Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2011, Az. B 9 VG 2/10 R

9. Senat | REWIS RS 2011, 7783

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gewaltopferentschädigung - tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG - Stalking - Bedrohung oder Drohung mit Gewalt - Nötigung - Körperverletzung - Tätlichkeit - Unmittelbarkeit - Rechtsfeindlichkeit - körperliche Unversehrtheit - psychische Einwirkung - posttraumatische Belastungsstörung)


Leitsatz

"Stalking" ist nicht generell als tätlicher Angriff iS des Opferentschädigungsgesetzes zu werten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. März 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellungen von Schädigungsfolgen und die Gewährung von [X.] nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ([X.]) iVm dem [X.] ([X.]) wegen der gesundheitlichen Folgen von Nachstellungen (sog "Stalking").

2

Die 1950 geborene Klägerin hat zwei erwachsene Kinder, ist von Beruf Sozialpädagogin und war als Nachtwache in einer Wohnstätte für behinderte Menschen in [X.] beschäftigt. Seit Mai 2001 lebte sie in einer Beziehung mit dem 1960 geborenen [X.] (im Folgenden: [X.]). Die Beziehung mit [X.] entwickelte sich konfliktreich, so dass die Klägerin sie bereits ab Oktober 2001 wieder zu beenden versuchte.

3

[X.] akzeptierte das nicht. Er belegte die Klägerin in der Folgezeit mit zahlreichen Telefonanrufen und elektronischen [X.] ([X.]). Zudem alarmierte er wiederholt die Polizei, die Feuerwehr und den Notarzt zu vorgeblichen Streitigkeiten, Schlägereien bzw Bränden in der Wohnung der Klägerin, ohne dass bei Eintreffen der Einsatzkräfte entsprechende [X.] oder Schadenslagen festgestellt werden konnten. [X.] bestellte [X.] auch - ohne entsprechenden Bedarf - mehrfach Taxen zur Wohnanschrift der Klägerin. Ferner ließ er am Arbeitsplatz der Klägerin ausrichten, demnächst werde ein Gerichtsvollzieher "vor ihrer Tür stehen".

4

Die Klägerin erwirkte daraufhin erstmals am [X.] eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts (AG) [X.], nach der [X.] unter Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt wurde, die Klägerin zu bedrohen oder zu belästigen sowie in ihrem Namen "die Polizei und Feuerwehr, andere Rettungsdienste, Bestattungsunternehmen, Taxiunternehmen und so weiter zu alarmieren". Dies veranlasste [X.] indes nicht, sein Verhalten gegenüber der Klägerin zu ändern. Unter anderem ereigneten sich im Weiteren die folgenden Vorfälle:

5

So drohte (vermutlich) [X.] telefonisch beim Arbeitsplatz der Klägerin mit Bombenexplosionen, insbesondere für den Fall, dass die Klägerin "noch mal in das Haus kommt". Weiter kündigte [X.] der - seinerzeit 81-jährigen - Mutter der Klägerin telefonisch den bevorstehenden Tod der Klägerin an und teilte ihr einige Minuten später telefonisch mit, dass die Klägerin nunmehr tot sei. Einem daraufhin alarmierten Polizeibeamten, der den Anruf in der Wohnung der Klägerin entgegennahm, teilte (vermutlich) [X.] wörtlich mit: "Jetzt muss sie fürchterliche Angst haben!" und legte auf. Am Abend desselben Tages meldeten sich mehrere "[X.]" bei der Klägerin, die ihr eine vermeintlich von ihr bestellte Pizza bringen wollten.

6

Derartige Telefonanrufe wiederholten sich auch in der Folgezeit mehrfach sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber ihrer Mutter und ihren Arbeitskollegen. Einen daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag, entsprechend der einstweiligen Verfügung vom [X.] ein Ordnungsgeld gegen [X.] festzusetzen, nahm die Klägerin am 22.5.2002 zurück, nachdem sich [X.] am 18.4.2002 ihr gegenüber verpflichtet hatte, entsprechende Anrufe zu unterlassen, in seinem Besitz befindliche persönliche Daten der Klägerin zu löschen, an ihrer Wohnung nicht mehr aufzutauchen oder zu klingeln, sie nicht mehr anzusprechen, "jegliche Kontaktaufnahme bei zufälligem Zusammentreffen" zu unterlassen und nichts mehr zu tun oder zu veranlassen, "was (der Klägerin) persönlich oder ihrer Familie schadet oder schaden könnte". Die Klägerin erklärte sich im Gegenzug bereit "zu dulden", dass [X.] ihr "ab und zu einen Brief" schreibt, "der per Post zugestellt wird".

7

Ende März 2003 bedrohte der [X.] die Klägerin erneut in deren Haus. Er schrie sie an, sie werde ihn nun "von einer anderen Seite" kennen lernen; sie wisse nicht, wozu er fähig sei. Er fange zuerst mit der Tochter (der Klägerin) an; er habe "Beziehungen" in ganz O. (dem damaligen Wohnort der Tochter). Dann komme der [X.] (der Klägerin) "dran"; er solle auf sein Auto aufpassen. Der [X.] fügte hinzu: "Wenn du überfallen, vergewaltigt oder belästigt wirst, habe ich nichts damit zu tun. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Du hast Zeit bis morgen, um mit [X.] zu reden. Dann geht der Tanz los. Du hast selber schuld, du hast [X.] fallen lassen!". Abschließend sagte er: "In vier Wochen sind [X.] (die Kinder der Klägerin) tot."

8

[X.] richtete an die Klägerin zudem eine Vielzahl von Briefen und Postkarten, teils beleidigenden, teils versöhnlichen Inhalts, lauerte ihr am Arbeitsplatz und vor ihrer Haustür auf, verfolgte sie, sprach sie an, belästigte und bedrohte sie und ihre Kinder, bestellte auf den Namen der Klägerin ungefragt Versandhausartikel und beauftragte [X.] ein Bestattungsunternehmen sowie einen Schlüsseldienst zur Wohnanschrift der Klägerin. Er rief auch wiederholt die Notrufnummer der Polizei an unter Vorgabe vermeintlicher Gewalttaten zu Lasten der Klägerin bzw seines eigenen (angeblich) bevorstehenden [X.], um entsprechende Einsätze zu bewirken.

9

Am [X.] erwartete er die Klägerin vor dem Hauseingang ihrer Wohnung in [X.] und folgte ihr von dort bis zur Bushaltestelle, während er ununterbrochen auf sie einredete. Er bestieg sodann denselben Bus wie die Klägerin und folgte ihr nach dem Aussteigen unter weiterem Einreden weiter. Vor dem Eingang eines [X.] hielt er die Klägerin am Arm fest und riss sie zu sich herum, ließ sie dann jedoch wieder los, worauf die Klägerin in dem Copy-Geschäft um Verständigung der Polizei bat.

Am 26.7.2003 fand die Klägerin in ihrem Briefkasten einen von [X.] handschriftlich verfassten Brief vor, in dem es [X.] hieß: "[X.] doch wegen dem Geld. Du bekommst ab dem 2.8. Deine Ruhe, aber anders als Du denkst. Ich habe sehr viel angeleiert. [X.] "

Mit Verfügung vom [X.] erließ die Ortspolizeibehörde [X.] daraufhin eine Wohnungsverweisungsverfügung mit Rückkehrverbot gegen [X.], ihm wurde verboten, sich ab dem [X.], 12.00 Uhr, bis zum 7.8.2003, 24.00 Uhr, in der Wohnung der Klägerin sowie einem Radius von 100 Metern darum aufzuhalten (Maßnahme nach § 14a Abs 1 Bremisches Polizeigesetz).

Mit Beschluss des AG [X.] vom 19.8.2003 wurde [X.] im Wege einer weiteren einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsgeld bzw Ordnungshaft aufgegeben, es zu unterlassen, die Klägerin zu bedrohen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln, ihr nachzustellen, in irgendeiner Form Kontakt zu ihr aufzunehmen, die Wohnung der Klägerin zu betreten oder sich auf der Straße vor ihrem Haus bzw gegenüber dem Grundstück aufzuhalten, sich der Klägerin außerhalb der Wohnung auf eine Entfernung von weniger als 100 Metern zu nähern, sie anzusprechen, ihr zu folgen oder hinterherzulaufen und den Arbeitsplatz der Klägerin zu betreten oder sich ihm auf eine Entfernung von weniger als 100 Metern zu nähern.

