Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2019, Az. 4 StR 491/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 9424

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Gegenstand

Untreue und zum Nachteil privater Krankenversicherungen begangene Betrugshandlungen: Tatmehrheit oder Tateinheit; Verschlechterungsverbot bei Bildung neuer Einzelstrafen nach Zurückverweisung; Gesamtstrafenfähigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2018 wird das vorgenannte Urteil

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte [X.]im [X.] 2. der Urteilsgründe wegen Untreue in drei Fällen schuldig ist;

b) mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben

[X.]) insgesamt soweit der Angeklagte [X.]im [X.] 3. und soweit der Angeklagte [X.]in diesem Tatkomplex in den [X.] und 20 verurteilt worden sind,

bb) in den Einzelstrafaussprüchen bezüglich des Angeklagten [X.]in den Fällen [X.]) [X.]) bis [X.]) der Urteilsgründe und

cc) bezüglich des Angeklagten [X.]im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.], an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Untreue in sieben Fällen, wegen Betruges in 67 Fällen sowie wegen versuchten Betruges – unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 30. Juni 2015 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die [X.] im [X.] 3. erstreckt sich gemäß § 357 Satz 1 StPO teilweise auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.].

2

1. Soweit der Angeklagte [X.]aufgrund der Taten zu [X.] 1. der Urteilsgründe wegen Betruges in 49 Fällen verurteilt worden ist, hat die rechtliche Nachprüfung weder im Schuldspruch noch in den [X.]n einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Im [X.] 2. der Urteilsgründe – hier ist der Angeklagte [X.]wegen Untreue in sieben Fällen verurteilt worden – begegnet die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen [X.] 2. b) [X.]) bis [X.]) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

a) Nach den zum [X.] 2. rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte [X.]ab Anfang 2015 als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klinik           GmbH eine Schmerzklinik in [X.]. Bereits kurz nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit veranlasste er den – in diesem [X.] nicht verurteilten – Mitangeklagten [X.]dazu, sieben Überweisungen bzw. Barabhebungen über insgesamt 295.000 Euro von dem Geschäftskonto der GmbH vorzunehmen. Dieses Geld setzte der Angeklagte [X.]nicht für den Klinikbetrieb, sondern für private Zwecke ein. Die ersten fünf Überweisungen bzw. Barabhebungen – Fälle [X.] 2. b) [X.]) bis [X.]) – führte der Angeklagte [X.]im Januar und Februar 2015 infolge einer von dem Angeklagten [X.]erstellten schriftlichen „Zahlungsanweisung“ vom 19. Januar 2015 aus. Im April und Mai 2015 – Fälle unter [X.] 2. b) ff) – veranlasste der Angeklagte [X.]den Mitangeklagten erneut – jedoch jeweils gesondert – unter Zugriff auf das Geschäftskonto der GmbH zur Tilgung privater Verbindlichkeiten des Angeklagten [X.]. Durch die Transaktionen wurde die GmbH in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet.

5

Die [X.] hat entsprechend der Anzahl der Zugriffe des Mitangeklagten [X.]auf das Geschäftskonto der Klinik           GmbH sieben realkonkurrierende Untreuetaten des Angeklagten [X.]angenommen und hierfür Einzelstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr und sechs Monaten verhängt.

6

b) Diese Bewertung der [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit es die Taten [X.] 2. b) [X.]) bis [X.]) betrifft, da insofern ein Fall der gleichartigen Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) vorliegt. Der Angeklagte [X.]wurde bei diesen Zugriffen auf das Geschäftskonto der GmbH aufgrund der in einem Dokument zusammengefassten schriftlichen „Zahlungsanweisung“ des Angeklagten [X.]vom 19. Januar 2015 tätig. Feststellungen, wonach der Angeklagte [X.]bezüglich der vorgenannten Kontozugriffe über die Zahlungsanweisung hinaus weitere Aktivitäten entfaltete, enthält das Urteil nicht. Der Angeklagte [X.]führte deshalb durch eine Handlung mehrere (gleichartige) Erfolge herbei.

7

c) Da ergänzende tatsächliche Feststellungen, welche eine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte [X.]gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8

d) Infolge der Schuldspruchänderung haben die [X.] in den Fällen [X.] 2. b) [X.]) bis [X.]) keinen Bestand.

9

3. In dem [X.] 3. der Urteilsgründe begegnet die Verurteilung des Angeklagten [X.]wegen Betruges in 19 Fällen – in einem Fall davon im Versuch – ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da die [X.] und ihre Anzahl ausgehend von einem falschen rechtlichen Ansatz bestimmt hat.

