Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2015, Az. VIII ZR 127/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 15364

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR
127/14

Verkündet am:

18. Februar 2015

Ring

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 573a Abs. 1
Das Sonderkündigungsrecht nach § 573a Abs. 1 BGB ist ausgeschlossen, wenn in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude neben zwei Wohnungen Räume vorhanden sind, in denen eine eigenständige Haushaltsführung möglich ist, auch wenn diese als Gewerberaum vermietet sind, es sei denn, sie wurden schon vor [X.] des Mietvertrags, für dessen Kündigung der Vermieter das Sonderkündi-gungsrecht in Anspruch nimmt, als gewerbliche Räume genutzt (im [X.] an die Senatsurteile vom 25. Juni 2008 -
VIII ZR 307/07, [X.], 564; und vom 17. No-vember 2010 -
VIII ZR 90/10, NJW-RR 2011, 158).

BGH, Urteil vom 18. Februar 2015 -
VIII ZR 127/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
[X.] sowie
die [X.]
Achilles, Dr.
Schneider und Dr.
Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des
[X.]s [X.] vom 15. April 2014 in der Fassung des
Berichtigungsbeschlusses
vom 16. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Räumung einer Mietwohnung in Anspruch.
Die Kläger sind seit 1986 Eigentümer eines Hauses
in [X.], dessen Erdgeschosswohnung sie bewohnen. Die Beklagten sind seit dem 1.
Januar 1985 Mieter einer
im Dachgeschoss gelegenen Dreizimmerwohnung. Den [X.] hatten sie Ende des Jahres 1984 mit den
Voreigentümern B.

, die
das
zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig fertiggestellte
Anwesen errichte-ten, abgeschlossen.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Haus
als Zweifamilien-
oder als Mehrfamilienhaus
anzusehen ist. In der Baugenehmigung aus dem [X.] sowie in der Schlussabnahmebescheinigung der [X.] ist
das
Bauvor-haben als
"Errichtung eines Wohnhauses mit 2
WE und 2
Pkw-Garagen"
[X.].
Außer
den beiden Wohnungen der Parteien befindet sich
im Dachge-schoss neben der Wohnung der Beklagten ein weiteres Appartement, beste-hend aus [X.], Bad/WC, Abstellraum, Flur und Balkon, das -
wie in der mündlichen Revisionsverhandlung klargestellt worden ist -
von Anfang an mit den für die Aufstellung einer Kochnische/Küchenzeile erforderlichen An-schlüssen für Wasser und Strom versehen war. In der Folgezeit
wurde hier eine Teeküche/Küchenzeile eingebaut und das Appartement
zu Wohnzwecken an unterschiedliche Mieter vermietet. Im [X.] hieran
nutzte der
Kläger
diese Wohnung
mehrere Jahre
nur noch
als Arbeitszimmer. Seit 2010 sind die Räum-lichkeiten an ein vom Kläger betriebenes Unternehmen vermietet. Die Küchen-zeile wurde in ein Regal "umfunktioniert".
Im Jahr 2012 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Mit Schreiben vom 20. November 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis unter Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht gemäß §
573a BGB zum 30.
November 2013. Die Beklagten widersprachen der Kündigung,
wie auch den nachfolgenden seitens der Kläger wegen angeblicher Verletzungen des Mietvertrags ausgesprochenen Kündigungen vom 15.
Januar 2013 und 5.
März 2013
sowie vom 5. und 17. Februar 2014.
Das Amtsgericht hat die unter anderem
auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die auf den
Räumungsan-spruch
beschränkte Berufung der Kläger hat das [X.] antragsgemäß 3
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erkannt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Kläger hätten gegen die Beklagten einen Räumungs-
und Herausga-beanspruch gemäß §
546 Abs.
1 BGB, da das Mietverhältnis bereits durch die Kündigung vom 20.
November 2012 wirksam beendet worden sei. Den Klägern stehe das Sonderkündigungsrecht des §
573a BGB zu. Hiernach könne der Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst be-wohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses
im Sinne des §
573 BGB bedürfe. Diese
Voraus-setzungen seien vorliegend erfüllt. Denn zum Zeitpunkt der [X.] im November 2012, auf den es nach Auffassung der Kammer ankomme, habe es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um ein Zweifamilienhaus im Sinne des §
573a Abs.
1 BGB gehandelt.
Demgegenüber
komme es nicht darauf an, dass nach der Aufteilung des Hauses nach wie vor drei selbständige Wohnungen/Wohneinheiten vorhanden seien. Denn das zweite Appartement im Dachgeschoss werde seit einigen Jah-7
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ren durch die vom Kläger betriebene GmbH als Büro und Geschäftsraum ge-nutzt und sei demnach keine Wohnung
mehr, sondern Gewerberaum.
Zwar sei eine Kündigung nach §
573a BGB ausgeschlossen, wenn der Vermieter eine weitere eigenständige Wohnung im Gebäude für sich zu erwei-terten Wohnzwecken als Besucherzimmer, Bügelzimmer oder Arbeitszimmer nutze. Denn durch diese Erweiterung des Wohnbereichs reduziere sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht. Anderes gelte aber, wenn sich in dem Gebäude außer der Wohnung des Vermieters und der Wohnung des [X.] nur noch Gewerberäume befänden. Insoweit komme es
auch
nicht darauf an, ob die Gewerberäume von dem Vermieter selbst genutzt würden.
Der Mieter könne dadurch geschützt werden, dass eine auf §
573a BGB gestützte Kündigung im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich und damit gemäß §
242 BGB als unwirksam anzusehen sei. Hieran sei namentlich dann zu [X.], wenn der Umbau/die Umnutzung allein dem Zweck diene, das erleichterte Kündigungsrecht auszulösen. Dies sei vorliegend aber nicht erfüllt, weil die Umnutzung zu Büroräumen bereits vor
15 Jahren, die Vermietung als Büroraum seit 2010
erfolge und damit ersichtlich nicht darauf abziele, ein Sonderkündi-gungsrecht gegenüber den
Beklagten zu schaffen.

