Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.09.2019, Az. X R 43/17

10. Senat | REWIS RS 2019, 3913

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Gegenstand

Berücksichtigung von Beitragsnachzahlungen für Vorjahre im Rahmen der Öffnungsklausel


Leitsatz

Konnte der Steuerpflichtige in rentenrechtlich zulässiger Weise Nachzahlungen von Vorsorgebeiträgen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten, die jedoch erst im Zahlungsjahr rentenrechtlich wirksam werden, sind diese Beiträge im Rahmen der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG als Beiträge für das Jahr zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26.07.2017 - 1 K 2510/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 2009, 2010 und 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

2

Der Kläger bezieht seit dem 01.10.2003 wegen Berufsunfähigkeit Versorgungsleistungen aus der [X.] (Versorgungswerk).

3

Er war seit 1970 bis zu seiner Verrentung im Wesentlichen als angestellter Arzt, zeitweise auch freiberuflich tätig. Ab 1970 leistete er Beiträge an das Versorgungswerk, davon während seiner Auslandstätigkeit in den 80er-Jahren und nachfolgend wegen Überschreitens der Altersgrenze als freiwilliges Mitglied. Ausweislich der Übersicht des Versorgungswerks vom 08.03.2005 lagen die Beiträge für neun Jahre (1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 und 2003) über dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung. [X.] nahm der Kläger Einzahlungen in Höhe von insgesamt 52.676 € vor. Hiervon waren laut den [X.] freiwillige Mehrzahlungen in Höhe von insgesamt 25.776 € für das Kalenderjahr 2002 bestimmt.

4

Das Versorgungswerk setzte als freiwillige Mehrzahlungen für 2002 einen Betrag von 23.711 € und für 2003 einen Betrag von 16.800 € fest. Unter Punkt 4.) der Beitragsbescheide wird u.a. ausgeführt: "Zur Erhöhung ihrer Versorgungsanwartschaften können Sie freiwillige Mehrzahlungen entrichten…. Freiwillige Mehrzahlungen werden wie Pflichtbeiträge verrentet und sind für ein Kalenderjahr bis zum Ablauf des Folgejahres zulässig.".

5

Das Versorgungswerk teilte dem Kläger mit Schreiben vom 03.09.2012 mit, die Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien nicht erfüllt, da er vor dem 01.01.2005 nur in neun Jahren Einzahlungen oberhalb des [X.] geleistet habe. Das Senatsurteil vom 19.01.2010 - X R 53/08 ([X.], 223, BStBl II 2011, 567), nach welchem auch die Jahre Berücksichtigung fänden, für die rentenrechtlich rückwirkend Beiträge nachgeleistet worden seien, sei auf die Ärzteversorgung nicht übertragbar. [X.] würden bei dem Versorgungswerk --gemäß § 38 Abs. 2 der Satzung der [X.] (Satzung)-- Beitragszahlungen nach dem Jahr ihrer Einzahlung verrentet und nicht nach dem Jahr, für das sie möglicherweise bestimmt gewesen seien. Die freiwilligen Mehrzahlungen für 2002 seien daher ebenfalls dem bereits berücksichtigten [X.] 2003 zuzuordnen.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) besteuerte die Versorgungsleistungen des [X.] in den Streitjahren 2009, 2010 und 2012 mit ihrem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.

7

Nach erfolglosem Einspruch beantragten die Kläger im Klageverfahren die Anwendung der Öffnungsklausel auf die Versorgungsleistungen des [X.], da der Höchstbeitrag bei zutreffender Sichtweise zehn Jahre überschritten worden sei. Somit seien 22,11 % der Rente mit dem Ertragsanteil zu versteuern.

8

Das [X.] trat dem Begehren mit Hinweis auf die Rz 240 des Schreibens des [X.] (BStBl I 2013, 1087) entgegen. Da die rentenrechtliche Wirksamkeit der im [X.] geleisteten Zahlungen vollumfänglich im [X.] eingetreten sei, müsse das Vorjahr 2002 als Beitragsjahr außer Betracht bleiben.

