26. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1947
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Das Versäumnisurteil des Senats vom 18.02.2003 wird aufrechterhalten.
Der Beklagte trägt die weiteren Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 56.000,-- € abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in I, I-Weg1 und I-Weg2. Die Grundstücke liegen an einem Hang, der von der Straße aus ansteigt.
Das westlich gelegene Grundstück der Kläger – I-Weg2 - ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. Der an der ca. 25 m langen Grenze zu dem Grundstück des Beklagten gelegene Teil wird als Garten genutzt; entlang der Grenze sind – neben Rasen - Büsche und Sträucher gepflanzt. Außerdem führt ein gepflasterter Weg östlich des Hauses zum rückwärtigen Grundstücksteil.
Im September 1997 begann der Beklagte mit dem Bau eines Einfamilienhauses auf seinem - bis dahin unbebauten - Grundstück I-Weg1. Im Zuge der Baumaßnahme ließ der Beklagte etwa drei Viertel seines Grundstücks bis auf das Niveau der Straße vertiefen. Davon betroffen war insbesondere auch der an das Grundstück der Kläger grenzende Bereich.
Einige Sträucher und Büsche, die die Kläger nach Beginn der Baumaßnahme des Beklagten anpflanzten, rutschten in Richtung des Nachbargrundstücks ab.
Die Kläger haben behauptet, die Vertiefung auf dem Grundstück des Beklagten habe an der gemeinsamen Grenze zu einem Höhenunterschied der Grundstücke von bis zu 2,5 m geführt.
Infolge der Vertiefung habe ihr Grundstück die notwendige Festigkeit verloren: Es sei Erdreich von ihrem Grundstück auf das Grundstück des Beklagten abgerutscht; außerdem habe der Boden in der Senkrechten an Festigkeit verloren. Es sei zu befürchten, dass auch der gepflasterte Weg beschädigt werde.
Die Kläger haben zunächst behauptet, ihr Grundstück habe vor den Bodenarbeiten des Beklagten eine Grundfestigkeit von 20 t/m² aufgewiesen, sodann behauptet, die frühere Grundfestigkeit habe mindestens 1 t/m² betragen.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, eine ausreichende Befestigung des klägerischen Grundstücks sowie der Böschung entlang der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken I-Weg1 und I-Weg2 in I (Grundbuchamt beim Amtsgericht Herford, Grundbuch I, G1 und G2) wiederherzustellen und zwar dergestalt, dass das klägerische Grundstück nach der Wiederherstellung der Befestigung in gleicher Weise belastet werden kann, wie es vor der Vertiefung auf dem Grundstück des Beklagten der Fall war und ein weiteres Abrutschen von Erdreich entlang der Böschung verhindert wird.
Antragsgemäß hat das Landgericht Bielefeld am 25.01.2001 ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen.
Nach form- und fristgerechtem Einspruch des Beklagten haben die Kläger sodann beantragt,
unter Abänderung des Versäumnisurteils vom 25.01.2001 den Beklagten zu verurteilen,
eine ausreichende Befestigung des klägerischen Grundstücks sowie der Böschung entlang der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken I-Weg1 und I-Weg2 in I (Grundbuchamt beim Amtsgericht Herford, Grundbuch I, G1 und G2) wiederherzustellen und zwar dergestalt, dass das klägerische Grundstück nach der Wiederherstellung der Befestigung in gleicher Weise belastet werden kann, wie es vor der Vertiefung auf dem Grundstück des Beklagten der Fall war, nämlich mit einer Grundfestigkeit von einer Tonne je Quadratmeter(1 t/m²) bis an die Grundstücksgrenze heran und ein weiteres Abrutschen von Erdreich entlang der Böschung verhindert wird.
Der Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 25.01.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Mangels Angabe einer bestimmten wiederherzustellenden Grundfestigkeit sei das in dem Versäumnisurteil zuerkannte Begehren der Kläger zu unbestimmt.
Er hat die Auffassung vertreten, der Klage fehle das Rechtsschutzinteresse, da sein Bauvorhaben noch nicht abgeschlossen sei; - unstreitig sind die Außenanlagen noch nicht hergerichtet. Die Kläger könnten allenfalls eine vorläufige Abstützung der Grundstücksgrenze fordern.
