Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.01.2013, Az. X B 203/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 9219

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Gegenstand

Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids hinsichtlich der Höhe eines festgestellten Veräußerungsgewinns - Aussetzung des Verfahrens


Leitsatz

1. NV: Das Wohnsitz-FA ist im Rahmen einer --insbesondere in Fällen des Grundstückshandels vorzunehmenden-- Gesamtwürdigung aller Tätigkeiten, die der Steuerpflichtige entfaltet hat, zwar nicht an die im Feststellungsbescheid für eine Personengesellschaft ausgewiesene Einkunftsart oder an die Qualifizierung eines bestimmten Gewinns als Veräußerungsgewinn gebunden. Die Ermittlung der Höhe eines Veräußerungsgewinns wird jedoch von der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids erfasst.   

2. NV: In Beschwerdeverfahren, die im Verhältnis zur Hauptsache als unselbständig anzusehen sind, ist eine Kostenentscheidung nur dann entbehrlich, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Hat die Beschwerde hingegen keinen Erfolg, ist ungeachtet der Unselbständigkeit des Beschwerdeverfahrens eine Kostenentscheidung zu treffen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schied im Streitjahr 2007 aus einer [X.] aus. Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der [X.] wurden die auf ihn entfallenden Anteile an den Einkünften zuletzt wie folgt festgestellt:

2
                 

           

-       

Veräußerungsgewinn

99.380,00 €

-       

laufende Einkünfte

./. 44.421,17 €

-       

Abzug eines verrechenbaren Verlusts nach § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG)

./. 27.325,80 €

                          

-       

verbleibender Veräußerungsgewinn nach Saldierung

27.633,03 €

                          

-       

verbleibende laufende Einkünfte

0,00 €

3

Im Einkommensteuerbescheid setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) aus der Beteiligung den sich nach der Saldierung ergebenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 27.633 € an. Dieser blieb gemäß § 16 Abs. 4 EStG in voller Höhe steuerfrei, da der Kläger die persönlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllte.

4

Der Kläger führt gegenwärtig sowohl gegen den [X.] als auch gegen den Einkommensteuerbescheid Klageverfahren, die bei verschiedenen Senaten des Finanzgerichts ([X.]) anhängig sind. In diesen Verfahren begehrt er, den Gewinnanteil wie folgt festzustellen bzw. im Einkommensteuerbescheid anzusetzen:

5
                 

           

-       

Veräußerungsgewinn

99.380,00 €

-       

abzüglich Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG

./. 45.000,00 €

-       

abzüglich verrechenbarer Verlust

./. 27.325,80 €

-       

verbleibender Veräußerungsgewinn

27.054,20 €

-       

laufende Einkünfte

./. 44.421,17 €

6

Mit Beschluss vom 25. Mai 2012 setzte das [X.] das gegen den Einkommensteuerbescheid geführte Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bis zur Erledigung des gegen den [X.] geführten Verfahrens aus. Die Beteiligten hatten der Aussetzung zuvor zugestimmt.

7

Am 16. Juli 2012 beantragte der Kläger, das "Ruhen des Verfahrens" zu beenden. Zur Begründung verwies er auf das Senatsurteil vom 18. April 2012 [X.] ([X.], 135, [X.], 647), aus dem er ableitet, dass das [X.] die Saldierung zwischen dem laufenden und dem begünstigten Gewinn abweichend vom [X.] vornehmen dürfe. Ausschließlich das [X.] verfüge über die Informationen, die für die Anwendung der Steuerbegünstigungen nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG erforderlich seien.

8

Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss vom 3. September 2012 lehnte das [X.] den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens ab. Zur Begründung führte es aus, zwar entscheide das [X.] über die Steuerbegünstigung eines Veräußerungsgewinns. Die Feststellung der Höhe eines solchen Gewinns falle aber in die Zuständigkeit des [X.]; hierzu gehöre auch die Frage, in welchem Umfang eine Verrechnung mit einem laufenden Gewinn stattfinden dürfe.