9

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 300 veröffentlichtem Urteil statt. Im Rahmen der Öffnungsklausel sei nicht entscheidend, zu welchem Zeitpunkt sich eine rentenrechtlich zulässige Zahlung rentenerhöhend auswirke, ob also die vom Kläger für das [X.] vorgenommene Nachzahlung aufgrund der Satzung des Versorgungswerks erst ab dem [X.] rentenwirksam werde. Vielmehr sei allein maßgeblich, dass die Mehrzahlungen rentenrechtlich möglich gewesen seien. Denn der Zweck der Öffnungsklausel sei es nicht, Nachzahlungen zu besteuern, sondern vielmehr einer möglichen doppelten Besteuerung in außergewöhnlichen Fällen zu begegnen. Hiernach sei die rentenrechtlich zulässige Nachzahlung für 2002 bei der Bestimmung der erforderlichen zehn Jahre mit zu berücksichtigen.

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Die Auffassung des [X.], dass es im Rahmen der Öffnungsklausel nur darauf ankomme, ob Nachzahlungen rentenrechtlich möglich seien, lasse außer [X.], dass nach der Satzung des Versorgungswerks ausschließlich der Zahlungszeitpunkt rentenrechtlich relevant sei, das Für-Prinzip vorliegend also nicht gelte. Dem trage die Erlasslage Rechnung, indem für die zeitliche Zuordnung von Beitragsnachzahlungen auf das Jahr ihrer rentenrechtlichen Wirksamkeit abgestellt werde. Soweit das Versorgungswerk auf Aufforderung des [X.] eine Berechnung vorgenommen habe, in welcher Höhe die im [X.] vorgenommene Beitragszahlung --unter Zugrundelegung des [X.] den Jahren 2002 und 2003 zuzuordnen sei, habe es gleichzeitig zu Bedenken gegeben, dass konsequenterweise auch die übrigen Einzahlungen in den Jahren 1970 bis 2002 nach dem Für-Prinzip zugeordnet werden müssten, so dass jede Einzahlung seit 1970 auf ihren Verwendungszweck hin untersucht werden müsste, für welchen Zeitraum sie vom Kläger bestimmt gewesen sei. Hierbei könnten sich unter Umständen für jedes Kalenderjahr seit 1970 andere Einzahlungshöhen ergeben, wodurch gegebenenfalls die Voraussetzungen der Öffnungsklausel auch nicht erfüllt wären. Im Hinblick darauf sei es sachgerecht, die Einzahlungen bei Anwendung der Öffnungsklausel dem [X.] zuzuordnen, zumal nach der Satzung des Versorgungswerks nur der Einzahlungszeitpunkt rentenrechtlich relevant sei.

Das [X.] hat während des Revisionsverfahrens aus hier nicht in Streit stehenden Gründen unter dem 07.08.2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 erlassen.

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Sie schließen sich den Ausführungen des [X.] an.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Vorentscheidung ist hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

Das [X.] hat in seinem Urteil u.a. über den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 15.06.2012 entschieden. Das [X.] hat indes während des Revisionsverfahrens unter dem 07.08.2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 erlassen. Dieser Bescheid ist nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Da das [X.] damit über einen Einkommensteuerbescheid entschieden hat, der nicht mehr Verfahrensgegenstand ist, kann das Urteil insoweit keinen Bestand haben (z.B. Urteile des [X.] --BFH-- vom 16.05.2013 - IV R 15/10, [X.], 323, BStBl II 2013, 858; vom 26.06.2014 - IV R 51/11, [X.] 2014, 1716, und vom 28.05.2015 - IV R 27/12, [X.], 544, BStBl II 2015, 837, jeweils m.w.N.).

2. Das [X.]-Urteil ist aber auch aufzuheben, soweit es die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2009 und 2012 betrifft.

[X.] ist insgesamt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O an das [X.] zurückzuverweisen. Es ist keine Zurückverweisung nach § 127 [X.]O in Sachen Einkommensteuerbescheid für 2010 geboten. Denn der diesbezüglich während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid, der lediglich eine neue --dem BFH-Urteil vom 19.01.2017 - VI R 75/14 ([X.], 339, BStBl II 2017, 684) entsprechende stufenweise-- Berechnung der zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen betrifft, hat den bisherigen Streitstoff unverändert gelassen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 544, BStBl II 2015, 837, Rz 18). Da sich aber anhand der Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilen lässt, ob die Voraussetzungen der Öffnungsklausel vorliegen, erfolgt die Zurückverweisung insgesamt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2017 - IV R 30/14, [X.], 403, BStBl II 2017, 1061, Rz 22).