Diesen Anforderungen kam [X.] erneut nicht nach: Er warf [X.] immer wieder lose Zettel, Postkarten und Briefe in den Briefkasten der Klägerin und klingelte nahezu täglich an ihrer Haustür oder meldete sich telefonisch. Am 20.9.2003 belästigte und bedrohte er sie in einem öffentlichen Bus. Am 2. und 3.10.2003 wartete er vor dem Haus der Klägerin und ging auf sie zu, als sie das Haus auf dem Weg zur Arbeit verließ. Die Klägerin sah sich dadurch veranlasst, zunächst in das Haus zurückzukehren und sich zur Arbeit abholen zu lassen, was auch geschah. Darüber hinaus begegnete [X.] der Klägerin mehrfach offenbar absichtsvoll in verschiedenen Straßen [X.] und verfolgte sie, auch nachdem sie zur Vermeidung einer unmittelbaren Begegnung die Straßenseite gewechselt hatte.

Das AG [X.] setzte daraufhin mit Ergänzungsbeschluss vom 13.11.2003 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro, ersatzweise für je 100 Euro einen Tag Ordnungshaft, gegen [X.] fest. Die dagegen erhobene Beschwerde nahm [X.] nach Reduzierung des Ordnungsgeldes auf 150 Euro zurück; zu einer Änderung seines Verhaltens kam es nicht.

Schließlich wurde [X.] auf Strafanzeigen der Klägerin nach Verbindung mehrerer Verfahren vom AG [X.] mit Urteil vom 23.11.2004 (- 21 [X.] 962 Js 31324/04 -) wegen Bedrohung (§ 241 Strafgesetzbuch - StGB) und Verstoßes gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach weiteren wiederholten Nachstellungen wurde die Strafaussetzung zur Bewährung mit Beschluss des AG [X.] vom 7.3.2005 widerrufen. [X.] verbüßte daraufhin vom 13.9.2005 bis [X.] die ihm auferlegte Freiheitsstrafe, bevor der Strafrest nach zwei Dritteln erneut zur Bewährung (Bewährungszeit: 2 Jahre) und mit der Auflage, sich umgehend einer ambulanten Alkoholentziehungstherapie zu unterziehen, ausgesetzt wurde (§ 57 Abs 1 StGB). Eine mit weiterem Urteil des AG [X.] vom 4.10.2005 (- 21 Ds 990 Js 16758/05 -) ergänzend ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wurde auf Berufung des [X.] mit Urteil des Landgerichts [X.] vom [X.] (- 26 [X.] -) ebenfalls (mit weiteren Auflagen) zur Bewährung (Bewährungszeit: 3 Jahre) ausgesetzt.

Die Klägerin wechselte im Verlaufe der Nachstellungen zweimal die Wohnanschrift, kam zeitweilig bei Bekannten unter und veranlasste eine Auskunftssperre bei der Meldebehörde. Zudem ließ sie sich vorübergehend eine Telefonnummer mit Auskunftssperre einrichten. Gleichwohl ermittelte [X.] jeweils nach kurzer Zeit erneut ihre Anschrift bzw Telefonnummer und setzte seine Annäherungshandlungen fort.

Infolge der Nachstellungen leidet die Klägerin unter psychischen Beschwerden im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Erschöpfungs- und Angstzuständen, Nervosität, Konzentrations- und Schlafstörungen, die [X.] eine psychopharmakologische Medikation und einen stationären Aufenthalt in der Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. He., [X.], vom 2.3. bis 11.5.2004 erforderlich machten. Bei der Klägerin wurde wegen eines "psychischen Leidens" ein Grad der Behinderung von 50 ab dem 7.3.2005 festgestellt.

Den Antrag der Klägerin vom [X.] auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem [X.] lehnte die beklagte [X.] durch Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 mit der Begründung ab, dass die von der Klägerin geltend gemachten "Stalking"-Aktivitäten, wie etwa Morddrohung, Verfolgung, nicht erwünschte Brief- und Telefonkontakte, Warenbestellungen auf ihren Namen etc, als "gewaltlose" Handlungen nicht unter den Begriff des tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] fallen würden. Dieses Tatbestandsmerkmal setze eine unmittelbar auf den Körper des anderen abzielende Einwirkung, zB einen Schlag, voraus, die im Fall der Klägerin nicht vorliege. Nach dem [X.] würden nicht ausnahmslos alle Opfer von Straftaten entschädigt, sondern nur Betroffene einer Straftat mit Gewaltanwendung.

Nach erfolgloser Klage (Urteil des Sozialgerichts <[X.]> [X.] am 20.10.2006) hat die Klägerin beim [X.] ([X.]) [X.] Berufung eingelegt. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] die ablehnenden Entscheidungen des [X.] und der Beklagten aufgehoben sowie Letztere verurteilt, bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge nach dem [X.] festzustellen und eine [X.] nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 ab dem [X.] zu gewähren. Es hat sein Urteil auf folgende Erwägungen gestützt:

Für die Annahme eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] reiche es aus, dass [X.] durch seine Übergriffe den seit [X.] geltenden Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) verwirkliche, die Schädigung der Gesundheit der Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen und seine Handlungen gerade auch mittels physischer Präsenz "unterstrichen" habe. Auch mit Rücksicht auf das strafrechtliche absolute Rückwirkungsverbot nach Art 103 Abs 2 GG könnten insoweit zwischenzeitliche Rechtsentwicklungen (§ 238 StGB) opferentschädigungsrechtlich nicht unberücksichtigt bleiben. Die einzelnen Handlungen des [X.] seien bei der opferentschädigungsrechtlichen Bewertung des Gesamtgeschehens nicht jeweils für sich als isolierte Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen etc, sondern deliktstypisch in ihrer Gesamtheit als beharrliche, systematische Belästigungen und Nachstellungen und (insgesamt) als tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] anzusehen. Das Handeln des [X.] weise keinen q[X.]litativen Unterschied gegenüber einem Angriff auf, bei dem der Angreifer seinen Drohungen durch begleitende oder vorbereitende Sachbeschädigungen "körperlichen" Nachdruck verleihe oder das Opfer durch Versperren des Weges zu einem Flucht- oder Ausweichverhalten veranlasse, das zu einer Gesundheitsschädigung führe. Die Einordnung der Nachstellungen als tätlicher Angriff entspreche auch dem Schutzzweck des [X.], da der staatliche Schutz der Klägerin vor Gesundheitsschäden mit den (seinerzeit verfügbaren) Mitteln des GewSchG, des StGB, aber auch des allgemeinen Polizeirechts, unzureichend geblieben sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision der Beklagten. Mit Beschluss vom 8.3.2011 hat der Senat die [X.] auf ihren Antrag zum Revisionsverfahren beigeladen. Zur Begründung ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs 1 Satz 1 [X.]):

Das [X.] habe in rechtlich fehlerhafter Weise das Verhalten des [X.] als vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] bewertet. Dieser Begriff erfordere grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines Anderen zielende gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung. Ausnahmen von der Körperlichkeit des Angriffs seien vom [X.] (B[X.]) nur vereinzelt und unter exakt definierten Kriterien entwickelt worden; weder die Rechtsprechung zum sexuellen Missbrauch von Kindern noch die Grundsätze zur opferentschädigungsrechtlichen Bewertung von sog Schockschadensopfern seien auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen. Bei einer Bedrohung oder der Drohung mit Gewalt sei maßgeblich auf eine objektiv hohe Gefährdungslage des Opfers abzustellen.