a) Das [X.] hat zu diesem [X.] festgestellt, dass der Angeklagte [X.]mit zehn Personen – darunter dem Mitangeklagten [X.]– übereinkam, dass diese gegenüber ihren privaten Krankenversicherungen bzw. den zuständigen Beihilfestellen tatsächlich von dem Angeklagten [X.]bzw. der Klinik nicht erbrachte Leistungen abrechnen. Das so vereinnahmte Geld sollte vor allem dem Angeklagten [X.]zugutekommen. Dieser veranlasste, dass für jeden dieser vermeintlichen Patienten mindestens zwei Rechnungen erstellt wurden. Zum einen wurde auf Anweisung des Angeklagten [X.]innerhalb der Klinik eine Rechnung für Kosten eines – tatsächlich nicht erfolgten – stationären Krankenhausaufenthalts gefertigt und an die „Patienten“ versandt. Zum anderen ließ der Angeklagte [X.]angeblich von ihm selbst erbrachte ärztliche Leistungen durch einen Abrechnungsdienst abrechnen. Bei einigen dieser „Patienten“ wurden – für wiederholte stationäre Aufenthalte – auch mehr als zwei Rechnungen ausgestellt. In der Folge reichten die „Patienten“ die Rechnungen – Zeitpunkte hat die [X.] nicht festgestellt – bei ihrer jeweiligen Versicherung bzw. der für sie zuständigen Beihilfestelle ein. Nur in einem Fall kam es nicht zur Erstattung.

Die [X.] hat den Angeklagten in diesem [X.] insgesamt wegen 19 Betrugsstraftaten verurteilt. Die Anzahl der [X.] hat sie ausgehend von den einzelnen in der Klinik des Angeklagten bzw. von dem Abrechnungsdienst gefertigten Rechnungen bestimmt, wobei sie bei taggleich erstellten Rechnungen – zugunsten des Angeklagten [X.]– von nur einer Tat im Rechtssinne ausgegangen ist.

b) Die auf diesem Ansatz basierende Annahme von 19 tatmehrheitlich begangenen [X.] zum Nachteil der Krankenkassen oder Träger der Beihilfestellen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die [X.] hat verkannt, dass sich die für den (versuchten) Betrug maßgeblichen Täuschungshandlungen zum Nachteil der Krankenversicherungen bzw. der Träger der Beihilfestellen nicht aus der Erstellung der einzelnen Rechnungen ergeben, sondern erst – wie von der [X.] im [X.] 1. noch zutreffend zugrunde gelegt – aus dem Einreichen der Rechnungen durch die bösgläubigen Rechnungsempfänger. Da diese aber jeweils mehrere Rechnungen erhielten, lag – insbesondere in den Fällen, in denen es anschließend zur zeitgleichen Auszahlung von [X.] kam – nahe, dass sie mehrere Rechnungen mit nur einem Erstattungsantrag einreichten. Insoweit läge jedoch nur eine Täuschungshandlung des bösgläubigen Rechnungsempfängers vor, so dass nicht ausschließbar die Anzahl der [X.], an denen sich der Angeklagte [X.]durch Veranlassung der Rechnungserstellung mittäterschaftlich beteiligt hat, geringer ist.

c) Die Aufhebung ist in diesem [X.] nach § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]zu erstrecken, der aufgrund eingereichter Rechnungen vom 21. April 2015 und vom 4. Mai 2015 – bei letztgenannter Rechnung kam es nicht zu einer Erstattung – wegen Betruges und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden ist (Fälle 11 und 20). Der Rechtsfehler betrifft ihn in gleicher Weise, da die [X.] auch hier nur auf die Rechnungsdaten abgestellt und eine möglicherweise zeitgleich erfolgte Einreichung der Rechnungen bei seiner Krankenkasse bzw. Beihilfestelle nicht in Betracht gezogen hat.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Soweit der neue Tatrichter – für bislang tatmehrheitlich gewertete Taten – neue einheitliche Einzelstrafen festzusetzen haben wird, ist er durch das Verschlechterungsverbot nur gehindert, eine die Summe aus den bisherigen Einzelstrafen übersteigende neue Einzelstrafe zu verhängen; überdies darf die neue Gesamtstrafe nicht höher als die bisherige ausfallen ([X.], Beschlüsse vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; vom 8. Juni 2004 – 4 [X.], juris Rn. 4).

b) Zudem wird das neue Tatgericht bei der Gesamtstrafenbildung bezüglich des Angeklagten [X.]die zutreffenden Ausführungen des [X.] zu der fehlerhaften Anwendung von § 55 Abs. 1 StGB im angefochtenen Urteil zu beachten haben. Eine Gesamtstrafenfähigkeit der neu abzuurteilenden Tat liegt nur vor, wenn sie vor der früheren Verurteilung b[X.]ndet war (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 1996 – 4 StR 389/96, NJW 1997, 750, 751; Beschluss vom 3. November 2015 – 4 [X.]; [X.], StGB, 66. Aufl., § 55 Rn. 7 mwN), weshalb es bei den hier in Rede stehenden Betrugsstraftaten auf die täuschungsbedingte Zahlung durch die Geschädigten ankommt. Sollte bei zutreffender Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB im zweiten Rechtsgang die Bildung zweier Gesamtstrafen notwendig werden, wird auch insofern das Verschlechterungsverbot zu beachten sein.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Quentin

      

Feilcke     

      

Bartel     

      

Meta

4 StR 491/18

13.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 7. Mai 2018, Az: II-2 KLs 10/17

§ 52 Abs 1 StGB, § 55 Abs 1 StGB, § 263 Abs 1 StGB, § 266 StGB, § 358 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2019, Az. 4 StR 491/18 (REWIS RS 2019, 9424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 529/19

2 StR 319/21

Zitiert

4 StR 407/15

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