3. Das [X.] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auch die im [X.] für das [X.] geleisteten freiwilligen Mehrzahlungen in Höhe von 23.711 €, die den im [X.] geltenden Höchstbeitrag von 10.314 € um 13.397 € überschreiten, im Rahmen der Prüfung der Öffnungsklausel als eigener Jahresbeitrag zu berücksichtigen sind (unten a). Die Feststellungen des [X.] tragen aber nicht dessen Entscheidung, dass der Höchstbeitrag in dem für die Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Umfang von (mindestens) zehn Jahren überschritten wurde (unten b). Das [X.] muss weitere Feststellungen dazu treffen, bezüglich welcher Jahre und in welcher Höhe Beitragsleistungen des [X.] an das Versorgungswerk den jeweils geltenden jährlichen Höchstbeitrag überschritten haben (unten c).

a) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass auch die im [X.] für das [X.] geleistete Nachzahlung von freiwilligen Mehrzahlungen in Höhe von 23.711 €, die den im [X.] geltenden Höchstbeitrag von 10.314 € um 13.397 € überschreiten, bei der Prüfung der Öffnungsklausel im Rahmen des Jahresbeitrags für das [X.] zu berücksichtigen sind.

[X.]) Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] Satz 2 EStG unterliegen auf Antrag auch Leibrenten i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG mit dem Ertragsanteil der Besteuerung, soweit die Leibrenten auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des Betrags des [X.] zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass der Betrag des [X.] mindestens zehn Jahre überschritten wurde (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] Satz 2 Halbsatz 2 EStG).

[X.]) Der erkennende [X.] hat im Falle der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, dass es bei der Anwendung der Öffnungsklausel nicht allein darauf ankommt, in welchem Jahr die Beiträge gezahlt wurden, sondern auch darauf, für welche Jahre die Beiträge geleistet wurden. Das sog. In-Prinzip sei im Rahmen der Öffnungsklausel nicht uneingeschränkt anwendbar (vgl. Urteil in [X.], 223, BStBl II 2011, 567, Rz 84 ff.; Urteil vom [X.], [X.], 326, BStBl II 2011, 579, Rz 75 ff.).

(1) In diesem Zusammenhang gehe es [X.] die wesentliche Urteilsbegründung-- nicht um das Problem, in welchem Jahr Altersvorsorgeaufwendungen abgezogen werden könnten, sondern um die Vermeidung einer möglichen verfassungswidrigen Doppelbesteuerung, die dadurch entstehe, dass ein Steuerpflichtiger eine Altersrente als Einnahme versteuern müsse, obwohl er die von ihm getragenen Beiträge, aufgrund derer er die Rente erhalte, gerade wegen ihrer Höhe nicht bzw. nur eingeschränkt als Sonderausgaben habe abziehen dürfen (vgl. [X.]surteile in [X.], 223, BStBl II 2011, 567, Rz 89, und in [X.], 326, BStBl II 2011, 579, Rz 80). Ausgangspunkt sei die gesetzgeberische Annahme, dass es ohne die Öffnungsklausel (insbesondere bei Selbständigen) in seltenen Ausnahmefällen bei uneingeschränkter Anwendung der nachgelagerten Besteuerung zu einem Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung kommen könne. Aufgrund der Öffnungsklausel werde nicht im konkreten Einzelfall geprüft, ob eine Doppelbesteuerung vorliege, vielmehr werde sie bei Vorliegen der Voraussetzungen der typisierenden Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG zu Gunsten des Steuerpflichtigen gesetzlich vermutet (vgl. [X.]surteil in [X.], 326, BStBl II 2011, 579, Rz 92).

(2) Die mögliche Doppelbesteuerung entsteht somit nicht durch die Zahlung in einem bestimmten Veranlagungszeitraum, sondern aufgrund der fehlenden steuerlichen Berücksichtigung von Leistungen oberhalb des [X.], die in den Jahren vor 2005 regelmäßig --insoweit-- nicht steuerlich abziehbar waren. War die Leistung für vergangene Jahre [X.] möglich, drohte eine Doppelbesteuerung. Deshalb hat der [X.] im Falle der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Für-Prinzip abgestellt.

cc) Nach Auffassung des [X.]s ist der vorliegende Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Steuerpflichtige zwar in [X.] zulässiger Weise Nachzahlungen für ein vorangegangenes Kalenderjahr leisten konnte, diese aber erst im nachfolgenden [X.] [X.] wirksam wurden, bei der Prüfung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] Satz 2 EStG mit der Konstellation einer Nachversicherung in die gesetzliche Rentenversicherung vergleichbar. Nach Sinn und Zweck der Öffnungsklausel sind diese Nachzahlungen bei der Ermittlung des [X.] ebenfalls als Beiträge des Jahres zu berücksichtigen, für das sie zulässigerweise geleistet wurden.

