Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 262/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2295

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/00
Verkündet am: 15. Juli 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BeurkG § 17 Abs. 1 Satz 1

Soll der Notar ein Geschäft beurkunden, das erkennbar rechtlich undurchführbar ist, hat er die Beteiligten darüber zu belehren.

[X.] § 19 Abs. 1 Satz 2

Ansprüche gegen den Vertragspartner des durch eine notarielle Amtspflichtverletzung Geschädigten, der im Falle seiner Inanspruchnahme seinerseits einen Ersatzan-spruch gegen den Notar hat, weil er selbst in den Schutzbereich der verletzten Amts-pflichten einbezogen ist, scheiden als anderweitige Ersatzmöglichkeit regelmäßig aus.

[X.], Urteil vom 15. Juli 2004 - [X.]/00 - [X.] - 2 - [X.] - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2004 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des [X.] werden die Urteile des 3. Zivilsenats des [X.] vom 24. Mai 2000 und der 6. Zivilkammer des [X.] vom 16. Juni 1999 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus der Beurkundung der [X.] vom 31. Mai 1994 - [X.] 392/94 und 393/94 - entstanden sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Über das Vermögen der [X.] (fortan: [X.]) wurde am 19. Februar 1992 ein [X.] eröffnet. An dem Betriebsgrundstück der Schuldnerin besaß die frühere Anteilseigne-rin, die [X.], ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht, das durch eine - 4 - Rückauflassungsvormerkung gesichert war; nachrangig war das Grundstück außerdem mit einer Grundschuld belastet. Nachdem der [X.] mit - von dem verklagten Notar beurkundetem - Vertrag vom 18. August 1992 das Betriebsgrundstück verkauft hatte, übte die Treuhand-anstalt ihr Vorkaufsrecht aus. Daraufhin wurde der Kaufvertrag nicht [X.].

Mit am 31. Mai 1994 von dem Beklagten beurkundeten Verträgen kaufte [X.]als Treuhänder des [X.] zum einen von der [X.] die "Rückauflassungsvormerkung" zu einem Preis von 805.000 DM und zum andern von dem [X.] das Grundstück zum Preis von 1.095.000 DM. Ziel der vertraglichen Konstruktion war es, dem Erwerber die durch die Rückauflassungsvormerkung gesicherte Position mit dem Rang vor der Grundschuld zu verschaffen. Dieses Vorha-ben scheiterte an der - von allen Beteiligten übersehenen - Vorschrift des § 512 BGB a.F. Danach ist die Ausübung eines schuldrechtlichen Vorkaufs-rechts ausgeschlossen, wenn der Verkauf im Wege der Zwangsvollstrek-kung oder aus einer Insolvenzmasse erfolgt.

[X.]erstritt ein rechtskräftiges Urteil gegen die [X.] auf Rückzahlung des Kaufpreises für die "Rückauflassungsvormerkung". Dieser wurde ihm daraufhin erstattet. Der Kaufpreis für das Grundstück [X.] bislang nicht bezahlt.

Aus dem vorstehenden Sachverhalt sich ergebende, gegenwärtige und zukünftig entstehende Schadensersatzansprüche trat [X.]

an den Kläger ab. - 5 -

Dieser hat Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten erhoben, dem Kläger sämtliche aus der Beurkundung der [X.] vom 31. Mai 1994 entstandene Schäden zu ersetzen. Landgericht und Oberlan-desgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Feststellung.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe die ihm aus § 17 Abs. 1 BeurkG dem Kläger gegenüber obliegenden notariellen Amts-pflichten verletzt. Er habe bei der Beurkundung der Abtretung des Rückauf-lassungsanspruchs nicht auf die (damals noch geltende) Vorschrift des § 512 BGB und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit des [X.] hingewiesen. Der Kläger habe schlüssig vorgetragen, daß ihm auf-grund dieser Pflichtverletzung ein Schaden entstanden sei. Möglichen Er-satzansprüchen stehe jedoch das [X.] des § 19 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegen. Der Kläger habe es schuldhaft versäumt, gegen-über der [X.] einen Anspruch auf "großen" Schadensersatz durchzusetzen. Gegebenenfalls wäre der Kläger so zu stellen gewesen, wie - 6 - er gestanden hätte, wenn ihm die [X.] die nach dem notariellen Vertrag geschuldete Grundbuchposition verschafft hätte. Die Berufung auf das [X.] sei dem Beklagten nicht deshalb verwehrt, weil die [X.] ihrerseits möglicherweise Ersatzansprüche gegenüber dem Beklagten hätte geltend machen können. Grundsätzlich scheide das [X.] nur dann aus, wenn dem anderweitig Haftenden seinerseits dieses Privileg zustehe.

I[X.]

