Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2019, Az. VI ZR 495/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10941

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

BUNDESGERICHTSHOF (BGH) ÄRZTE HAFTUNG GESUNDHEIT MEDIZIN MEDIZINRECHT ORGANSPENDE

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arzthaftung: Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Transplantationsgesetzes zur Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber dem Lebendorganspender; Beachtlichkeit des Einwandes des rechtmäßigen Alternativverhaltens


Leitsatz

1. Bei den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 3 (Anwesenheit eines neutralen Arztes beim Aufklärungsgespräch) und Satz 4 (Erfordernis einer zu unterzeichnenden Aufklärungsniederschrift) des Transplantationsgesetzes (TPG) handelt es sich um die Aufklärungspflicht des Arztes begleitende Form- und Verfahrensvorschriften. Der Verstoß hiergegen führt nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Lebendorganspenders in die Organentnahme und zu deren Rechtswidrigkeit, sondern zu einer Beweisskepsis gegenüber der Behauptung einer ordnungsgemäßen Aufklärung.

2. Der Einwand, der unter Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 TPG inhaltlich nicht ordnungsgemäß aufgeklärte Lebendorganspender wäre auch im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung mit der Organentnahme einverstanden gewesen (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens), ist nicht beachtlich, weil dies dem Schutzzweck der gesteigerten Aufklärungsanforderungen des § 8 TPG widerspräche.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 7. September 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die [X.] Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens im Zusammenhang mit einer von ihr im [X.] geleisteten Lebendnierenspende geltend.

2

Der Vater der Klägerin litt an einer chronischen Niereninsuffizienz Stadium IV auf dem Boden einer Leichtkettenerkrankung. Die Klägerin wandte sich an das von der [X.] zu 5, einem Universitätsklinikum, getragene Transplantationszentrum, um die Möglichkeit einer Nierenspende an ihren Vater abzuklären. Am 12. September 2008 unterzeichnete die Klägerin eine schriftliche Patienteninformation mit Einverständniserklärung zur Nierenlebendspende. Bis zum 30. Oktober 2008 erfolgte die Evaluation der Klägerin als potentielle Spenderin. Am 30. Dezember 2008 wurde die Klägerin der [X.] Transplantationsmedizin der [X.] vorgestellt, die keine Anhaltspunkte dafür fand, dass die geplante Organspende nicht freiwillig erfolge. Am 27. Januar 2009 fand ein sog. Lebendspende-Gespräch zwischen der Klägerin und den [X.] zu 2 und 3, zwei Ärzten der Klinik für Nephrologie der [X.] zu 5, statt. Ein weiteres, als "[X.]" bezeichnetes Gespräch fand, ebenfalls am 27. Januar 2009, zwischen der Klägerin, ihrem Vater, dem [X.] zu 1 als Transplantationschirurgen und dem [X.] zu 2 statt. Die Klägerin und ihr Vater unterzeichneten hierüber ein mit "Checkliste [X.]" überschriebenes Protokoll. Am 24. Februar 2009 wurde die Klägerin stationär aufgenommen und durch die Beklagte zu 4, eine weitere Ärztin der Klinik für Nephrologie, über die geplante offene Entnahme der Niere aufgeklärt. Die Niere wurde am 25. Februar 2009 durch den [X.] zu 1 operativ entnommen und auf den Vater übertragen. Im Mai 2014 kam es zum [X.] beim Vater.

3

Die Klägerin macht geltend, nicht ausreichend über die Folgen der Spende für ihre Gesundheit und über die bei ihrem Vater bestehende Hochrisikosituation für einen [X.] aufgeklärt worden zu sein. Bei der Aufklärung seien zudem die Anforderungen des § 8 Abs. 2 [X.] nicht eingehalten worden. Seit der Spende leide sie an einem chronischen Fatigue-Syndrom und an einer Niereninsuffizienz.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 1572 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Eine Haftung der Beklagten ergebe sich nicht aus einem Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.]. Zwar liege ein solcher Verstoß vor, da zwar eine "[X.]" unterschrieben worden sei, diese aber weder den "Inhalt der Aufklärung" (§ 8 Abs. 2 Satz 4 [X.]) noch eine "Angabe über die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken" (§ 8 Abs. 2 Satz 5 [X.]) beinhalte. Auch liege ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] iVm § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] nahe. Nach dieser Regelung müsse die Aufklärung bei einer Organentnahme in Anwesenheit eines Arztes erfolgen, der weder an der Organentnahme noch an der [X.] beteiligt sei. Der Beklagte zu 2 sei zwar nicht an der [X.] oder Übertragungsoperation beteiligt gewesen. Als federführender Nephrologe der Transplantation, der auch den Abschlussbericht an die gem. § 8 Abs. 3 [X.] einzubindende Ethik-[X.] unterzeichnet habe, sei er jedoch gleichermaßen involviert und könne grundsätzlich gleichermaßen ein potentielles Interesse haben, die Spende zu forcieren, wie der unmittelbar an der eigentlichen Transplantation beteiligte Arzt. Ein Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 [X.] führe allerdings nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs bzw. zu der Unwirksamkeit der Einwilligung, da es sich insoweit lediglich um allgemeine Verfahrensregelungen handele, die nicht die Frage der Wirksamkeit der Einwilligung im Einzelfall regeln sollten.