Im vorliegenden Fall liege - von dem einmaligen Festhalten der Klägerin am Arm abgesehen - weder eine gewaltsame bzw handgreifliche Einwirkung auf den Körper der Klägerin noch eine objektive Gefahr für Leib oder Leben vor. Entgegen der Auffassung des [X.] reiche die reine "physische Präsenz" des [X.] nicht aus, um bei "gewaltlosen" Nachstellungen einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zu bejahen. Auch könne zur Beurteilung der Strafbarkeit der Handlungen des [X.] nicht auf den erst seit [X.] geltenden Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) zurückgegriffen werden; zum einen wegen des absoluten Rückwirkungsverbots des Art 103 Abs 2 GG und zum anderen wegen der möglichen Regressforderung des Staates gemäß § 5 [X.] iVm § 81a [X.].

Schließlich habe das [X.] rechtsfehlerhaft die Handlungen des [X.] in ihrer Gesamtheit als einheitlichen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] bewertet. Die Systematik des Entschädigungstatbestands gebiete, zur Beurteilung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs an die [X.] anzuknüpfen; die Rechtsfrage wiederum, wie eine Kette tätlicher Angriffe, die nicht jeder für sich genommen, wohl aber in ihrer Gesamtwirkung allgemein geeignet sind, eine psychische Krankheit hervorzurufen, sei opferentschädigungsrechtlich zu bewerten und noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 18. März 2010 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. Oktober 2006 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend. Ergänzend macht sie geltend: Es entspreche dem Sinn und Zweck des [X.] sowie dem [X.] vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ([X.] 1996, 1120), ihr eine Entschädigung für Gesundheitsschäden - auch im Hinblick auf das Versagen des staatlichen Gewaltmonopols beim Schutz vor Gewaltkriminalität - zuzubilligen. Nach der Rechtsprechung des B[X.] müsse ein tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] nicht "körperlich" oder gar "handgreiflich" bzw "kämpferisch" sein, sondern könne sich insbesondere bei einem sexuellen Missbrauch von Kindern auch auf "seelische" Einwirkungen beziehen; die Hilflosigkeit und Schutzbedürftigkeit von Stalking-Opfern und das Versagen staatlichen Schutzes rechtfertige es, diese Grundsätze auch auf [X.] zu übertragen, auch wenn diese nicht unbedingt handgreiflich seien. Ohnehin hätten die Handlungen des [X.] unmittelbar auf ihren Körper eingewirkt, jedenfalls optisch und akustisch. Entscheidend sei im vorliegenden Fall, dass sich die objektive Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit durch die psychische Erkrankung realisiert habe und die Handlungen des [X.] hierfür ursächlich gewesen seien. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob ein Schaden unmittelbar durch eine Handlung oder durch die Summe der Einzelakte verursacht worden sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie teilt die Rechtsauffassung der Beklagten und trägt [X.] vor: Es sei der gesetzgeberische Wille zu beachten, den tätlichen Angriff über eine "Körperlichkeit" zu definieren. Ein Verweis auf den Gesetzeszweck könne nicht dazu führen, diese Anspruchsvoraussetzung auszuhebeln. Ebenso wenig könne von einer Schädigungsfolge auf das Vorliegen eines tätlichen Angriffs geschlossen werden. Auch das vom Strafgesetzgeber anerkannte Schutzbedürfnis von Stalking-Opfern reiche nicht aus, um über das Tatbestandsmerkmal des tätlichen Angriffs hinwegzusehen. Etwaige Änderungen des [X.] blieben dem Gesetzgeber vorbehalten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen, an die das BSG gemäß § 163 SGG gebunden ist, kann der [X.] nicht abschließend darüber entscheiden, ob das [X.] die Beklagte zu Recht oder zu Unrecht verurteilt hat, bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge nach dem [X.] festzustellen und eine [X.] nach einem GdS von 50 ab dem [X.] zu gewähren. Es fehlen hinreichende Tatsachenfeststellungen des [X.] zur Beurteilung, ob die Klägerin durch die von ihr geltend gemachten Übergriffe des [X.] - vor allem in dem [X.]raum von Oktober 2001 bis Ende 2003 - Opfer von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] gewesen ist und ob die von dem [X.] angenommene Schädigungsfolge auf diese Angriffe zurückzuführen ist.

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 31 Abs 1 [X.]. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.], [X.] auch [X.] nach § 31 Abs 1 [X.], wer im Geltungsbereich des [X.] oder auf einem [X.] Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Die Rechtsprechung des erkennenden [X.]s zur Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] hat im Laufe der Jahre anhand einzelner Fallgestaltungen eine Entwicklung erfahren, die der [X.] jüngst zur opferentschädigungsrechtlichen Beurteilung von strafbaren ärztlichen Eingriffen dargelegt hat (vgl Urteil vom [X.] [X.] - [X.], 91 = [X.]-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 26 ff). Diese Rechtsprechung berücksichtigt seit jeher, dass die Verletzungshandlung im [X.] nach dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt ist (BT-Drucks 7/2506 [X.]0; vgl etwa BSG Urteil vom [X.]/89 - [X.] 3-3800 § 1 [X.]; [X.] vom 18.10.1995 - 9 RVg 7/93 - [X.], 11, 13 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]; vgl auch Geschwinder, [X.] 1985, 95, 96); gleichwohl orientiert sich die Auslegung an der im Strafrecht gewonnenen Bedeutung des auch dort verwendeten rechtstechnischen Begriffs des "tätlichen Angriffs" (vgl insbesondere [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 235 f = [X.] 3800 § 1 [X.] f; vgl auch die Anmerkung zu dieser Entscheidung von [X.], [X.] 1984, 593 ff). Mit Rücksicht auf den das [X.] prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes hat sie sich aber weitestgehend von subjektiven Merkmalen (wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht des [X.]) gelöst (stRspr seit 1995; vgl [X.] vom 18.10.1995 - 9 RVg 7/93 - [X.], 11 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - [X.], 288, 292 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]; jüngst [X.] [X.]/9a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] Rd[X.] 14, 17 ). Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat der [X.] vornehmlich aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden (vgl Urteil vom [X.] [X.] - [X.], 91 = [X.]-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 25).

Mit Blick auf die hier zu entscheidende Frage der Entschädigungspflicht des Staates nach § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] bei dem Phänomen des sog "[X.]", das seit dem [X.] als Straftatbestand in das StGB aufgenommen ist (Nachstellen iS des § 238 StGB), hat der [X.] erneut Veranlassung, seine Rechtsprechung zu präzisieren und dem unbestimmten Rechtsbegriff des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] weitere Konturen zu verleihen.

1. Der [X.] geht bei der Beurteilung einer Handlung als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] (a) und der Eingrenzung des schädigenden Vorgangs als erstem Glied der versorgungsrechtlichen [X.] (b) von folgenden Erwägungen aus:

a) Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor ([X.] vom [X.] [X.] - [X.], 91 = [X.]-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 25 mwN).

aa) Soweit eine "gewaltsame" Einwirkung vorausgesetzt wird, hat der [X.] bereits entschieden, dass der Gesetzgeber durch den Begriff des "tätlichen Angriffs" den schädigenden Vorgang iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt hat (vgl [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.] ; [X.] vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - [X.], 276, 279 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] ). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff iS des § 240 StGB (vgl hierzu [X.], StGB, 57. Aufl 2010, § 240 Rd[X.] 8 ff mwN) zeichnet sich der tätliche Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus (vgl insbesondere BT-Drucks 7/2506 [X.]0), wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein; dies entspricht in etwa dem strafrechtlichen Begriffsverständnis der Gewalt iS des § 113 Abs 1 StGB als einer durch tätiges Handeln bewirkten Kraftäußerung, dh als tätiger Einsatz materieller Zwangsmittel, [X.] (vgl [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 12. Aufl 2009, § 113 Rd[X.] 23 mwN; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl 2010, § 113 Rd[X.] 42).

