Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2009, Az. XII ZB 154/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 200

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[X.][X.] vom 9. Dezember 2009 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 233 A, [X.] Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine [X.], die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auf [X.] organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei kommt es in solchen Fällen nicht mehr an. [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2009 - [X.] 154/09 - [X.]/[X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Dezember 2009 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] sowie die Rich-ter Prof. Dr. [X.], [X.] und Schilling beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 26. Mai 2009 aufgehoben. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der [X.]. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Der [X.] wird auf 3.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragsteller wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die [X.] seiner befristeten Beschwerde wegen Versäumung der Begründungs-frist. 1 - 3 - Der Antragsteller begehrt Umgang mit seiner im Jahre 2004 geborenen Tochter. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 hat das Familiengericht den Umgang für die Dauer eines Jahres im Wesentlichen ausgeschlossen. Gegen diesen Beschluss, der ihm am 5. Januar 2009 zugestellt worden ist, hat der [X.] befristete Beschwerde eingelegt, die am 12. Januar 2009 beim Be-schwerdegericht eingegangen ist. Am 12. März 2009 (nicht: 10. März 2009) hat der Antragsteller schließlich beantragt, ihm wegen der versäumten Beschwer-debegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat er die Beschwerde begründet. 2 Zur Begründung des [X.] hat der Antragsteller u.a. vorgetragen, die Büroangestellte seiner Verfahrensbevollmächtigten habe zunächst versehentlich eine Beschwerdefrist von lediglich 14 Tagen (Ablauf 19. Januar 2009) sowie eine [X.] von weiteren 14 Ta-gen (Ablauf 5. Februar 2009) eingetragen. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe sie darauf hingewiesen, dass für die Beschwerde und Beschwerdebe-gründung hinsichtlich der Versagung der Prozesskostenhilfe eine Monatsfrist (Ablauf 5. Februar 2009), für die übrige Beschwerdebegründung eine weitere Monatsfrist (Ablauf 5. März 2009) notiert werden müsse. Dies sei von seiner Verfahrensbevollmächtigten auch auf dem entsprechenden [X.], der jedem Posteingang beigefügt sei, schriftlich für ihre Mitarbeiterin notiert worden. Zwar sei die vollständige Eintragung der Frist in der Akte erfolgt, was nach der Kanzleianweisung erst nach Eintragung im [X.] geschehen solle, jedoch sei die Eintragung in den [X.] hinsichtlich der weiteren [X.] und der, gemäß der allgemeinen Kanzleianwei-sung einzutragenden, üblichen Vorfrist von einer Woche unterblieben. 3 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht dem [X.] Wiedereinsetzung versagt und seine Beschwerde als unzulässig 4 - 4 - verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbe-schwerde. I[X.] 5 Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. 6 1. Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Beschwerdegericht die befristete Be-schwerde des Antragstellers verworfen und ihm zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der [X.] verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewäh-rung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechts-staatsprinzip) verletzt. Es hat dem Antragsteller den Zugang zur [X.] ungerechtfertigt versagt. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 7 Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine fristgerechte Begründung sei weder in der Begründung der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückwei-sung des [X.] noch in der Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sehen. Der Antragsteller sei schließlich nicht ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde einzuhalten. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe die Fristen-kontrolle in ihrem Büro nicht so organisiert, dass ein Versäumen der Frist auf-grund einer fehlenden Fristnotierung im [X.] verhindert werde. [X.] - 5 - gunsten des Antragstellers sei zwar zu unterstellen, dass es sich bei der Mitar-beiterin seiner Verfahrensbevollmächtigten um eine zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte und gut ausgebildete Angestellte handele. Der [X.] habe jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzu-stellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Dabei werde verlangt, dass die Eintragung der Frist im [X.] auch feststell-bar notiert werden müsse, was zweckmäßigerweise durch einen Vermerk in der Handakte mit Handzeichen und Datumsangabe zu erfolgen habe. Nach dem Vortrag des Antragstellers werde üblicherweise erst die Frist im [X.] notiert und dann die Frist in der Handakte. Bereits dieser Vortrag lasse keine zuverlässige Fristenkontrolle feststellen. Denn es fehle an der klaren Anwei-sung, stets zunächst die Frist im [X.] zu notieren und erst nach die-ser Notierung einen Fristenvermerk in der Handakte aufzunehmen. Mithin kön-ne der Fristnotierung im [X.] nicht entnommen werden, dass die No-tierung der Frist im [X.] von der Angestellten überprüft worden sei. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht Stand. 