Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2006, Az. 1 StR 180/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 1338

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 180/06 vom 16. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 12. Oktober 2006 in der Sitzung am 16. Oktober 2006, an denen teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.], Dr. [X.], [X.] als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel an eine andere als Schwurge-richt tätige [X.] des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hatte den Angeklagten am 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der [X.] mit [X.]eschluss vom 12. August 1998. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat nunmehr das [X.] das Urteil des [X.] Karlsruhe vom 16. Januar 1998 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit [X.] der Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Die [X.]eweiswürdigung der [X.] ist nicht frei von [X.]. Erfolg hat auch eine Verfahrensrüge (Verstoß gegen § 261 St[X.]O) der Nebenklägerin. Auf die weiteren Verfahrens-rügen kommt es nicht mehr an. 1 - 4 - [X.] [X.]wird vorgeworfen, seine Ehefrau [X.], geborene [X.], von der er getrennt lebte, in den frühen Morgenstunden des 29. April 1997 - zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr - in deren Wohnung mit einem Schal stranguliert und so versucht zu haben, sie zu töten. 2 1. Die [X.] hat dazu Folgendes festgestellt: 3 [X.] W. , nach Scheidung der Ehe - und deshalb auch im [X.] - wieder [X.], war am 7. März 1996 aus der ehelichen Wohnung in der [X.] in [X.]ausgezogen. Sie wohnte schließlich - seit Fe-bruar 1997 - in der Erdgeschosswohnung des elterlichen Reihenhauses in der [X.]in [X.]. . Ihr Vater, Wo. [X.] , übernachtete häufig in der darunter liegenden Einliegerwohnung. In dieser Souterrainwohnung hatten auch der Angeklagte und seine Frau zu [X.]eginn ihrer Ehe kurzfristig - von [X.] bis [X.] 1994 - gewohnt. Erneut hatte die Geschädigte dort unmittelbar nach der Trennung vorübergehend - von März bis Mai 1996 - [X.] gefunden. Die Wohnungen sind durch die Kellertreppe verbunden. 4 Im Schlafzimmer der Erdgeschosswohnung hatte sich [X.] [X.] in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1997 zu [X.]ett begeben, einem Doppelbett in dem auch der damals zwei Jahre und einen Monat alte gemeinsame [X.]schlief. Spätestens kurz vor 2.18 Uhr betrat eine der Geschädigten bekannte männliche [X.]erson die Wohnung. Zugang hatte sich [X.] entweder mit [X.] eines Schlüssels verschafft oder er war von A.

[X.] selbst eingelas-sen worden. Ein Einbruch scheidet aus. Im Wohnzimmer kam es zu einem Streit, in deren Verlauf [X.] laut und erregt drohte: —[X.] um, ich 5 - 5 - schlag dich tot - mit [X.] kannsch du des nett machen!fi [X.] [X.] erwider-te mit weinerlicher, wimmernder Stimme: —[X.] von [X.] - i heb dir doch nix getan!" In dieser Zeit - so die [X.] - entschloss sich der [X.], [X.] [X.] , die sich zwischenzeitlich in ihr Schlafzimmer begeben hatte, zu töten. [X.] zog sich zwei aus einer [X.]lastiktüte entnommene [X.] über und schlang einen Wollschal aus der Wohnung der Geschädigten um deren Hals, zog dessen Enden mindestens zwei Minuten lang kräftig zusammen, bis [X.] Z.