Ein tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] liegt im Regelfall bei einem gewaltsamen, handgreiflichen Vorgehen gegen eine Person vor (vgl [X.] vom 7.11.1979 - 9 RVg 1/78 - [X.], 98, 100 = [X.] 3800 § 1 [X.] 1; [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.] 4; [X.] vom 23.10.1985 - 9a RVg 5/84 - [X.], 46, 47 = [X.] 3800 § 1 [X.] 6; sowie Begründung des [X.] zum [X.], BT-Drucks 7/2506 [X.]0, 13 f), setzt jedoch nach seiner äußeren Gestalt nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des [X.] voraus; der [X.] ist einem an Aggression orientiertem Begriffsverständnis des tätlichen Angriffs trotz dessen inhaltlicher Nähe zur Gewalttätigkeit iS des § 125 StGB (vgl [X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl 2010, § 113 Rd[X.] 46; zu § 125 StGB vgl [X.] Urteil vom 8.8.1969 - 2 StR 171/69 - [X.]St 23, 46, 52 f) letztlich nicht gefolgt (stRspr seit 1995; vgl [X.]e vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 und 9 RVg 7/93 - [X.], 7 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 6 bzw [X.], 11 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] ; Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 5/95 - [X.], 18 = [X.] 3-3800 § 2 [X.] 3 ; so schon Bayerisches [X.] Urteil vom 16.3.1990 - L 10 Vg 1/89 - [X.] 1991, 414, 415 f; offen gelassen noch von [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.] 4; vgl auch [X.] vom 23.10.1985 - 9a RVg 5/84 - [X.], 46 = [X.] 3800 § 1 [X.] 6; vgl zum extensiven Versorgungsschutz auch Geschwinder, [X.] 1985, 95, 96; [X.], [X.] 1984, 593, 595; [X.]/[X.], [X.], 1. Aufl 1977, § 1 Rd[X.] 41; [X.], br 1991, 84, 87). Dahinter steht der Gedanke, dass auch nicht zum (körperlichen) Wi[X.]tand fähige Opfer von Straftaten den Schutz des [X.] genießen sollen.

Für die Annahme eines tätlichen Angriffs ist nicht maßgeblich, ob der vom Täter ggf beabsichtigte [X.] eingetreten ist (vgl [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.] mwN; zur strafrechtlichen Auslegung des tätlichen Angriffs bereits [X.] Urteil vom [X.] - [X.], 264, 265). Auch über das Versuchsstadium einer Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Opfers hinaus, kann eine Handlung des [X.] als tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] angesehen werden (vgl zu § 113 Abs 1 StGB etwa [X.] <[X.]> Urteil vom 6.5.1982 - 4 StR 127/82 - NJW 1982, 2081). Eine gewaltsame Einwirkung auf den Körper eines anderen kann auch schon bei einem physisch vermittelten Zwang vorliegen, ohne dass es zu einer körperlichen Berührung zwischen Täter und Opfer kommen muss (vgl etwa [X.] vom 24.9.1992 - 9a RVg 5/91 - [X.] 9237 ; [X.] vom 12.12.1995 - 9 RVg 1/94 - [X.] 3-3800 § 10a [X.] ). Ungeachtet eines verwirklichten [X.]s besteht in diesen Fällen wegen der [X.] bereits eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit der anderen Person; damit geht regelmäßig die reale Gefahr eines Körperschadens einher (vgl etwa [X.] vom 28.5.1997 - 9 RVg 1/95 - [X.] 9714; [X.] vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 14 S 59; vgl auch zum Angriff iS des § 31 Abs 4 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz, [X.] Urteil vom [X.] - 2 C 134/07 - BVerwGE 135, 176 Rd[X.] f). Ob in diesen Fällen die Grenze zum tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] überschritten ist, beurteilt der [X.] aus der objektiven Sicht eines vernünftigen Dritten und orientiert sich dabei an folgenden Grundsätzen:

aaa) Je gewalttätiger die [X.] gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw je größer der Einsatz körperlicher Gewalt oder physischer Mittel ist, desto geringere Anforderungen sind zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung - unter Berücksichtigung eines möglichen Geschehensablaufs - eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand. Die Grenze zwischen einem sozialadäq[X.]ten Verhalten und einem tätlichen Angriff ist grundsätzlich so zu bestimmen, dass auch das bereits objektiv hochgefährdete Opfer bei Abwehr-, Ausweich- oder Fluchtreaktionen den Schutz des [X.] genießt; sie ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt wäre ([X.] vom 24.7.2002 - [X.] [X.] - [X.] 90, 6 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 22 [X.]03 f zur Drohung mit Gewalt). Die [X.] (bzw der Einsatz körperlicher Mittel) muss für sich genommen nicht gravierend sein, um - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine hinreichende Gefährdung von Leib oder Leben des Opfers und damit einen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] anzunehmen.

Der [X.] hat insoweit in einem Fall der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) allein das [X.] und das Zurückstoßen und -drängen des Opfers zur Durchsetzung des Verbots, die Wohnung zu verlassen, ausreichen lassen, um das Vorliegen eines tätlichen Angriffs zu bejahen. Aus einem solchen Verhalten des [X.] kann der Schluss auf eine drohende verstärkte Gewaltanwendung bei einem ggf beabsichtigten Wi[X.]tand des Opfers gezogen werden (vgl [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10 Rd[X.] 14) und damit auf eine objektiv hohe Gefährdungslage für das Opfer. Entsprechendes gilt für das absichtliche Versperren eines Fahrradweges, das im Falle der Kollision mit einer erheblichen Verletzungsgefahr für das Opfer verbunden ist (vgl [X.] vom 12.12.1995 - 9 RVg 1/94 - [X.] 3-3800 § 10a [X.]), sowie für das Zünden von Feuerwerkskörpern in unmittelbarer Nähe einer anderen Person (vgl hierzu [X.] vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 14 S 57; [X.] vom 28.5.1997 - 9 RVg 1/95 - [X.] 9714; vgl auch [X.] vom [X.]/89 - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 1 S 3 f).

bbb) Für die - insbesondere bei dem Phänomen des "[X.]" relevanten - Fälle der Bedrohung oder Drohung mit Gewalt, bei denen es unter Umständen an einer besonderen Kraftentfaltung gegen den Körper einer anderen Person bzw an einem beabsichtigten [X.] gänzlich fehlt, hat das BSG noch nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen solche Handlungen für sich allein bereits als tätlicher Angriff zu werten sind (vgl [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 237 = [X.] 3800 § 1 [X.]). Auch dabei ist jedenfalls auf das Kriterium der objektiven Gefahr für Leib oder Leben des Opfers abzustellen.

Das BSG hat es insoweit genügen lassen, dass eine erhebliche Drohung gegenüber dem Opfer mit einer unmittelbaren Gewaltanwendung gegen eine Sache einherging, die als einziges Hindernis dem unmittelbaren körperlichen Zugriff auf das Opfer durch die Täter im Wege stand, sodass der Sachverhalt nicht allein auf Drohungen beschränkt war ([X.] vom 10.9.1997 - 9 RVg 1/96 - [X.], 42, 44 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]). Es hat auch die Würdigung eines Sachverhalts, bei dem ein einschlägig vorbestrafter Täter mit dem Ausruf "Jetzt hab´ ich Euch, Ihr Schweine" auf offener Straße auf das Opfer zugestürzt ist, als tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] nicht beanstandet (BSG Beschluss vom [X.] - 9 [X.]/93 - juris Rd[X.] 1, 5). Als tätlichen Angriff hat es das BSG zudem angesehen, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, auch wenn ein Tötungs- oder Verletzungsvorsatz noch gefehlt hat ([X.] vom 24.7.2002 - [X.] [X.] - [X.] 90, 6 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 22 [X.]03 f), nicht aber die bloß verbale Drohung zu schießen, wenn der Täter keine Schusswaffe bei sich führt (vgl [X.] vom 2.10.2008 - [X.] [X.] - juris Rd[X.] 20). Im Zusammenhang mit einer Aussetzung (§ 221 Abs 1 StGB) durch [X.] hat das BSG die bloße Aufforderung gegenüber einem 83 Jahre alten Gehbehinderten, den Wagen zu verlassen, als Ausübung von körperlichem Zwang und damit als tätlichen Angriff angesehen, weil diese erzwungene Ortsveränderung das letzte Glied in einer Kette von Gewalttaten des fortgesetzt aggressiv handelnden [X.] war ([X.] vom 24.9.1992 - 9a RVg 5/91 - [X.] 9237).