7

Die Beklagten hafteten auch nicht wegen der inhaltlich unzureichenden Aufklärung der Klägerin über die mit der Lebendnierenspende verbundenen Folgen und Risiken. Zwar bestünden [X.] sowohl hinsichtlich des besonderen Risikos der Klägerin infolge ihrer eigenen, bereits vor der [X.] liegenden Nierenfunktionswerte als auch hinsichtlich des besonderen, durch die Grunderkrankung des [X.] erhöhten Risikos eines Transplantatverlusts. Ob das [X.] aufklärungspflichtig gewesen sei, sei unklar, könne aber zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Die festgestellten [X.] seien jedoch haftungsrechtlich irrelevant. Es greife der von den Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung, weil die Klägerin nicht plausibel dargelegt habe, dass sie im Falle einer hinreichenden Aufklärung von der Organspende abgesehen hätte.

II.

8

Die Revision ist begründet. Die [X.] bestehen zwar nicht bereits wegen des Verstoßes gegen die in § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.] niedergelegten formellen [X.] (1.). Die Klage ist jedoch jedenfalls dem Grunde nach wegen der inhaltlich unzureichenden Aufklärung der Klägerin über die Chancen und Risiken ihrer Lebendspende begründet (2.).

9

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Klagebegehren nicht schon wegen der vom Berufungsgericht festgestellten Verstöße gegen die formellen [X.] in § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.] begründet.

a) § 8 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben ([X.], [X.]) in der insoweit bis heute unveränderten Fassung vom 4. September 2007 haben - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - folgenden Wortlaut:

Abschnitt 3  Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spendern

§ 8 Entnahme von Organen und Geweben

(1)

1. die Person (…)

b) nach Absatz 2 Satz 1 und 2 aufgeklärt worden ist und in die Entnahme eingewilligt hat,

c) nach ärztlicher Beurteilung als Spender geeignet ist und voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird,

2. die Übertragung des Organs oder Gewebes auf den vorgesehenen Empfänger nach ärztlicher Beurteilung geeignet ist, das Leben dieses Menschen zu erhalten oder bei ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern, (…)

(2)

3. die Maßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen, sowie den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organ- oder Gewebeentnahme für seine Gesundheit, (…)

5. die zu erwartende Erfolgsaussicht der Organ- oder Gewebeübertragung (…)

Abschnitt 2  Entnahme von Organen und Geweben bei toten Spendern

§ 5 Nachweisverfahren

(…)

(2)

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Verstoß gegen die Vorgaben in § 8 Abs. 2 Satz 4 und 5 [X.] bejaht. Auch der als naheliegend erachtete Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist gegeben.

aa) Die unterschriebene "[X.]" genügt der nach § 8 Abs. 2 Satz 4 [X.] erforderlichen schriftlichen Aufzeichnung des "Inhalt(s) der Aufklärung" nicht. Zwar versichern die Klägerin und ihr Vater dort mit ihrer Unterschrift, sich über die Chancen und Risiken einer Nierenlebendspende ausreichend aufgeklärt zu fühlen und keine weiteren Fragen zu haben. In der Sache enthält die Checkliste jedoch vor allem eine Aufstellung über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen bestimmter Erklärungen und Untersuchungen; konkrete Risiken oder besondere Umstände der Lebendspende, die Inhalt einer Aufklärung der Klägerin gewesen wären, sind hingegen nicht notiert. Überdies enthält die Liste auch nicht die nach § 8 Abs. 2 Satz 5 [X.] in die Niederschrift aufzunehmenden Angaben über die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken.

bb) Die Klägerin ist entgegen § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] auch nicht in Anwesenheit eines weiteren, neutralen Arztes im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] aufgeklärt worden.

Die Bestimmungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.], die sich unmittelbar mit der Organentnahme bei toten Spendern befassen, sollen die Unabhängigkeit der für die Feststellung des [X.] verantwortlichen Ärzte von den [X.] gewährleisten und so mögliche Interessenkonflikte zwischen beiden Seiten vermeiden ([X.]. 13/4355 S. 19; Höfling/[X.], [X.], 2. Aufl., § 5 Rn. 7). Die todesfeststellenden Ärzte dürfen mit keiner ihrer Verhaltensweisen die Entnahme oder Übertragung durch die [X.] in irgendeiner Weise unmittelbar fördern (Höfling/[X.], aaO, Rn. 8); sie müssen im Hinblick auf die Spende vielmehr neutral sein ([X.] in Festschrift Dahm, 2017, [X.], 299). Die Garantie der Unabhängigkeit soll dahingehende Bedenken zerstreuen, dass der Hirntod nur deshalb diagnostiziert wird, weil Schwerkranken geholfen werden soll ([X.] in [X.]/König/[X.]/Oduncu, [X.], 2005, § 5 Rn. 4). Dies gilt aufgrund des Verweises in § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] entsprechend auch für die Aufklärung des Lebendspenders.