, die sich wehrte, das [X.]ewusstsein verlor. Der Täter schleppte sein Opfer in den Flur. Dann wurde er vom Vater der Geschädigten gestört, der an diesem Tag in der darunter befindlichen Einlieg-erwohnung übernachtete. Um 2.34 Uhr war er durch [X.]oltergeräusche, als deren Ursache er Möbelrücken im Zusammenhang mit laufenden Renovierungsarbei-ten seiner Tochter vermutete, geweckt worden und wollte sich bei seiner [X.] über diese nächtliche Störung beschweren, weshalb er die Treppe zur [X.] hoch stieg. Dem Täter gelang es jedoch, die [X.] der Wohnung der Geschädigten zuzuschlagen und durch die [X.] der Erdgeschosswohnung unerkannt zu entkommen. Wo. [X.] befreite sei-ne Tochter von der Strangulation. [X.] [X.] überlebte zwar. Aufgrund der zeitweisen Unterbrechung der [X.]lutzufuhr und damit der Sauerstoffversorgung des Gehirns wurden dessen Nervenzellen jedoch dauerhaft so schwer und weit-reichend geschädigt, dass sich die heutige Hirnfunktion im Wesentlichen auf vegetative Funktionen beschränkt. Die [X.] vermochte sich nicht mit der für die Verurteilung not-wendigen Sicherheit davon zu überzeugen, dass der Angeklagte der nächtliche [X.]esucher und damit der Täter war. 6 - 6 - II. Zu den Grundlagen des Tatverdachts: 7 1. [X.] [X.] konnte zur Aufklärung der Tat nichts mehr beitragen. Sie ist aufgrund der erlittenen Schädigungen nicht mehr in der Lage, [X.] aufzunehmen, sinnvoll zu verarbeiten und hierauf zu reagieren. Kommuni-kation, sei es sprachlich, schriftlich oder auch nur mimisch ist mit ihr nicht mehr möglich. 8 2. Der zur Tatzeit zweijährige [X.] hat aus entwicklungspsycho-logischen Gründen (kindliche Amnesie) keine Erinnerung mehr an die damali-gen Geschehnisse und entfiel damit für die Hauptverhandlung vor dem [X.] ebenfalls als geeigneter Zeuge. 9 3. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund fol-gender Erkenntnisse: 10 A) Den Gründen des angefochtenen Urteils des [X.] ist dazu zu entnehmen: 11 a) Es war [X.], der [X.][X.]zu töten versuchte. 12 b) Der Täter war mit der Geschädigten bekannt. Eine [X.]eziehungstat lag nahe. Die Geschädigte betrieb die Scheidung. In diesem Zusammenhang kam es zu Auseinandersetzungen, insbesondere über das Umgangsrecht des [X.] mit dem [X.] . Dies hätte Anlass zu auch körperlichen Angriffen geben können. 13 - 7 - c) Am [X.] fanden sich zwei Finger von [X.], ei-ner im [X.]ett von [X.][X.], einer im Flur. Sie stammen von zwei Einweghand-schuhen unterschiedlicher Größe, die der Täter bei der Tat trug, und wurden beim Kampf - das Doppelbett wurde verschoben - zwischen dem Täter und der Geschädigten abgerissen. Denn an der Außenseite beider Teile fanden sich ausschließlich [X.], die von der Geschädigten stammen. An der Innenseite der Fingerteile wurde jeweils eine DNA-Mischspur gesichert, die Merkmale von mehreren, auch unbekannten [X.]ersonen enthalten. Nur die DNA des Angeklagten und der Geschädigten konnte in beiden Fingern festgestellt werden. In einem der abgerissenen Handschuhfinger (der im Flur) waren sämt-liche Merkmale der DNA des Angeklagten zu finden. 14 d) Der Angeklagte trägt wegen der Schmerzempfindlichkeit zweier teil-amputierter Finger im Alltagsleben häufig Einwegplastikhandschuhe, über die er in seiner Wohnung auch in großer Zahl verfügte. 