der von [X.] in den [X.]echnungen angegebenen Adresse keine wirtschaftlichen Aktivitäten stattgefunden haben, kann dem Kläger nach [X.] Umsatzsteuerrecht im Festsetzungsverfahren der Vorsteuerabzug nicht gewährt werden.

bb) Billigkeitsverfahren

(1) Allerdings kann der Vorsteuerabzug auch beim Fehlen einer materiellen oder formellen Voraussetzung aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls unter [X.] zu gewähren sein. Denn die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der [X.]echtssicherheit sind Teil der [X.]srechtsordnung und müssen von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die [X.]srichtlinien einräumen, beachtet werden (ständige [X.]echtsprechung des [X.], z.B. [X.]-Urteile Salomie und [X.] vom 9. Juli 2015 [X.]/14, [X.]:[X.], [X.]z 30; [X.] vom 9. Juli 2015 C-144/14, [X.]:C:2015:452, [X.]z 33; Elmeka vom 14. September 2006 [X.], [X.]/04, [X.]/04, [X.]:C:2006:563, [X.]z 31; [X.] vom 26. April 2005 [X.]/02, [X.]:[X.], [X.]z 32; Belgocodex vom 3. Dezember 1998 [X.]/97, [X.]:[X.], [X.]z 26).

(2) Soweit der Vorsteuerabzug danach nicht aus den objektiven Merkmalen des § 15 UStG, sondern aus dem allgemeinen [X.]echtsgrundsatz des Vertrauensschutzes und somit aus dem guten Glauben des Leistungsempfängers an das Vorliegen der --tatsächlich nicht erfüllten-- materiellen oder formellen Merkmale des Vorsteuerabzugs hergeleitet wird, ist er nach [X.] Verfahrensrecht nicht bei der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern im [X.]ahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO zu gewähren ([X.]-Urteile in [X.] 250, 559, [X.], 914, [X.]z 31 f.; in [X.]NV 2016, 80, [X.]z 48; in [X.]NV 2010, 256, [X.]z 19; in [X.] 225, 254, [X.] 2009, 744, [X.]z 46). Dabei ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz [X.] regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (z.B. [X.]-Urteil in [X.] 225, 254, [X.] 2009, 744, [X.]z 48).

(3) Die Entscheidung nach § 16[X.] ist zwar grundsätzlich eine Ermessensentscheidung (Beschluss des Gemeinsamen [X.]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 19. Oktober 1971 Gms-OGB 3/70, [X.] 105, 101, [X.] 1972, 603, zu § 131 der [X.]eichsabgabenordnung; [X.]-Urteile in [X.] 225, 254, [X.] 2009, 744, [X.]z 48; vom 21. August 1997 V [X.] 47/96, [X.] 183, 304, [X.] 1997, 781, [X.]z 11), die im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 102 [X.]O). Erfordern aber gemeinschaftsrechtliche [X.]egelungen eine Billigkeitsmaßnahme, ist das in § 16[X.] eingeräumte Ermessen des [X.] auf Null reduziert ([X.]-Urteile vom 30. Juli 2008 V [X.] 7/03, [X.] 223, 372, [X.]NV 2009, 438, [X.]z 49; vgl. auch [X.]-Urteil vom 8. März 2001 V [X.] 61/97, [X.] 194, 517, [X.] 2004, 373, [X.]z 30).

(4) Das [X.] Verfahrensrecht, das Vertrauensschutzgesichtspunkte nur in einem gesonderten Billigkeitsverfahren berücksichtigt, steht nicht im Widerspruch zum Unionsrecht; denn nach ständiger [X.]echtsprechung des [X.] sind mangels einer einschlägigen [X.]sregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem [X.]srecht erwachsenden [X.]echte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen [X.]echtsordnung eines jeden Mitgliedstaats ([X.]-Urteile [X.]eemtsma vom 15. März 2007 [X.]/05, [X.]:[X.], [X.]z 40; [X.] [X.] und [X.] vom 19. September 2006, [X.]/04 und [X.], [X.]:C:2006:586, [X.]z 57; vgl. auch [X.]-Urteil [X.] vom 19. September 2000 [X.]/98, [X.]:C:2000:469, [X.]z 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in [X.]echnung gestellter Mehrwertsteuer).