II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung kann der Räumungsanspruch der Kläger gemäß §
546 Abs.
1 BGB nicht bejaht
werden. Die auf §
573a Abs.
1 BGB gestützte Kündigung der Kläger vom 20.
November 2012 hat das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet.
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1. Ein Mietverhältnis über Wohnraum kann,
ohne dass
es eines berech-tigten Interesses des Vermieters
im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB
an der Beendigung des Mietverhältnisses bedarf,
nach § 573a Abs.
1 Satz
1 BGB gekündigt werden, wenn der Mieter in einem vom Vermieter selbst
be-wohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen wohnt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des §
573a Abs.
1 Satz 1 BGB hier nicht vor, da sich in dem Wohnhaus der Kläger
-
wie das Berufungsgericht im Übrigen selbst unangegriffen feststellt -
seit dessen Errichtung unverändert drei selbständige Wohnungen/Wohneinheiten befinden.
2.
Unter einer Wohnung wird ein selbständiger, räumlich und wirtschaft-lich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht. Für die Beurteilung, ob in einem Gebäude mehr als zwei Wohnun-gen vorhanden sind, ist
-
ungeachtet einer etwaigen abweichenden baurechtli-chen Einordnung -
die Verkehrsanschauung maßgebend (vgl. Senatsurteile vom 17. November 2010