15 e) Am [X.] fand sich im Flur eine [X.]lastiktüte, stammend von der [X.], darin ein olivfarbenes Dreieckshalstuch, ein [X.], ein Latexeinmalhandschuh, vier Vinyleinweghandschuhe, eine Ziga-rettenschachtel der Marke —Marlboro-Lightsfi mit sieben Gramm Amphetamin, verpackt in sieben verschweißten [X.]lastiktütchen, sowie eine rote Zigaretten-schachtel der Marke —[X.], die auf der Vorder- und Rückseite jeweils von Hand mit einem Kreuz markiert war und drei aufgeschnittene und wieder ver-klebte Folienbeutel aus [X.] von Zigarettenschachteln enthielt. Das Dreieckshalstuch, das [X.]aumwolltaschentuch und die [X.] stammen - so wurde festgestellt - aus dem Haushalt des Ange-klagten. 16 - 8 - f) An den Enden des zur Strangulierung verwendeten [X.] fanden sich [X.]. Auch hier kommt der Angeklagte als Miturheber in [X.]. 17 g) An einer Jeanshose der Geschädigten, die am [X.] - im Flur auf dem [X.]oden liegend - sichergestellt wurde, fand sich eine DNA-Mischspur. Der Ange-klagte kommt als Mitverursacher in [X.]etracht. 18 h) Als die Wohnung des Angeklagten am Tattag durchsucht wurde, [X.] sich im [X.]adezimmer - in der [X.]adewanne ausgebreitet - ein T-Shirt und eine Jogginghose, die noch nass waren. 19 i) Während des Ermittlungsverfahrens legte der Angeklagte am 13. Mai 1997 den Ermittlungsbeamten der [X.]olizei gegenüber ein pauschales Geständ-nis ab. Zu Einzelheiten befragt verwickelte er sich allerdings in Widersprüche. Der Angeklagte widerrief sein Geständnis alsbald wieder, es habe sich um ein —[X.] gehandelt, zu dem Mitgefangene ihm geraten hätten. 20 j) Des weiteren ergaben sich während der - neuen - Hauptverhandlung vor dem [X.] folgende belastende Aspekte: 21 aa) Der Angeklagte behauptete (erstmals), er habe seinen [X.] an des-sen zweitem Geburtstag am 6. März 1997 in der E. straße besucht. Dieser [X.]esuch sei harmonisch verlaufen. Er habe mit [X.] gespielt und mit ihm unter anderem - zusammen mit [X.] [X.] - [X.]lumenzwiebeln im Garten des An-wesens gepflanzt. [X.]ei dieser Gelegenheit habe er wie üblich zum Schutz seiner kälteempfindlichen, teilamputierten Finger Einmalhandschuhe getragen. Diese 22 - 9 - habe er anschließend im Anwesen [X.]auf dem gemauerten Grill der Terrasse zurückgelassen. Dieser [X.]esuch fand nach den Feststellungen des [X.] tatsächlich nicht statt. [X.]
war an seinem zweiten Geburtstag krank, da er tags zuvor eine Erdnuss verschluckt hatte, die im Krankenhaus aus dem linken [X.] entfernt worden war. [X.]) Darüber hinaus hat der Angeklagte Teile seiner Einlassung vor dem [X.] wahrheitswidrig widerrufen. So stellte er beispielsweise erstmals in der neuen Hauptverhandlung in Abrede, jemals ein olivfarbenes Dreieckshaltstuch, wie es am [X.] in der weißen Kunststofftüte aufgefunden wurde, besessen zu haben. Dies ist nach den Feststellungen der [X.] widerlegt. 23 [X.]) Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der in den Urteilsgründen zwar nicht erwähnt ist, dem Revisionsgericht aber in der [X.] der Nebenklägerin mitgeteilt wird. Danach war Gegenstand der [X.] das im [X.] veröffentlichte Dokument —[X.] (ein-geführt im Wege des [X.] gemäß § 249 Abs. 2 St[X.]O), unter anderem mit folgendem Eintrag zum Inhalt eines beschlagnahmten [X.]riefs des Angeklagten an seine damalige Freundin: 24 —Samstag, 03.05.1997 25 1. [X.]rief an [X.](beschlagnahmt) Ich hoffe Du bekommst diesen [X.]rief, wenn es auch über [X.] ist. Scheiß egal. Die wollen [X.] verurteilen wegen 1. Einbruch, [X.] mit einem [X.]-W-Schal, 3. Drogen. [X.] sind [X.] worden. Wenn sie sagt, —ja, er war[X.] ich für [X.]