Bei der Würdigung des Tatgeschehens sind insoweit alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die auf eine objektiv hohe Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Integrität des Opfers schließen lassen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte wird eine feste Grenzziehung zwischen bloßer Drohung mit Gewalt und ihrer Anwendung kaum möglich sein. Ein tätlicher Angriff wird indes umso eher zu bejahen sein, je größer die objektive Gefahr für Leib oder Leben des Bedrohten war ([X.] vom 2.10.2008 - [X.] [X.] - juris Rd[X.] 16), je mehr also eine schädigende Gewaltanwendung unmittelbar bevorsteht.

ccc) Mit Rücksicht auf die grundlegende gesetzgeberische Entscheidung, dass durch die Verwendung des Begriffs des tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] der allgemeine Gewaltbegriff im strafrechtlichen Sinn begrenzt und grundsätzlich eine Kraftentfaltung gegen eine Person erforderlich sein soll (vgl BT-Drucks 7/2506 [X.]0), sieht der [X.] die Grenze der [X.] jedenfalls dann erreicht, wenn sich die auf das Opfer gerichtete Einwirkung - ohne Einsatz körperlicher Mittel - allein als intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung darstellt und nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielt (in diese Richtung bereits [X.] vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - [X.], 276, 279 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] ). So hat der [X.] für den Fall einer mit [X.] durchgeführten, strafbaren Kindesentziehung die erheblichen Gefahren, die damit wegen der völligen Ungewissheit über das Schicksal des Kindes für die psychische Gesundheit des betroffenen Elternteils verbunden sind, für sich allein nicht ausreichen lassen, um einen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] anzuerkennen, sondern darüber hinaus zumindest ein Fortwirken einer körperlichen Gewaltanwendung gegenüber dem Elternteil gefordert ([X.] vom 12.2.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 1 S 3 ).

Von den Kriterien eines tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] wird auch bei den Fällen des sog "Schockschadens" (vgl hierzu [X.] vom 7.11.1979 - 9 RVg 1/78 - [X.], 98 = [X.] 3800 § 1 [X.] 1) keine Ausnahme gemacht. Insoweit ist zwischen dem schädigenden Vorgang - der "unmittelbaren Einwirkung" auf den Körper des Primäropfers - und der geschädigten Person - der "unmittelbaren Schädigung" des Sekundäropfers - zu unterscheiden (vgl hierzu [X.] in Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, [X.], 751 ff).

Selbst in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern iS von § 176 StGB hat der [X.] nicht vollständig auf das Erfordernis körperlicher Handlungen verzichtet. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Kindes, die Möglichkeit seiner "sekundären Viktimisierung" im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie die Gefahr schwerwiegender seelischer Krankheiten hat ihn allerdings - beschränkt auf diese Fallgestaltungen - zu einem erweiterten Verständnis des Begriffs des tätlichen Angriffs veranlasst. Danach ist für die "unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Kindes" entscheidend, dass die erfolgten sexuellen Handlungen strafbar sind, unabhängig davon, ob bei der Tatbegehung das gewaltsam handgreifliche oder das spielerische Moment im Vordergrund steht ([X.]e vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 und 9 RVg 7/93 - [X.], 7 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 6 bzw [X.], 11 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]).

Demnach ist nicht - wie im Schrifttum teilweise vertreten wird - darauf abzustellen, ob die [X.] "körperlich wirkt" bzw zu körperlichen Auswirkungen im Sinne eines pathologisch, somatisch, objektivierbaren Zustands führt (so [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 1 Rd[X.] 22 [X.]; [X.], [X.] 2007, 36, 37 f; [X.], [X.], 266, 268; [X.], [X.], 65, 69; [X.] in Opferentschädigungsgesetz - Intention und Praxis opfergerecht?, [X.] Schriften zur Sit[X.]tion von Kriminalitätsopfern, 1995, [X.], 95) oder welches Individ[X.]lrechtsgut (insbesondere körperliche Unversehrtheit, Leben) von der verletzten Strafrechtsnorm geschützt wird (vgl etwa [X.], aaO, § 1 Rd[X.] 16; [X.], [X.], 266, 267 f).

           

Schließlich führt auch der Hinweis der Klägerin auf das Europäische Übereinkommen vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Zustimmungsgesetz vom 17.7.1996, [X.] 1120; Bekanntmachung vom [X.] über das Inkrafttreten des Übereinkommens in [X.] am [X.], [X.] 740) zu keiner anderen Beurteilung. Nach seinem Art 1 verpflichten sich die Vertragsparteien des Übereinkommens, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die in dessen Teil I enthaltenen Grundsätze zu verwirklichen. Art 2 Abs 1 Buchst a des Übereinkommens bestimmt:

Soweit eine Entschädigung nicht in vollem Umfang aus anderen Quellen erhältlich ist, trägt der Staat zur Entschädigung für Personen bei, die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, die unmittelbar auf eine vorsätzliche Gewalttat zurückzuführen ist.

Eine Definition des Begriffs "vorsätzliche Gewalttat" enthält das Übereinkommen nicht (vgl Denkschrift zum Übereinkommen, [X.] = BT-Drucks 13/2477 [X.]). Dementsprechend hat der bundesdeutsche Gesetzgeber durch das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" in § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] in zulässiger Weise von einem durch das Übereinkommen belassenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Richtig ist allerdings, dass der Gesetzgeber den Zielen des Übereinkommens durchaus entsprechen würde, wenn er - über die von dem Begriff des tätlichen Angriffs erfassten Fallgestaltungen hinaus - Opfer psychischer Gewalt in den Schutzbereich des [X.] einbeziehen würde. Immerhin heißt es in dem [X.] ([X.], [X.] Report, http://conventions.coe.int/treaty/EN/Reports/Html/116.htm ): Die Gewalt sei nicht notwendig, physische Gewalt; Entschädigung könne auch geschuldet werden in Fällen psychischer Gewalt, zB bei schwerwiegenden Drohungen (vgl dazu auch Denkschrift, [X.] = BT-Drucks 13/2477 [X.]).

bb) Der tätliche Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zeichnet sich zudem dadurch aus, dass die Einwirkung "unmittelbar" auf den Körper der anderen Person zielen muss. Dieses Tatbestandsmerkmal ist von dem Erfordernis der Unmittelbarkeit der Gesundheitsschädigung - dem zweiten Glied der versorgungsrechtlichen [X.] - zu unterscheiden und begrenzt die Entschädigungspflicht des Staates auf konkrete Gefährdungen des Opfers durch zielgerichtete [X.]en. Da die Zielrichtung einer Handlung allein auf dem Willen des [X.] beruht, sind Feststellungen zu diesem Merkmal in erster Linie von der inneren Tatseite, dem Vorsatz des [X.], abhängig; bleibt der Täter unbekannt, müssen wenigstens die äußeren Tatumstände überzeugende Hinweise auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geben (vgl [X.] vom [X.] - 9a RVg 1/83 - [X.], 234, 237 = [X.] 3800 § 1 [X.] 4 [X.]0 ; [X.] vom [X.] - [X.] [X.] R - [X.], 288, 289 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 12 ).

Insoweit dient das Merkmal auch der Abgrenzung von abstrakten bzw allgemeinen Gefährdungslagen, wie sie unter bestimmten Voraussetzungen von § 1 Abs 2 [X.] 2 [X.] erfasst sind (sog "mittelbarer Angriff", vgl hierzu Loytved, [X.] 2004, 516, 517; [X.] [X.] 2005, 148, 149); so hat der [X.] bereits entschieden, dass das Entfernen des Deckels eines Abflusslochs (Gully) allein - ohne unmittelbare Ausrichtung auf andere Menschen - kein tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] darstellt ([X.] vom 10.12.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 5). Demgegenüber hat der [X.] bei der Bewertung einer Blockade des [X.] einer Fahrradfahrerin maßgeblich auf den Vorsatz der Täter, den Weg durch aktives Verhalten zu versperren, und auf die damit einhergehende ernsthafte Verletzungsgefahr im Falle einer Kollision abgestellt ([X.] vom 12.12.1995 - 9 RVg 1/94 - [X.] 3-3800 § 10a [X.] f; mangels entsprechender Feststellungen offen gelassen durch [X.] vom 10.12.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 5 S 20 f ).