Nach dieser Maßgabe kommt der an dem [X.] beteiligte Beklagte zu 1 als die Nierenentnahme verantwortlich durchführender Chirurg von vornherein nicht als "weiterer Arzt" im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] in Betracht. Der ebenfalls an dem [X.] und zudem an dem [X.] beteiligte Beklagte zu 2 hat zwar nicht an der [X.] oder Übertragungsoperation mitgewirkt, fungierte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch als federführender Nephrologe und damit als der für die nierenkundliche Seite der Transplantation maßgeblich zuständige Arzt, der auch den Abschlussbericht vom 30. Dezember 2008 an die [X.] Transplantationsmedizin der [X.] unterzeichnet hat. Damit scheidet auch er als weiterer Arzt im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 3 [X.] aus. Gleiches gilt für die Beklagte zu 4, welche die unmittelbare Aufklärung für die Entnahmeoperation vorgenommen hat.

c) Der Verstoß gegen die vorgenannten Vorgaben des [X.]es führt indes nicht per se zur Unwirksamkeit der Einwilligung der Klägerin in die Organentnahme und zu deren Rechtswidrigkeit. Bei den unbeachtet gebliebenen Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] handelt es sich (lediglich) um Form- und Verfahrensvorschriften, welche die Pflicht des Arztes zur [X.] des Spenders begleiten. § 8 Abs. 2 Satz 5 [X.] betrifft allein die wirtschaftliche Aufklärung.

aa) Ob es sich bei den Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] um reine Form- und Verfahrensvorschriften handelt oder um Vorschriften, mit deren Befolgung die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Einwilligung in die Organentnahme steht und fällt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden.

(1) Die überwiegende Ansicht im Schrifttum sowie die bisher ergangene obergerichtliche Rechtsprechung halten die genannten Regelungen für bloße Form- und Verfahrensvorschriften. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich schon nach den Gesetzesmaterialien um lediglich verfahrensrechtliche Vorgaben handele, die eine autonome Entscheidung des Spenders bzw. die Freiwilligkeit der Spende absicherten ([X.], [X.], 1567, 1568 m. zust. [X.] Süß; [X.] in Festschrift Dahm, 2017, [X.], 300 ff.) und ihn vor übereilter Einwilligung schützen sollen ([X.], Die gesetzliche Regelung der Lebendspende von Organen in der [X.], 2004, [X.] ff.). Dabei komme den Formvorschriften doppelte Schutzfunktion zu, indem sie den Spender vor einem ungewollten Eingriff bewahren und dem explantierenden Arzt Beweismöglichkeiten für den Fall einer späteren Auseinandersetzung vor Gericht eröffnen sollen (vgl. [X.], Die gesetzliche Regelung der Lebendspende von Organen in der [X.], 2004, [X.]; [X.], [X.], 2012, [X.] f.; [X.], Transplantationsrecht - die Lebendspende und ihre Voraussetzungen im Überblick, in: [X.] juristische Seminararbeiten, Jahrbuch 2005, [X.], 66: vorrangig Beweis-und Entlastungsmittel zum Schutz des Arztes).

Daraus, dass der die Zulässigkeit der Organentnahme beim Lebenden regelnde § 8 Abs. 1 [X.] hinsichtlich der Aufklärung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b [X.]) nur auf die den Inhalt des Aufklärungsgesprächs normierenden Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] verweise, nicht aber auf die Vorschriften des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.], ergebe sich, dass die Wirksamkeit der Aufklärung weder von der Hinzuziehung des weiteren Arztes noch von der Verschriftlichung der Aufklärung abhänge ([X.] in Festschrift Dahm, 2017, [X.], 300, 302). Für diese Sichtweise sprächen ferner die gesetzlichen Regelungen zur Strafbarkeit einer Organentnahme: In § 19 Abs. 1 [X.] seien zwar Organentnahmen bei nicht volljährigen oder nicht einwilligungsfähigen Personen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a [X.]) oder bei unzureichender Aufklärung wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 Satz 1b [X.] unter Strafe gestellt, nicht aber die Organentnahme nach Aufklärung des Organspenders ohne die Hinzuziehung eines weiteren Arztes ([X.], [X.], 1567, 1568; [X.], [X.] 2017, 711, 712).

(2) Die Gegenansicht geht davon aus, dass ein Verstoß gegen die formellen Regelungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] zur Unwirksamkeit der Einwilligung und damit zur Rechtswidrigkeit der Organentnahme führt. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gebe die Regelung des § 8 [X.] eine formell und inhaltlich besonders ausgestaltete Aufklärungspflicht vor, die umfassend und ausnahmslos strikt einzuhalten sei, so dass bereits ein Verstoß gegen diese Bestimmungen eine Haftung des Arztes begründe, der den Regelverstoß zu vertreten habe ([X.], Urteil vom 16. August 2012 - 3 O 388/10, BeckRS 2012, 212970 Rn. 44). Dies folge schon aus dem verbindlichen Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben und aus der - jedenfalls sinngemäßen - Anwendung von § 125 BGB ([X.], [X.], 1181, 1184, 1186).

bb) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an.