(1) Dabei verkennt der [X.] nicht, dass das Versorgungswerk nach seinen Angaben das Für-Prinzip, also eine Nachversicherung für Vorjahre i.S. einer auch [X.] rückwirkenden Zuordnung zu den Vorjahren, nicht kennt.

Der Hinweis des Versorgungswerks auf § 38 Abs. 2 Satz 2 seiner aktuellen Satzung, wonach für den Zeitpunkt der Entrichtung der [X.] maßgeblich ist, ist zwar für die in Rede stehenden Einzahlungen des [X.] im [X.] nicht unmittelbar einschlägig, da die Regelung dergestalt erst seit 2015 besteht. Die im Kalenderjahr 2003 --aber auch in früheren [X.] gültige Fassung der Satzung enthielt aber bereits eine inhaltsgleiche Bestimmung  (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 2 der Satzung der [X.] i.d.[X.], [X.] Nr. 51/52 vom 22.12.1995, S. 2 --Satzung a.F.--). Im Übrigen war und ist die Regelung, dass für den [X.] der Zahlungseingang maßgeblich ist, bei der Berechnung des [X.] bei Berufsunfähigkeit entsprechend anzuwenden (§ 39 Satz 1 der aktuellen Satzung; § 39 der Satzung a.F.).

(2) Allerdings ließ § 27 Abs. 1 Satz 3 der Satzung a.F. des Versorgungswerks (vgl. auch § 27 Abs. 3 Satz 3 der aktuellen Satzung) es zu, dass die für ein Kalenderjahr jeweils zulässigen freiwilligen Mehrzahlungen im laufenden oder im folgenden Kalenderjahr entrichtet werden können.

Aufgrund dieser Satzungsbestimmung konnte der Kläger die für 2002 zulässigen freiwilligen Mehrzahlungen noch im Folgejahr 2003 entrichten, allerdings gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 der Satzung a.F. nur bis zur Höhe des [X.] zwischen dem Beitrag gemäß §§ 22 bis 26 und dem allgemeinen Jahreshöchstbeitrag (Absatz 2) oder der persönlichen Beitragsgrenze (Absatz 3). Daher wurden die Einzahlungen des [X.] für 2002 in Höhe von insgesamt 25.776 € nicht vollständig berücksichtigt. Nach dem Beitragsbescheid vom 01.10.2003 durften [X.] und freiwillige Mehrzahlungen zusammen für ein Kalenderjahr den jeweiligen Beitrag entsprechend der persönlichen Beitragsgrenze des [X.], die im [X.]  23.711 € betrug, nicht überschreiten. Dementsprechend wurde für das [X.] der --maximal zulässige-- Betrag von 23.711 € als freiwillige Mehrzahlung festgesetzt. Der verbleibende Betrag in Höhe von 2.065 € wurde als freiwillige Mehrzahlung für das Kalenderjahr 2003 erfasst.

(3) Vor diesem Hintergrund wird einerseits deutlich, dass aufgrund der Satzungsregelungen des Versorgungswerks die vom Kläger im [X.] für 2002 vorgenommenen Einzahlungen als Nachzahlungen (freiwillige Mehrzahlungen) für das [X.] möglich waren und sich [X.] ausgewirkt haben, wenngleich erst ab dem [X.] 2003.

(4) Behandelt demnach das Versorgungswerk aufgrund seiner Satzungsbestimmungen einen Teil der freiwilligen Mehrzahlungen in einem Jahr --mit Ausnahme des Zeitpunkts der [X.] wie eine Nachversicherung für das vorherige Jahr, ähnelt dies --wirtschaftlich betrachtet-- einer Verrentung nach dem Für-Prinzip. Jedenfalls ist es nach Auffassung des [X.]s geboten, im [X.], für das in [X.] zulässiger und [X.]er Weise freiwillige Zahlungen geleistet wurden, im Rahmen der Öffnungsklausel auch die Nachzahlungen zu berücksichtigen.

Denn ein Sonderausgabenabzug war für die vom Kläger für 2002 nachgezahlten freiwilligen Mehrzahlungen, die wie Pflichtbeiträge verrentet werden, nicht möglich. Der Kläger konnte sie im [X.] wegen des Abflussprinzips (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG) steuerlich nicht geltend machen. In dem [X.] haben sie sich wegen des bereits im Regelfall üblicherweise ausgeschöpften Höchstbetrags zur gesetzlichen Rentenversicherung ebenfalls steuerlich nicht ausgewirkt. Somit stammen die auf den für 2002 nachgezahlten freiwilligen Beiträgen beruhenden Renten aus versteuertem Einkommen.