(5) Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren setzt voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alles getan hat, was von ihm in zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die [X.]ichtigkeit der [X.]echnungsangaben zu überprüfen ([X.]-Urteil vom 8. Oktober 2008 V [X.] 63/07, [X.]NV 2009, 1473, [X.]z 65). Denn durch die [X.]echtsprechung des [X.] ist geklärt, dass "Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug --sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug-- einbezogen sind, auf die [X.]echtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen können, ohne Gefahr zu laufen, ihr [X.]echt auf Vorsteuerabzug zu verlieren" ([X.]-Urteile Kittel und [X.]ecolta [X.]ecycling vom 6. Juli 2006 [X.]/04 und [X.], [X.]:C:2006:446, [X.]z 51; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 13. Oktober 2014 V B 19/14, [X.]NV 2015, 243, [X.]z 6). Das ist aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles zweifelhaft, weil die Übergabe neuer Fahrzeuge an öffentlichen Orten und Orten, an denen kein Geschäftsbetrieb stattfindet, zu besonderer Achtsamkeit Anlass bietet.

b) ... nach Unionsrecht.

Die formellen [X.]echnungsvoraussetzungen mit Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet, entsprechen nach Auffassung des [X.]s dem Unionsrecht ([X.]-Urteile in [X.] 225, 254, [X.], 744, [X.]z 34 ff.; in [X.] 221, 55, [X.] 2008, 695, [X.]z 34). Die [X.]egelungen in § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG beruhen auf Art. 168, 178, 226 MwStSyst[X.]L. Nach Art. 178 Buchst. a MwStSyst[X.]L ist die Ausübung des in Art. 168 Buchst. a dieser [X.]ichtlinie bezeichneten [X.]echts auf Vorsteuerabzug an den Besitz einer [X.]echnung geknüpft, die die in Art. 226 MwStSyst[X.]l genannten Angaben enthalten muss ([X.]-Urteil [X.] vom 15. Juli 2010 [X.], [X.]:[X.], Leitsatz sowie [X.]z 39, 40; [X.] vom 22. Dezember 2010 [X.]/09, [X.]:C:2010:818, 7 ff. zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen [X.]egelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten [X.]ichtlinie 77/388/[X.] des [X.]ates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der [X.]echtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --[X.]ichtlinie 77/388/[X.]--).

Nach Art. 226 Nr. 5 MwStSyst[X.]L muss die [X.]echnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers enthalten. Art. 226 MwStSyst[X.]L regelt die Ausstellung der [X.]echnung "verbindlich" ([X.]-Urteil [X.]eisdorf vom 5. Dezember 1996 [X.]/95, [X.]:[X.], [X.]z 21 zu der inhaltsgleichen [X.]egelung in Art. 22 Abs. 3 der [X.]ichtlinie 77/388/[X.]). Mit Art. 226 MwStSyst[X.]L sind "Mindestanforderungen" an die Angaben festgelegt worden, die "zwingend" in der [X.]echnung oder dem an ihre Stelle tretenden Dokument enthalten sein müssen (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 17. September 1997 [X.]/96, [X.]:[X.], [X.]z 16, 17 zu Art. 22 Abs. 3 der [X.]ichtlinie 77/388/[X.]).

Nach Ansicht des [X.]s umfasst der Begriff der "vollständigen Anschrift des Steuerpflichtigen" nur die zutreffende Anschrift. Die Angabe einer Scheinadresse, an der keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet werden, ist nicht mit dem Begriff der "vollständigen Anschrift" in Art. 226 MwStSyst[X.]L zu vereinbaren. Ein bloßer "Briefkastensitz" reicht nicht aus. Dies folgt auch aus dem [X.]-Urteil [X.] vom 28. Juni 2007 [X.]/06 ([X.]:[X.]). Der [X.] hat darin zum Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit [X.]. 1 Nr. 1 der [X.]ichtlinie 86/560/[X.] entschieden, dass sich eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohfirma" charakteristisch ist, nicht als derartiger Sitz ansehen lässt ([X.]-Urteil [X.] [X.]:[X.], [X.]z 62). Das lässt sich auf den Begriff der "vollständigen Anschrift" i.S. des Art. 226 Nr. 5 MwStSyst[X.]L übertragen: Der [X.] hat im selben Urteil nämlich auch entschieden, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen [X.]ealität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.]z 43). Ein bloßer "Briefkastensitz" bildet die wirtschaftliche [X.]ealität in vielen Fällen aber gerade nicht ab, sondern verschleiert sie ([X.]-Urteil in [X.] 250, 559, [X.], 914, [X.]z 28).