(1) Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] ist allerdings für beide Deutungen offen, wobei die Formulierungen "hat zu" und "sind/ist zu" für eine höhere Verbindlichkeit der normierten Vorgaben sprechen. Diese Verbindlichkeit als solche besagt aber noch nichts über die sich aus einer Verletzung der Vorgaben ergebenden Rechtsfolgen. Sie kann auch durch niederschwellige haftungsrechtliche Folgen etwa in Gestalt der Beweislastverteilung im Rahmen der allgemeinen Haftungsbestimmungen (s. hierzu unten II.1.d) oder berufs-, standes- und aufsichtsrechtliche Maßnahmen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 [X.]) sichergestellt werden.

(2) Die Gesetzessystematik spricht gegen die Annahme, die Einhaltung der Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] sei für die Wirksamkeit der Einwilligung des Spenders konstitutiv.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b [X.] ist die Entnahme von Organen zum Zwecke der Übertragung auf andere bei einer lebenden Person nur zulässig, wenn die Person nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] aufgeklärt worden ist und in die Entnahme eingewilligt hat. Der Verweis auf die Sätze 1 und 2 des zweiten Absatzes, nicht aber auf dessen Sätze 3 bis 5, spricht dagegen, die in letzteren enthaltenen Vorgaben als Zulässigkeitsvoraussetzungen der Lebendspende zu verstehen ([X.], [X.], 1567, 1568; [X.] in Festschrift Dahm, 2017, [X.], 300, 302).

Von einem redaktionellen Versehen ist insoweit nicht auszugehen. Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 8 [X.] durch das Gesetz über die Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) vom 20. Juli 2007 ([X.] I 1574, 1579) Absatz 2 Satz 1 um das Gebot der Aufklärung durch einen Arzt "in verständlicher Form" ergänzt und den Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b [X.] auf den ebenfalls neu eingefügten Satz 2 des zweiten Absatzes, nicht aber auf die Regelungen in den nunmehrigen - und dem vorliegenden Rechtsstreit inmitten stehenden - Sätzen 3 bis 5 erstreckt (vgl. [X.] in Festschrift Dahm, 2017, [X.], 301). Von einer solchen Erweiterung hat der Gesetzgeber auch bei der bislang letzten Ergänzung des § 8 [X.] durch das Gesetz zur Änderung des [X.]es vom 21. Juli 2012 ([X.] I 1601, 1602) abgesehen. Dies spricht gegen ein redaktionelles Versehen und dafür, dass der Gesetzgeber die Einhaltung der [X.] aus § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] nicht zur Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung in eine Lebendspende erheben wollte (vgl. [X.], [X.], 1567, 1568).

Der Abgleich mit den Strafvorschriften des [X.]es ist in systematischer Hinsicht dagegen unergiebig. Zwar stellt die Strafbewehrung in § 19 Abs. 1 [X.] aufgrund des ausdrücklichen Normverweises nur - soweit in diesem Zusammenhang von Interesse - Verstöße gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und b, Nr. 4 [X.] unter Strafe, nicht aber solche gegen § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.]. Doch verbietet sich schon aufgrund des ultima ratio-Charakters des Strafrechts der Rückschluss, die Verletzung der dort nicht in Bezug genommenen [X.] könne nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen.

(3) Der Zweck der Vorschriften spricht ebenfalls für ihren im Ausgangspunkt formalen Charakter.

Sowohl das Schriftformerfordernis des § 8 Abs. 2 Satz 4 [X.] als auch das Erfordernis der Anwesenheit eines weiteren Arztes (§ 8 Abs. 2 Satz 3 [X.]) sind kein Selbstzweck, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers verfahrensrechtliche Vorgaben in Ergänzung der Aufklärungspflicht ([X.]. 13/4355 [X.] zu der § 8 [X.] weitgehend entsprechenden Vorschrift § 7 [X.]-E, hier zu § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b [X.]-E). Beiden Vorschriften kommt insoweit Nachweisfunktion zu, was typisches Kennzeichen rein formaler Vorschriften ist (vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.] 2018, 175, 177). Das Schriftformerfordernis begründet eine Dokumentationspflicht über den Inhalt der Aufklärung und Einwilligungserklärung ([X.]. 15/5050, [X.] - Bericht der Enquetekommission Ethik und Recht der modernen Medizin zur Organlebendspende) und dient hierdurch der [X.] ([X.], [X.], 2012, [X.]) und der [X.] ([X.]. 13/4355 S. 21 zu § 7 Abs. 2 Satz 3 [X.]-E; [X.]. 15/5050 [X.]; [X.], [X.] 1997, 147, 151; [X.], [X.], 2012, [X.]). Dies gilt auch für das Erfordernis der Anwesenheit eines weiteren Arztes, welches die formale Unabhängigkeit der Aufklärung absichert, mittelbar eine Selbstkontrolle der an der Transplantation beteiligten Mediziner bewirkt und hierdurch der Objektivität des Aufklärungsvorgangs dient (vgl. Höfling/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 84).

Im Hinblick auf die für die ordnungsgemäße [X.] darlegungs- und beweisbelastete [X.] (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - [X.]; NJW 2015, 74 Rn. 5, 9; vom 28. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1527 Rn. 11; vgl. nunmehr auch § 630h Abs. 2 BGB) dienen das Schriftformerfordernis und die Anwesenheit des weiteren Arztes der Beweissicherung ([X.], [X.], 2012, [X.]; [X.], Verfassungsrechtliche Aspekte der Lebendspende von Organen zu Transplantationszwecken, 2000, [X.], 143; [X.], Die gesetzliche Regelung der Lebendspende von Organen in der [X.], 2004 [X.]).