(5) Diese Auslegung eröffnet nicht die Möglichkeit, missbräuchlich in den Geltungsbereich der Öffnungsklausel zu gelangen, da nur Zahlungen vor 2005 berücksichtigt werden können. Außerdem waren --worauf das [X.] ergänzend hingewiesen [X.] nach der Satzung des Versorgungswerks freiwillige Mehrzahlungen lediglich für ein abgelaufenes Kalenderjahr möglich.

b) Die Feststellungen des [X.] tragen aber nicht dessen Entscheidung, dass der Höchstbeitrag nachweislich in dem für die Anwendung der Öffnungsklausel erforderlichen Umfang von (mindestens) zehn Jahren überschritten wurde.

Der --vom Kläger zu führende-- Nachweis ist auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Schreibens des Versorgungswerks vom 03.09.2012, dass der Betrag des [X.] (jedenfalls) in neun Jahren überschritten sei, nicht erbracht. Denn das Versorgungswerk hat seine Aussage auf die dem Schreiben beigefügte Übersicht vom [X.] über die von 1970 bis 2004 geleisteten Einzahlungen des [X.] und ihre [X.]e Zuordnung zu den einzelnen Kalenderjahren nach dem Einzahlungszeitpunkt (In-Prinzip) gestützt.

Da nach den obigen Darlegungen (unter [X.] (2)) Einzahlungen des [X.] in einem bestimmten Kalenderjahr auch als Nachzahlungen für das Vorjahr geleistet worden und --bei der im Rahmen der Öffnungsklausel gebotenen Betrachtungsweise (quasi [X.] dem Vorjahr als Beitragsjahr zuzuordnen sein könnten, hätte das [X.] die Prüfung nicht auf die in Rede stehenden Jahre 2002/2003 beschränken dürfen. Ausgehend von seiner zutreffenden materiellen Sichtweise bildet daher die nach dem In-Prinzip erstellte Übersicht des Versorgungswerks bezüglich der Frage, in welchen (weiteren) Jahren und in welcher Höhe der jeweilige Höchstbeitrag überschritten worden ist, keine ausreichende Grundlage.

Dass der gesamte Rentenversicherungsverlauf des [X.] neu zu betrachten ist, zeigt sich im Streitfall vor allem im Hinblick auf die --in der Übersicht des Versorgungswerks dargestellten-- Einzahlungen des [X.] in den Jahren 1997 (24.327,17 €), 1998 (22.524,31 €) und 1999 (28.919,74 €). Die genannten Beträge bewegen sich der Höhe nach im Bereich der für das [X.] bekannten persönlichen Beitragsgrenze des [X.] (23.711 €), so dass in diesen Jahren eine (teilweise) Zahlung auch für ein anderes Kalenderjahr ernsthaft in Betracht kommt.

c) [X.] ist nicht spruchreif. Der [X.] kann anhand der vorliegenden Unterlagen nicht beurteilen, bezüglich welcher Jahre und in welcher Höhe Beitragsleistungen des [X.] an das Versorgungswerk den jeweils geltenden jährlichen Höchstbeitrag überschritten haben. Das [X.] muss diesbezüglich weitere Feststellungen treffen.

Soweit beim Versorgungswerk keine Bescheide über die Festsetzung von Beiträgen und freiwilligen Mehrzahlungen für die Jahre vor 2002 mehr vorhanden sind, könnte das [X.] zur Aufklärung des Sachverhalts den Kläger zur Vorlage der bei ihm vorhandenen Beitragsbescheide auffordern, die der Kläger angesichts deren Bedeutung aufbewahrt haben dürfte. Seine Mitwirkung liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse, zumal dem Kläger der Nachweis obliegt, dass der Betrag des [X.] mindestens zehn Jahre überschritten wurde.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 43/17

04.09.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 26. Juli 2017, Az: 1 K 2510/14, Urteil

§ 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst bb S 2 Halbs 2 EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2009, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.09.2019, Az. X R 43/17 (REWIS RS 2019, 3913)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3913


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X R 43/17

Bundesfinanzhof, X R 43/17, 04.09.2019.


Az. 1 K 2510/14

FG München, 1 K 2510/14, 27.12.2017.


Az. X B 135/20

Bundesfinanzhof, X B 135/20, 28.12.2021.


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