. Gestern Mittag habe ich nichts zu essen bekommen (wegen der Fahrt von [X.] nach [X.]. ). Abends, Wurst mit trockenem [X.]rot." (Unterstreichung nur in der Revisionsbegründung) - 10 - Die Mitteilung dieses Sachverhalts erfolgt zwar im Zusammenhang mit Ausführungen zur Sachrüge. Der Sache nach ist dies jedoch eine - zulässig erhobene - Rüge der Verletzung des § 261 St[X.]O (Inbegriffsrüge). 26 III. Die [X.]eweiswürdigung der [X.]: 27 1. Die [X.] hat die oben genannten unter [X.] aufgeführten Indizien entweder nicht bestätigt gesehen und im Übrigen als nicht ausreichend zur Überzeugungsbildung hinsichtlich einer Täterschaft des Angeklagten [X.]. 28 a) Die [X.] hat insbesondere ausgeschlossen, dass der Täter - dies müsste dann der Angeklagte gewesen sein - die [X.]lastiktüte, aus der er die Einweghandschuhe entnahm, in der [X.] mitbrachte, —es war nicht der An-geklagte, der diese Tüte in das [X.]anwesen brachtefi. Das [X.] ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass [X.] [X.] die weiße [X.]lastiktü-te - derartige Tüten wurden von der Stadtapotheke [X.]. ab Juni 1995 ausgeteilt - mit den vom Angeklagten stammenden Gegenständen, nämlich dem Dreieckstuch, dem Taschentuch sowie den Einweghandschuhen, bei ih-rem Auszug aus der ehelichen Wohnung im März 1996 mitnahm, also schon vor der Tat bei sich verwahrt hatte, und dass sie selbst dann die beiden [X.] und das Amphetamin in die Tüte legte. Denn die [X.] stammten - so hat die [X.] festgestellt - nicht vom [X.] - 11 - klagten, sondern von der Geschädigten, die eine der Schachteln mit einem Kreuz markiert hatte. Dies schließt das [X.] aus den [X.]ekundungen von Zeugen, wonach die Geschädigte zuweilen Haschisch und Marihuana konsu-miert, entsprechend markierte Zigarettenschachteln —zur Aufbewahrung weicher Drogen genutztfi und —noch im Jahre 1994 gelegentlich Zigarettenschachteln mit einem Kreuz markiertfi habe. Außerdem —war die markierte Zigarettenpackung vom [X.] erst sieben Monate nach der Trennung der Eheleute [X.]- im [X.] 1996 - in den Handel gelangtfi. —Die Kammer hat weiter keinen Anhalts-punkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung [X.] erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, [X.] gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren, nichts gewusst zu ha-ben, auf sonstige Weise in den [X.]esitz der von A.

[X.] markierten [X.] gekommen sein könnte". Die [X.] hat dann noch aus[X.], dass der Angeklagte das in der Tüte befindliche Amphetamin —unter-schiebenfi wollte, um anschließend nach einer —inszeniertenfi Aufdeckung eines vermeintlichen [X.]etäubungsmittelbesitzes seiner Frau im Scheidungsverfahren die von ihm gewünschte Ausweitung seines Umgangsrechts mit seinem [X.] zu erreichen, zumal es hierzu keines nächtlichen [X.]esuches bedurft hätte. b) Hinsichtlich der DNA-Spuren, die vom Angeklagten stammten bzw. herrühren können, hat die [X.] jeweils angenommen, dass der Ange-klagte diese Spuren zu anderer Zeit ohne [X.]ezug zur Tat hinterlassen haben kann. Die Einweghandschuhe konnte er schon früher benutzt haben. Mit dem Wollschal und mit der Jeanshose konnte er aufgrund familiärer Kontakte eben-falls auf andere Art und Weise vorher in [X.]erührung gekommen sein. 30 c) Da die in den abgerissenen [X.] der Einweghandschuhe [X.] DNA-Mischspur Merkmale von drei beziehungsweise vier [X.] - 12 - schen, darunter von einer nicht bekannten [X.]erson enthalte und zudem nicht