(4) Auch den weiteren Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] eine weitergehende Wirkung zukommen sollte. Den Vorschriften und den hierzu dem vorliegenden Verfahren inmitten stehenden Rechtsfragen wurde im Gesetzgebungsverfahren keine erhellende Beachtung geschenkt. Vielmehr galt der Schwerpunkt der Diskussion, soweit sie überhaupt die Lebendspende betraf, v.a. dem Erfordernis einer [X.] zwischen Spender und Empfänger, dem Vorrang der postmortalen Spende, der Vermeidung eines Kommerzialisierungseffekts sowie der Sicherung der Freiwilligkeit der Spenderentscheidung durch Einschaltung einer Gutachter-[X.] (vgl. [X.]. 13/99 S. 8821 - 1. Beratung [Abg. [X.]]; [X.]. 13/183 S. 16403 - 2. Beratung [Abg. [X.]]; [X.], Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses des [X.] am 15. Januar 1997, [X.] ff.; im Überblick [X.]/[X.], [X.] 1997, 195, 201; ausführlich zur Gesetzgebungshistorie [X.] in Festschrift [X.], 1999, S. 682 ff.).

(5) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich die Unwirksamkeit der Einwilligung der Klägerin in die Organentnahme ohne Einhaltung der Schriftform (§ 8 Abs. 2 Satz 4 [X.]) auch nicht aus § 125 Satz 1 BGB. Die Einwilligung in die mit einem ärztlichen Eingriff notwendig einhergehende Verletzung der körperlichen Integrität ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - [X.], [X.], 45, 47 f.; vom 5. Dezember 1958 - [X.], [X.], 33, 36; [X.], Urteil vom 2. Dezember 1963 - [X.], NJW 1964, 1177). Daher finden die Vorschriften über Willenserklärungen keine unmittelbare Anwendung (Senatsurteil vom 5. Dezember 1958 - [X.], [X.], 33, 36; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 630d Rn. 9).

Die analoge Anwendung der Vorschriften über die Willenserklärungen ist nur insoweit geboten, als es der Zweck des Gesetzes verlangt (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 1958 - [X.], [X.], 33, 36). Zweck der Formvorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 4 [X.] ist - wie oben ausgeführt ([X.])) - aber gerade nicht, die Schriftform zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Einwilligung in die Organentnahme zu erheben. Auch eine entsprechende Anwendung von § 125 Satz 1 BGB scheidet folglich aus.

cc) Dies gilt erst recht für die Vorgabe, dass die Niederschrift auch eine Angabe über die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken enthalten muss (§ 8 Abs. 2 Satz 5 [X.]). Eine Verletzung dieses allein die Verpflichtung zur wirtschaftlichen Aufklärung betreffenden und von der [X.] zu unterscheidenden Erfordernisses ist nach allgemeinen Grundsätzen für die Wirksamkeit der Einwilligung des Spenders in die Organentnahme als solche ohne Relevanz und damit auch nicht geeignet, eine Schmerzensgeldforderung zu begründen ([X.], [X.], 2012, [X.], 205). Die im Falle einer Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung in der Sache grundsätzlich denkbaren spezifischen Schadensersatzansprüche (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2000 - [X.], [X.], 3429, 3431 f.; vom 27. Oktober 1987 - [X.], [X.]Z 102, 106, 112; vom 1. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 2630; speziell zu § 8 Abs. 2 Satz 5 [X.] [X.], [X.], 2012, [X.] ff.) hat die Klägerin indes schon nicht geltend gemacht, entsprechend musste das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen treffen.

d) Auch wenn nach all dem eine Verletzung der verfahrenssichernden Vorschriften des § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.] nicht, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, per se zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Spenders in die Organentnahme führt, so sind die Vorgaben doch von beweisrechtlicher Relevanz (zur Nachweisfunktion s. bereits oben [X.])). An das Fehlen einer [X.] (§ 8 Abs. 2 Satz 4 und 5 [X.]) und an die Abwesenheit eines neutralen Arztes (§ 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]) ist - in Abgrenzung zu den allgemeinen Grundsätzen des Arzthaftungsrechts - eine erkennbare Beweisskepsis gegenüber einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu knüpfen.