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist gerechtfertigt.

1. Die Ansicht der Vorderrichter, der Beklagte habe seine notariellen Amtspflichten verletzt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 [X.]), indem er - unter Außer-achtlassung des § 512 BGB a.F. - die "Übertragung einer [X.]" beurkundet habe, wird von der Revisionserwiderung [X.]. Sie ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts war dieses Rechtsge-schäft zwar nicht unwirksam. Es war nur rechtlich undurchführbar, weil es den Vertragsgegenstand - dies war der [X.]; mit des-sen Übertragung wäre die Vormerkung nach § 401 BGB mitübergegangen - nicht gab. Das Vorkaufsrecht, dessen Ausübung den [X.] hätte auslösen können, war durch § 512 BGB a.F. ausgeschlossen. Ein Notar, dem angesonnen wird, ein rechtlich undurchführbares Geschäft - 7 - zu beurkunden, muß die Beteiligten zumindest über die erkennbaren rechtli-chen Schwierigkeiten und die daraus folgenden Haftungsrisiken (vgl. §§ 437, 440, 323 Abs. 3 BGB a.F.) belehren. Denn die rechtliche Undurch-führbarkeit eines Geschäfts berührt dessen "rechtliche Tragweite" (§ 17 Abs. 1 BeurkG).

2. Auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe schlüssig dargelegt, daß ihm ein Schaden entstanden sei oder daß ein sol-cher zumindest drohe, wendet sich die Revisionserwiderung nicht. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht, daß ein Schaden in vollem Um-fang ausgeschlossen ist. Dies reicht aus, um die begehrte Feststellung aus-zusprechen.

3. Der Schaden ist durch die Pflichtverletzung entstanden. Nach der nicht bestrittenen Behauptung des [X.] hätte er die beiden Verträge vom 31. Mai 1994 nicht abgeschlossen, wenn der Beklagte auf die Problematik hingewiesen hätte.

4. Die Ansicht des [X.] wie auch des Berufungsgerichts, möglichen Ersatzansprüchen könne der Beklagte das [X.] (§ 19 Abs. 1 Satz 2 [X.]) entgegenhalten, wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.

a) Falls der Kläger - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - seine Rechte gegenüber der [X.] nicht bestmöglich gewahrt hat, ist dies unerheblich. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Schadensersatzanspruch gegen einen [X.] nicht als anderweitige Er-- 8 - satzmöglichkeit anzusehen, wenn der Dritte ebenfalls in den Schutzbereich der verletzten [X.] einbezogen war. Gegebenenfalls würde der Notar, falls er den Geschädigten auf den Ersatzanspruch gegen den [X.] verweisen dürfte, sofort von diesem in Anspruch genommen (vgl. [X.], [X.]. v. 10. Dezember 1998 - [X.] ZR 244/97, [X.]R [X.] § 19 Abs. 1 Satz 2 - Subsidiarität 4; Urt. v. 6. Juli 2000 - [X.] ZR 88/98, [X.], 1808, 1811; v. 24. Oktober 2002 - [X.], NJW 2003, 202, 204). In den Schutzbereich der [X.] können nicht nur die Organe einer durch den Notar geschädigten juristischen Person ([X.], [X.]. v. 10. Dezember 1998, [X.]O), sondern auch die rechtsgeschäftlichen Vertreter des Geschä-digten ([X.], Urt. v. 6. Juli 2000, [X.]O) und die andere Vertragspartei einbezogen sein ([X.], Urt. v. 24. Oktober 2002, [X.]O).

b) Im vorliegenden Fall war die [X.] in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht einbezogen. Wenn der Beklagte den Käufer des vormerkungsgesicherten [X.]s - nämlich den Treu-händer des [X.] - darüber aufklären mußte, daß dieser Anspruch wegen § 512 BGB a.F. nicht besteht, so traf ihn eine entsprechende Pflicht auch gegenüber dem Verkäufer, also der [X.].

c) Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf [X.], daß der [X.]anspruch des Vertragspartners gegen den Notar "anderen rechtlichen Voraussetzungen unterliegen", insbesondere wegen eigener Mitverantwortlichkeit nach § 254 BGB eingeschränkt oder verjährt sein könne. Beide Gesichtspunkte sind nicht tragfähig.
- 9 - [X.]) Zu der Frage, ob der Anspruch gegen den Vertragspartner eine anderweitige Ersatzmöglichkeit darstellt, wenn und soweit sein [X.]an-spruch gegen den Notar wegen Mitverschuldens nach § 254 BGB gemindert ist, liegt bislang keine höchstrichterliche Entscheidung vor. Es spricht man-ches dafür, das [X.] des § 19 Abs. 1 Satz 2 [X.] insoweit zu versagen, als der [X.]anspruch des Vertragspartners selbst unter Be-rücksichtigung seines Mitverschuldens besteht. Denn insofern muß der No-tar in jedem Falle mit seiner Inanspruchnahme rechnen. Der [X.] braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden, weil ein Mitverschul-den vorliegend nicht in Betracht kommt. Der Notar, der bei der Durchführung eines [X.] das Recht fehlerhaft anwendet, kann einem Beteiligten ein Mitverschulden in aller Regel selbst dann nicht vorwerfen, wenn dieser - etwa weil er selbst rechtskundig ist - den Fehler hätte bemerken können (vgl. [X.] 134, 100, 114 f; [X.], Urt. v. 26. Juni 1997 - [X.] ZR 163/96, [X.], 1901, 1903; v. 29. März 2001 - [X.] ZR 445/98, [X.], 1204, 1207).

Ein Mitverschulden hätte der Beklagte der [X.] nur ent-gegenhalten können, wenn Rechtsanwalt [X.], der die Verkäuferin bei [X.] vertreten hat, als selbständig tätiger Rechtsanwalt von der [X.] mandatiert gewesen wäre. Gegebenenfalls hätte [X.] seine anwaltlichen Pflichten gegenüber der [X.] verletzt. Sollte die Behauptung des Beklagten zutreffen, die Idee von der Beseitigung der Grundschuld durch Ausübung des Vorkaufsrechts sei von T.

entwik-kelt worden, fiele diese Pflichtverletzung als dem Mandanten zuzurechnen-des Mitverschulden ins Gewicht, und die [X.] hätte ihrerseits einen [X.]anspruch gegen Rechtsanwalt [X.] . In diesem Falle wäre so-gar eine doppelte Verweisung möglich: Der Beklagte könnte den Kläger auf - 10 - die Inanspruchnahme der [X.] und die [X.] auf die Inanspruchnahme [X.] verweisen.

So liegt der Fall indessen nicht. [X.] war nicht selbständig, sondern als angestellter Mitarbeiter der [X.] tätig. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der [X.] vom 16. Dezember 1993, das der [X.] selbst mit seiner Klageerwiderung vorgelegt hat.

[X.]) Der in den Schutzbereich der [X.] einbezogene [X.] ist in der Regel nicht infolge Verjährung gehindert, seinerseits bei dem Notar [X.] zu nehmen. Die Verjährung des dem Vertragspartner zustehenden [X.]anspruchs kann frühestens zu laufen beginnen, wenn ihm ein Schaden entstanden ist. Dabei kann es sich, soweit es um die Frage nach einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit geht, nur um den Schaden han-deln, der dem Vertragspartner aus der Inanspruchnahme durch den zuerst Geschädigten erwächst. So lange diese Inanspruchnahme aussteht, läuft mithin im Verhältnis des Vertragspartners zu dem Notar keine [X.].

d) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit hat - und hatte - der Kläger auch nicht in sonstiger Hinsicht (§ 563 ZPO a.F.).

[X.]) Der Kläger hat gegen Rechtsanwalt [X.] persönlich, der als [X.] der [X.] den Vertrag über die "Übertragung einer Rückauf-lassungsvormerkung" abgeschlossen hat, keine Schadensersatzansprüche; als Mitarbeiter der [X.] genießt jener obendrein den Schutz - 11 - durch die notariellen Amtspflichten, die dem Beklagten gegenüber der Treu-handanstalt oblagen.

[X.]) Ansprüche gegen den [X.] scheiden als anderweitige Ersatzmöglichkeit ebenfalls aus, weil auch dieser Verkäufer in den Schutzbereich der notariellen Amtspflichten einbezogen ist (vgl. oben b).

cc) Nach dem Vortrag des Beklagten hat der Kläger die Möglichkeit versäumt, gegen Zahlung des [X.] von 1.095.000 DM das lastenfreie Eigentum an dem Grundstück zu erhalten. Der [X.] habe - so der Beklagte - den Kaufpreisanspruch an die Grundschuldgläubigerin, die [X.]

([X.]), abgetreten, und diese habe die Überlassung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Grundschuld angeboten, wenn ihr die [X.] gezahlt werde. Die Annahme dieses Angebots hätte den Schaden jedoch nicht vermieden. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten war nämlich die [X.]

hinsichtlich des [X.] nicht sachbefugt, weil der Abtretung an diese eine sol-che an eine andere Bank vorausgegangen war.

II[X.]

Da sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist (§ 563 ZPO a.F.), ist es aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie - 12 - zur
- 13 - Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.), und der Klage statt-geben.

[X.]
Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 262/00

15.07.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2004, Az. IX ZR 262/00 (REWIS RS 2004, 2295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2295

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