jede [X.]erührung zur Hinterlassung von [X.] führen müsse - so die sachverständig beratene [X.] -, kommen weitere, auch unbekannte [X.]ersonen als Täter in [X.]etracht. d) Einen Schlüssel zur einmal auch von ihm genutzten Wohnung in der E. straße hatte der Angeklagte nach den Feststellungen des [X.]s nicht mehr. 32 e) Die - wechselnde - Erklärung des Angeklagten zu den nassen Klei-dungsstücken in der [X.]adewanne (Hantieren mit [X.]izöl oder Duschen) nimmt die [X.] hin. 33 f) Im [X.] des Angeklagten - behaupteter [X.]esuch beim [X.]in der E. straße , Widerruf von Angaben in der ersten [X.] - sieht die [X.] sein [X.]estreben, einer erneuten - falschen - Verurteilung zu entgehen, weshalb er auch Zuflucht zu falschen Einlassungen genommen haben mag. 34 g) Dem im Mai 1997 abgelegten und dann widerrufenen [X.]auschalges-tändnis maß die [X.] keine belastende [X.]eweisbedeutung zu. Die er-gänzenden Angaben des Angeklagten zum Tatgeschehen waren falsch oder widersprüchlich. Das [X.] folgt der Einlassung des Angeklagten, dass er dieses falsche Geständnis seinerzeit abgegeben habe, —weil er endlich Ruhe vor den Ermittlungsbehörden habe haben wollen und im Übrigen auf ein mildes Urteil gehofft habefi. 35 - 13 - 2. Mit dem Inhalt des in —[X.] zitierten [X.]rief, d.h. mit dem Satz —Wenn sie sagt, 'ja, er war[X.] ich für [X.]fi, hat sich die [X.] mit keinem Wort auseinandergesetzt, sie hat ihn nicht erwähnt. 36 IV. 1. Die Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg. Die [X.]eweiswürdigung des [X.] ist nicht frei von [X.]. 37 Die [X.]eweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigespro-chen wird, weil das Instanzgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwin-den vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsge-richtliche [X.]rüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler [X.] sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die [X.]eweis-würdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Der [X.]rüfung unterliegt auch, ob über-spannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit ge-stellt worden sind (st. Rspr.; [X.]GH NJW 2005, 1727; [X.]GH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 [X.]/03 -; [X.]GH NStZ-RR 2003, 371; [X.]GH NStZ 2002, 48; [X.]GH NStZ-RR 2000, 171; [X.]GHR St[X.]O § 261 Überzeugungsbildung 33, jeweils m.w.[X.]). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den [X.] nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass [X.] Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Denn es ist weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des 38 - 14 - Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. [X.]GH NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147, 148). Gemessen an diesen Grundsätzen zeigen sich durchgreifende Mängel in der [X.]eweiswürdigung des [X.]: 39 a) Die [X.] ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Täter während der verbalen Auseinandersetzung spontan zur Tötung von [X.] [X.] entschlossen hat. Mit der Möglichkeit einer schon früher geplanten, [X.] für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände schon zuvor ins Auge gefassten Tat, setzt sich die [X.] in der [X.]eweiswürdigung nicht aus-einander. Die Erörterung dieser Variante hätte sich jedoch aufgedrängt. Denn konkrete Anhaltspunkte für eine Spontantat hat die [X.] nicht [X.]