cc) Der tätliche Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] setzt über den natürlichen Vorsatz des [X.] bezogen auf die [X.] (vgl hierzu etwa [X.] vom [X.] [X.] [X.] - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 14 S 56 f) hinaus an sich eine "feindselige Willensrichtung" voraus. Dieses - einem Angriff im Wortsinn immanente - Merkmal dient im [X.] vor allem zur Abgrenzung sozial adäq[X.]ten bzw gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des [X.] (so bereits [X.] vom 23.10.1985 - 9a RVg 5/84 - [X.], 46 = [X.] 3800 § 1 [X.] 6 ; ähnlich auch schon Bayerisches [X.] Urteil vom 16.3.1990 - L 10 Vg 1/89 - [X.] 1991, 414, 415). Lässt sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, kann alternativ darauf abgestellt werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung (iS einer gewaltsamen Einwirkung auf eine andere Person durch Einsatz körperlicher Mittel) verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen hat (stRspr seit 1995, vgl [X.]e vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 und 9 RVg 7/93 - [X.], 7 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 6 bzw [X.], 11 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] ; Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 5/95 - [X.], 18 = [X.] 3-3800 § 2 [X.] 3 ; Urteil vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 14 - juris Rd[X.], 13; jüngst [X.] [X.]/9a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] Rd[X.] 14, 17 ). Anstelle einer feindseligen Absicht ist dann die Rechtsfeindlichkeit des [X.] entscheidend, dokumentiert durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiert sich insoweit durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (vgl Bischofs, [X.] 2010, 693, 694).

So verwirklicht ein Täter, der subjektiv dem Opfer helfen will oder aus Liebe handelt, dann einen rechtswidrigen tätlichen Angriff, wenn er in strafbarer Weise dessen körperliche Integrität verletzt ([X.] vom 18.10.1995 - 9 RVg 7/93 - [X.], 11 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]). Dies gilt regelmäßig auch für Fälle, in denen sich der Angreifer möglicherweise nur einen groben oder gewalttätigen, aber die Grenze des sozial Üblichen überschreitenden Scherz erlauben wollte und gegenüber dem Opfer keine feindselige Einstellung gehabt hat (zum Zünden eines Feuerwerkskörpers vgl etwa [X.] vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 14 S 57; [X.] vom 28.5.1997 - 9 RVg 1/95 - [X.] 9714; vgl auch [X.] vom [X.]/89 - [X.] 3-3800 § 1 [X.] 1 S 3 f). Diese Rechtsprechung hat jüngst eine Einschränkung für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs erfahren. Selbst wenn ein solcher Eingriff strafrechtlich als vorsätzliche Körperverletzung anzusehen ist, müssen bestimmte weitere Voraussetzungen hinzutreten, um die Grenze zu einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zu überschreiten (vgl hierzu [X.] vom [X.] [X.] - [X.], 91 = [X.]-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 42-44).

b) Der schädigende Vorgang iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] - das erste Glied der entschädigungsrechtlichen [X.] - ist zeitlich nicht auf die Dauer des tätlichen Angriffs selbst oder die Vollendung der mit der Gewaltanwendung verbundenen Straftat begrenzt, vielmehr dauert er so lange an, wie das daraus folgende Geschehen noch wesentlich durch die Gewaltanwendung geprägt ist, also bis zu dem [X.]punkt, in dem das Opfer in Sicherheit ist bzw die Hilfe Dritter erhält (vgl [X.] vom 12.6.2003 - [X.] VG 8/01 R - [X.]-3800 § 1 [X.] 2 ; [X.] vom 24.9.1992 - 9a RVg 5/91 - [X.] 9237 ). Die strafrechtliche Einordnung als Erfolgs- oder [X.] ist für die Bewertung des entschädigungsrechtlichen Kerns des Geschehens ohne Belang (vgl [X.] vom 24.9.1992 - 9a RVg 5/91 - [X.] 9237 ; [X.] vom 12.2.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 1 S 3 ; [X.] vom 12.6.2003 - [X.] VG 8/01 R - [X.]-3800 § 1 [X.] 2; [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10 Rd[X.] 15 ).

Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] kann als wesentliche Ursache für Gesundheitsschäden, die während des Tatgeschehens eintreten, auch dann angesehen werden, wenn das Opfer eine eigene Ursache für den weiteren Geschehensablauf (zB Flucht, Ausweichen, Notwehr) setzt. In diesen Fällen ist - an[X.] als im Strafverfahren - nicht darauf abzustellen, ob die Tatumstände "objektiv geeignet" waren, das Verhalten des Opfers zu erklären, sondern auf dessen subjektive Sicht (vgl [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10 Rd[X.] 16-17 ; ähnlich auch zur Mitverursachung der Schädigung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] vom 18.6.1996 - 9 RVg 7/94 - [X.] 78, 270 = [X.] 3-3800 § 2 [X.] 4 ). Insoweit rechnen zu den Folgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs grundsätzlich auch die Verletzungsfolgen, die während einer Flucht entstanden sind (vgl auch [X.] vom 10.9.1997 - 9 RVg 1/96 - [X.], 42 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10, Rd[X.] 15; vgl auch Loytved, [X.] 2004, 516, 517; [X.], [X.] 2005, 148, 149).

2. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich für die opferentschädigungsrechtliche Bewertung von [X.] als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] für den [X.]raum bis zum Inkrafttreten des § 238 StGB am [X.] und damit auch für den hier streitgegenständlichen [X.]raum (im Wesentlichen von Oktober 2001 bis Dezember 2003) Folgendes:

a) Das Phänomen [X.] hat in jüngster [X.] zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen und zu besonderen Entwicklungen im Zivil- und Strafrecht geführt. Die unter dem [X.] Begriff "[X.]" diskutierten Verhaltensweisen zeichnen sich dadurch aus, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt, aufgelauert oder auf andere Weise mit hoher Intensität Kontakt zu ihr gesucht bzw in ihren individuellen Lebensbereich eingegriffen wird (so der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom [X.], BT-Drucks 16/575 [X.]). Eine einheitliche Begriffsbestimmung ist wegen der äußerst facettenreichen Fallgestaltungen schwierig (vgl etwa [X.]/Sadtler, NJW 2007, 3382, 3384). Allgemein handelt es sich um ein Verhalten der fortgesetzten Verfolgung, Belästigung und Bedrohung einer anderen Person gegen deren Willen (so die Gesetzentwürfe des Bundesrates vom [X.] und [X.], BT-Drucks 15/5410 [X.] und BT-Drucks 16/1030 [X.]). Dabei sind die einzelnen Handlungen des [X.] sehr vielgestaltig. Sie reichen von häufigen, vielfach wiederholten Telefonanrufen zu jeder Tages- und Nachtzeit, dem Übersenden von E-Mails, [X.] oder Briefen, der Übermittlung von Geschenken, dem Auflauern vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz und Drohungen bis hin zu Zudringlichkeiten und tätlichen Angriffen. Durch ihre Häufigkeit und Kontinuität führen auch [X.], die jeweils für sich genommen als sozialadäq[X.]t angesehen werden könnten, zu unzumutbaren Beeinträchtigungen und einer erzwungenen Veränderung der Lebensumstände des Opfers (so der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom [X.], BT-Drucks 16/575 [X.]).

           

In der mit Wirkung vom [X.] Gesetz gewordenen Fassung des § 238 Abs 1 StGB lautet der Tatbestand der Nachstellung:

Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich

1.    

seine räumliche Nähe aufsucht,

2.    

unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,

3.    

unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,

4.    

ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder

5.    

eine andere vergleichbare Handlung vornimmt

und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Durch § 238 StGB sollen nach dem Willen des Gesetzgebers beharrliche Nachstellungen, die einschneidend in das Leben des Opfers eingreifen, über die bereits bestehenden und in Betracht kommenden Straftatbestände - wie etwa der Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) oder des Zuwiderhandelns gegen eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 4 GewSchG) - hinaus mittels eines weiteren Straftatbestandes verfolgt werden können, um auf diese Weise einen besseren Opferschutz zu erreichen und [X.] zu schließen (BT-Drucks 16/575 [X.]). Der neue Straftatbestand dient damit dem Schutz der eigenen Lebensführung vor gezielten, hartnäckigen und schwerwiegenden Belästigungen der Lebensgestaltung (vgl [X.] Beschluss vom 19.11.2009 - 3 [X.]/09 - [X.]St 54, 189 - juris Rd[X.] 14 mwN).