Hinzu kommt, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und Missbräuchen ein [X.]iel ist, das von der MwStSyst[X.]L anerkannt und gefördert wird (z.B. [X.]-Urteile Italmoda vom 18. Dezember 2014 [X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.]:C:2014:2455, [X.]z 42; [X.] vom 13. Februar 2014 [X.]/13, [X.]:[X.], [X.]z 26; [X.] und [X.] vom 21. Juni 2012 [X.]/11 und [X.], [X.]:C:2012:373, [X.]z 41). Der [X.] hat dies zwar jeweils zu der Frage, ob im konkreten Einzelfall der Vorsteuerabzug wegen eines missbräuchlichen Verhaltens aberkannt werden kann, entschieden. Diese [X.]ielsetzung kann nach Auffassung des [X.]s aber auch bei [X.]weifeln über die Auslegung einzelner Merkmale der Vorsteuerabzugsberechtigung Berücksichtigung finden.

4. [X.]ur ersten und zweiten Vorlagefrage

Der [X.] hat [X.]weifel, ob seine Auslegung des Art. 226 Nr. 5 MwStSyst[X.]L im Einklang mit dem [X.]-Urteil [X.] vom 22. Oktober 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]) steht. Der [X.] hat im Urteil [X.] zwar entschieden, dass Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der [X.]ichtlinie 77/388/[X.] (Art. 178 Buchst. a MwStSyst[X.]L) vorsieht, dass der Steuerpflichtige eine nach Art. 22 Abs. 3 dieser [X.]ichtlinie (Art. 226 MwStyst[X.]L) ausgestellte [X.]echnung besitzen muss, was insbesondere auch voraussetzt, dass die [X.]echnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen ausweist ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.]z 29). Der [X.] ist dabei aber vom Vorliegen der formellen [X.]echnungsvoraussetzungen ausgegangen, obwohl an der im Handelsregister (und wohl auch in der [X.]echnung) als Gesellschaftssitz bezeichneten Anschrift keine wirtschaftliche Tätigkeit möglich war und hat entschieden, dass einem Steuerpflichtigen das [X.]echt auf Vorsteuerabzug nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass die [X.]echnung von einem Wirtschaftsteilnehmer ausgestellt wurde, der als ein nicht existenter Wirtschaftsteilnehmer anzusehen ist, und dass es unmöglich ist, die Identität des tatsächlichen Lieferers der Gegenstände festzustellen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.]z 49, 53). Das lässt möglicherweise den Schluss zu, dass es für den Vorsteuerabzug nicht auf das Vorliegen aller formellen [X.]echnungsvoraussetzungen ankommt oder zumindest die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen keine Anschrift voraussetzt, unter der wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden (hierzu die Vorlagefragen zu 1. und 2.).

5. [X.]ur dritten Vorlagefrage

Der [X.] hat auch [X.]weifel, ob die Anforderungen, die er an die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus [X.] stellt, wenn dessen materielle und formelle Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind, im Einklang mit dem Unionsrecht in der Auslegung durch den [X.] im Urteil [X.] stehen.

Nach ständiger [X.]echtsprechung des [X.] ist es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des [X.]echts auf Vorsteuerabzug zu sanktionieren, wenn die nach der [X.]ichtlinie vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und die Ausübung des [X.]echts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind ([X.]-Urteile [X.], [X.]:[X.], [X.]z 49; [X.], [X.]:[X.], [X.]z 26 ff.; [X.] vom 6. Dezember 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], [X.]z 36 ff.; [X.] und [X.], [X.]:C:2012:373, [X.]z 44, 45 und 47; Optigen u.a. vom 12. Januar 2006 [X.]4/03, [X.]5/03 und [X.]/03, [X.]:[X.], [X.]z 51, 52 und 55; Kittel und [X.]ecolta [X.]ecycling, [X.]:C:2006:446, [X.]z 44 bis 46 und 60). Dem hat sich der [X.] bereits angeschlossen (z.B. [X.]-Urteil in [X.] 225, 254, [X.] 2009, 744, [X.]z 44).

