30. Senat | REWIS RS 2019, 1038
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In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 017 430.3
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 28. November 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.] vom 20. Dezember 2017 aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
[X.]
ist am 17.06.2016für die Dienstleistungen der
„Klasse 35: Werbung, Marketing und Verkaufsförderung; Hilfe in Geschäftsangelegenheiten, Geschäftsführung und administrative Dienstleistungen; betriebswirtschaftliche Analyse-, Recherche- und Informationsdienstleistungen; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten
Klasse 36: Versicherungsdienstleistungen; Immobiliendienstleistungen; Depotverwahrungsdienste; Finanz-, Geld- und Bankgeschäfte; Fundraising und Sponsoring; finanzielle Schätzungen; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten
Klasse 45: juristische Dienstleistungen; Beratung und Information in Bezug auf vorgenannte Dienstleistungen, soweit in dieser Klasse enthalten“
zur Eintragung als Marke in das vom [X.] geführte Register angemeldet worden.
[X.] sei ein Zahlwort, das zur Nummerierung verwendet werde und zugleich die Zeugnisnote „sehr gut“ darstelle. Mit dieser Bedeutung werde es in der Produktwerbung häufig als Bewertungsziffer für eine sehr gute Leistung, eine Spitzenstellung auf dem Markt oder die Nummer Eins eines Rankings verwendet. Eine entsprechende brancheneinschlägige Verwendung sei nach den Ergebnissen einer amtsseitigen Internetrecherche auch für die hier relevanten Dienstleistungen belegbar, so dass das Anmeldezeichen wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung auszuschließen sei. Ob auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Anmelders.
[X.] nicht belegt. Die amtsseitigen Rechercheergebnisse beträfen teilweise markenmäßige Verwendungen. In weiteren Fundstellen sei dem Zahlwort „Eins“ jeweils ein beschreibender oder sonstwie erläuternder Zusatz beigefügt, so dass sich ein Sinngehalt erst aus der Wortkombination ergebe. Vorliegend sei das Zeichen [X.] dagegen gerade isoliert und ohne einen solchen Zusatz angemeldet worden und daher ohne Weiteres eintragungsfähig.
Der Anmelder beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.]s vom 20. Dezember 2017 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des [X.] in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen keine Schutzhindernisse gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 [X.] entgegenstehen. Dem als Marke angemeldeten Zahlwort [X.] fehlt für die konkret beanspruchten Dienstleistungen weder jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch stellt es insoweit eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) - [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).
2. Zahlen und Zahlwörtern – wie hier: [X.] – fehlt nicht bereits von Haus aus jede Unterscheidungskraft; vielmehr ist eine auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bezogene Einzelfallbeurteilung unerlässlich, welche die Zahl [X.] als schutzfähig oder nicht schutzfähig erscheinen lassen kann (vgl. etwa BGH [X.] 2002, 970, 971 – Zahl 1; Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn 230 f., 232 m. w. N.).
Nicht unterscheidungskräftig sind insbesondere Zahlen, welche für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eine beschreibende Bedeutung haben. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Zahlen wegen ihres häufigen Einsatzes als Preis-, [X.] oder Mengenangaben eher als sachbezogene Angaben verstanden werden als Buchstaben oder Wörter, was dem Eindruck eines betrieblichen [X.] entgegenstehen kann; eine derartige beschreibende Verwendbarkeit ist bei Grundzahlen eher anzunehmen als bei speziellen längeren Zahlenfolgen ([X.]/ Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn 230 f.). Daneben ist bei Zahlen auch ein die Unterscheidungskraft ausschließendes Verständnis als sonstiger Sachhinweis möglich, so z. B. bei Jahreszahlen oder wenn Zahlen als Synonyme zur Beschreibung bestimmter Eigenschaften oder Vorgänge (vgl. [X.] PROMA 28 W (pat) 119/05 – 2 in 1; BPatG [X.] 2004, 336, 337 – beauty 24) bzw. als Kürzel und Ersatz für ([X.]) Wörter (z. B. „2“ für to oder „4“ statt „for“, vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 231 mwN) benutzt oder verstanden werden.
[X.] – ist maßgeblich, ob die benannte Zahl bzgl. der einschlägigen Waren und Dienstleistungen als Mengenangabe, Größenbezeichnung usw. von wesentlicher Bedeutung ist und auch für sich selbst (also nicht nur in untrennbarer Verbindung mit den jeweiligen Maß- oder Mengenbezeichnungen) sachbezogen verstanden wird. In solchen Fällen kommt auch ein werbemäßig hervorgehobener beschreibender Gebrauch des entsprechenden Zahlworts in Betracht (vgl. [X.] PROMA 29 W (pat) 180/98 – [X.]). Sofern diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, kann dagegen die Schutzfähigkeit von Zahlwörtern bejaht werden (BGH [X.] 2000, 231, 232 – FÜNFER; vgl. zum Ganzen auch Ströbele/Hacker/Thiering, a. a [X.], § 8 Rn. 232 mwN).
3. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds steht dem angemeldeten Zahlwort [X.] in Bezug auf die vorliegend relevanten Dienstleistungen das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht entgegen.
a) Zunächst kommt in Zusammenhang mit den in den Klassen 35, 36 und 45 konkret beanspruchten Werbe-, Finanz- und juristischen Dienstleistungen ein Verständnis des Zahlwortes [X.] als Preis-, Maß- oder Mengenangabe von vorneherein nicht in Betracht.
b) Ferner ist, entgegen der Auffassung der Markenstelle, für diesen Dienstleistungszusammenhang ein die Unterscheidungskraft ausschließendes Verständnis als sonstiger Sachhinweis oder werblich anpreisender Qualitätshinweis nicht feststellbar.
[X.] kann nach der Rechtsprechung des [X.] nicht allgemein und unabhängig von dem konkreten Waren- oder Dienstleistungszusammenhang mit einer „Bewertungsziffer für eine sehr gute Leistung“ oder dem Hinweis auf eine „Spitzenstellung auf dem Markt“ gleichgestellt werden (vgl. etwa BGH [X.] 2002, 970 – Zahl 1).
[X.] in Alleinstellung – branchenüblich als Sachbezeichnung verwendet oder eindeutig als Qualitätshinweis verstanden würde. Die Fundstellen der Markenstelle belegen dies nicht, da das Zahlwort „Eins“ hier stets mit einem Zusatz verwendet wird (z.B.: „[X.]“, „Nummer Eins“, „Platz Eins“), überdies fehlt es in vielen Fällen schon generell an einem merkmalsbeschreibenden Sachbezug (z.B: „Anwalt eins stellt dem [X.] eine Frage, (…) ruft Anwalt zwei“; „Immobilie eins ist eine Doppelhaushälfte“). Auch eine ergänzende Internetrecherche des Senats hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass [X.] in Alleinstellung in Zusammenhang mit den hier relevanten Dienstleistungen (in den Bereichen Werbung, Versicherung und Finanzen, juristische Dienstleistungen) branchenüblich als Sach- oder Qualitätshinweis verwendet oder verstanden würde.
[X.] in Alleinstellung im vorliegenden Dienstleistungszusammenhang in seinem Aussagegehalt unklar, weil für den Verkehr nicht auf Anhieb eindeutig erkennbar wird, was mit ihm zum Ausdruck gebracht werden soll (vgl. BGH [X.] 2002, 970, Rn. 22 – Zahl 1).
4. Dem Anmeldezeichen fehlt ausgehend hiervon weder die erforderliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch unterliegt es einem Freihaltungsbedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Insbesondere lässt sich ein Freihaltungsbedürfnis nicht damit begründen, dass das verfahrensgegenständliche Zahlwort eine sinnvolle Verwendung als Beschaffenheitsangabe im Rahmen einer „Spitzenstellungswerbung“ finden könnte; denn insoweit fehlt es vorliegend wie dargelegt an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Verkehr alleine in der Kennzeichnung mit dem Zahlwort [X.] die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung für die in Rede stehenden Dienstleistungen sieht (vgl. schon BGH [X.] 2002, 970, Rn. 24 – Zahl 1).
5. Zu keinem anderen Ergebnis führt die amtsseitig zitierte Rechtsprechung ([X.] (pat) 065/03 – „4“; 29 W (pat) 180/98 – „[X.]“; 28 W (pat) 69/12 – „1“), zumal diese Entscheidungen jeweils einen anderen Waren- und Dienstleistungszusammenhang betreffen. Weitere von der Markenstelle zitierte Entscheidungen betreffen aus [X.] und Zahl zusammengesetzte Kombinationsmarken ([X.] (pat) 042/04 – „[X.]“; BPatG 24 W (pat) 33/10 „[X.]“; [X.] (pat) 146/00 – „[X.]“; [X.]/14 – „[X.]“) und lassen sich daher ebenso wenig unbesehen auf den vorliegenden Fall übertragen.
6. Die Beschwerde ist daher begründet.
Meta
28.11.2019
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2019, Az. 30 W (pat) 515/18 (REWIS RS 2019, 1038)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 1038
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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