Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. 1 StR 421/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1925

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 421/12

vom
25. Oktober
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Beihilfe zur Steuerhinterziehung
u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 25. Oktober 2012 beschlos-sen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12.
März 2012 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs.
2 StPO).

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Ergänzend bemerkt der Senat:
Auch die Verfahrensrüge, das [X.] habe sich zu Unrecht an eine Verständigung i.[X.]. §
257c StPO gebunden gefühlt, bleibt ohne Erfolg.
1. Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Am dritten Tag der Hauptverhandlung traf die [X.] mit der Staatsanwaltschaft, der Angeklagten und dem Verteidiger eine Verständigung im Sinne von §
257c StPO. Die Verständigung umfasste für den Fall eines frühzeitigen Geständnisses der Angeklagten u.a. die Zusage der [X.], dass sie bei der zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe eine [X.] von einem Jahr und vier Monaten nicht unterschreiten und eine Strafobergrenze von einem Jahr und acht Monaten nicht überschreiten werde, wobei sie die -
3
-
Vollstreckung der zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung aus-setzen werde.
An einem späteren Hauptverhandlungstag erteilte die [X.] den rechtlichen Hinweis (§
265 Abs.
1 StPO), dass in den Fällen der [X.] anstelle der in der Anklageschrift angenommenen mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung jeweils lediglich Beihilfe zur Steuerhinterzie-hung verwirklicht sein könnte. In diesen zehn Fällen verurteilte die [X.] die Angeklagte dann auch nur wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Insgesamt
wurde die geständige Angeklagte vom [X.] wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Verkürzen von Arbeitsentgelt in 50 Fällen (Ein-zelstrafen zwischen 30 Tagessätzen Geldstrafe und zehn Monaten Freiheits-strafe) und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen (Einzelstra-fen zwischen einem Monat und vier Monaten Freiheitsstrafe) zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten mit Strafaussetzung zur Be-währung
verurteilt.
Der
Verteidiger hatte für diese Taten in seinem Schlussvor-trag die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten beantragt. Nach den Urteilsfeststellungen
hatte
die Angeklagte auf Anweisung des Mitangeklagten

J.

für die von diesem geführte E.

Hoch-
und Industriebau GmbH gegenüber den Sozialversicherungs-trägern und in [X.] in den Jahren 2005 und 2006 bezüg-lich der bei der GmbH beschäftigten Arbeitnehmer geringere als die tatsächlich bezahlten Löhne angemeldet und dadurch Arbeitgeber-
und [X.] zur Sozialversicherung sowie Lohnsteuer verkürzt.
2. Die Revision ist der Ansicht, dass wegen der Veränderung des rechtli-chen Gesien der Steu-erhinterziehung die Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß §
257c -
4
-
Abs.
4 Satz
1 StPO entfallen sei und dass das [X.] diesen Umstand in den Urteilsgründen bei der Strafzumessung zum Ausdruck hätte bringen müs-sen.
3. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die Verfahrensrü-ge schon deshalb den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO nicht ent-spricht, weil die Revision sich nicht dazu verhält, ob auch die Angeklagte in der Hauptverhandlung nach dem rechtlichen Hinweis des Gerichts den in der Ver-ständigung für die Gesamtstrafe vereinbarten Strafrahmen nach wie vor für [X.] erachtet und die Verständigung weiterhin für bindend an-gesehen hat. Hierfür spricht, dass die Verteidigung -
was von der Revision ebenfalls nicht mitgeteilt wird -
in ihrem Schlussvortrag eine in der Mitte des vereinbarten Rahmens liegende Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten beantragt hat. Die Rüge hat -
ihre Zulässigkeit unterstellt -
je-denfalls
in der Sache keinen Erfolg.
a)
Die abweichende rechtliche Einstufung der Tatbeiträge
der Angeklag-ten bei den Steuerstraftaten durch das Gericht führte -
entgegen der [X.] der Revision -
nicht zum Entfallen der Bindungswirkung der Verständi-gung.
Die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt gemäß §
257c Abs.
4 Satz
1 StPO erst dann, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Straf-rahmen nicht mehr tat-
oder [X.] ist. Dabei liegt die Prüfung und Entscheidung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende [X.] auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der ge-troffenen Verständigung möglich ist, im Verantwortungsbereich des Gerichts -
5
-
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Juni 2012 -
4 [X.], [X.], 3113).
In
§
257c Abs.
4 Satz
1 StPO ist ausdrücklich geregelt, dass ein Abweichen von der Verständigung und damit ein Entfallen der Bindung an diese unter anderem voraussetzt, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, der in Aussicht gestellte Strafrahmen sei nicht mehr tat-
oder [X.]. Dies war hier ersichtlich nicht der Fall.
b) Das [X.] durfte die hier für die Gesamtstrafe gemäß §
257c Abs.
3 Satz
2 StPO in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen nach dem Hin-weis gemäß §
265 Abs.
1 StPO zur rechtlichen Einstufung der Mitwirkung der Angeklagten an den Steuerhinterziehungsdelikten lediglich als Beihilfe statt als Mittäterschaft weiterhin als tat-
und [X.] ansehen.
aa) Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Straf-rahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat-
und [X.]e Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht wie auch sonst bei [X.] im Bereich der Strafzumessung ein weiter Beurtei-lungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn die zugesagte Strafober-
oder die zugesagte [X.] nicht mehr mit den Vorgaben des materi-ellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldaus-gleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der ge-troffenen Verständigung abzuweichen.
[X.]) So verhält es sich hier indes nicht.
-
6
-
(1) Der
Schuldgehalt einer gewichtigen Beihilfetat kann sogar größer sein als der einer mittäterschaftlichen Tatbeteiligung, die sich auf weniger ge-wichtige Tatbeiträge
beschränkt. Das [X.] durfte deshalb bei der Be-wertung des [X.] der nunmehr von ihm als Beihilfe eingestuften Tat-beiträge der Angeklagten

d-

49) besondere Bedeutung beimessen.
(2) Gewicht hatte hier auch der Umstand, dass sich die Verständigung gemäß §
257c StPO nicht auf die für die zehn [X.] festzusetzenden Einzelstrafen bezog, sondern lediglich auf die insgesamt zu verhängende Ge-samtstrafe. In die Gesamtstrafenbildung waren jedoch auch die Einzelstrafen für 50 Fälle der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) -
darunter dann auch die zweifach verwirkte Einsatzstrafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe -
einzubeziehen, die von der veränderten rechtli-chen Einstufung der Tatbeteiligung bei den [X.]n nicht betroffen wa-ren.

4. Einer ausdrücklichen Darlegung, aus welchen Gründen das Tatgericht die der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmengrenzen für die Gesamt-strafe auch auf der Grundlage veränderter Bewertung der Tatbeteiligung bei den [X.]n als Beihilfe statt Mittäterschaft weiterhin für tat-
und schuld-angemessen erachtet und deswegen an der Verständigung festgehalten hat, bedurfte es in den Urteilsgründen nicht (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juni 2012
-
4 [X.], [X.], 3113).

Maßgeblich ist lediglich, ob sich die verhängte Strafe von ihrer Bestim-mung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dies ist hier bei der
mode-raten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, in die auch die -
7
-
50 Einzelstrafen wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Ar-beitsentgelt eingeflossen sind, nicht der Fall.
[X.]Wahl Jäger

Sander [X.]

Meta

1 StR 421/12

25.10.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. 1 StR 421/12 (REWIS RS 2012, 1925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1925

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