Im Übrigen sei die Festigkeit des Grundstücks der Kläger in keiner Weise durch die Baumaßnahme gefährdet.
Der Bodenaushub auf seinem Grundstück sei, so hat der Beklagte behauptet, nicht bis unmittelbar an die Grundstücksgrenze heran erfolgt. Im straßennahen Grenzbereich habe zudem angeschobener Boden aus der Baugrube für eine Befestigung gesorgt. Soweit es im mittleren Grenzbereich zu geringfügigen Erdabrutschen gekommen sei, sei allein sein eigenes Grundstück hiervon betroffen gewesen. Im rückwärtigen Grundstücksbereich bestehe ohnehin nur ein Höhenunterschied von ca. 50 cm.
Soweit Bepflanzungen aus der Zeit nach erfolgter Vertiefung abgerutscht seien, fehle es an dem notwendigen Ursachenzusammenhang. Vielmehr hätten die Kläger eigenverantwortlich den Boden aufgelockert. Die frühere Benutzbarkeit als Rasenfläche sei durch die Vertiefung seines Grundstücks keinesfalls beeinträchtigt.
Das Landgericht Bielefeld hat nach Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme der zu den Akten gereichten Lichtbilder der Grundstücke (Bl. 32 – 35 d. A.) mit Urteil vom 05.04.2001 dem geänderten Klagebegehren der Kläger entsprochen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der um die Angabe einer bestimmten Grundfestigkeit ergänzte Klageantrag sei hinreichend bestimmt i.S. des § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Es bestehe auch ein Rechtsschutzinteresse für die Klage, da die Kläger die Beseitigung einer aktuellen Grundstücksbeeinträchtigung verlangten.
Der Beseitigungsanspruch ergebe sich aus § 1004, 909 BGB. Die Lichtbilder der Örtlichkeit belegten, dass Büsche und Erdreich von dem Grundstück der Kläger auf das Grundstück des Beklagten abgerutscht seien. Es sei auch nicht zweifelhaft, dass dies auf die von dem Beklagten veranlasste Vertiefung seines Grundstücks zurückzuführen sei, ohne dass es auf die genaue Höhendifferenz zwischen den Grundstücken ankomme. Dass die Differenz erheblich sei, zeigten die Lichtbilder. Die Kammer schließe aus eigener Sachkunde, dass eine solche Abgrabung dazu führe, dass der Boden am Rand an Grundfestigkeit verliere.
Auch wenn die Baumaßnahme des Beklagten noch nicht abgeschlossen sei, seien die Kläger nicht zur vorübergehenden Duldung des vorhandenen Grenzzustandes verpflichtet.
Der Beseitigungsanspruch der Kläger sei auf Wiederherstellung einer Grundfestigkeit des Bodens von mindestens 1 t/m² gerichtet. Dass vor der Vertiefung eine solche Festigkeit des Bodens bestanden habe, schließe die Kammer aus eigener Sachkunde. Unerheblich sei im Übrigen, ob der Boden im Grenzbereich vor der Vertiefung als Rasen oder als Beet genutzt worden sei.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Beklagte sein Ziel, die Abweisung der Klage, weiter. Zur Begründung nimmt er auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und macht im Wesentlichen Folgendes geltend:
Bestritten bleibe, dass Erdreich von dem Grundstück der Kläger im Grenzbereich abgerutscht sei. Zumindest seien die Vertiefungsarbeiten auf seinem Grundstück, welche in einem Grenzabstand von mindestens 1,5 m erfolgt seien, nicht ursächlich.
Ebenso bleibe bestritten, dass das klägerische Grundstück vor Ausführung der Arbeiten eine Grundfestigkeit von mehr als 0,5 t/m² aufgewiesen habe; vorsorglich behauptet der Beklagte gleichzeitig, dass auch heute noch eine Grundfestigkeit von mindestens 1 t/m² vorhanden sei. Sollte die derzeitige Grundfestigkeit geringer sein als jene vor der Vertiefung seines Grundstücks, sei letztere hierfür nicht ursächlich.
