Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2019, Az. 4 StR 16/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7895

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Gegenstand

Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes: Einführung einer fehlerhaft zustande gekommenen richterlichen Vernehmung als nichtrichterliche Vernehmung in die Hauptverhandlung; Ersetzung der persönlichen Vernehmung des Tatopfers


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. August 2018 wird als unbegründet verworfen, da die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

2. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§§ 74, 109 Abs. 2 JGG); jedoch hat er die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] vom 24. Januar 2019 bemerkt der [X.]:

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung der „§§ 168c Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 [X.], 58a, 247a sowie 255a [X.]“ rügt, kann der Begründung zu dem geltend gemachten Verfahrensfehler trotz der eingangs zitierten [X.] noch hinreichend entnommen werden, dass alleiniger Gegenstand der Verfahrensrüge die Verletzung der Anwesenheits- und Benachrichtigungsrechte des Angeklagten im Zusammenhang mit der richterlichen Vernehmung des [X.] ist. Weitergehende Verfahrensverstöße, etwa die Verletzung der §§ 255a, 247a [X.] oder des Art. 6 Abs. 3 lit. [X.], werden in der Revisionsbegründung nicht aufgegriffen und sind deshalb nicht Stoßrichtung der Rüge.

Der [X.] kann ausschließen, dass das Urteil auf einem Verstoß gegen § 168c Abs. 3 und Abs. 5 [X.] beruht.

Fehlerhaft zustande gekommene richterliche Vernehmungen, die wegen eines Verstoßes gegen § 168c [X.] nicht verwertet werden können, dürfen als nichtrichterliche Vernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 1. Dezember 1992 – 1 StR 759/92, [X.]R § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 15; und vom 31. Januar 2001 – 3 [X.], juris Rn. 6 mwN; [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 251 Rn. 15; KK-[X.]/Diemer, 8. Aufl., § 251 Rn. 19). Voraussetzung hierfür ist, dass die Anforderungen des § 251 Abs. 1 [X.] erfüllt sind, dass der Tatrichter sich des minderen Beweiswertes bewusst ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1997 – 5 [X.], [X.], 312, 313; Beschluss vom 27. Januar 2005 – 1 [X.], juris Rn. 6) und dass dieser die Verfahrensbeteiligten auf die beabsichtigte Verwertung als nichtrichterliche Vernehmung gemäß § 265 [X.] hingewiesen hat (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1997 – 5 [X.], aaO).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Anforderungen an die Ersetzung der persönlichen Vernehmung des [X.] durch die Vorführung der [X.] als nichtrichterliche Vernehmung gemäß §§ 255a Abs. 1, 251 Abs. 1 Nr. 3 [X.] sind erfüllt. Da die Erziehungsberechtigten des [X.] dessen Einvernahme wegen befürchteter psychischer Beeinträchtigungen endgültig verweigerten, konnte es „aus einem anderen Grunde“ im Sinne von § 251 Abs. 1 Nr. 3 [X.] in [X.] Zeit gerichtlich nicht vernommen werden (vgl. LR-[X.]/[X.]/[X.], 26. Aufl., § 251 Rn. 32; KK-[X.]/Diemer, 8. Aufl., § 251 Rn. 25; [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 251 Rn. 21; jeweils mwN). Das [X.] war sich des minderen Beweiswertes einer nichtrichterlichen Vernehmung ausweislich der Urteilsgründe bewusst.

2. Die Rüge, das [X.] habe den [X.] auf Einholung eines weiteren aussagepsychologischen bzw. kinderpsychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit des [X.] unter Bezug auf die eigene Sachkunde zu Unrecht abgelehnt, genügt zwar mit Blick auf die konkrete Bezugnahme auf Verfahrenstatsachen, die zur ersten Verfahrensrüge vorgelegt wurden, den Voraussetzungen, die an die Zulässigkeit einer Beweisantragsrüge zu stellen sind. Die Rüge ist jedoch aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift des [X.] unbegründet.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

Feilcke     

      

[X.]     

      

Meta

4 StR 16/19

24.04.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Offenburg, 2. August 2018, Az: 214 Js 17170/15 jug - 8 KLs

§ 168c Abs 3 StPO, § 168c Abs 5 StPO, § 244 Abs 3 S 2 StPO, § 251 Abs 1 Nr 3 StPO, § 255a Abs 1 StPO, § 265 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2019, Az. 4 StR 16/19 (REWIS RS 2019, 7895)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7895

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5 StR 67/21

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