9

Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde, der das [X.] nicht abgeholfen hat, weiterhin die Fortführung des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid.

Das [X.] hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das [X.] hat mit dem angefochtenen Beschluss zutreffend entschieden, dass der Grund für die Aussetzung des Verfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid fortdauert.

a) Gemäß § 74 [X.]O kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.

Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den [X.] zwingend auszusetzen (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 [X.], [X.], 478, [X.] 1995, 640, unter II.4.). Ist --wie hier-- der Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber gleichfalls angefochten, ist eine Aussetzung des Verfahrens gegen den [X.] zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung aber den Regelfall dar (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 24. März 1999 I B 14/98, [X.] 1999, 1383, unter 1.a).

b) Vorliegend sind --auch unter Berücksichtigung des vom Kläger angeführten Senatsurteils in [X.], 135, [X.] 2012, 647-- keine Gesichtspunkte erkennbar, die ein Abweichen vom Regelfall und damit eine Fortführung des gegen den [X.] gerichteten Klageverfahrens trotz der gleichzeitigen Anhängigkeit eines Verfahrens gegen den Grundlagenbescheid gebieten würden. Das genannte Senatsurteil beruht auf der Rechtsprechung des Großen Senats des [X.] (Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, [X.]E 178, 86, [X.] 1995, 617), wonach im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des [X.], die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) einzubeziehen sind. Dies ermöglicht dem [X.], bei Erlass des [X.]s auch solche Erkenntnisse zu berücksichtigen, die wegen der Begrenzung des Gegenstands der Feststellung aus Rechtsgründen nicht in den Feststellungsbescheid eingehen können. Auf dieser Grundlage kann beispielsweise die für die Gesellschaft festgestellte Einkunftsart im [X.] umqualifiziert oder ein festgestellter Veräußerungsgewinn im [X.] als laufender Gewinn behandelt werden (vgl. Senatsurteil in [X.], 135, [X.] 2012, 647, unter [X.], m.w.N.).

Eine solche Umqualifizierung der Einkunftsart bzw. den Ansatz des festgestellten Veräußerungsgewinns als laufenden Gewinn begehrt der Kläger vorliegend indes nicht. Er wendet sich vielmehr lediglich gegen die Art und Weise der Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns, indem er dem [X.] die Befugnis zur vorherigen Saldierung des Veräußerungsgewinns mit einem laufenden Verlust abspricht. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse, die nur vom [X.], nicht aber vom [X.] zu berücksichtigen sein dürften, in die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Saldierung eingehen könnten. Soweit der Kläger anführt, nur das [X.] verfüge über die Informationen, von denen die Steuerbegünstigung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG abhängig sei, ist dies für die --vorgelagerte-- Frage der Zulässigkeit der Saldierung ersichtlich ohne Belang, wie bereits das [X.] zutreffend ausgeführt hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Für das gerichtliche Verfahren fällt eine Festgebühr von 50 € an (Nr. 6502 des [X.] zum Gerichtskostengesetz).

Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, ist eine Kostenentscheidung ungeachtet dessen zu treffen, dass das vorliegende Beschwerdeverfahren als unselbständiges Zwischenverfahren zu dem noch beim [X.] anhängigen Klageverfahren anzusehen ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 12. Mai 2009 VIII B 27/09, [X.] 2009, 1449, unter II.2., m.w.N.). Nur bei erfolgreichen Beschwerden --oder einer Erledigung der Hauptsache im [X.] sieht der [X.] im Hinblick auf die Unselbständigkeit des Beschwerdeverfahrens von einer Kostenentscheidung ab (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2004 IV B 209/03, [X.] 2004, 966, unter 3., m.w.N.).

Meta

X B 203/12

08.01.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. September 2012, Az: 4 K 2989/11, Beschluss

§ 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 132 FGO, § 135 Abs 1 FGO, § 74 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.01.2013, Az. X B 203/12 (REWIS RS 2013, 9219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9219

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Keine quellenbezogene Betrachtung bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 EStG - Keine Saldierung …


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7 K 2114/18

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