Der Beklagte hat zunächst beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 05.04.2001 das Versäumnisurteil vom 25.01.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.02.2003 ist gegen den Beklagten ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte am 10.03.2003 Einspruch eingelegt; dabei ist der Rechtsstreit in dem Einspruchsschriftsatz mit "I1 ./. I2" bezeichnet.
Der Beklagte beantragt nunmehr,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 18.02.2003 und unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils das Versäumnisurteil vom 25.01.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
das Versäumnisurteil vom 18.02.2003 aufrechtzuerhalten.
Mit einer am 15.10.2001 eingelegten Hilfsanschlussberufung begehren sie im Übrigen,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Grundstück des Beklagten sowie die Böschung entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze so befestigt wird, dass kein Erdreich von dem Grundstück der Kläger auf das Grundstück des Beklagten abrutscht bzw. kein Erdreich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze abbröckelt.
Der Beklagte beantragt,
die Hilfsanschlussberufung zurückzuweisen.
Die Kläger vertreten die Auffassung, der Einspruch des Beklagten richte sich nur insoweit gegen das Versäumnisurteil vom 18.02.2003, als es von der Klägerin zu 2) erstritten worden sei.
In der Sache verteidigen sie die landgerichtliche Entscheidung und wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Kläger behaupten, der durch die Vertiefung auf dem Grundstück des Beklagten, die bis an die Grundstücksgrenze herangeführt worden sei, entstandene Höhenunterschied an der Grundstücksgrenze betrage zwischen 0,80 m und 3,00 m. Für ihr Grundstück bestehe Einsturzgefahr; wegen der beeinträchtigten Tragfähigkeit des Bodens sei eine Belastung eines Grenzstreifens von ca. 3 m Breite nicht zulässig. Zur Stütze ihres Sachvortrags legen die Kläger weitere Lichtbilder (Hülle Bl. 123a, Bl. 163-164 d.A.) sowie ein Privatgutachten des Erdbaulabors T vom 02.11.2001 vor, dessen Inhalt sich aus Bl. 123 a d.A. (Hülle) ergibt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des C und des B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.01.2003 und die schriftliche Gutachtenergänzung des Sachverständigen C vom 12.02.2003 verwiesen. Der Sachverständige C hat seine Feststellungen im Termin vor dem Senat am 17.06.2003 mündlich erläutert; insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 17.06.2003 (Bl. 250 – 253 d.A.) Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.03.2003 form- und fristgerecht Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 18.02.2003 eingelegt hat, ist in vollem Umfang erneut über das Berufungsbegehren zu entscheiden. Wie sich aus dem Berufungsantrag ersehen lässt, ist der Einspruch nicht auf das Prozessverhältnis zur Klägerin zu 2) beschränkt. Dass bei der Kurzbezeichnung des Rechtsstreits allein der Name der Klägerin zu 2) genannt ist, ist ersichtlich eine irrtümliche Falschbezeichnung.
II.
In der Sache bleibt der Einspruch aber ohne Erfolg.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1.
Der mit dem angefochtenen landgerichtlichen Urteil zuerkannte Klageantrag ist i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Die Leistungsklage muss im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung und die Zwangsvollstreckung klar bestimmen, welche konkrete Leistung von dem Beklagten gefordert wird.
Dazu gehört nicht die Angabe, welche einzelnen Maßnahmen der Beklagte zur Beseitigung der Folgen der Grundstücksvertiefung ergreifen soll; - die Auswahl der Befestigungs- und Sicherungsmaßnahmen ist vielmehr ihm zu überlassen. Begehrt der beeinträchtigte Grundstückseigentümer die Wiederherstellung einer bestimmten Festigkeit des Bodens, ist jedoch dieser konkrete Erfolg zu bezeichnen (vgl. BGH NJW 1978, 1584, 1585).
Diesen Anforderungen genügt das Klagebegehren, in welchem die frühere und wiederherzustellende Grundfestigkeit, d.h. Tragfähigkeit des Bodens mit 1 t/m² angegeben wird.
Dass, wie das Landgericht zutreffend ausführt, das Rechtsschutzinteresse der Kläger zu bejahen ist, wird von dem Beklagten in der Berufung nicht mehr angezweifelt.
2.