Sind dagegen die materiellen und formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs --wie nach Auffassung des [X.]s im vorliegenden [X.] nicht in vollem Umfang erfüllt, kann ihr (teilweises) Fehlen zwar unter Berücksichtigung des [X.] durch den guten Glauben des Steuerpflichtigen an das Vorliegen dieser Voraussetzungen ersetzt werden. Die Voraussetzungen hierfür können aber nicht dieselben sein, wie sie vorliegen müssten, um den Vorsteuerabzug trotz Vorliegens der materiellen und formellen Voraussetzungen zu versagen. Deshalb reicht es nach Auffassung des [X.]s nicht aus, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige von der Steuerhinterziehung nichts wusste und auch nichts wissen konnte. Denn wäre der Vorsteuerabzug --jenseits seiner materiellen und formellen [X.] stets dann zu gewähren, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige von einer vorliegenden Steuerhinterziehung nichts wusste und auch nichts wissen konnte, würden die materiellen und formellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs jede Bedeutung verlieren.

Vorsteuerabzug unter [X.] setzt beim (teilweisen) Fehlen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs deshalb nach Auffassung des [X.]s nach den Vorgaben der [X.]-Urteile Teleos vom 27. September 2007 [X.] ([X.]:[X.], [X.]z 66) und [X.] vom 21. Februar 2008 [X.] ([X.]:[X.], [X.]z 24, 25 und 27); vgl. auch [X.]-Urteil [X.] vom 21. Dezember 2011 [X.]/10 ([X.]:C:2011:871, Leitsatz sowie [X.]z 26 zur gesamtschuldnerischen Haftung des Lagerinhabers und des steuerpflichtigen Eigentümers der Güter) voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außerstande war, das Fehlen der formellen [X.]echnungsanforderungen zu erkennen, weil er alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der [X.]ichtigkeit der Angaben in der [X.]echnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist ([X.]-Urteil in [X.]NV 2009, 1473, [X.]z 65).

Der Hinweis des [X.] im Urteil [X.] ([X.]:[X.], [X.]z 49) lässt demgegenüber möglicherweise den Schluss zu, dass der Vorsteuerabzug aus [X.] bereits dann zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde. Der [X.] geht in [X.]z 49 zwar anscheinend vom Vorliegen der materiellen und formellen Voraussetzungen für die Ausübung des [X.]echts auf Vorsteuerabzug aus. Andererseits war in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt die [X.]echnung von einem nicht existenten Wirtschaftsteilnehmer ausgestellt worden und es war zudem unmöglich, die Identität des tatsächlichen Lieferers der Gegenstände festzustellen, so dass auch vom Fehlen der Voraussetzungen des Art. 226 Nr. 5 MwStSyst[X.]L auszugehen sein könnte. In diesem Fall wäre ggf. die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Vertrauensschutzgründen in Betracht zu ziehen, was die Frage nach deren Voraussetzungen aufwirft.

6. [X.]echtsgrundlage für die Anrufung des [X.] ist Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

7. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 [X.]O.

Meta

V R 25/15

06.04.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend FG Köln, 28. April 2015, Az: 10 K 3803/13, Urteil

Art 168 EGRL 112/2006, Art 178 EGRL 112/2006, Art 220 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 226 EGRL 112/2006, Art 1 EWGRL 560/86, Art 18 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 22 Abs 3 EWGRL 388/77, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 2005, § 6a UStG 2005, § 14 UStG 2005, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 163 AO, § 227 AO, § 118 Abs 2 FGO, Art 226 Nr 5 EGRL 112/2006, § 14 Abs 4 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 18 UStG 2005, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010, UStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 06.04.2016, Az. V R 25/15 (REWIS RS 2016, 13474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13474

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI R 20/14 (Bundesfinanzhof)

EuGH-Vorlage zum Rechnungsmerkmal "vollständige Anschrift" und zur Berücksichtigung des Gutglaubensschutzes beim Vorsteuerabzug


V R 47/16 (Bundesfinanzhof)

Zur Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer


3 K 2565/16 (FG München)

Rückwirkende Berichtigung von Rechnungen ohne Angabe der Steuernummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden


V R 23/14 (Bundesfinanzhof)

Kein Gutglaubensschutz an das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs im Festsetzungsverfahren


6 K 1083/17 (Finanzgericht Rheinland-Pfalz)


Referenzen
Wird zitiert von

6 V 120/17

2 K 710/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.