VIII
ZR 90/10, NJW-RR 2011, 158 Rn. 8 mwN; vom 25.
Juni 2008

VIII ZR 307/07, WuM
2008, 564
Rn. 19 f.).
Da eine eigenständi-ge Haushaltsführung gemeinhin voraussetzt, dass eine Küche oder eine
Koch-gelegenheit vorhanden ist
(Senatsurteil vom 17. November 2010 -
VIII ZR 90/10, aaO Rn. 9), müssen die dafür erforderlichen Versorgungsanschlüsse (Wasser, Abwasser, Strom) vorhanden sein. Hingegen ist nicht erforderlich, dass die Küche mit Möbeln und Geräten ausgestattet ist ([X.], Mietrecht, 11. Aufl.,
§ 573a BGB Rn. 21).
a) Hiernach kann keinen Zweifeln unterliegen, dass es sich bei dem Ap-partement
im Dachgeschoss um eine eigenständige Wohnung handelt, die über einen durch eine Wohnungseingangstür räumlich abgeschlossenen Wohnbe-reich mit Bad und die
für eine Küchenzeile erforderlichen Anschlüssen verfügt.
Damit haben die Beklagten -
worauf die Revision zu Recht hinweist -
die streit-14
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gegenständliche Wohnung in einem Gebäude angemietet, in dem drei selb-ständige Wohneinheiten
geplant waren und entstanden und nach den unange-griffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nach wie vor vorhanden sind.
b) Anders als das
Berufungsgericht
meint, hat sich der
Wohnungsbe-stand von drei selbständigen Wohnungen nicht dadurch reduziert, dass das Appartement im Dachgeschoss seit
etwa
zwei Jahren vor der Kündigung durch eine vom Kläger betriebene GmbH als Büro-
und Geschäftsraum und somit ge-werblich genutzt wird.
aa) Rechtsfehlerfrei
geht das Berufungsgericht zunächst
davon aus, dass der Gesetzgeber die Beschränkung auf reine Wohngebäude (§
564a Abs.
4 BGB in der bis zum 31.
August 2001 geltenden Fassung) in der Neure-gelung durch §
573a BGB bewusst nicht beibehalten hat (BT-Drucks. 14/4553,
S. 66; Senatsurteil vom 25.
Juni 2008

VIII
ZR 307/07, aaO Rn.
19). Ebenso zutreffend sieht
das Berufungsgericht eine Kündigung nach §
573a BGB als ausgeschlossen an, wenn der Vermieter eine weitere eigenständige Wohnung im Gebäude für sich selbst zu erweiterten Wohnzwecken als Besucherzimmer, Bügelzimmer oder Arbeitszimmer nutzt, da durch diese Erweiterung des [X.] sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht reduziert.

bb) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, dies
sei anders
zu beurteilen, wenn sich in dem Gebäude außer der Wohnung des Vermieters und der Wohnung des Mieters nur noch Gewerberäume befänden,
und es dann auch nicht darauf ankomme, ob die Gewerberäume von dem Vermieter selbst genutzt würden. Damit verkennt das Berufungsgericht die der Senatsrechtspre-chung zugrundeliegenden Grundsätze (vgl. Senatsurteile vom 17.
November 2010

VIII ZR 90/10, aaO; vom 25.
Juni 2008

VIII
ZR 307/07, aaO).
Denn 17
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durch die Umwidmung des neben der streitgegenständlichen Wohnung liegen-den Appartements von Wohnraum
zu Gewerberaum hat sich der einmal gege-bene Wohnungsbestand nicht reduziert. Auch wenn in den gewerblich genutz-ten Räumen statt der ehemals vorhandenen Küchenzeile nunmehr ein Regal vorhanden ist, ändert dies nichts daran, dass in diesen, eine abgeschlossene Wohneinheit bildenden Räumlichkeiten jederzeit eine eigenständige Haushalts-führung möglich
ist.
Von diesen Grundsätzen kommt nur dann eine Ausnahme in Betracht, wenn die weitere Wohnung schon vor Abschluss des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages nicht mehr als Wohnung, sondern als Gewerbe-raum genutzt wurde
(Senatsurteil vom 25. Juni 2008

VIII
ZR 307/07, aaO). Dies ist hier jedoch unstreitig nicht der Fall.

III.
Hiernach kann
das Berufungsurteil keinen Bestand
haben; es ist [X.] (§
562 Abs.
1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig -
keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Mietverhältnis durch die weiteren

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Kündigungen vom 15. Januar und 5. März 2013 sowie vom 5.
und 17. Februar 2014 beendet worden ist. Das Verfahren ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

Dr. Milger
Dr. [X.]
Dr. Achilles

RiBGH [X.] ist

Dr. Bünger
wegen Urlaubs an der
Unterschrift verhindert.

23. Februar 2015

Dr. Milger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.12.2013 -
83 C 99/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.04.2014 -
I-9 [X.] -

Meta

VIII ZR 127/14

18.02.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2015, Az. VIII ZR 127/14 (REWIS RS 2015, 15364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15364

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 325/09 (Bundesgerichtshof)


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VIII ZR 90/10

VIII ZR 127/14

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