Danach kann derjenige, dessen Grundstück durch die Vertiefung des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, ohne dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist, von dem Nachbarn die Beseitigung der Grundstücksbeeinträchtigung verlangen.
Das Grundstück der Kläger hat durch die Vertiefung des Grundstücks des Beklagten die erforderliche Stütze verloren.
Geschützt wird die Stütze in der Waagerechten und in der Senkrechten. Sie ist verloren bei Einsturzgefahr, sei es durch ein Absacken des Bodens wegen einer Beeinträchtigung der Bodenfestigkeit, sei es durch ein seitliches Abrutschen. In welchem Umfang eine Stütze im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen, insbesondere nach der vorhandenen oder zu erwartenden Nutzung des Nachbargrundstücks (BGHZ 63, 176, 179).
Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass die Kläger den an den Grundstück des Beklagten angrenzenden Teil ihres Grundstücks als Garten nutzten und weiterhin nutzen wollen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob dort vor Beginn der Bau- und Vertiefungsmaßnahmen des Beklagten nur Rasen vorhanden war und die Anpflanzung der Sträucher und Büsche erst später erfolgte. Auch eine solche Art der Gartennutzung war zu erwarten, auch hierfür muss dem klägerischen Grundstück die erforderliche Stütze verbleiben.
Dass das Grundstück der Kläger in dem grenznahen Bereich diese erforderliche Stütze verloren hat, steht nach Einholung der schriftlichen Sachverständigengutachten und den mündlichen Erläuterungen durch den Sachverständigen C zur Überzeugung des Senats fest.
Zwar hat die durch den Sachverständigen B erfolgte Vermessung der Nachbargrundstücke ergeben, dass sich die Böschungsoberkante über die gesamte Länge der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück des Beklagten befindet, bislang also das klägerische Grundstück nicht seitlich eingestürzt ist. Dies ergibt sich aus dem dem Gutachten des Sachverständigen C vom 10.01.2003 beigefügten Vermessungsplan.
Es genügt jedoch schon die Gefahr des Einstürzens. Dass diese gegeben ist, hat der Sachverständige C, gestützt auf seine eigenen Feststellungen, jene des Sachverständigen B sowie die dem ingenieurgeologischen Büro G übertragenen Bodenuntersuchungen, im Senatstermin am 17.06.2003 anschaulich und überzeugend dargestellt. Maßgeblich für die Gefahr eines Erdabrutsches oder eines Böschungsbruchs sind dabei u.a. und insbesondere die Höhe des Geländesprungs, die Tiefe der Böschung und die Beschaffenheit des Bodenmaterials.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, ist insoweit von Folgendem auszugehen:
Sowohl im vorderen, d.h. straßennahen Bereich als auch im mittleren Bereich – über die gesamte Tiefe des Hauses des Beklagten hinweg – zeigen die Querprofile der Böschung Höhendifferenzen zwischen 1,14 und 3,46 m. Lediglich im rückwärtigen Bereich des Grundstücks gibt es keinen erheblichen Geländeversprung. Die Böschungsoberkante befindet sich über ihre gesamte Länge in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze, teilweise in nur 15 cm Abstand. Die auf dem Grundstück des Beklagten vorhandene Böschung, die durch das Aufschieben von Baugrubenerdreich bzw. eine Wiederanfüllung des Bodens entstanden ist, weist Neigungswinkel zwischen 27,88° und 69,93° auf.
Der auf dem Grundstück der Kläger befindliche Boden – ebenso wie jener auf dem Grundstück des Beklagten – besteht überwiegend aus Schluff mit Beimengen von Feinsand. Der Boden weist damit eine weiche Konsistenz auf und ist insbesondere bei Durchfeuchtung durch Regen in besonderem Maße einsturzgefährdet. Der Sachverständige C stützt diese seine Feststellungen zur Bodenbeschaffenheit insbesondere auf die von dem geologischen Büro G an drei verschiedenen Stellen ausgebrachten Rammkernsondierungen. Die Ergebnisse der Untersuchung dieser Bodenproben lassen Rückschlüsse auf die Konsistenz des Bodens im gesamten Grenzbereich zu. Veranlassung zur Ausbringung weiterer Rammkernsondierungen hat der Sachverständige nicht gesehen und sieht auch der Senat nicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist vielmehr davon auszugehen, dass die Punkte, an denen die Rammkernsondierungen ausgebracht wurden – sie sind aus dem Ergänzungsgutachten vom 12.02.2003 beigefügten Lageplan ersichtlich -, für den Zustand auch des übrigen Bodens repräsentativ sind. Nach den erfolgten Untersuchungen war der untersuchte Boden jeweils von ähnlicher Beschaffenheit; Anhaltspunkte, dass der übrige Boden maßgeblich anders beschaffen ist, sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht vorgetragen.