Nach der Rechtsprechung des [X.] (aaO) ist Tathandlung des § 238 Abs 1 StGB das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen iS des § 238 Abs 1 [X.] 1 bis 5 StGB. Das Merkmal der "Beharrlichkeit" soll [X.] die Deliktstypik des "[X.]" zum Ausdruck bringen und einzelne, für sich genommen vom Gesetzgeber als sozialadäq[X.]t angesehene Handlungen (BT-Drucks 16/575 [X.]) von unerwünschtem "[X.]" abgrenzen; ihm wohnen sowohl objektive Momente der [X.] sowie subjektive und normative Elemente der Uneinsichtigkeit und Rechtsfeindlichkeit inne, die in der Tatbegehung durch besondere Hartnäckigkeit und eine gesteigerte Gleichgültigkeit des [X.] gegenüber dem gesetzlichen Verbot zum Ausdruck kommt. Die Beharrlichkeit ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen, bei der insbesondere auch der zeitliche Abstand zwischen den Angriffen und deren innerer Zusammenhang von Bedeutung sind ([X.], aaO, mwN).

b) Solange der Gesetzgeber den Tatbestand des § 238 StGB nicht gesondert in den Schutzbereich des § 1 [X.] einbezogen hat, sind die erfolgten [X.] daraufhin zu prüfen, ob jeweils nach den insoweit maßgeblichen Kriterien ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] vorliegt. Ein sich - wie hier - über Jahre erstreckendes [X.], das aus einer Vielzahl einzelner, für sich abgeschlossener Sachverhalte besteht, kann entgegen der Auffassung des [X.] nicht als ein einheitlicher schädigender Vorgang gewertet werden. Denn ein solcher umfasst nur den konkreten tätlichen Angriff und das diesem unmittelbar folgende gewaltgeprägte Geschehen.

Soweit sich eine feindselige Willensrichtung des [X.] nicht feststellen lässt, kommt es auch beim [X.] auf das Vorliegen einer mit Gewaltanwendung verbundenen vorsätzlichen Straftat an. Der [X.] hat bereits zum Phänomen des sog Mobbings entschieden, dass sich diese Vorgänge des Arbeitslebens, die den Rahmen des zwar gesellschaftlich Missbilligten, aber nicht Strafbaren nicht verlassen und die Schwelle zum kriminellen Unrecht nicht überschreiten, nicht als tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] angesehen werden können ([X.] vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - [X.], 276 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 18). Denn bei der Anwendung des [X.] ist von dessen Grundgedanken auszugehen, dass nur Opfer von Gewalttaten entschädigt werden sollen (vgl BT-Drucks 7/2506 [X.]). Das [X.] deckt mithin nicht alle - sonstigen - aus dem Gesellschaftsleben folgenden Verletzungsrisiken ab, die einem anderen als dem Geschädigten zuzurechnen sind ([X.] vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - [X.], 276 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 18). Ebenso wenig reicht das Verwirklichen eines Straftatbestandes aus, wenn es (wie zB bei [X.]) ohne körperliche Einwirkungen auf das Opfer geschieht. Dies gilt grundsätzlich auch für [X.], die jedoch nach heute geltendem Recht wegen des Tatbestands der Nachstellung gemäß § 238 StGB eine besondere strafrechtliche Relevanz aufweisen können. Allerdings kann für den [X.]raum vor Inkrafttreten dieser Norm zum [X.] zur opferentschädigungsrechtlichen Beurteilung, ob ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] in Gestalt einer strafbaren Vorsatztat vorliegt, nicht auf diesen Straftatbestand zurückgegriffen werden (aa). Maßgeblich ist das zum Tatzeitpunkt geltende Recht (bb).

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] kann hier das Vorliegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] - abgesehen von dem zusätzlichen Erfordernis einer Tätlichkeit - nicht mit der Begründung bejaht werden, es sei der ab dem [X.] geltende Tatbestand der Nachstellung iS des § 238 StGB erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]s dient das Merkmal der Rechtsfeindlichkeit, wie sie sich durch das Begehen einer vorsätzlichen Straftat zeigt, einer normativen Grenzziehung gegenüber Verhaltensweisen, die den Rahmen des gesellschaftlichen Lebens nicht überschreiten. Diese Abgrenzung erfordert nach Auffassung des [X.]s ein Abstellen auf die zum [X.]punkt der Tat jeweils geltende Rechtslage. Ungeachtet des im Strafrecht geltenden absoluten Rückwirkungsverbots nach Art 103 Abs 2 GG drohen im [X.] anderenfalls [X.]. Es müsste nämlich der Unrechtsgehalt einer erst im [X.]punkt der Entscheidungsfindung strafbaren Handlung auf [X.]räume erstreckt werden, in denen das entsprechende Täterverhalten nicht strafbar gewesen ist. Die für die Bewertung des [X.] maßgebende normative Grenze würde dadurch klare Konturen verlieren.

Zum einen ist die Frage, auf welche Handlungen der Staat seinen Strafanspruch erstrecken will, dem Wandel gesellschaftlicher Phänomene und Anschauungen unterworfen (vgl hierzu auch [X.], [X.] 2002, 56, 58). Dies zeigt sich gerade auch in der Aufnahme des Tatbestands der Nachstellung in das StGB, die auf die zunehmende Bedeutung des Phänomens des [X.] und den als unzureichend angesehenen Schutz der betroffenen Personen zurückzuführen ist (vgl BT-Drucks 16/575 [X.]; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 16/3641 [X.]). Ein anderes Beispiel ist der erst seit 1.4.1998 strafbare Versuch einer Körperverletzung nach § 223 Abs 2 StGB (Gesetz vom [X.], [X.]). Zum anderen kann von einer Feindlichkeit des [X.] gegen das Strafgesetz nur bei einem - willentlichen - Bruch der zum [X.]punkt der Tat geltenden Rechtsordnung gesprochen werden. Auf den von der Beklagten angesprochenen Gesichtspunkt eines Schutzes des [X.] vor Regressforderungen des Staates nach § 5 [X.] iVm § 81a [X.] kommt es insofern nicht entscheidend an.

bb) Ist danach stets auf die zum Tatzeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen, kommen im vorliegenden Fall, der insbesondere [X.]handlungen in der [X.] von Oktober 2001 bis Dezember 2003 (jedenfalls vor Inkrafttreten des § 238 StGB) betrifft, opferentschädigungsrechtlich als Straftatbestände insbesondere die Körperverletzung (§§ 223, 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB), die sexuelle Nötigung (§ 177 StGB), die Bedrohung (§ 241 StGB) und die Beleidigung (§ 185 StGB) in Betracht (vgl BT-Drucks 16/575 S 6).

Zudem ist nach Auffassung des [X.]s für den [X.]raum ab 1.1.2002 eine Strafbarkeit des maßgeblichen Verhaltens nach § 4 GewSchG ausreichend, um - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - einen Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] begründen zu können. Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ist nach § 4 GewSchG ein Verstoß gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 GewSchG strafbar, die tatbestandlich eine vorangegangene vorsätzliche und rechtswidrige Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit einer anderen Person voraussetzt (§ 1 Abs 1 Satz 1 GewSchG). Zum Schutz der betroffenen Person kann das Gericht gemäß § 1 Abs 1 Satz 3 GewSchG insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt, die Wohnung der verletzten Person zu betreten ([X.] 1), sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten ([X.] 2), zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält ([X.] 3), Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen ([X.] 4), Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen ([X.] 5), soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist. Entsprechende Anordnungen können bei einer widerrechtlichen Drohung mit einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit einer anderen Person (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.] 1 GewSchG) und bei einem widerrechtlichen Eindringen in die Wohnung einer anderen Person (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.] 2 Buchst a GewSchG) ergehen, sowie gegenüber demjenigen, der eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass er ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.] 2 Buchst a GewSchG).