. Allein aus der ausgestoßenen Drohung —[X.] um, ich schlag dich tot - mit [X.] kannsch du des nett machen!fi kann dies jedenfalls nicht [X.] werden. Demgegenüber kann die Verwendung von Einweghand-schuhen nach der [X.]ewertung durch den Sachverständigen [X.]in seiner Fallanalyse in den vom [X.] festgestellten Tatablauf nicht ohne weiteres eingepasst werden. Der Charakter der Tat als eskaliertes soziales Geschehen spreche dagegen, dass der Täter Handschuhe überlegt vor dem Angriff auf das Opfer angelegt habe. Dies liegt an sich auf der Hand. Gleichwohl meint das [X.] lapidar: —Diesem - keinesfalls zwingenden - Schluss des Sachver-ständigen schließt sich die Kammer jedoch aufgrund der bereits dargelegten [X.]eweisergebnisse nicht anfi. Die gebotene Erörterung der zumindest ebenso nahe liegenden Möglichkeit einer geplanten Tat hätte jedoch die übrigen [X.]e-weisumstände in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen können. 40 - 15 - b) In der Konsequenz dieser verkürzten Sichtweise unterlässt das [X.] die gebotene Erörterung eines weiteren [X.]unktes: Die [X.] schließt zwar - von ihrem Standpunkt aus - ohne Rechtsfehler aus, dass der Angeklagte die Absicht hatte, der Geschädigten die Amphetamine mitten in der Nacht —unterzuschiebenfi, um so Vorteile im Streit um das Umgangsrecht mit [X.] zu gewinnen. Das [X.] erörtert aber nicht die bei einer geplanten Tat nahe liegende Möglichkeit, dass mit dem [X.]etäubungsmittel eine falsche Spur hinsichtlich des potentiellen Täterkreises gelegt werden sollte. 41 c) Grundlage der verkürzten Sicht der [X.] ist, dass sie —auf-grund der mit einem Kreuz markierten [X.] [davon ausgeht], dass sich die am [X.] sichergestellte weiße Kunststofftüte der Stadtapotheke [X.]. früher im [X.]esitz von [X.] [X.] befandfi; —es war nicht der Ange-klagte, der diese Tüte in der [X.] in das [X.]anwesen brachtefi. [X.], die Zigarettenschachteln und das Amphetamin stammten von [X.] [X.] , beruht jedoch ihrerseits auf einer fehlerhaften (lückenhaften) [X.]eweis-würdigung, da wesentliche Aspekte unerörtert geblieben sind. 42 Für die [X.] folgt der [X.]esitz der Geschädigten an den [X.] und am Amphetamin aus den Angaben von Zeugen, wonach [X.] [X.] Rauschmittel konsumierte und dieses in mit Kreuzen gekenn-zeichneten Zigarettenschachteln verwahrte. Erwähnt, aber nicht in die [X.]eweis-würdigung einbezogen hat die [X.], dass die entsprechenden [X.]eo-bachtungen spätestens im Jahre 1994/Januar 1995 endeten und sich die [X.]e-kundungen, soweit sie glaubhaft waren, nur auf den - gelegentlichen - Konsum von Marihuana und Haschisch bezogen, nicht aber auf Amphetamine. Mit der Variante, der Angeklagte könnte in Kenntnis der (früheren) Übung seiner Frau die Zigarettenschachtel - als Täter - zu [X.] selbst [X.] - chend vorbereitet haben, setzt sich die [X.] bei weitem nicht erschöp-fend auseinander: —Die Kammer hat weiter keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren nichts gewusst zu haben, auf sonstige Weise in den [X.]esitz der von [X.] [X.] markierten Zigarettenschachteln gekommen sein könnte.fi Die - nur nebenbei erwähnte - Einlassung des Angeklagten, er habe die Angewohnheit seiner Frau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit ei-nem Kreuz zu markieren, nicht gekannt, hätte den Feststellungen nicht ohne genaueres Hinterfragen zugrunde gelegt werden dürfen. Denn das Gegenteil liegt nahe, wenn diese Gewohnheit selbst im [X.]ekanntenkreis nicht verborgen blieb. Es ist weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten allein seinen Angaben folgend eher fern liegende Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind. In diesem Zusammenhang hätte es auch nahe gelegen, den Fra-gen nachzugehen, ob der Angeklagte selbst [X.]etäubungsmittel konsumierte, ob er in den Wochen vor der Tat Kontakt zu [X.]etäubungsmittelhändlern hatte, ob er rauchte, gegebenenfalls welche Marke. Fanden sich Zigarettenschachteln in der Wohnung des Angeklagten, waren - gegebenenfalls - bei diesen dann die [X.] noch vorhanden? Nutzte er sie als [X.]ehältnisse auch für andere Dinge? Dass die Geschädigte, sofern sie die [X.]lastiktüte bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung mitnahm, damit dann noch [X.] umzog, bewertet die [X.] ebenfalls nicht. 44 d) Die [X.] würdigt weiter nicht, dass es außer dem Angeklagten und dem Tatopfer keine [X.]erson gibt, die Spuren an den Innenseiten beider [X.] - 17 - gerissener Fingerteile, die von beiden [X.] stammen, [X.] hat. e) Dass die vom Täter verwendeten Vinyleinmalhandschuhe aus einer vom Tatopfer selbst in ihrer Wohnung verwahrten Kunststofftüte entnommen worden seien, folgert die [X.] auch daraus, dass sich [X.] [X.] zuordenbare DNA-Spuren an der Innenseite der aufgefundenen Fingerteile [X.]. —Dies lasse den Schluss zu, –. dass das Opfer die Handschuhe bereits vor der Tat in [X.]esitz gehabt und selbst getragen habe.fi Dies ist zwar für sich betrachtet ein grundsätzlich möglicher und dann revisionsrechtlich hinzuneh-mender Schluss. Hier hätte es aber der Erörterung bedurft, warum die [X.] damit inzident die bloße Verschleppung von Hautepithelzellen des [X.] ausschließt, eine Möglichkeit, die sie hinsichtlich der DNA-Spuren anderer [X.]ersonen in den [X.] selbst anspricht. 46 f) Selbst wenn es sich um eine Spontantat handelte und die Tüte, aus der der Täter die Einweghandschuhe entnahm, sich schon längere Zeit im [X.]e-sitz der Geschädigten befand, war dem Angeklagten die Existenz der [X.]lastik-handschuhe in der Tüte jedenfalls bekannt, während dies bei anderen potentiel-len Tätern eher fern liegt. Ihm war damit ein rascher Zugriff am ehesten mög-lich. Dies könnte auch bei einer Spontantat für seine Täterschaft sprechen, was jedenfalls der Erörterung bedurft hätte. 47 g) [X.]ei der [X.]ewertung der in der [X.]adewanne des Angeklagten am 29. [X.] 1997 vorgefundenen Kleidungsstücke lässt die [X.] unerörtert, dass der Nässegrad zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur schwer mit seiner ur-sprünglichen Einlassung vereinbar ist, wonach er diese am [X.] (bis 16.00 Uhr) wegen [X.]izölgeruchs —oberflächlich ausgewaschenfi hat. Vor diesem 48 - 18 - Hintergrund könnte die neue, in der Hauptverhandlung vor dem [X.] vorgetragene Einlassung, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er die Kleidungsstücke ausgewaschen habe oder ob sie, nachdem er sie wegen ihres Geruchs in die [X.]adewanne gelegt hatte, beim Haare waschen oder Du-schen nass geworden sind, in einem anderen Licht erscheinen. Auch dies hätte der Erörterung bedurft. 2. Erfolg hat neben der Sachrüge - rechtsfehlerhafte [X.]eweiswürdigung - auch die von der Nebenklägerin - der Sache nach - zulässig erhobene Formal-rüge der Verletzung des § 261 St[X.]O, Nichtverwertung des gemäß § 249 Abs. 2 St[X.]O als Inhalt von —[X.] eingeführten [X.]riefes (Original in Ordner III Seite 139) des Angeklagten, den er —über [X.]fi an seine Freundin [X.]