Die zusätzlich durch G im grenznahen Bereich auf dem klägerischen Grundstück ausgebrachten Rammsondierungen ergaben Schlagzahlen von durchschnittlich 10,43 Schlägen pro 10 cm Eindringtiefe, was auf eine geringe Tragfähigkeit des Bodens in Grenznähe schließen lässt. Auch insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des Sachverständigen C, der die angestellten Untersuchungen als repräsentativ einordnet und weitere Rammsondierungen nicht für notwendig erachtet, an. Dem steht nicht entgegen, dass die beiden grenznah erfolgten Rammsondierungen – LRS 2 und 3 – auf der Höhe des größten Geländeversprungs und damit an der offensichtlich kritischsten Stelle der Böschung ausgebracht wurden. Maßgeblich für die Belastbarkeit ist insbesondere die Beschaffenheit des Erdreichs; wie bereits ausgeführt, haben die Untersuchungen ergeben, dass der Boden des klägerischen Grundstücks insbesondere im Grenzbereich keine unterschiedlichen Qualitäten aufweist. Dies lässt den Schluss zu, dass auch die Tragfähigkeit des Bodens insgesamt ähnlich zu beurteilen ist.
Anhand dieser Tatsachengrundlagen hat der Sachverständige C – für den Senat überzeugend – festgestellt, dass die zur Zeit vorhandenen Böschungsneigungen auf dem Grundstück des Beklagten zu groß sind, um die Gefahr eines Böschungsabbruchs oder von Erdrutschen, welche auch das klägerische Grundstück betreffen würden, zu beseitigen. Erfahrungsgemäß sei bei den gegebenen örtlichen Verhältnissen im Verhältnis 1:1,5 abzuböschen, was hier lediglich auf der Höhe des in Straßennähe befindlichen Querprofils 1, nicht aber auf der Höhe der übrigen vier Querprofile erfolgte. Dort fanden sich deutlich größere Neigungswinkel.
Zu den Folgen der zu steilen Böschung hat der Sachverständige anschaulich und überzeugend ausgeführt, dass eine Einsturzgefahr nicht lediglich bei Aufbringen besonderer Lasten auf dem klägerischen Grundstück besteht, sondern dass es hierzu schon allein bei starken Regenfällen kommen kann.
Dies gilt insbesondere für einen Bereich über eine Länge von ca. 10 m, gerechnet von der Höhe der Mitte des Eingangspodestes des Hauses des Beklagten in Richtung Straße.
Mit der Gefahr des seitlichen Einstürzens, die bereits den Verlust der erforderlichen Stütze i.S. des § 909 BGB begründet, hat das klägerischen Grundstück in Grenznähe auch die erforderliche Stütze in vertikaler Hinsicht verloren, d.h. über einen Grenzstreifen von ca. 3 m Breite ist die für die Gartennutzung mindestens notwendige Grundfestigkeit, d.h. Tragfähigkeit des Bodens von 1 t/m² verloren gegangen. Diese Maßangabe entspricht, wie der Sachverständige C bestätigt hat, etwa 10 kN/m².
Bei der Bemessung der erforderlichen Tragfähigkeit ist die Art der Bodennutzung, insbesondere der Umstand, in welcher Tiefe Lasten auf oder in den Boden eingebracht werden sollen, zu berücksichtigen. Hier geht es um eine Nutzung des fraglichen Grundstücksbereichs als Garten. Dass hierfür die – verhältnismäßig geringe – Tragfähigkeit von 1 t/m² erforderlich ist, stellt der Beklagte nicht in Frage.