Die gefestigte Rechtsprechung des Senats, wonach an den Nachweis der ordnungsgemäßen [X.] des Patienten im Allgemeinen lediglich moderate Anforderungen zu stellen sind (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - [X.], NJW 2015, 74 Rn. 9; vom 28. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1527 Rn. 11 ff.; vom 8. Januar 1985 - [X.], [X.], 361, 362), lässt sich auf die Aufklärung des Spenders über die Risiken einer Lebendorganspende nicht übertragen. Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.] sowohl die Anwesenheit eines neutralen Arztes beim Aufklärungsgespräch als auch die Dokumentation des wesentlichen, notwendig einzelfallbezogenen (vgl. hierzu Höfling/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 88; Edelmann, [X.], 1065, 1068) Inhalts des Aufklärungsgesprächs sowie der Einwilligungserklärung des Spenders durch eine von den aufklärenden Ärzten, dem neutralen Arzt und dem Spender zu unterzeichnende Niederschrift zwingend vorgegeben. Er hat insoweit die [X.] durch [X.] der Entscheidung enthoben, in welcher personellen Zusammensetzung sie die Aufklärung vornehmen und ob und in welcher Form sie sie dokumentieren will. Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Organentnahme für den Spender kein Heileingriff ist, sondern ihm grundsätzlich schadet und ihn gesundheitlich gefährden kann (vgl. [X.]. 13/4355, [X.]). Angesichts der vergleichsweise geringen Fallzahlen im Bereich der Lebendorganspende - im Jahr 2010 kam es deutschlandweit zu 665 Lebendnierentransplantationen ([X.]. 17/7376 S. 15) - kann eine Erinnerung des Arztes an den konkreten Fall jedenfalls für einige Zeit erwartet werden. Auch wird die Erinnerung des - vor der Organentnahme jedenfalls insoweit notwendig gesunden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c [X.]) - Spenders regelmäßig nicht durch therapeutische Interessen überlagert sein (vgl. zu diesen Kriterien Senatsurteile vom 30. September 2014 - [X.], NJW 2015, 74 Rn. 9; vom 28. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1527 Rn. 11; vom 8. Januar 1985 - [X.], [X.], 361, 362). Soweit sich die [X.] durch den gesetzeswidrigen Verzicht auf die Hinzuziehung eines neutralen Arztes eines potentiellen Zeugen und durch die [X.] einer den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 4 und 5 [X.] entsprechenden Niederschrift eines Beweismittels mit Indizwirkung begibt, hat sie sich eine daraus erwachsende Beweisnot selbst zuzuschreiben.

Im Ergebnis bleibt es zwar auch bei Nichteinhaltung der verfahrenssichernden Vorgaben aus § 8 Abs. 2 Satz 3 bis 5 [X.] im Einzelfall weiterhin möglich, in freier tatrichterlicher Beweiswürdigung die Überzeugung von Durchführung und Inhalt eines Aufklärungsgesprächs zu gewinnen (§ 286 Abs. 1 ZPO). Das Fehlen eines neutralen Zeugen (§ 8 Abs. 2 Satz 3 [X.]) und einer Niederschrift im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 4 und 5 [X.] wird jedoch in der Regel als starkes Indiz dafür heranzuziehen sein, dass eine Aufklärung nicht oder jedenfalls nicht in hinreichender Weise stattgefunden hat (vgl. [X.], [X.], 2012, [X.]). Denn die Einhaltung der Vorgaben des [X.]es ist unabdingbare Voraussetzung, wenn - um des Lebensschutzes willen - die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig gefördert werden soll (vgl. [X.], NJW 1999, 3399, 3402 zu § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

2. Die Berechtigung des Klagebegehrens jedenfalls dem Grunde nach folgt jedoch aus den festgestellten inhaltlichen Mängeln der [X.] der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für den insoweit von den Beklagten erhobenen Einwand der hypothetischen Einwilligung kein Raum.

a) Nach den - von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin unter Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] nicht hinreichend über die Erfolgsaussicht der [X.] aufgeklärt, weil sie auf das erhöhte Risiko des Transplantatverlusts bei ihrem Vater infolge von dessen Leichtkettenerkrankung nicht hingewiesen wurde. Ebenfalls unzureichend war die Aufklärung der Klägerin über die möglichen, auch mittelbaren Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organentnahme für ihre Gesundheit (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]). Angesichts ihrer bereits präoperativ im unteren Grenzbereich liegenden Nierenfunktionswerte hätte es eines konkreten Hinweises auf das hierdurch erhöhte Risiko bedurft und war die allgemeine Erläuterung, dass es grundsätzlich durch die Entnahme einer Niere zu einem Abfall der Nierenfunktionswerte komme, der nicht vollständig durch die verbleibende Niere kompensiert werde, unzureichend.

Angesichts dieser festgestellten Aufklärungsmängel kommt es auf das - vom Berufungsgericht zugunsten der Klägerin zusätzlich unterstellte - Bestehen eines Aufklärungserfordernisses hinsichtlich des sog. Fatigue-Syndroms für die vorliegende Entscheidung nicht an.

b) Hiergegen ist den Beklagten der Einwand, die Klägerin hätte auch bei ordnungsgemäßer [X.] in die Organentnahme eingewilligt (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens), verwehrt, weil dies dem Schutzzweck der erhöhten Aufklärungsanforderungen bei [X.] (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]) widerspräche.