9 a) Allerdings ist dem Beschwerdegericht dahin zu folgen, dass weder die Begründung der Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe sei-tens des Familiengerichts noch die Begründung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den Anforderungen genügen, die an die Begründung einer befristeten Beschwerde gestellt werden (vgl. § 621 e Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 111 [X.]). Zwar sind danach an den Inhalt der Beschwerdebegründung nicht die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine Berufungsbegründung. Der Beschwerdeführer muss aber vortra-gen, was er an der angefochtenen Entscheidung missbilligt ([X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 621 e Rdn. 49). Vorliegend beziehen sich die jeweiligen [X.] - 6 - gründungen des Antragstellers jedoch ausschließlich auf die Prozesskostenhil-febeschwerde und den Erlass einer einstweiligen Anordnung. 11 b) Gleichwohl hätte das Beschwerdegericht die befristete Beschwerde nicht gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, § 621 a Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] verwerfen dürfen, weil dem Antragsteller hinsichtlich der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge-währen ist. Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig beim Beschwerdegericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel den unbestrittenen Angaben des Antragstellers zufolge am 6. März 2009. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die [X.] nachzuholen, §§ 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist hat der Antragsteller gewahrt; Wiedereinsetzungsan-trag und nachgeholte Beschwerdebegründung gingen am 12. März 2009 und damit rechtzeitig beim Beschwerdegericht ein. 12 c) Der Antragsteller hat die [X.] weder aus ei-genem noch aus einem ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden [X.] seiner Verfahrensbevollmächtigten versäumt. 13 Es ist bereits zweifelhaft, ob trotz der vom Antragsteller geschilderten Bü-roorganisation in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten ein gesonder-ter Vermerk über die Erledigung der Eintragung im [X.] erforderlich ist. Die Frage kann indes unbeantwortet bleiben. Denn nach dem glaubhaft ge-machten Vorbringen des Antragstellers, mit dem sich das Beschwerdegericht allerdings nicht befasst hat, lagen hinsichtlich der Eintragung der Fristen sowohl eine mündliche als auch schriftliche Einzelanweisung vor, die eine spätere [X.] entbehrlich machten. 14 - 7 - aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die Ein-tragung der Frist im [X.] grundsätzlich durch einen Erledigungsver-merk kenntlich zu machen (vgl. dazu insbesondere Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - [X.]/02 - NJW 2003, 1815, 1816; vom 22. Januar 2008 - [X.]/07 - NJW 2008, 1670, 1671 und vom 14. Juni 2006 - [X.] - NJW 2006, 2778, 2779). Allerdings ist ein bestimmtes Verfahren hinsichtlich der Fristwahrung weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Vielmehr steht es dem Rechtsanwalt grundsätzlich frei, auf welche Weise er sicherstellt, dass die Eintragung im [X.] und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen ([X.] Beschluss vom 15. April 2008 - [X.]/07 - juris Tz. 10). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe spricht vieles dafür, dass ein Rechtsanwalt seiner Organisationspflicht auch dann hinreichend Rechnung trägt, wenn er - wie hier - zwar nicht die Erstellung eines Erledigungsvermerkes verfügt, gleichwohl aber anordnet, die Frist erst in der Handakte zu notieren, nachdem sie im [X.] eingetragen worden ist. Die Frage kann hier indes unbe-antwortet bleiben. 15 [X.]) Nach der Rechtsprechung des [X.] darf der [X.] jedenfalls grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanwei-sung befolgt, weshalb er im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern ([X.] Beschlüsse vom 15. April 2008 - [X.]/07 - juris Tz. 7 f.; vom 23. November 2000 - [X.]/00 - NJW 2001, 1578, 1579). In diesem Fall kommt es auf allgemeine orga-nisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer An-waltskanzlei nicht mehr an ([X.] Beschluss vom 15. April 2008 - [X.]/07 - juris Tz. 7). 16 - 8 - So liegt der Fall hier. Denn dem Vortrag des Antragstellers zufolge hat seine Verfahrensbevollmächtigte die Büroangestellte mündlich zum Eintrag der von ihr (der Verfahrensbevollmächtigten) mitgeteilten Fristen angewiesen und dies nochmals auf dem beiliegenden [X.] schriftlich vermerkt. Zwar ist es richtig, dass die Büroangestellte hinsichtlich der Ermittlung der Fristen ersichtlich unsicher war. Dem hat sie allerdings dadurch Rechnung getragen, dass sie die von ihr unzutreffend, nämlich zu kurz, ermittelte Frist vorläufig zur Sicherheit vermerkt hatte. Zudem handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] bei der Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um eine zuverlässig erprobte, sorgfältig überwachte und gut aus-gebildete Angestellte. Demgemäß musste die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers auch nicht befürchten, dass ihre Mitarbeiterin die entsprechende Anweisung zur Eintragung der Fristen nicht ordnungsgemäß befolgen würde, zumal diese - wie dargetan - schriftlich auf dem [X.] vermerkt [X.]. 17 3. Dem Antragsteller war somit unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] vom 26. Mai 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren. 18 - 9 - Damit ist der auf die Verwerfung der befristeten Beschwerde beruhende Zu-rückweisung des [X.] ebenfalls die Grundlage entzogen. Hahne [X.] [X.] Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen: AG [X.]-Pankow/[X.], Entscheidung vom 22.12.2008 - 17 F 6231/08 - KG [X.], Entscheidung vom [X.] - 13 UF 9/09 -

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XII ZB 154/09

09.12.2009

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2009, Az. XII ZB 154/09 (REWIS RS 2009, 200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 200

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