Unter Berücksichtigung dieses Nutzungszwecks ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C die derzeit vorhandene Tragfähigkeit des Bodens auf dem bezeichneten Grenzstreifens mit weniger als 1 t/m² zu beziffern. Wie bereits ausgeführt, ist der Boden dort derart aufgelockert, dass er schon ohne Aufbringung von Lasten absacken kann. Der Boden vermag auch nur geringe Lasten, wie sie im Rahmen einer Gartennutzung durch Begehen oder Bepflanzen entstehen, nicht sicher zu tragen.
Die Gefahr des seitlichen Abrutschens und der Verlust der für die Gartennutzung notwendigen Tragfähigkeit des Bodens sind durch die Vertiefung des Grundstücks des Beklagten verursacht worden. Auch dies hat die Beweisaufnahme durch Hinzuziehung der Sachverständigen ergeben.
Soweit es um die Gefahr des Erdrutsches oder Böschungsbruchs geht, erscheint es nicht zweifelhaft, dass diese Gefahr allein durch die Vertiefung des Grundstücks des Beklagten entstand. Vor Beginn dieser Baumaßnahme war das Grundstück des Beklagten, wie zwischen den Parteien nicht streitig ist und auch aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, eine grasbewachsene Fläche, die sich ohne Geländeversprung an den Garten der Kläger anschloss und lediglich – ebenso wie das Nachbargrundstück - die Hanglage zur Straße aufwies.
Dass die Vertiefung auch für den Verlust der sog. Grundfestigkeit ursächlich ist, ergibt sich nach der Beweisaufnahme aus Folgendem:
Wie der Sachverständige C im Verhandlungstermin vor dem Senat dargelegt hat, lag - unter Berücksichtigung der Bodenbeschaffenheit und der Erkenntnisse aus den Rammsondierungen - die Tragfähigkeit des Bodens im Grenzbereich vor der Vertiefung bei ca. 60 – 80 kN/m², d.h. 6 – 8 t/m².
Die im grenzfernen Bereich auf dem Grundstück der Kläger ausgebrachten Rammsondierungen – insbesondere LRS 1 und 5 –ergaben mit Schlagzahlen von durchschnittlich 15 – 18 Einschlägen pro 10 cm Einschlagtiefe eine deutlich höhere Tragfähigkeit des Bodens als die Rammsondierungen in Grenznähe. Angesichts der ähnlichen Beschaffenheit des untersuchten Bodenmaterials lässt dies auf eine entsprechende frühere Tragfähigkeit des Bodens im Grenzbereich schließen.
Die unterschiedlichen Messergebnisse der Rammsondierungen sprechen dafür, dass die nunmehr vorhandene geringere Tragfähigkeit in Grenznähe auf die durch die Vertiefung verursachte Auflockerung des Bodens - und nicht etwa auf einzelne Anpflanzungen durch die Kläger - zurückzuführen ist. Dass eine Vertiefung in dem Umfang, wie sie der Beklagte vorgenommen hat und wie sie aus den Lichtbildern ersichtlich ist, zu einer erheblichen Auflockerung des benachbarten Bodens führt, erscheint ohne weiteres einleuchtend.
Der Beklagte hat nach der Vertiefung seines Grundstücks, durch die das Grundstück der Kläger die erforderliche Stütze verloren hat, nicht für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt. Dies ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen.
Die Kläger sind nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung des Grenzzustandes verpflichtet. Eine Duldungspflicht – etwa bis zur Herrichtung der Außenanlagen auf dem Grundstück des Beklagten - ergibt sich insbesondere nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis.
Der Beklagte ist zur Beseitigung der Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger verpflichtet, wobei ihm die Auswahl der konkreten Befestigungsmaßnahmen überlassen bleibt.
III.
Nachdem die Berufung ohne Erfolg bleibt, ist über die Hilfsanschlussberufung der Kläger nicht zu entscheiden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Nr. 1 ZPO. Ebensowenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Nr. 2 ZPO.
Meta
08.08.2003
Oberlandesgericht Hamm 26. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 08.08.2003, Az. 26 U 113/01 (REWIS RS 2003, 1947)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 1947
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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