aa) Der Gesetzgeber hat es für notwendig erachtet, für den Bereich der Organentnahme zu Lebzeiten, die kein Heileingriff ist, - anders als bei Heileingriffen - mit dem [X.] eine detaillierte gesetzliche Regelung zu schaffen, die u.a. besondere Anforderungen an die Aufklärung stellt ([X.]. 13/4355 [X.]). Eine - dem heutigen § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende - Regelung über die grundsätzliche Beachtlichkeit des Einwands der hypothetischen Einwilligung hat er im Rahmen des [X.]es dabei nicht getroffen. Da der Gesetzgeber gerade auf die Notwendigkeit einer detaillierten gesetzlichen Regelung der Lebendorganspende und den insoweit bestehenden Unterschied zu den für die Zulässigkeit des ärztlichen Heileingriffs geltenden allgemeinen Regeln und Rechtsgrundsätzen abgestellt hat (vgl. [X.]. 13/4355 [X.]), lassen sich die in der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 17. April 2007 - [X.], [X.], 999 Rn. 17; vom 27. März 2007 - [X.], [X.]Z 172, 1 Rn. 34; vom 15. März 2005 - [X.], [X.], 1716 f.; insoweit nicht abgedruckt in: [X.]Z 162, 320 ff.; vom 17. März 1998 - [X.], [X.], 766 f.; vom 7. Februar 1984 - [X.], [X.]Z 90, 103, 111) zum ärztlichen Heileingriff entwickelten und vom Gesetzgeber in § 630h Abs. 2 Satz 2 BGB für den Behandlungsvertrag übernommenen Grundsätze der hypothetischen Einwilligung nicht auf die Situation der Lebendorganspende übertragen. Anderes ergibt sich aufgrund des gesonderten Aufklärungsregimes des [X.]es auch nicht aus dem zur ebenfalls fremdnützigen Blutspende ergangenen Senatsurteil vom 14. März 2006 ([X.], [X.]Z 166, 336 Rn. 17).

bb) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des [X.] jedoch auch nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen und jenseits spezifischer arzthaftungsrechtlicher Regeln für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Dabei muss der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm darüber entscheiden, ob und inwieweit der Einwand im Einzelfall erheblich ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2016 - [X.]/15, NJW 2016, 3523 Rn. 7; [X.], Urteile vom 24. Oktober 1985 - [X.], [X.]Z 96, 157, 173; vom 25. November 1992 - [X.], [X.]Z 120, 281, 286; vom 9. März 2012 - [X.], [X.], 2022 Rn. 17; vom 2. November 2016 - [X.], NJW 2017, 1104 Rn. 23 ff.; vom 10. Juli 2018 - [X.], NJW 2018, 3574 Rn. 38 ff.).

cc) Hier steht der Schutzzweck der in § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] gesondert ausgestalteten Aufklärungspflicht der Erheblichkeit des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegen.

(1) In systematischer Hinsicht ist die ordnungsgemäße Aufklärung des Lebendorganspenders nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b [X.] Voraussetzung für die Zulässigkeit der Organentnahme. Organentnahmen unter vorsätzlichem Verstoß gegen die Aufklärungspflicht hat der Gesetzgeber eigenen strafrechtlichen Unrechtscharakter beigemessen (vgl. [X.]. 13/4355 S. 31) und die [X.] insoweit gesondert strafbewehrt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch kann sich deshalb bei Hinzutreten jedenfalls bedingten Vorsatzes auch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 19 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ergeben.

(2) Inhaltlich sollen die - vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten (vgl. [X.]. 13/4355 [X.], 21; [X.]. 13/183 S. 16403 - 2. Beratung [Abg. [X.]]) - [X.] des § 8 [X.] den Spender davor bewahren, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen (vgl. [X.]. 13/4355 [X.]; [X.], NJW 1999, 3399, 3401 zu § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Da die Ablehnung der Zustimmung für den Spender - im Unterschied zum Heileingriff - nicht die Gefahr einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bedeutet, sondern die Möglichkeit, sein gesundes Organ zu behalten, kann für ihn jedes Risiko von Bedeutung sein (vgl. bereits [X.], [X.], 1978, S. 49; zum Fehlen einer Nutzen-Risiko-Struktur Spickhoff, NJW 2006, 2075, 2076). Durch die Regelungen des § 8 [X.] soll der potentielle Lebendspender deshalb vor Gesundheitsgefährdungen möglichst weitgehend geschützt werden. Die Regelung bezweckt den "Schutz des Spenders vor sich selbst" (vgl. [X.], NJW 1999, 3399, 3402).

Jedenfalls bei der Spende eines - wie hier einer Niere - nicht regenerierungsfähigen Organs, die nach § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur für einen engen Verwandten, Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner, Verlobten oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, zulässig ist, befindet sich der Spender darüber hinaus in einer besonderen Konfliktsituation. Nach allgemeiner Erfahrung wird das Leiden eines anderen immer dann als besonders intensiv empfunden, wenn es sich um einen Verwandten oder sonst besonders nahestehenden Menschen handelt. In einer solchen Situation fühlt sich der potentielle Spender häufig sittlich verpflichtet, sein Organ zu spenden (vgl. [X.]. 13/4355 S. 21; zur Erwartungshaltung in der Familie vgl. [X.], Rechtsfragen der Organtransplantation, 1987, [X.]; [X.], [X.] 1992, 88, 90; zur Unterscheidung zwischen juristischer und "psychischer Freiwilligkeit" vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 2004, 19, 32; Winter, Psychologie der Lebendorganspende, 2015, [X.] ff.). Dies erhöht seine Bereitschaft, sich dem Eingriff zu unterziehen, in besonderem Maße. Dabei ist die echte Freiwilligkeit der Spenderentscheidung, die der Gesetzgeber als unerlässliche Voraussetzung einer Lebendspende erachtet hat, als Willensentscheidung immer nur begrenzt für Dritte feststellbar (vgl. [X.], NJW 1999, 3399, 3402).