schicken wollte. Mit der Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht wer-den, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei ([X.]GHR St[X.]O § 261 Inbegriff der Verhandlung 30; Wahl, [X.]rüfung des rechtlichen Gehörs durch das Revisionsgericht, [X.] S. 73 f.). Dass der [X.]eschwerdeführer seine [X.]eanstandung im Zusammenhang mit seinen Darlegungen zur Sachrüge und ohne ausdrückli-chen Hinweis auf § 261 St[X.]O vorgetragen hat, ist unerheblich. Denn ein Irrtum in der [X.]ezeichnung der Rüge als Sach- oder Verfahrensrüge ist unschädlich, vorausgesetzt, dass der Inhalt der [X.]egründungsschrift - wie hier - deutlich er-kennen lässt, welche Rüge gemeint ist. Entscheidend ist die wirkliche rechtliche [X.]edeutung des Revisionsangriffs, wie er dem Sinn und Zweck des Revisions-vorbringens zu entnehmen ist; eine [X.]ezeichnung der verletzten Gesetzesvor-schrift ist nicht erforderlich (vgl. [X.]GHSt 19, 273, 275, 279; [X.]GH, Urteil vom 23. Mai 2006 - 5 [X.]/06 - Rdn. 7; [X.] in [X.]/[X.] St[X.]O 25. Aufl. § 344 Rdn. 72; [X.] in [X.] Kommentar zur St[X.]O 5. Aufl. § 344 Rdn. 19; Meyer-Goßner St[X.]O 49. Aufl. § 344 Rdn. 10). In der Revisionsbegründung 49 - 19 - werden die tatsächlichen Grundlagen zu dieser Rüge umfassend vorgetragen. Dies genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 St[X.]O. Weitergehender Ausführungen bedarf es nicht (§ 352 Abs. 2 St[X.]O). In der [X.] hat der [X.] auf Nachfrage bestätigt, dass er mit [X.] Revisionsbegründung die fehlende Verwertung des verlesenen Tagebuch-abschnitts beanstanden wollte - Rüge der Verletzung des § 261 St[X.]O -. Mit diesem [X.]eweismittel von erheblichem Gewicht, mit dem [X.] Satz dieses [X.]riefes —Wenn sie sagt, 'ja ich war[X.] ich für [X.].fi hätte sich die [X.] im Rahmen der [X.]eweiswürdigung [X.] müssen. Denn Anhaltspunkte dafür, die Geschädigte könnte den Angeklagten zu Unrecht belasten, wenn er nicht der Täter ist, und dass sie [X.] den wahren Angreifer vor Verfolgung schützen wollte, sind nach dem Inhalt der Urteilsgründe nicht ersichtlich, auch nicht dafür, dass der Angeklagte dies hätte befürchten müssen. Diese schriftliche Äußerung des Angeklagten könnte auch sein widerrufenes [X.]auschalgeständnis während seiner polizeilichen [X.] in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dies hätte dann jedenfalls der Erörterung bedurft, wobei dann auch das sonstige [X.] ([X.]?) zu bewerten gewesen wäre. 50 Dass die [X.]eweisbedeutung dieses den Angeklagten erheblich belasten-den Satzes im Lauf der Hauptverhandlung vor der [X.] für alle [X.] offensichtlich entfallen sein könnte, so dass es einer Erörterung in den Urteilsgründen nicht mehr bedurft hätte, kann bei der [X.]edeutung dieses [X.]eweismittels hier ausgeschlossen werden. 51 - 20 - 3. Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass die [X.] bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler anders entschieden hätte. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. 52 [X.] Wahl [X.]oetticher [X.] [X.]

Meta

1 StR 180/06

16.10.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2006, Az. 1 StR 180/06 (REWIS RS 2006, 1338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1338

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Abschiebung, Asylverfahren, Leistungen, Angeklagte, Freiheitsstrafe, Amphetamin, Tateinheit, Marihuana, Kokain, Erkrankung, Cannabis, Wohnung, Italien, Entziehungsanstalt, nicht …


5 StR 594/14 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Begriff des Mitsichführens einer Waffe


5 StR 594/14 (Bundesgerichtshof)


5 StR 517/12 (Bundesgerichtshof)


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1 StR 254/10

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