Der Gesetzgeber hat insoweit den Schwerpunkt der rechtlichen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt und "unzumutbare Belästigungen" (also "[X.]") zunächst nur auf [X.] gesetzt und die Strafbarkeit des Verhaltens durch eine Kriminalisierung des Ungehorsams gegenüber vollstreckbaren gerichtlichen Anordnungen eröffnet ([X.], [X.] 2002, 56, 58). Wenngleich hierbei vorrangiges Ziel des Gesetzgebers war, die verfahrensrechtliche Geltendmachung von zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen zu erleichtern, die Effizienz der Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen zu verbessern und bei dem Verstoß gegen eine gerichtliche Schutzanordnung ein Eingreifen der Polizei zu ermöglichen (so der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 5.3.2001, BT-Drucks 14/5429 [X.], 10; Grziwotz, NJW 2002, 872, 873 f; vgl auch [X.], [X.] Untersuchung zum Gewaltschutzgesetz, [X.] 2005, [X.] ff), ist die Einbeziehung solcher strafbaren Vorsatztaten in die opferentschädigungsrechtliche Bewertung nach § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] nicht nur wegen der sachlichen Nähe zur sog Gewaltkriminalität gerechtfertigt, sondern auch wegen der mit einem Zuwiderhandeln gegen eine entsprechende Schutzanordnung des Gerichts eindeutig hervortretenden Rechtsfeindlichkeit des [X.], des willentlichen Bruchs der Rechtsordnung.

Soweit der Täter durch sein Verhalten gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 GewSchG verstößt und sich dadurch nach § 4 GewSchG strafbar macht, ist die Grenze zum tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] - ungeachtet ggf einschlägiger Straftatbestände nach dem StGB - überschritten, wenn die Tat durch Mittel körperlicher Gewalt gegen die durch die Anordnung geschützte Person begangen wird und/oder der rechtswidrig herbeigeführte Zustand mittels Tätlichkeiten aufrechterhalten wird. Insoweit gelten ähnliche Grundsätze wie bei der opferentschädigungsrechtlichen Bewertung der Freiheitsberaubung nach § 239 StGB (vgl [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10 Rd[X.] 13; [X.] vom 2.10.2008 - [X.] [X.] - juris Rd[X.] 15). Auch mit einem nach § 4 GewSchG strafbaren Verhalten muss eine körperliche Gewaltanwendung einhergehen, um einen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] bejahen zu können (offen gelassen für die Freiheitsberaubung, vgl [X.] vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] 10 Rd[X.] 13; [X.] vom 2.10.2008 - [X.] [X.] - juris Rd[X.] 15). Aus einem Verstoß gegen eine Schutzanordnung nach § 1 GewSchG kann nämlich nicht ohne Weiteres auf eine objektive Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit oder des Lebens des Opfers durch eine Tätlichkeit geschlossen werden.

3. Gemessen an diesen Kriterien ist es dem erkennenden [X.] anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht möglich, abschließend zu beurteilen, inwiefern die einzelnen [X.]handlungen des [X.] vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe gegen die Klägerin iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] darstellen.

a) Eine Wertung als tätlicher Angriff scheidet allerdings von vornherein für alle Telefonate, [X.], Briefe, Karten, Geschenke und dergleichen sowie für das bloße Klingeln an der Haustür der Klägerin aus, wodurch [X.] die Klägerin allerdings in erheblicher Weise belästigt hat. Denn insoweit fehlt es an einer unmittelbar drohenden Gewaltanwendung auch soweit einzelne Mitteilungen ernste Drohungen enthielten. Entsprechend verhält es sich mit den von [X.] missbräuchlich veranlassten Notfalleinsätzen, Dienstleistungen oder Lieferungen zur Wohnung der Klägerin, zumal die beauftragten Personen - soweit ersichtlich - in keiner Weise gegenüber der Klägerin gewalttätig geworden sind.

b) Nach den festgestellten Gegebenheiten kann es nur bei persönlichen Begegnungen des [X.] mit der Klägerin zu einem tätlichen Angriff gekommen sein. Dabei ist es nach den Feststellungen des [X.] wiederholt zu Drohungen und Belästigungen gekommen. Inwieweit eine Gewaltanwendung durch [X.] unmittelbar bevorstand, lässt sich den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen weitestgehend nicht entnehmen, zumal es nach der Rechtsauffassung des [X.] nicht darauf ankam.

Eine gewisse Son[X.]tellung nimmt das Geschehen am [X.] ein. Unter ständigem Einreden auf die Klägerin ist [X.] ihr an diesem Tag vom Hauseingang ihrer Wohnung gefolgt und mit ihr in demselben Bus gefahren, bis er sie vor dem Eingang eines [X.] festgehalten und zu sich umgerissen hat. Hierin könnte ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zu sehen sein. Jedenfalls liegt es nahe, eine strafbare, unmittelbar auf den Körper der Klägerin zielende gewaltsame Einwirkung anzunehmen.

Die Handlung des [X.] ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 4 GewSchG strafbar, da sie zeitlich vor der Schutzanordnung des [X.] vom 19.8.2003 liegt. Vielmehr kommt eine Strafbarkeit als Nötigung gemäß § 240 Abs 1 StGB in Betracht, da [X.] die Klägerin gegen ihren klar erkennbaren Willen durch körperliche Gewalt am Fortgehen gehindert hat. Diese - an sich nicht gravierende - Gewaltanwendung dürfte unter normalen Umständen zwischenmenschlicher Auseinan[X.]etzungen in aller Regel nicht verwerflich iS des § 240 Abs 2 StGB sein (vgl zur umstrittenen Anwendung und Auslegung der [X.] jüngst [X.] [X.] vom 7.3.2011 - 1 BvR 388/05 - juris Rd[X.] 38 ff). Dies gilt angesichts der vorangegangenen Drohungen und Belästigungen durch [X.] seit Oktober 2001 im vorliegenden Fall hingegen nicht. Fraglich könnte allerdings sein, ob unter Berücksichtigung der Umstände des Tatgeschehens aus der Sicht eines objektiven vernünftigen Dritten eine hinreichende Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin anzunehmen ist. Diese Feststellung obliegt der tatrichterlichen Würdigung, die der [X.] im Revisionsverfahren nicht vornehmen kann (vgl § 163 SGG).

Etwas an[X.] verhält es sich mit den Vorgängen am 2. und 3.10.2003. An diesen Tagen hat [X.] auf die Klägerin vor ihrer Wohnungstür gewartet und ist ihr beim Verlassen des Hauses entgegengegangen, mit der Folge, dass die Klägerin in ihr Haus zurückgekehrt ist und sich zur Arbeit hat abholen lassen. Mit dieser Handlung hat [X.] in strafbarer Weise gegen die Schutzanordnung des [X.] vom 19.8.2003 verstoßen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen des [X.] ist darin jedoch noch keine körperliche Gewaltanwendung gegenüber der Klägerin und damit kein tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zu sehen. Allein die Annäherung des [X.] kann - ohne Hinzutreten weiterer Umstände (zB Drohungen, aggressives Verhalten etc) - nicht als eine unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung gewertet werden.

4. Da der erkennende [X.] die danach noch fehlenden Tatsachenfeststellungen im Revisionsverfahren nicht nachholen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Soweit das [X.] nach weiteren Ermittlungen hinsichtlich einzelner Begegnungen der Klägerin mit [X.] zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] oder sogar von mehreren derartigen Angriffen geworden ist, wird es nach der entschädigungsrechtlichen [X.] der wesentlichen Bedingung die Frage eines wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen den betreffenden schädigenden Vorgängen und der bei der Klägerin bestehenden psychischen Krankheit zu prüfen haben. Hierbei ist in aller Regel die Hinzuziehung medizinischen Sachverstands erforderlich.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 9 VG 2/10 R

07.04.2011

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: VG

vorgehend SG Bremen, 20. Oktober 2006, Az: S 3 VG 37/05, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 OEG, § 31 Abs 1 BVG, § 238 Abs 1 StGB, § 113 StGB, § 121 StGB, § 223 StGB, § 239 StGB, § 240 StGB, § 241 StGB, § 1 GewSchG, § 4 GewSchG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2011, Az. B 9 VG 2/10 R (REWIS RS 2011, 7783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7783

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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