(3) Die besondere Bedeutung, die der Gesetzgeber der Gewähr einer echten Freiwilligkeit beimisst, wird deutlich durch die verfahrensrechtliche Absicherung des Freiwilligkeitstestats durch die Einschaltung einer Gutachterkommission. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] hat diese [X.], der mindestens ein neutraler Arzt, eine Person mit der Befähigung zum Richteramt und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person angehören müssen (§ 8 Abs. 3 Satz 3 [X.]), vor jeder Lebendspende gutachterlich dazu Stellung zu nehmen, ob begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung in die Spende nicht freiwillig erfolgt ist (zur Entscheidungsfindung der [X.] vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Patientenautonomie am Beispiel der Lebendorganspende, 2006, [X.] ff.). Diese - im Rahmen der Prüfung der hypothetischen Kausalität nicht nachholbare - [X.] liefe leer, wenn sie auf der Grundlage einer unzureichenden Informationslage erfolgte.

dd) Vor diesem Hintergrund kann sich die [X.], die dem Spender ein Organ entnommen hat, ohne ihn zuvor hinreichend über die Chancen und Risiken der Spende aufzuklären, nicht darauf berufen, dass der Spender mit der Organentnahme auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung einverstanden gewesen wäre. Könnte die [X.] mit diesem Einwand eine Haftung abwenden, bliebe die rechtswidrige Organentnahme insoweit sanktionslos und würden die gesonderten Aufklärungsanforderungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] mitsamt der verfahrensrechtlichen Absicherung der Freiwilligkeitsentscheidung durch die [X.] (§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 3 [X.]) unterlaufen. Dies erschütterte das notwendige Vertrauen potentieller Lebendorganspender in die Transplantationsmedizin, ist doch - wie bereits ausgeführt - die Einhaltung der Vorgaben des [X.]es unabdingbare Voraussetzung, wenn - um des Lebensschutzes willen - die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig gefördert werden soll (vgl. [X.], NJW 1999, 3399, 3402 zu § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

ee) Hinzu tritt Folgendes: Die unzureichende Aufklärung des Spenders über die Chancen und Risiken einer Lebendorganspende macht nicht nur seine Einwilligung in die Organentnahme unwirksam, sondern ist grundsätzlich auch geeignet, die Entscheidung des Organempfängers in Frage zu stellen. Gerade im besonderen persönlichen Näheverhältnis des § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] werden das Risiko für den Spender sowie dessen Verhältnis zu den Genesungschancen des Empfängers typischer Weise auch für die Entscheidung des Empfängers von Bedeutung sein, ob er die Spende des ihm Nahestehenden überhaupt annehmen kann und will. Die Prüfung des rechtmäßigen Alternativverhaltens dürfte sich folglich nicht nur auf die Entscheidung des Spenders beschränken, sondern müsste sich auf die Annahmeentscheidung des Empfängers erstrecken. Die daraus notwendig folgende Verdoppelung der (ex post-) Prüfung einer hypothetischen Willensentscheidung, die vor dem Hintergrund der besonderen Konfliktsituation einer Lebendorganspende schon tatsächlich und ex ante für Dritte nur begrenzt feststellbar ist, ließe die Sicherungsmechanismen des § 8 [X.] [X.] leerlaufen.

c) Für einen Missbrauch der durch die Aufklärungsmängel geschaffenen Rechtsposition allein zu haftungsrechtlichen Zwecken (§ 242 BGB), der nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird, ist vorliegend nichts ersichtlich.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache mangels Entscheidungsreife zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren insbesondere noch festzustellen haben, welche der von der Klägerin geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen tatsächlich vorliegen und ursächlich auf ihre Nierenspende zurückzuführen sind. Zu klären sein wird auch die individuelle Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1 bis 4 für die festgestellten Aufklärungsmängel.

von [X.]     

      

[X.]     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Klein     

      

Meta

VI ZR 495/16

29.01.2019

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

§ 280 BGB, § 630a BGB, § 823 BGB, § 8 Abs 2 S 1 TPG, § 8 Abs 2 S 2 TPG, § 8 Abs 2 S 3 TPG, § 8 Abs 2 S 4 TPG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2019, Az. VI ZR 495/16 (REWIS RS 2019, 10941)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 418-419 NJW 2019, 1076 REWIS RS 2019, 10941

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 318/17 (Bundesgerichtshof)

(Aufklärung des Lebendorganspenders über die gesundheitlichen Folgen des Eingriffs)


I-8 U 115/12 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


VI ZR 415/18 (Bundesgerichtshof)

Aufklärungsanforderungen bei Lebendorganspende


VI ZR 505/14 (Bundesgerichtshof)

Ehrverletzung durch Verdachtsberichterstattung: Sinndeutung einer Äußerung; Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung


VI ZR 505/14 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.